Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 27.10.2011, Az.: L 8 SO 215/11 B ER
Anerkennung eines behinderungsbedingt erforderlichen Heimaufenthalts als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung; Verwertbarkeit einer Lebensversicherung als Vermögen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.10.2011
- Aktenzeichen
- L 8 SO 215/11 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 33222
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:1027.L8SO215.11B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 20.05.2011 - AZ: S 24 SO 64/11 ER
Rechtsgrundlagen
- § 12 Nr. 1 EinglH-VO
- § 10a EStG
- § 19 Abs. 3 SGB XII
- § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII
- § 82 SGB XII
- § 85 SGB XII
- § 87 SGB XII
- § 88 SGB XII
- § 90 Abs. 1 SGB XII
- § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII
- § 90 Abs. 3 SGB XII
- § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII
- § 55 Abs. 1 SGB IX
- § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX
Fundstellen
- ZfF 2013, 218-219
- ZfSH/SGB 2012, 287-291
Redaktioneller Leitsatz
1. Bei einem behinderungsbedingt erforderlichen Heimaufenthalt handelt es sich regelmäßig nicht um eine Maßnahme der Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII bzw. § 12 Nr. 1 EinglH-VO. Ein solcher Aufenthalt dient jedenfalls dann nicht dem Ziel, einen Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern, wenn er auch unabhängig vom Alter bzw. der Schulpflicht geboten wäre. Die Privilegierungsvorschrift des § 92 Abs. 2 S. 1 SGB XII (Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts und ohne Berücksichtigung von Vermögen) gilt in solchen Fällen nicht.
2. Allein eine behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung vermag bei einer Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII keine allgemeine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII zu begründen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine Härte liegt erst dann vor, wenn die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bei einer Verwertung des Vermögens wesentlich erschwert würde. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 20. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für die vollstationäre Unterbringung im E., einem Wohnheim für behinderte Kinder und Jugendliche, in Höhe von 4.733,40 EUR monatlich ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ihrer Eltern ab April 2011.
Die 2002 geborene Antragstellerin gehört zum Personenkreis der schwerbehinderten Menschen (GdB 100, Merkzeichen G, aG, B, Bl, H und RF). Sie leidet u.a. an einer pontocerebellären Hypoplasie (Minderentwicklung des Kleinhirns) und daraus resultierenden Störungen der Steh- und Gehfähigkeit sowie der Sprachentwicklung; sie ist durch diese Behinderung dauerhaft in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, an der Gesellschaft teilzuhaben, und hat deshalb einen Leistungsanspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel SGB XII. Bis 2007 lebte die Antragstellerin mit ihren Eltern in F. im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Im August 2007 verzogen die Eltern nach G., die Antragstellerin wurde in einem Wohnheim der H. GmbH in I. aufgenommen. Von August 2009 bis März 2011 besuchte die Antragstellerin die Tagesbildungsstätte des heilpädagogischen Zentrums in J. und lebte während dieser Zeit weiter in dem Wohnheim in I ... Die Kosten wurden vom Antragsgegner übernommen (zuletzt Bewilligungsbescheid vom 22. Februar 2010), von den Eltern der Antragstellerin wurde ein Kostenbeitrag in Höhe der häuslichen Ersparnis (ab August 2010 137,00 EUR monatlich) gefordert. Wohl erstmals im Jahre 2010 wurden die Eltern aufgefordert, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen. Mit Bescheiden vom 22. Dezember 2010 und vom 29. März 2011 setzte der Antragsgegner einen aus dem Einkommen der Eltern zu erbringenden Kostenbeitrag für die Monate Januar bis März 2011 in Höhe von jeweils 2.370,80 EUR fest und nahm mit weiterem Bescheid vom 26. Januar 2011 den Bewilligungsbescheid vom 22. Februar 2010 ab dem 2. Februar 2011 wegen über dem gesetzlichen Schonbetrag liegenden Vermögen zurück. Gegen sämtliche Bescheide sind von der Antragstellerin bzw. ihren Eltern Widersprüche eingelegt worden, über die, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden ist. Wegen der aufschiebenden Wirkung der Rechtsmittel sind die Zahlungen an die H. GmbH in I. bis einschließlich März 2011 weiter erfolgt.
Am 1. März 2011 beantragten die Eltern der Antragstellerin für diese die Übernahme der Kosten für die beabsichtigte Heimunterbringung im E. ab dem 1. April 2011. Tatsächlich wechselte die Antragstellerin am 1. April 2011 vom Wohnheim der H. GmbH in I. in das Wohnheim der E. Betriebsgesellschaft mbH in Bremen (K.), dort ist sie seither auch postalisch gemeldet. Gleichzeitig wechselte sie von der Tagesbildungsstätte in J. in die Schule für Körperbehinderte an der L. in Bremen. Die Entfernung zwischen Schule und Wohnheim in Bremen beträgt etwa 22 km, zwischen dem Wohnort der Eltern und der Schule 57 km. Bei dem Wohnheim der E. GmbH handelt es sich um eine vollstationäre Einrichtung, die im Wesentlichen für die Betreuung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen eingerichtet ist, die zusätzlich körperliche Beeinträchtigungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten mitbringen. Das Leistungsangebot umfasst nach der Leistungsbeschreibung Wohnen, Vollversorgung, pädagogische Förderung, Pflege und Betreuung im Wohnheim. Zur Betreuung gehören demnach umfassende, auf die Bedarfe und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner zugeschnittene Hausaufgabenbetreuung sowie Begleitung und Unterstützung bei der Lernentwicklung. Monatlich fallen für den Heimaufenthalt Kosten in Höhe von 4.733,40 EUR an (der Rechnungsbetrag für August 2011 beträgt 4.891,18 EUR).
Nach Weiterleitung des ursprünglich bei dem Land Bremen gestellten Antrags an den gemäß § 98 Abs 2 Satz 1, 2 SGB XII zuständigen Antragsgegner hat dieser mit Bescheid vom 31. März 2011 den Antrag auf Kostenübernahme mit der Begründung abgelehnt, den Eltern sei ein Einkommenseinsatz in Höhe von 2.370,80 EUR monatlich zuzumuten, außerdem verfügten sie über Vermögen u.a. in Form von verwertbaren Lebensversicherungen. Dem ist die Antragstellerin in ihrem noch nicht beschiedenen Widerspruch mit der Begründung entgegengetreten, ihre Unterbringung in einer vollstationären Einrichtung gehöre zum Besuch der Schule i.S.v. § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII. Nach § 12 Nr 1 EinglH-VO umfasse die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des§ 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern, also beispielsweise das Erlernen lebenspraktischer Fähigkeiten wie das Kleiden, die Kommunikation und das Erlernen von Essensfertigkeiten. Dies seien alltägliche Handlungen, die für die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und eben zum Schulbesuch erforderlich seien.
Mit derselben Begründung hat die Antragstellerin am 11. April 2011 beim SG Bremen um Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Kostenübernahme für die stationäre Heimunterbringung nachgesucht. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 20. Mai 2011 abgelehnt. Bei der stationären Unterbringung handele es sich nicht um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i.S.v.§ 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII, bei der ein Kostenbeitrag gemäß § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII auf die Kosten des Lebensunterhalts beschränkt wäre. Hier handele es sich vielmehr um eine Leistung der Eingliederungshilfe, für die von den dafür Verpflichteten ein Kostenbeitrag in zumutbarer Höhe zu leisten sei. Einkommen und Vermögen der Eltern der Antragstellerin könnten deshalb nicht außer Betracht bleiben.
Gegen den am 25. Mai 2011 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsstellerin mit ihrer am 27. Juni 2011 (einem Montag) eingelegten Beschwerde. Sie vertritt weiter die Auffassung, die Heimunterbringung sei Bestandteil der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Ohne die pädagogische Arbeit in der Einrichtung wäre ihr ein Schulbesuch nicht möglich. Das E. habe die Kündigung der Betreuung angekündigt für den Fall, dass zwei Monatsraten nicht gezahlt würden; bereits die Rechnung für die Kosten für August 2011 sei von den Eltern nicht beglichen worden, weil diese anderenfalls Vermögensdispositionen hätten treffen müssen, die nicht mehr rückgängig zu machen wären.
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die einstweilige Anordnung dient dabei lediglich der Sicherung von Rechten eines Antragstellers, nicht aber ihrer Befriedigung. Sie darf grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Etwas anders gilt, wenn ohne den Erlass der begehrten Anordnung ein wirksamer Rechtsschutz in der Hauptsache nicht erreicht werden kann und dies im Interesse des Rechtsuchenden unzumutbar wäre (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage 2008, § 86b RdNr 31). Eine einstweilige Regelung ist geboten, wenn bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache zu erwarten ist. Umgekehrt kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht beansprucht werden, wenn im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Sowohl die schützenswerte Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, als auch die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 4 SGG iVm § 920 Abs 2 ZPO).
Hier fehlt es am erforderlichen Anordnungsanspruch, zudem kann der Anordnungsgrund nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen zur Sach- und Rechtslage:
Die Antragstellerin hat gegenüber dem Antragsgegner in Anbetracht ihrer behinderungsbedingten Einschränkungen grundsätzlich Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe für den Besuch der Schule für Körperbehinderte an der L. in Bremen. Rechtsgrundlage für derartige Leistungen, deren Umfang nicht bekannt ist und die hier nicht im Streit stehen, ist § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iV mit § 12 Nr 1 der EinglH-VO. Danach sind Leistungen der Eingliederungshilfe ua Hilfen zu einer allgemeinen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht; sie umfassen auch Maßnahmen zugunsten behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Unstreitig hat die Antragstellerin auch dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iV mit § 55 Abs 1 und Abs 2 Nr 7 SGB IX. Hierunter fallen u. a. die Leistungen, die im Zusammenhang mit der Aufnahme der Antragstellerin im Wohnheim der E. GmbH erforderlich sind. Dies hatte der Antragsgegner bereits mit der Kostenübernahmeerklärung für den Aufenthalt der Antragstellerin im Wohnheim der H. GmbH in I. akzeptiert; eine Änderung im Betreuungsbedarf der Antragstellerin ist seither nicht ersichtlich.
Eingliederungshilfe für behinderte Personen wird jedoch nach § 19 Abs 3 SGB XII nur geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels SGB XII nicht zuzumuten ist. Da die Antragstellerin, soweit bekannt, selber weder über Einkommen noch Vermögen verfügt, ist hier maßgebend, ob ihre Eltern die erforderlichen Mittel für den Heimaufenthalt aufbringen können; in diesem Fall besteht wegen fehlender Bedürftigkeit kein Leistungsanspruch.
Grundsätzlich ist nach § 87 SGB XII im Rahmen der Zumutbarkeit das gesamte nach den §§ 82 - 84 SGB XII ermittelte zu berücksichtigende Einkommen einzusetzen, soweit es über der Einkommensgrenze (§ 85 SGB XII) liegt, teilweise auch unter der Einkommensgrenze (§ 88 SGB XII). Entsprechendes gilt auch für das unter Beachtung von § 90 SGB XII ermittelte verwertbare Vermögen. In bestimmten Fällen, die in § 92 Abs 2 Satz 1 Nrn 1 bis 8 SGB XII enumerativ aufgezählt sind, ist der Einkommenseinsatz den grundsätzlich Verpflichteten jedoch nur für die Kosten des Lebensunterhalts (und nicht für darüber hinaus gehende Eingliederungshilfeleistungen) zuzumuten; in diesen Fällen sind die Leistungen zudem gemäß § 92 Abs 2 Satz 2 SGB XII ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen. Einschlägig für den hier zu entscheidenden Fall von den Nrn 1 bis 8 in § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII ist allenfalls die Nr 2; danach ist die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu privilegiert. Würde es sich also bei den im Zusammenhang mit dem Aufenthalt der Antragstellerin im Wohnheim der E. GmbH anfallenden Aufwendungen um solche handeln, die der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu dienen, müssten die Eltern mit ihrem Einkommen nur für die Kosten des Lebensunterhalts der Antragstellerin und mit ihrem Vermögen gar nicht beitragen.
Zutreffend sind hier der Antragsgegner und das SG davon ausgegangen, dass die für die Antragstellerin im Wohnheim der E. GmbH erbrachten Leistungen nicht nach § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII privilegiert sind. Die Vorschrift knüpft an § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII an (Leistungen der Eingliederungshilfe sind neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu) sowie an § 12 EinglH-VO. Nach Nr 1 der Vorschrift umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die Nr 2 der Vorschrift, die Maßnahmen der Schulbildung außerhalb der allgemeinen Schulpflicht betrifft, kommt hier nicht in Betracht, da die Antragstellerin im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Regelschule (die Schule für Körperbehinderte an der L. in Bremen) besucht.
Der Heimaufenthalt der Antragstellerin ist, wie sich nicht zuletzt aus der Mahnung der E. GmbH vom 28. September 2011 ergibt, zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich. Es ist demnach unerlässlich, ihre teilweise unter 35°C sinkende Körpertemperatur zu überwachen und sie wegen der Gefahr epileptischer Anfälle Tag und Nacht zu beobachten. Nach Einschätzung der Einrichtung kann eine fachgerechte Versorgung der Antragstellerin zu Hause allenfalls dann geleistet werden, wenn beide Eltern ihren Beruf aufgeben und schichtweise die Betreuung übernehmen. Auch der Rehabilitationsbericht des Neurologischen Rehabilitationszentrums M. vom 8. Dezember 2010 belegt einen durchgehenden Betreuungsbedarf; die Antragstellerin ist danach in allen Alltagssituationen (Mobilität, Nahrungsaufnahme, Hygiene, Kommunikation) auf Hilfe angewiesen. Der Aufenthalt im E. dient damit jedenfalls nicht vordergründig dem Ziel, der Antragstellerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern, er wäre auch unabhängig vom Alter bzw der Schulpflicht geboten.
Der Senat hat nicht näher geprüft, ob der Aufenthalt im E., wie seitens der Antragstellerin vorgetragen, angesichts ihrer Behinderungen tatsächlich dem Erlernen lebenspraktischer Fähigkeiten (Kleiden, Kommunikation und das Erlernen von Essensfertigkeiten) dienen kann. Der Senat verkennt nicht, dass derartige alltägliche Handlungen auch zum Schulbesuch zumindest hilfreich wären. Allerdings geht es hier in erster Linie darum, der Antragstellerin die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu erleichtern oder zu ermöglichen. Ein direkter Bezug zum Schulbesuch besteht nicht.
Auch die im Leistungskatalog der E. GmbH enthaltenen Positionen "pädagogische Förderung" sowie "auf die Bedarfe und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner zugeschnittene Hausaufgabenbetreuung sowie Begleitung und Unterstützung bei der Lernentwicklung" sind keine Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher iS von § 12 Nr 1 EinglH-VO. Hierbei handelt es sich vielmehr um Maßnahmen, die üblicherweise und auch bei nicht behinderten Kindern von den Eltern oder anderen Betreuungspersonen durchgeführt werden. Dem Vorbringen der Antragstellerin kann nicht entnommen werden, dass bei ihr eine behinderungsbedingt erforderliche zusätzliche pädagogische Förderung, Hausaufgabenbetreuung oder Unterstützung bei der (schulischen) Lernentwicklung erfolgt. Nur wenn dies der Fall wäre und eine entsprechende Maßnahme isoliert in Rechnung gestellt würde, könnte es sich um eine solche iS von § 12 Nr 1 EinglH-VO handeln.
Die Eltern der Antragstellerin als nach § 19 Abs 3 SGB XII Verpflichtete haben demnach ihr Einkommen und Vermögen in zumutbarer Höhe für den Aufenthalt der Antragstellerin im Wohnheim der E. GmbH einzusetzen. Der Senat lässt offen, ob die Berechnung des Antragsgegners hinsichtlich des Einkommenseinsatzes im Einzelnen zutreffend ist. Bei einem Bruttoeinkommen von über 8.500,00 EUR und einem bereinigten Einkommen von 5.671,86 EUR (so die Berechnung des Antragsgegners im Bescheid vom 22. Dezember 2012) verbleibt jedenfalls auch unter Berücksichtigung möglicher weiterer abzusetzender Beträge ein über der Einkommensgrenze von rund 2.300,00 EUR liegendes Einkommen in nicht unbeträchtlicher Höhe. Eine genaue Berechnung, die zudem wegen fehlender Unterlagen in den Akten des Antragsgegners nicht möglich ist, kann hier unterbleiben, weil die Eltern der Antragstellerin zumindest vorerst aus ihrem Vermögen die im Wohnheim der E. GmbH anfallenden Kosten aufbringen können.
Anfang des Jahres 2011 hat der Antragsgegner auf der Grundlage der von den Eltern der Antragstellerin eingereichten Unterlagen (die sich nicht in den Akten des Antragsgegners befinden) neben einem Sparvermögen von 13.658,82 EUR drei Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert von insgesamt 34.631,15 EUR ermittelt sowie einen Erbanteil der Mutter der Antragstellerin aus einem Haus- und Grundbesitz in nicht bekannter Höhe. Nach Angaben der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin haben deren Eltern die bis Juli 2011 angefallenen Kosten im Wohnheim der E. GmbH übernehmen können, würden jetzt jedoch nur noch über die ihres Erachtens geschützten Lebensversicherungen verfügen. Ein derartiger Schutz besteht jedoch nicht.
Grundsätzlich ist gemäß § 90 Abs 1 SGB XII das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Die Sozialhilfe darf jedoch nicht vom Einsatz oder von der Verwertung der in den Nummern 1 - 9 des § 90 Abs 2 SGB XII genannten Vermögensgegenstände abhängig gemacht werden. Keine dieser Ausnahmen sind hier einschlägig. Insbesondere kommt die Nr 2 der Vorschrift nicht in Betracht, nach der das Kapital einschließlich seiner Erträge geschützt ist, welches der zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 10a oder des Abschnitts XI des EStG dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Eine derartige Anlageform ist nicht dargelegt worden. Seitens der anwaltlich vertretenen Antragstellerin wird lediglich behauptet, es müssten Vermögensdispositionen getroffen werden, die nicht mehr rückgängig zu machen seien. Eine Auflösung der Lebensversicherungen gegen Auszahlung des Rückkaufwertes ist demnach möglich. Unbeachtlich ist insoweit, ob die Lebensversicherungen der Alterssicherung dienen sollten, weil ausdrücklich nur sog. Riester-Renten durch § 90 Abs 2 Nr 2 SGB XII geschützt sind.
Die Lebensversicherungen sind auch nicht nach § 90 Abs 3 SGB XII berücksichtigungsfrei. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Nach Satz 2 dieses Absatzes ist dies bei Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
Allein die behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung vermag bei einer Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII keine allgemeine Härte iS des § 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII zu begründen (vgl. Hessisches LSG, Urteil v. 21. Mai 2010 L 7 SO 78/06 Rdn 28, juris). Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine Härte liegt erst dann vor, wenn die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bei einer Verwertung des Vermögens wesentlich erschwert würde. Hier ist nur behauptet worden, es würde ein wesentlicher Schaden im Rahmen der Alterssicherung entstehen. Damit ist die Gefährdung einer angemessenen Altersvorsorge (der Eltern der Antragstellerin) nicht glaubhaft gemacht. Ausweislich der Verdienstbescheinigungen aus dem Jahre 2007 (weitere sind in den Akten nicht enthalten) üben beide Elternteile rentenversicherungspflichtige Beschäftigungen aus; bei ihnen bestehen Rentenanwartschaften, die bei ihren überdurchschnittlichen Einkommen nach derzeitigem Stand zu einer mehr als bedarfsdeckenden monatlichen Rente führen würden.
Freizulassen ist lediglich gemäß § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII iV mit § 1 Abs 1 Nr 1b, Nr 3 der VO zu § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII ein Vermögensschonbetrag in Höhe von 3.726,00 EUR. Damit verbleibt allein aus den Lebensversicherungen ein einzusetzender Betrag von über 30.000,00 EUR. Der Wert des Erbanteils der Mutter der Antragstellerin aus einem Haus- und Grundbesitz muss deshalb in diesem Verfahren nicht näher ermittelt werden.
Die Antragstellerin hat damit den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass die im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt im Wohnheim der E. GmbH anfallenden Aufwendungen jedenfalls vorerst von ihren Eltern zu tragen sind.
Unabhängig davon ergibt sich aus dem Vorstehenden auch, dass der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund also die besondere Dringlichkeit einer sofortigen Entscheidung in der Sache - nicht glaubhaft gemacht worden ist. Die Notwendigkeit der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes ergibt sich aus § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Diese vom Gesetz geforderten wesentlichen Nachteile, die ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung eintreten müssten, sind hier nicht ersichtlich.
Ein Anordnungsgrund kann beispielsweise bejaht werden, wenn notwendige Leistungen für den Lebensunterhalt nicht erbracht werden, wenn der Verlust einer Unterkunft droht oder wenn überhaupt irreparable, nicht wieder gut zu machende Nachteile einzutreten drohen. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Die Eltern der Antragstellerin haben jedenfalls bis Juli 2011 die Kosten für den Aufenthalt der Antragstellerin im Wohnheim der E. GmbH getragen. Auch für die Folgezeit ist ihnen dies möglich. Hierzu müssen nicht, wie von ihnen behauptet, Vermögensdispositionen getroffen werden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Vielmehr ist auch eine Beleihung der Lebensversicherungen möglich oder die Aufnahme eines durch die Lebensversicherungen oder den ererbten Haus- und Grundbesitz der Mutter der Antragstellerin abgesicherten Kredites. Hierdurch entstünden weder bei der Antragstellerin noch bei deren Eltern irreparable Schäden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).