Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 26.10.2011, Az.: L 7 AS 893/11 B ER

Reparaturkosten beim Eigenheim

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.10.2011
Aktenzeichen
L 7 AS 893/11 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 45145
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 22.08.2011 - AZ: S 17 AS 468/11 ER

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Handelt es sich beim selbstgenutzen Haus um kein Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, werden Reparaturkosten nicht übernommen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die 1963 geborene Antragstellerin bewohnt mit ihren zwei Kindern, die selbst nicht hilfebedürftig sind, in C. ein bebautes Grundstück mit einer Größe von ca. 1.000 Quadratmeter (qm) nebst einem weiteren angeschlossenen Grundstück von ca. 500 qm. Das Haus hat eine Wohnfläche von ca. 140 qm und ist mit einer zur Tierarztpraxis mit sechs Patientenboxen ausgebauten Scheune verbunden. Die Antragstellerin erhält seit dem 1. Januar 2005 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt in Höhe von 475,76 € monatlich. Davon entfallen kopfanteilig 140,66 € auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

In den letzten zwei Jahren waren nach Angaben der Antragstellerin folgende Renovierungsarbeiten am Haus erforderlich, deren Erstattung durch den Antragsgegner abgelehnt wurden: Reinigung und Überprüfung der Dichtigkeit der Regenrinne, Ersatz aufgeplatzter Fallrohre, Instandhaltung und neuer Anstrich der Außenfassade, Erneuerung der Wetterschutzfarbe an den Holzfassaden, Neuanstrich der Eingangstüren, Neuanstrich der Innenräume. Der Antragsgegner habe lediglich im Jahre 2010 die Erneuerung von drei Fenstern im Erdgeschoss (Kosten ca. 3.000,00 €) und die Erneuerung des Durchlauferhitzers (Kosten ca. 450,00 €) übernommen. Folgende Reparaturarbeiten stehen nach Angaben der Antragstellerin noch an: Balkenkopfsanierung Wohnhaus (Kosten 2.350,00 €), Fachwerksanierung Scheune (Kosten 3.665,00 €), Dachverlängerung Scheune (Kosten 3.669,00 €) und Ersatz der Heizkörperthermostate.

Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 24. Februar 2011 (Blatt 1563 Verwaltungsakte) und Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011 (Blatt 1578 Verwaltungsakte) den Antrag auf Übernahme der Kosten für die Instandsetzung und Erneuerung mehrerer Fenster im Obergeschoss ab, weil nach Feststellung des Außendienstes anlässlich einer Ortsbesichtigung am 22. Februar 2011 der Zustand der betroffenen Fenster weiterhin keinen direkten Einfluss auf die Bewohnbarkeit des Hauses habe, sondern nur eine optische Beeinträchtigung darstelle. Über diese Streitfrage ist vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig ein Klageverfahren anhängig.

Mit Schreiben vom 3. August 2011 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung zwecks Instandhaltung / Erneuerung der Fenster im Obergeschoss gestellt. Inzwischen habe sich erneut eins der Kinder an den scharfen Glasbruchkanten eines der defekten Kinderzimmerfenster verletzt. Eine Reinigung der Fenster sei nicht möglich. Der Winter stehe bald vor der Tür, somit unverhältnismäßig hohe Heizkosten durch den enormen Wärmeverlust verursacht würden.

Der Antragsgegner hat seine Auffassung wiederholt, dass die Fenster nur kleine Risse aufweisen und keiner Grunderneuerungen bedürfen. Soweit die Antragstellerin scharfe Glasbruchkanten eines Fensters geltend mache, könne es sich nur um das Fenster handeln, welches von ihr selbst im Beisein des Außendienstmitarbeiters des Antragsgegners mutwillig zerschlagen worden sei.

Das SG hat durch Beschluss vom 22. August 2011 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Da eine vollständige Sachaufklärung nicht möglich sei, müsse eine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung erfolgen. Diese gehe zulasten der Antragstellerin, weil ihr zuzumuten sei, Ermittlungen im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Die bisherigen Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass die beschädigten Fenster Auswirkungen auf die Wohnqualität und auf die Raumtemperatur hätten. Die Gefahr für die Kinder durch die Glasbruchkanten könne die Antragstellerin beseitigen, indem sie entweder die scharfen Kanten oder die gesamte Innenscheibe vollständig entferne. Die erhöhten Heizungskosten seien darauf zurückzuführen, dass eine Erstattung nur für die angemessene Wohnfläche von 85 qm möglich sei.

Die Antragstellerin hat am 16. September 2011 gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt ihre Auffassung, dass die beschädigten Fenster im Obergeschoss repariert bzw. erneuert werden müssten.

Der Antragsgegner verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft. Der Senat geht zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass ein Ausschlussgrund gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht gegeben ist, weil in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Zwar hat die Antragstellerin keinen Kostenvoranschlag für die begehrten Instandsetzungsarbeiten vorgelegt. Es wird jedoch unterstellt, dass für die vier defekten Fenster im Obergeschoss mindestens der Betrag aufzuwenden sein wird, für die im Jahre 2010 erneuerten drei Fenster im Erdgeschoss, was nach Angaben der Antragstellerin ca. 3.000,00 € gekostet hat.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil die Voraussetzungen gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht vorliegen. Die Antragstellerin kann nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen, dass der Antragsgegner für die streitige Reparatur bzw. Erneuerung der Fenster im Obergeschoss aufkommen muss.

Der Senat hat bei der vorzunehmenden Folgenabwägung, die vorliegend zuungunsten der Antragstellerin ausfällt, so dass eine endgültige Klärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt, folgende Gesichtspunkte einbezogen:

Gemäß § 22 Abs. 2 SGB II in der ab 1. April 2011 gültigen Fassung werden als Bedarfe für die Unterkunft auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbstbewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauf folgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind (Satz 1). Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur diesen Unterkunftsbedarf, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll (Satz 2). Die Antragstellerin hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass die Mehraufwendungen für die defekten Fenster im Obergeschoss zuzüglich der bereits gewährten Unterkunftskosten sich noch im Rahmen der angemessenen Bedarfe für Unterkunft der nächsten zwölf Monate befinden. Vergleichsmaßstab ist insoweit die Jahresbruttomiete, weil die Eigenheimbesitzer nicht besser behandelt werden dürfen als Mieter. Das SG hat dargelegt, dass ausgehend von einer für drei Personen maximalen Bruttokaltmiete von 575,30 € monatlich die an die Antragstellerin und ihren Kindern gewährten Kosten für Unterkunft in Höhe von 421,98 € monatlich abzuziehen sind, so dass der Antragstellerin für unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II kopfanteilig nur ein Betrag von 51,10 € monatlich, also insgesamt 613,28 € verbleibt. Dieser Betrag liegt erheblich unter dem voraussichtlichen Reparaturaufwand. Hinzu kommt der weitere Reparaturbedarf für die Balkenkopfsanierung, Fachwerksanierung und Dachverlängerung in Höhe von fast 10.000,00 €. Ferner hat die Antragstellerin anlässlich der Ortsbesichtigung am 16. Dezember 2010 erklärt, dass die Heizungsanlage bereits 35 Jahre alt und nahezu unbrauchbar sei. Diesbezüglich ist also kurzfristig mit einem weiteren Reparaturnotstand zu rechnen. Der Umfang der ausstehenden Renovierungsarbeiten ist zwischenzeitlich so groß geworden, dass er sich insgesamt nicht mehr als angemessen darstellen könnte. Jedenfalls hat die mittellose Antragstellerin nicht plausibel dargelegt, wie sie die nicht durch staatliche Transferleistungen abgedeckten Renovierungsaufwendungen bestreiten will, um ein weiteres Wohnen in dieser Unterkunft zu sichern.

Die Gewährung eines Darlehens zur Deckung der nicht übernommenen Reparaturaufwendungen kommt nach Aktenlage nicht in Betracht, weil es sich beim bewohnten Wohneigentum nicht um Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II handelt. Danach ist als Vermögen ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nicht zu berücksichtigen. Die zwei von der Antragstellerin bewohnten Grundstücke haben eine Grundfläche von ca. 1.500 qm und übersteigen eindeutig den Angemessenheitsrahmen eines SGB II-Leistungsbeziehers. Größere Grundstücksflächen als 800 qm sind auch im ländlichen Bereich nicht mehr als leistungsunschädlich anzusehen (Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II-Kommentar, Stand: September 2008, § 12 Rdn. 212). Da nach Angaben der Antragstellerin das Grundstück nicht geteilt werden kann und andere Verwertungsmöglichkeiten nicht ersichtlich sind, muss die Antragstellerin das Grundstück verkaufen. Das gilt umso mehr, als auch das bewohnte Haus mit einer Wohnfläche von ca. 140 qm zu groß ist. Für die Antragstellerin und ihre Kinder angemessen ist nämlich - wie das SG ausführlich dargelegt hat - eine Wohnfläche von 85 qm. Bei dieser Sachlage ist es im Rahmen der Folgenabwägung wenig sinnvoll, den Antragsgegner zur Übernahme von Instandhaltungskosten für eine nicht angemessene Immobilie zu verpflichten (sei es auch nur als Darlehen), wenn bereits jetzt voraussehbar ist, dass die Antragstellerin das überdimensionierte Haus verkaufen muss, wenn sie überhaupt im Bezug von Arbeitslosengeld II verbleiben will.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.