Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 25.10.2011, Az.: L 7 AS 1432/10 B
Höhe Rechtsanwaltsgebühren; Zweites Widerspruchsverfahren gegen Kostenbescheid
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.10.2011
- Aktenzeichen
- L 7 AS 1432/10 B
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 45139
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 17.11.2010 - AZ: 12 AS 1109/10
Rechtsgrundlagen
- Nr 2401 RVG-VV
- § 14 RVG
- § 63 RVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Gebühren eines Rechtsanwalts für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid sind entsprechend VV RVG Nr. 2401 zu reduzieren, wenn der Anwalt bereits in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig geworden ist.
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 17. November 2010, mit dem der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren in einem Widerspruchsverfahren nach § 63 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Die 1981 geborene Klägerin steht im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 15. Mai 2008 setzte der Beklagte gegen die Klägerin eine Sanktion fest. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, welchen sie mit Schriftsatz vom 23. Juni 2008 durch ihren Prozessbevollmächtigten weitergehend begründen ließ. Mit Bescheid vom 06. August 2008 half der Beklagten dem Widerspruch ab. Über den Kostenantrag nach § 63 SGB X hat der Beklagte mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 09. September 2008 entschieden. Nachdem die Klägerin auch dagegen Widerspruch eingelegt hatte, half der Beklagte mit Bescheid vom 03. Februar 2009 erneut ab. Zugleich erklärte er sich bereit, die durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag zu erstatten.
Auf Antrag der Klägerin vom 10. Februar 2009 setzte der Beklagte die der Klägerin zu erstattenden notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 09. September 2008 auf 166,60 € fest. Er setzte dabei die Geschäftsgebühr nicht wie beantragt nach der Nummer 2400 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) fest, sondern nach der Nummer 2401 VVRVG und zwar in Höhe der Schwellengebühr von 120,00 €. Der von der Klägerin dagegen eingelegte Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2009 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 21. Oktober 2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Hildesheim Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben und die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Ihr stünde die Erstattung einer Geschäftsgebühr nach der Nummer 2400 VV RVG zu. Das dem Widerspruchsverfahren nachfolgende Kostenfestsetzungsverfahren stelle mit diesem eine Angelegenheit dar und könne daher nicht gesondert abgerechnet werden. Dementsprechend könne im Widerspruchsverfahren auch nicht die Gebühr nach der Nummer 2401 VV RVG entstehen, sondern die Gebühr nach Nummer 2400 VV RVG. Der Ansatz der Geschäftsgebühr nach Nummer 2401 VV RVG komme nur in Betracht, wenn zuvor eine Gebühr nach der Nummer 2400 VV RVG für den Rechtsanwalt entstanden sei. Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 13 RVG mit der Hauptsache eine Angelegenheit darstelle, womit der Kläger aber bereits eine Geschäftsgebühr nach Nummer 2400 VV RVG verdient habe. Insofern erschließe sich nicht, wieso eine weitere Geschäftsgebühr nach Nummer 2400 VV RVG für die Kostenfestsetzung fällig werden solle.
Mit Beschluss vom 17. November 2010 hat das SG Hildesheim die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin entsprechend der Vorschrift 2401 VVRVG im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig geworden sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei unstreitig bereits in dem Widerspruchsverfahren gegen den Absenkungsbescheid sowie dem daran anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren für die Klägerin tätig geworden. Insofern sei die Tätigkeit in dem Widerspruchsverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 09. September 2008 erleichtert worden, was lediglich zum Ansatz der Geschäftsgebühr nach Nummer 2401 VV RVG für dieses Widerspruchsverfahren führe. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vortrage, dass der Ansatz der Geschäftsgebühr nach Nummer 2401 VVRVG deswegen ausgeschlossen sei, weil er der Klägerin für das Kostenfestsetzungsverfahren keine Geschäftsgebühr nach Nummer 2400 VVRVG in Rechnung stellen könne, so sei dies fehlerhaft. Das Kostenfestsetzungsverfahren bilde mit dem Widerspruchsverfahren gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 13 RVG eine Einheit, weshalb für das Kostenfestsetzungsverfahren keine gesonderte Gebühr von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin verlangt werden könne. Die Tätigkeit der Kostenfestsetzung werde insofern durch die Geschäftsgebühr, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für das Widerspruchsverfahren erhalte, mit abgegolten. Das isolierte Abstellen auf das Kostenfestsetzungsverfahren als eigenständiges Verfahren sei vor diesem Hintergrund der Gesetzeslage nicht vereinbar.
Gegen den der Klägerin am 17. November 2010 zugestellten Beschluss hat diese am 10. Dezember 2010 Beschwerde eingelegt. Der Rechtsstreit habe hinreichende Erfolgsaussicht gehabt. Das Kostenfestsetzungsverfahren bilde mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit, so dass für das Kostenfestsetzungsverfahren keine gesonderte Gebühr verlangt werden könne. Da es sich jedoch bei dem Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbescheides um eine andere Angelegenheit als im Rahmen des Hauptsacheverfahrens handele, sei im vorliegenden Verfahren die zu erstattende Gebühr nach Nummer 2400 VV RVG festzusetzen. Der Beklagte bezieht sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.
Mit Urteil vom 23. November 2010 hat das SG Hildesheim die Klage abgewiesen, wogegen die Klägerin am 22. Dezember 2010 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben hat.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie auf das PKH-Heft und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig aber nicht begründet.
Die Klage hat keine Aussicht auf Erfolg, sodass Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen war. Insoweit nimmt der Senat in vollem Umfang Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung gemäß § 142 Abs. 2 Satz 2 SGG und macht sich diese zueigen. Nur ergänzend wird ausgeführt, dass die Tatsache, dass es sich bei dem Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbescheides um eine andere Angelegenheit als das Hauptsacheverfahren handelt, vorliegend nicht zu der Festsetzung einer weiteren Gebühr nach Nummer 2400 VV RVG führt. Es ist anerkannt, dass, wenn der Widerspruch gegen den Kostenfestsetzungsbescheid erfolgreich ist, erneut Kostenerstattung geltend gemacht werden kann (vgl. Roos von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 63 Rdnr. 45). Insoweit ist es auch zutreffend, dass dann, wenn der Rechtsanwalt nur im Nachprüfungsverfahren tätig war, er die Gebühr nach VV 2400 erhält (vgl. Meyer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, Rdnr. 14). Eine solche Konstellation ist vorliegend allerdings nicht gegeben. Der Prozessbevollmächtigte war bereits im Widerspruchsverfahren gegen den Sanktionsbescheid tätig. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 13 RVG a. F. (Neu: § 19 Abs. 1 Nr. 14 RVG i. d. F. des Gesetzes vom 17.12.2008, BGBl. I S. 2586) gehören zu dem Rechtszug oder dem Verfahren auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 RVG eine besondere Angelegenheit ist, insbesondere die Kostenfestsetzung und die Einforderung der Vergütung. Das bedeutet, dass für die Kostenfestsetzung keine gesonderte Geschäftsgebühr erhoben wird, weil diese von der Gebühr, welches für das Hauptsacheverfahren gewährt wird, umfasst ist (zur alten Rechtslage: BSG 25.10.2010 - B 11 AL 24/08 R -, SozR 4-1300 § 63 Nr. 12). Das nachfolgende Widerspruchsverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbescheid ist zwar gesondert zu vergüten, allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits im Rahmen der Hauptsache und der Kostensetzung tätig war. Damit ist der Grund für die Minderung des Rahmens der Geschäftsgebühr für das folgende Verwaltungsverfahren gemäß Nummer 2401 VV RVG gegenüber der Geschäftsgebühr für das initiale Verwaltungsverfahren Nr. 2400 VV RVG erfüllt. Die aufwändige Einarbeitung ist nämlich entfallen (vgl. insoweit Hinne, Anwaltsvergütung im Sozialrecht, 1. Auflage 210, § 3 Rdnr. 90). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist eben gerade nicht nur im Vorverfahren tätig geworden und kann damit nicht die Gebühr der Nummer 2400 erhalten. Diese fällt nur dann an, wenn er nur im Verwaltungsverfahren oder nur im Vorverfahren tätig geworden ist (vgl. Curkovic in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher in RVG, 4. Auflage 2011, Vorbemerkung 2.4 Nr. 2400 - 2401 VV/Teil 2 Rdnr. 4).
Kosten sind nicht zu erstatten, § 127 Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).