Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 24.10.2011, Az.: L 8 SO 275/11 B ER

Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 für im Haushalt der Eltern lebende über 25-Jährige Leistungsbezieher ab dem 1.1.2011

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
24.10.2011
Aktenzeichen
L 8 SO 275/11 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 33221
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2011:1024.L8SO275.11B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - 10.08.2011 - AZ: S 13 SO 48/11 ER

Redaktioneller Leitsatz

Die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung des BSG, nach der im Haushalt der Eltern lebende über 25-Jährige Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII Anspruch auf den Eckregelsatz hatten, ist auf das seit dem 1.1.2011 geltende Recht nicht übertragbar. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 10. August 2011 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) gewährten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, insbesondere über die Höhe des ihm zustehenden Regelsatzes.

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Der 1967 geborene Antragsteller ist dauerhaft voll erwerbsgemindert. Er erhielt zunächst Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz und bezieht seit Inkrafttreten des SGB XII am 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der für den Antragsgegner handelnden Stadt Leer. Der Antragsteller lebt zusammen mit seiner nicht leistungsberechtigten Mutter in einem Haushalt. Ihm wurde deshalb neben hälftigen Kosten der Unterkunft und Heizung seit 2005 zunächst der Regelsatz für einen Haushaltsangehörigen gewährt. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 19. Mai 2009 (B 8 SO 8/08 R = BSGE 103, 181ff, [BSG 19.05.2009 - B 8 SO 8/08 R] zitiert nach juris) entschieden hatte, dass der Ansatz eines Regelsatzes für einen Haushaltsangehörigen bei Zusammenleben eines Leistungsberechtigten nach dem 4. Kapitel des SGB XII mit einer anderen erwachsenen Person nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft eine Einsatzgemeinschaft iS des§ 19 SGB XII oder eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB II bilden, gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit ab 1. März 2006 den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes. Entsprechende Leistungen erhielt der Antragsteller bis 31. Dezember 2010.

3

Mit Artikel 3 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des II. und XII. Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (Bundesgesetzblatt I 2011, 453) wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2011 durch Neufassung der §§ 27 bis 29 SGB XII und Einfügung der Anlage zu§ 28 SGB XII für die Zeit ab 1. Januar 2011 Regelbedarfsstufen eingeführt. Die Stadt Leer erließ daraufhin am 1. Juli 2011 einen Änderungsbescheid für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2011, wobei dem Antragsteller bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums am 30. Juni 2011 der für einen Alleinstehenden geltende Regelsatz von monatlich 364,00 EUR gewährt wurde.

4

Für den neuen Bewilligungszeitraum ab 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 gewährte die Stadt Leer mit Bescheid vom 1. Juli 2011 Leistungen in Höhe von monatlich 696,14 EUR unter Berücksichtigung eines Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 3 von 291,00 EUR, Kosten der Krankenversicherung von 126,90 EUR, der Pflegeversicherung von 18,74 EUR und eines Mehrbedarfs für Warmwasser von 7,50 EUR. Die anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung wurden ohne Abzug von Kosten der Warmwasserbereitung und unter Berücksichtigung des Mietanteils für die Mutter des Antragstellers mit 252,00 EUR angesetzt. Über den hiergegen am 5. Juli 2011 erhobenen Widerspruch mit dem Ziel der Gewährung von Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 ist bislang nicht entschieden.

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Am 7. Juli 2011 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Aurich (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel der Gewährung eines Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 1. Das SG hat dem Antrag mit Beschluss vom 10. August 2011 stattgegeben und den Antragsgegner im Rahmen einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zu einer Bestandskraft des Bescheides vom 1. Juli 2011, längstens bis zum 30. Juni 2012, Leistungen unter Berücksichtigung eines Regelsatzes von 364,00 EUR monatlich zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass auch nach der erfolgten Gesetzesänderung ab 1. Januar 2011 von einem gemeinsamen Haushalt iS der Anlage zu§ 28 SGB XII und damit der Gewährung eines Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 3 im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung nur auszugehen sei, wenn die Voraussetzungen einer Einsatzgemeinschaft oder einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II vorlägen. Der Antragsteller bilde mit seiner Mutter jedoch keine Bedarfsgemeinschaft, weil er das 25. Lebensjahr bereits vollendet habe.

6

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner am 25. August 2011 Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, die gesetzliche Neuregelung sei bereits vom Wortlaut her eindeutig. Danach gelte für den in einem Haushalt mit seiner Mutter lebenden Antragsteller die Regelbedarfsstufe 3. Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens komme die Gewährung eines der neuen Rechtslage nicht entsprechenden Regelsatzes nicht in Betracht. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bis 28. Februar 2006 mit der Gewährung des Regelsatzes eines erwachsenen Haushaltsangehörigen zurecht gekommen sei.

7

Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

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den Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 10. August 2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

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Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

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die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aurich vom 10. August 2011 zurückzuweisen.

11

Er begehrt weiterhin die Gewährung eines Regelsatzes zur Höhe von 364,00EUR monatlich.

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Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die zu dem Verfahren L 8 SO 209/11 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

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II. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert erreicht, denn der streitige Bewilligungszeitraum umfasst Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012. Die Differenz zwischen den seitens des SG Aurich zugesprochenen und den seitens des Antragsgegners bewilligten und als rechtmäßig erachteten Leistungen beläuft sich auf monatlich 73,00 EUR (364,00 EUR statt 291,00 EUR monatlich) und beträgt damit für den Gesamtzeitraum 876,00 EUR. Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

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Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Entgegen der Auffassung des SG liegen die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG nicht vor. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 ZPO). Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Erfolgsaussichten des anhängigen Widerspruchs nach summarischer Prüfung ergibt, dass ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist.

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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Bescheid des Antragsgegners ist nicht zu beanstanden. Der hiergegen gerichtete Widerspruch wird voraussichtlich erfolglos bleiben.

16

Die dem Antragsteller aktuell bewilligten Leistungen haben eine monatliche Höhe von 696,14 EUR. Es ist nicht offensichtlich und vom Antragsteller auch nicht behauptet, dass die Bedarfsberechnung fehlerhaft ist. Der Antragsgegner hat insbesondere zu Recht den Berechnungen des Regelsatzes die seit dem 1. Januar 2011 geltenden Vorschriften der §§ 8 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG), 27a SGB XII und der Anlage zu § 28 SGB XII iVm § 42 Nr. 1 SGB XII zugrunde gelegt. Gemäß § 27a Abs. 1 SGB XII umfasst der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. Der gesamte notwendige Lebensunterhalt mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf (§ 27 a Abs. 2 SGB XII). Dieser ist in Regelbedarfsstufen unterteilt, die bei Kindern und Jugendlichen altersbedingte Unterschiede und bei erwachsenen Personen deren Anzahl im Haushalt sowie die Führung eines Haushalts berücksichtigen. Gemäß Abs 3 der Vorschrift sind zur Deckung der Regelbedarfe, die sich nach den Regelbedarfsstufen der Anlage zu § 28 SGB XII ergeben, monatliche Regelsätze zu gewähren.

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Ausweislich § 8 RBEG und der Anlage zu § 28 SGB XII ist die Regelbedarfsstufe 1 für eine erwachsene leistungsberechtigte Person vorgesehen, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt. Die Regelbedarfsstufe 3 gilt für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt, noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt. Die monatliche Leistung beläuft sich in Regelbedarfsstufe 1 auf 364,00 EUR und in Regelbedarfsstufe 3 auf 291,00 EUR.

18

Der Antragsteller ist in die Regelbedarfsstufe 3 einzuordnen. Denn er führt nach summarischer Prüfung weder einen eigenen noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt. Er lebt vielmehr in dem Haushalt seiner Mutter. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ist die Mutter Mieterin der Wohnung; an sie richten sich die Nebenkostenabrechnungen des Vermieters und die Rechnungen des Strom- und Gasversorgers. Sie hat auch das Wohngeld bezogen. Dem steht nicht entgegen, dass dem Antragsteller für die vorausgegangenen Bewilligungszeiträume auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Rechtslage der ungekürzte Eckregelsatz gewährt worden ist. Denn die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Mai 2009 B 8 SO 8/08 R, zitiert nach juris) ist auf das seit dem 1. Januar 2011 geltende Recht nicht übertragbar. Grundlage der Entscheidung des BSG war die Vermeidung eines Wertungswiderspruches zwischen dem SGB XII und dem SGB II und die Tatsache, dass sich weder in den Regelungen des SGB XII noch in denjenigen der Regelsatzverordnung inhaltliche Vorgaben dazu gefunden hatten, in welchem Umfang, bei welchen Bedarfen und in welchen Konstellationen des Zusammenlebens der Gesetzgeber des SGB XII von einem geringeren Bedarf wegen der Ersparnisse einer gemeinsamen Haushaltsführung ausgegangen war (vgl. BSG, Urteil vom 19. Mai 2009, aaO. juris Rdnr 20).

19

Mit Einführung der neuen Regelbedarfsstufen gemäß § 8 RBEG und Anlage 28 zum SGB XII hat der Gesetzgeber diesen Bedenken Rechnung getragen und seit dem 1. Januar 2011 eine weitgehende Gleichstellung zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII erreicht. Denn nunmehr erhält ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, der alleinstehend oder alleinerziehend oder dessen Partnerin oder Partner minderjährig ist, gem. § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II einen Regelsatz von 364,00 EUR, desgleichen nach der Anlage zu § 28 SGB XII in Regelbedarfsstufe 1 eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt. Zwei Partnern einer Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, steht gem. § 20 Abs. 4 SGB II und zwei erwachsenen Leistungsberechtigten, die in einer Ehe oder vergleichbaren Partnerschaft leben gem. der Anlage zu § 28 SGB XII in Regelbedarfsstufe 2 ein Regelsatz von jeweils 328,00 EUR zu. Sonstige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft haben gem. §§ 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 19 Abs. 1 S. 2 SGB II und erwachsene leistungsberechtigte Personen, die weder einen eigenen noch als Ehegatte oder in einer vergleichbaren Partnerschaft einen gemeinsamen Haushalt führen, nach der Anlage zu § 28 SGB XII in Regelbedarfsstufe 3 einen Anspruch auf einen Regelsatz zur Höhe von 291,00 EUR. Dieser Regelsatz gilt auch für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben und gemäß § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II in der ab 1. April 2011 geltenden Fassung Sozialgeld beziehen. Mit Ausnahme der 15 bis 18jährigen Kinder, für die nach der Anlage zu § 28 SGB XII eine gesonderte Regelbedarfsstufe 4 gilt, entsprechen auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche im SGB XII denen des SGB II. Damit sind insbesondere erwachsene Kinder, die dem Haushalt ihrer Eltern angehören und nicht erwerbsfähig sind, im SGB XII und SGB II gleichgestellt. Nichts anderes muss für im Haushalt der Eltern lebende Leistungsberechtigte nach dem 4. Kapitel des SGB XII gelten. Dieser anspruchsberechtigte Personenkreis unterscheidet sich von anderen nicht erwerbsfähigen Personen lediglich durch die Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung. Dieses Kriterium kann nicht ausschlaggebend für eine unterschiedliche Behandlung sein. Mit der Einordnung auch dieser Leistungsberechtigten in die Regelbedarfsstufe 3 hat der Gesetzgeber deshalb eine Gleichstellung sämtlicher nicht erwerbsfähiger Personen erreicht.

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Als einziger Unterschied zwischen dem SGB XII und dem SGB II ergibt sich, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte imSGB II mit Vollendung des 25. Lebensjahres unabhängig von der Haushaltszugehörigkeit eine eigenständige Bedarfsgemeinschaft bilden (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) und damit einen vollen Regelsatz von derzeit 364,00 EUR erhalten, während dauerhaft voll Erwerbsgeminderte nach dem 4. Kapitel des SGB XII auch nach Vollendung des 25. Lebensjahres nach der Regelbedarfsstufe 3 als Haushaltsangehörige nur einen Regelsatz von 291,00 EUR bekommen.

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Diese unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt und in der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 17/4095, S. 27)überzeugend mit Systemunterschieden der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe begründet worden. Dort heißt es: "Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wendet sich ihrer Zielrichtung nach vornehmlich an einen dem Grunde nach erwerbsfähigen Personenkreis, der nur vorübergehend der Unterstützung durch steuerfinanzierte Sozialleistungen bedarf. Aus der Erwerbsfähigkeit ergeben sich imSGB II Pflichten zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Diese gelten insbesondere auch für im Haushalt der Eltern lebende Erwachsene ab 25 Jahren, die Arbeitslosengeld II beziehen. Von ihnen ist deshalb ein erhöhtes Maß an Eigenverantwortung und wirtschaftlicher Beweglichkeit einzufordern, woraus sich auch die Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit durch einen Regelbedarf entsprechend der Regelbedarfsstufe 1 ableitet".

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Derartige Obliegenheiten treffen nicht erwerbsfähige erwachsene Kinder nicht. Es ergibt sich deshalb keine Grundlage für eine Anerkennung wirtschaftlicher Eigenständigkeit, wenn ein eigener Haushalt nicht geführt wird.

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Ein weiterer Systemunterschied zwischen dem SGB II und dem 4. Kapitel des SGB XII zeigt sich in der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen, dem Einsatz von Vermögen oder der Anrechnung von Erwerbseinkommen. Denn während nach dem SGB II gem. § 9 Abs. 2 SGB II das Einkommen und Vermögen der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen ist, ist im Rahmen der Leistungsberechtigung nach dem 4. Kapitel des SGB XII die Einsatzgemeinschaft und Unterhaltsverpflichtung zwischen Eltern und erwachsenem Kind weitestgehend aufgehoben. Bereits bei Einführung des zuvor geltenden Grundsicherungsgesetzes, war seitens des Gesetzgebers beabsichtigt, alten Menschen und insbesondere von Geburt und früher Kindheit dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen einen von Unterhaltsansprüchen unabhängigen Anspruch auf ein Mindesteinkommen zu ermöglichen (vgl. Gesetzesbegründung zu der beabsichtigten Änderung des Sozialhilferechts im Rahmen des Gesetzesentwurfs zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens AltersvermögensgesetzAVmG- BT-Ds 14/4595 S. 38 f). Allerdings war mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht die Absicht verbunden, diesen im Haushaltszusammenhang lebenden Personen einen Anspruch einzuräumen, wie er Alleinstehenden in Höhe des Eckregelsatzes oder Paaren in Höhe des später eingeführten Partnerregelsatzes zusteht (BT-DS 17/4095 S. 41). Dies hat der Gesetzgeber nunmehr mit der Einordnung in Regelbedarfsstufe 3 klargestellt.

24

Anhaltspunkte dafür, dass die Regelbedarfssätze nach dem Regelbedarfsermittlungsgesetz nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen wären, sind nicht ersichtlich. Zum einen stellt das dem RBEG zugrundeliegende Statistikmodell, das heißt die Bedarfsermittlung auf Basis von Sonderauswertungen, die das statistische Bundesamt auf der Grundlage der von ihm erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) von 2008 durchgeführt hat, eine vertretbare Methode zur realitätsnahen Bestimmung des Existenzminimums dar. Zum anderen muss eine etwaige Klärung verfassungsrechtlicher Fragen einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. April 2011 L 20 SO 133/11 B ER, zitiert nach Juris, dort Rdnr 15ff).

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Der Antragsgegner hat die Leistungen der Höhe nach auch imÜbrigen zutreffend berechnet. Er hat insbesondere für die seit dem 1. Januar 2011 gem. § 35 Abs. 4 SGB XII nicht mehr im Regelsatz enthaltenen Kosten der Warmwasserbereitung auf der Grundlage des § 30 Abs. 7 SGB XII in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung einen Mehrbedarf anerkannt. Denn die Warmwasserbereitung in der Wohnung des Antragstellers erfolgt nicht über die Heizung. Der Mehrbedarf beläuft sich in der Regelbedarfsstufe 3 auf 2,3 vom Hundert des Regelsatzes und damit auf 6,69 EUR (291 x 2,3 %). Der streitige Bescheid weist einen Mehrbedarf von 7,50 EUR aus.

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Zu Recht hat der Antragsgegner ferner festgestellt, dass ein Mehrbedarf für Erwerbsminderung gemäß § 30 Abs 1 Nr. 2 SGB XII nur so lange gewährt wird, wie die Voraussetzungen vorliegen, insbesondere ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" bzw. "aG" gültig ist. Dem Antragsteller ist mit den Bescheiden vom 1. Juli 2011 anheimgestellt worden, durch Vorlage des Ausweises eine etwaige Verlängerung nachzuweisen. Es ist bislang nicht ersichtlich, dass der Antragsteller einen entsprechenden Nachweis erbracht hat. Auch wenn die Voraussetzungen für die Gewährung eines Mehrbedarfs weiterhin vorliegen sollten, hätte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit keinen Erfolg, denn der Antragsteller kann Rechtsschutz auf einfachere Weise erreichen, indem er den erforderlichen Nachweis erbringt. Eines gerichtlichen Eilrechtsschutzes bedarf es insoweit nicht.

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Anhaltspunkte dafür, dass die Leistungen im Übrigen unzutreffend berechnet wären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1 SGG.

29

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).