Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.05.1992, Az.: 8 L 4455/91

Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle für das Elektroinstallateur-Handwerk; Bau und Prüfung von Erdungs- und Blitzschutzanlagen; Qualifizierung eines Betriebes als Handwerksbetrieb; Zumutbarkeit der Meisterprüfung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.05.1992
Aktenzeichen
8 L 4455/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 13360
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:0518.8L4455.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 24.04.1991 - AZ: 7 VG A 108/87
nachfolgend
BVerwG - 15.10.1992 - AZ: BVerwG 1 B 177/92

Verfahrensgegenstand

Eintragung in die Handwerksrolle (§ 8 HwO) Ausnahmebewilligung -.

Prozessführer

des Herrn ..., ...

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. G. Schulz-Koffka und andere, Bödekerstraße 76-78, Hannover 1 -

Prozessgegner

die Bezirksregierung Hannover, Hannover 1,

Sonstige Beteiligte

Handwerkskammer Hannover, Berliner Allee 17, Hannover 1,

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Bau und die Prüfung von Erdungs- und Blitzschutzanlagen gehört - als Teilhandwerk - zu den wesentlichen Tätigkeiten des Elektrohandwerks.

  2. 2.

    Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit des Ablegens der Meisterprüfung ist der gesamte bisherige Lebensweg zu berücksichtigen; besondere persönliche Belastungen begründen nur im Ausnahmefall eine entsprechende Unzumutbarkeit.

Der 8. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts
hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 1992
durch
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heidelmann als Vorsitzenden,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Atzler und Groepper s
owie die ehrenamtlichen Richterinnen Fröhling und Hanne
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 7. Kammer - vom 24. April 1991 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der am 15. Dezember 1940 geborene Kläger legte im Jahre 1959 die Gesellenprüfung im Klempner- und Installateur-Handwerk ab und war bis April 1963 unselbständig in diesem Beruf tätig. Anschließend arbeitete er bis November 1981 bei der Firma T., G. (...), als Blitzschutz-Obermonteur. In der Folgezeit war der Kläger bis einschließlich Dezember 1983 arbeitslos. Im Januar 1984 wurde er Gebietsleiter der Firma B. S. GmbH in I./A. und führte deren dortige Niederlassung im Rahmen eines Handelvertretervertrages. Diese Tätigkeit übte er bis Juli 1986 aus. Seitdem ist er als Blitzableiter-Setzer selbständig tätig.

2

Der Kläger nahm am 13./14. Februar 1986 an einem Seminar für Blitzschutzmonteure in Neumarkt/Oberpfalz teil. Außerdem bestand er die Prüfung als "Blitzableitersetzer" nach Absolvierung eines Lehrgangs vom 12. bis zum 17. Januar 1987 bei der Landesgewerbeanstalt Bayern.

3

Mit Antrag vom 30. Juli 1986 begehrte der Kläger die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Elektroinstallateur-Handwerk, beschränkt auf den Bau von Blitzschutz- und Erdungsanlagen und deren Prüfung. Nach Anhörung der Beigeladenen lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 19. Januar 1987 mit der Begründung ab, ein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 HwO sei nicht gegeben.

4

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, daß er über langjährige Erfahrungen im Blitzschutzleiterbau verfüge und seine fachliche Qualifikation unbestritten sei. Aus Altersgründen sei es ihm nicht mehr zumutbar, die Meisterprüfung abzulegen. In früheren Jahren sei er dazu aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 20. Mai 1987 zurück.

5

Der Kläger hat am 23. Juni 1987 Klage erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen: Es sei zweifelhaft, ob ein Betrieb, der Blitzschutzanlagen installiere, überhaupt der Eintragung in die Handwerksrolle bedürfe. Es handele sich allenfalls um ein handwerksähnliches Gewerbe, das lediglich anzeigepflichtig sei. Eine derartige Anzeige habe er gegenüber der Beigeladenen abgegeben. Abgesehen davon erfülle er aber auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HwO. Da er in den sechziger und siebziger Jahren in O. gewohnt habe, jedoch im Raum H. auf Montage eingesetzt gewesen sei und deshalb nur die Wochenenden zu Hause habe verbringen können, sei ihm der Besuch von Lehrgängen zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung nicht möglich gewesen. Von 1978 bis 1979 habe er im Iran gearbeitet. Bis zu seiner Entlassung im November 1981 habe er wieder als Obermonteur bei der Firma T. im Akkord auf Montage gearbeitet; er habe ständig mit einem erneuten Auslandseinsatz rechnen müssen. Während seiner Arbeitslosigkeit habe er sich in einer persönlich und wirtschaftlich schwierigen Situation befunden. Nach der Kündigung durch die Firma T. ses zu einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung gekommen, die sich fast zweieinhalb Jahre hingezogen habe. Das Arbeitsamt habe ihm in dieser Zeit weder im Bereich der Installation von Blitzschutzanlagen noch in seinem erlernten Beruf eine Stelle vermitteln können.

6

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19. Januar 1987 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1987 die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle für das Elektroinstallateur - Handwerk - beschränkt auf den Bau von Blitzschutz- und Erdungsanlagen und deren Prüfung - zu erteilen.

7

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie hat erwidert: Der Kläger habe nicht nachweisen können, daß er aus nicht vertretbaren Gründen gehindert gewesen sei, die Meisterprüfung abzulegen. Wenn er es seinerzeit für richtig gehalten habe, zeitweilig auf Auslandseinsätze zu warten bzw. diese wahrzunehmen, sei dies seine persönliche Entscheidung gewesen.

9

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, sich jedoch dem Rechtsstandpunkt der Beklagten angeschlossen. Sie hat ausgeführt: Der Bau und die Prüfung von Erdungs- und Blitzschutzanlagen sei als wesentliche Teiltätigkeit vornehmlich dem Elektroinstallateur-Handwerk zuzuordnen. Allerdings sei die Montage von Blitzschutzanlagen ebenfalls als wesentliche Teiltätigkeit sowohl des Schlosser- als auch des Klempnerhandwerks anzusehen. Die Zulassung des Klägers zur Meisterprüfung im Elektroinstallateur-Handwerk sei gemäß § 49 Abs. 4 HwO von 1969 an möglich gewesen, weil er die Gesellenprüfung im Gas- und Wasserinstallateur-Handwerk abgelegt habe und seit 1964 als Blitzschutz-Obermonteur tätig gewesen sei.

10

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. April 1991 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Im vorliegenden Verfahren sei nicht zu prüfen, ob der Kläger überhaupt mit der von ihm ausgeübten Tätigkeit in die Handwerksrolle eingetragen werden könne. Diese Entscheidung obliege allein der beigeladenen Handwerkskammer als der für die Führung der Handwerksrolle zuständigen Behörde. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmebewilligung. Zum Berufsbild des Elektroinstallateur-Handwerks gehörten alle Tätigkeiten, die sich umfassend auf Erdungs- und Blitzschutzanlagen bezögen. Es könne offenbleiben, ob der Kläger die für die Installation und Prüfung derartiger Anlagen erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitze. Denn es liege jedenfalls kein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 HwO vor. Dies gelte auch dann, wenn - wie hier - lediglich eine auf einen wesentlichen Teilbereich des Handwerks beschränkte Ausnahmebewilligung begehrt werde. Der Kläger stehe zwar mit nunmehr 50 Jahren in einem Lebensalter, in dem die Ablegung der Meisterprüfung nicht mehr zumutbar sei. Er habe es jedoch schuldhaft versäumt, sich ihr zu einem früheren Zeitpunkt zu unterziehen. Jedenfalls nach seinem Ausscheiden bei der Firma T. im November 1981, spätestens aber nach Beendigung der Tätigkeit bei der Firma B. S. GmbH im Juli 1986 hätte er Gelegenheit und Anlaß gehabt, sich auf die Meisterprüfung vorzubereiten. Seit Januar 1984, als er Gebietsleiter der Firma B. S. GmbH geworden sei, hätten ihn auch finanzielle Gründe nicht mehr von der Meisterprüfung abhalten können. Daß er während seiner Arbeitslosigkeit einen langjährigen Kündigungsschutzprozeß geführt habe, lasse nicht auf eine psychische Ausnahmesituation schließen. Für die Ablegung der Meisterprüfung sei im Falle des Klägers weder das vorherige Bestehen der Gesellenprüfung im Elektroinstallateur-Handwerk noch eine Gesellenzeit zwingend erforderlich gewesen. Der Kläger könne einen Ausnahmefall nicht daraus herleiten, daß von ihm zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Elektroinstallateur-Handwerk ein umfassendes Wissen verlangt werde, obwohl er sich auf das Teilgebiet Bau und Prüfung von Blitzschutz- und Erdungsanlagen beschränken wolle. Darin sei keine unzumutbare Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG zu sehen, weil der Gesetzgeber die Berufswahl auf die in Anlage A der Handwerksordnung genannten Zweige des Handwerks, in denen ein eigenständiges Blitzableitersetzer-Handwerk nicht aufgeführt sei, habe beschränken dürfen. Schließlich könne ein Ausnahmefall auch nicht darin gesehen werden, daß er sich bereits im Blitzschutzanlagenbau selbständig gemacht habe und dieses Gewerbe möglicherweise beanstandungsfrei ausübe. Andernfalls würde derjenige begünstigt, der sich über die Vorschriften der Handwerksordnung hinwegsetze.

11

Gegen dieses am 16. Mai 1991 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Juni 1991 eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein Begehren, weiterverfolgt. Er trägt vor: Aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen sei er während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit nicht in der Lage gewesen, sich auf die Meisterprüfung vorzubereiten. Seine Ehe sei 1982 geschieden worden; er sei für seinen 1972 geborenen Sohn nicht nur unterhaltspflichtig, sondern auch allein sorgeberechtigt gewesen. Außerdem sei er durch das arbeitsgerichtliche Verfahren seelisch belastet gewesen. Er habe stets auf die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz bei der Firma T. gehofft, da die Kündigung nicht gerechtfertigt gewesen sei.

12

Er habe deshalb über die Möglichkeit der Ablegung der Meisterprüfung im Elektroinstallateur-Handwerk nicht nachgedacht. Im übrigen treffe die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht, zu, er müsse darlegen, daß die Ablegung der Meisterprüfung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeutet hätte. Gerade wenn - wie hier - eine Ausnahmebewilligung für ein Teilhandwerk begehrt werde, genüge der Nachweis der hierfür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten. Der Bau von Blitzschutz- und Erdungsanlagen sei eine ganz spezielle Tätigkeit, wozu Elektroinstallateurmeister im Gegensatz zu ihm in der Regel nicht in der Lage seien.

13

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

14

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

15

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält an ihrer Auffassung fest, daß kein Ausnahmegrund zu erkennen sei.

16

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

17

Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

18

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

19

1.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

20

Soweit der Kläger geltend macht, er betreibe ein eintragungsfreies Minderhandwerk, ist dies nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,(Beschl. v. 28.01.1982, GewArch 1982, 203; Beschl, v. 22.10.1981, Buchholz 451.45, § 8 HwO Nr. 8; BVerwGE 61, 145[BVerwG 13.11.1980 - 5 C 18/79]) im Verfahren gemäß § 8 HwO grundsätzlich nicht zu prüfen. Denn die Entscheidung darüber, ob ein Gewerbebetrieb ein Handwerksbetrieb im Sinne der Handwerksordnung sei und ob der Betriebsinhaber deswegen in die Handwerksrolle eingetragen werden müsse, obliege der Handwerkskammer als der für die Führung der Handwerksrolle zuständigen Behörde. Allerdings habe die für die Ausnahmebewilligung zuständige höhere Verwaltungsbehörde zu prüfen, ob der Bewerber eine selbständige Berufsausübung anstrebe, weil anderenfalls für seinen Antrag ein Sachbescheidungsinteresse fehle (vgl. Beschl, v. 22.10.1981, a.a.O.). Folgt man dieser Ansicht, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen, ob der Kläger mit seinem Blitzableitersetzer-Betrieb überhaupt in die Handwerksrolle einzutragen ist. Daß er dieses Gewerbe selbständig ausübt und auch künftig ausüben will, ist nicht umstritten.

21

Der erkennende Senat hat sich im Urteil vom 17. Februar 1988 (8 OVG A 15/87) demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, daß Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis bestehen, könnten, wenn der Antragsteller für das konkret auszuübende Gewerbe keiner Eintragung in die Handwerksrolle bedürfe. Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben. Denn für das vom Kläger betriebene Gewerbe ist jedenfalls die Eintragungspflicht in die Handwerksrolle zu bejahen.

22

Ein Gewerbebetrieb ist ein Handwerksbetrieb, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und vollständig oder in wesentlichen Tätigkeiten ein Gewerbe umfaßt, das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt ist (§ 1 Abs. 2 HwO). Sind dagegen in einem Betrieb lediglich Tätigkeiten zu verrichten, die ohne Beherrschung in handwerklicher Schulung erworbener Kenntnisse und. Fähigkeiten einwandfrei und gefahrlos ausgeführt werden können, so daß es an der Spitze des Betriebes keines für die selbständige Ausübung des betreffenden Handwerks qualifizierten Leiters bedarf, dann liegt lediglich ein den Vorschriften der Handwerksordnung nicht unter fallendes Minderhandwerk vor (BVerwG, Urt. v. 23.06.1983, Buchholz 451.45§ 2 HwO Nr. 5). Für die Frage der fachlichen Zugehörigkeit einer Tätigkeit zu einem handwerksfähigen Gewerbe können die in Verordnungen über Berufsbilder und Prüfungsanforderungen in der Meisterprüfung veröffentlichten Berufsbilder mit herangezogen werden; denn sie enthalten erläuternde Einzelheiten über das Arbeitsgebiet und die zu dessen Bewältigung benötigten Fertigkeiten und Kenntnisse (BVerwG, Urt. v. 11.12.1990, Buchholz 451.45§ 1 HwO Nr. 21).

23

Der Kläger verrichtet in seinem Gewerbebetrieb Tätigkeiten, die dem unter Nr. 35 der Anlage A zur HwO genannten Handwerk des Elektroinstallateurs zuzuordnen sind. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Elektroinstallateur-Handwerk vom 15. April 1975 (BGBl I S. 949) - im folgenden VO - sind dem Elektroinstallateur-Handwerk Planung, Berechnung, Bau, Errichtung, Prüfung, Inbetriebnahme, Wartung und Instandsetzung von Erdungs- und Blitzschutzanlagen zuzurechnen. Auch werden für dieses Handwerk Kenntnisse der Erdungs- und Blitzschutztechnik verlangt (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 der VO). Es bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß das gegenwärtige tatsächliche Berufsbild des Elektroinstallateur-Handwerks von dem in der Verordnung umschriebenen Berufsbild abweicht und danach der vom Kläger vorgenommene Bau von Blitzschutz- und Erdungsanlagen und deren Prüfung nicht mehr zu den Tätigkeiten eines Elektroinstallateurs gehören.

24

Daß die Montage von Blitzschutzanlagen auch dem Berufsbild des Klempner-Handwerks (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Klempner-Handwerk vom 28.08.1974, BGBl I S. 2133) sowie des Schlosser-Handwerks (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 12 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Schlosser-Handwerk vom 02.06.1976, BGBl I S. 1397) zuzuordnen ist, stellt ebenfalls ein Indiz dafür dar, daß es sich um eine Tätigkeit handelt, für deren einwandfreie und fachgerechte Ausübung es auf handwerkliche Kenntnisse und Fertigkeiten ankommt. Allerdings ist hier maßgeblich auf das Elektroinstallateur-Handwerk abzustellen, weil dessen Berufsbild nicht nur die Montage, sondern die Ausführung aller mit Erdungs- und Blitzschutzanlagen zusammenhängenden Tätigkeiten erfaßt.

25

Die Feststellung, daß das Gewerbe des Klägers Tätigkeiten des Elektroinstallateur-Handwerks betrifft, reicht jedoch allein nicht aus, um den Betrieb als Handwerksbetrieb zu qualifizieren. Zwar kommt es nicht darauf an, daß in vollem Umfang ein handwerksfähiges Gewerbe ausgeübt wird. Ein Handwerksbetrieb kann auch dann vorliegen, wenn in ihm Tätigkeiten ausgeübt werden, die nur Teilbereiche eines Gewerbes der Anlage A der Handwerksordnung umfassen. Erforderlich ist aber, daß die ausgeführten Tätigkeiten zu den "wesentlichen Tätigkeiten" des betroffenen Handwerks gehören. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urt. v. 11.12.1990, a.a.O.), der der Senat folgt, liegen wesentliche Tätigkeiten eines handwerksfähigen Gewerbes vor, wenn es sich bei den Tätigkeiten, Verrichtungen und Arbeitsweisen um solche handelt, die den Kernbereich gerade dieses Handwerks ausmachen und ihm sein essentielles Gepräge verleihen. Arbeitsvorgänge, die aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebes als untergeordnet erscheinen, also lediglich einen Randbereich des betreffenden Handwerks erfassen, vermögen demnach die Annahme eines handwerklichen Betriebes nicht zu rechtfertigen. Dies trifft nicht nur auf die Arbeitsvorgänge zu, die wegen ihres geringen Schwierigkeitsgrades keine qualifizierten Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen. Vielmehr gehören hierzu auch solche Tätigkeiten, die zwar anspruchsvoll, aber im Rahmen des Gesamtbildes des betreffenden Handwerks nebensächlich sind und deswegen nicht die Kenntnisse und Fertigkeiten verlangen, auf welche die einschlägige handwerkliche Ausbildung hauptsächlich ausgerichtet ist (BVerwG, Urt. v. 11.12.1990, a.a.O.).

26

Nach diesen Maßstäben stellen der Bau und die Prüfung von Blitzschutz- und Erdungsanlagen weder einfache technische Verrichtungen dar, die ohne die Beherrschung in handwerklicher Schulung erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten ausgeführt werden können, noch sind sie im Rahmen des Gesamtbildes des Elektroinstallateur-Handwerks als nebensächlich anzusehen. Auszugehen ist davon, daß mit der Ausübung dieser Tätigkeiten im Einzelfall die öffentliche Sicherheit gefährdet werden kann. In der Handwerksordnung versteht man unter diesem Begriff in erster Linie den Schutz von Gesundheit und Vermögen (vgl. Siegert/Musielak, Das Recht des Handwerks, Kommentar, 2. Aufl., § 4 RdNr. 22). Die Lebenserfahrung zeigt, daß bestimmte Handwerke stärker als andere mit Gefahren verbunden sind. Zu diesen sog. Gefahrenhandwerken zählt auch das Elektroinstallateur-Handwerk (vgl. Siegert/Musielak, a.a.O., RdNr. 24). Für die hier streitige Teiltätigkeit kann nichts anderes gelten. Wird eine Blitzschutz- und Erdungsanlage nicht fachgerecht errichtet, drohen Gefahren für die Gesundheit und das Vermögen der Bürger. Es ist deshalb eine gründliche handwerkliche Ausbildung erforderlich. Dazu gehören genaue Kenntnisse der Allgemeinen Blitzschutz-Bestimmungen, wie etwa der VDE-Richtlinie 0185 Teil 1 und 2. Ohne diese fachtheoretischen Kenntnisse, die Bestandteil der Meisterprüfungen sowohl für das Elektroinstallateur-Handwerk als auch für das Klempner- und das Schlosser-Handwerk sind, kann der Bau von Blitzschutz- und Erdungsanlagen nicht einwandfrei und gefahrlos durchgeführt werden.

27

Ebensowenig ist ersichtlich, daß die vom Kläger ausgeübte bzw. erstrebte Tätigkeit lediglich einen Randbereich des Elektroinstallateur-Handwerks betrifft. Insbesondere kann sie nicht als unwesentliche Verrichtung innerhalb dieses Handwerks angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine Spezialisierung auf eine der fünf typischen Aufgaben dieses Berufs (vgl. § 1 Abs. 1 der VO), für die auch alle wesentlichen Kenntnisse und Fertigkeiten aus dem Vollhandwerk beherrscht werden müssen. Demgegenüber ist es unerheblich, ob - wie der Kläger behauptet - Elektroinstallateurmeister in der Praxis nur selten Blitzschutz- und Erdungsanlagen installieren und warten. Denn es kommt entscheidend darauf an, daß diese Tätigkeiten vom Berufsbild und von den Prüfungsanforderungen im Elektroinstallateur-Handwerk erfaßt werden.

28

Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht der Umstand, daß der Kläger lediglich Arbeiten des "äußeren Blitzschutzes" ausführen will, während den Elektroinstallateuren die Herstellung des Anschlusses an die elektrischen Anlagen ("innerer Blitzschutz") überlassen bleiben soll. Abgesehen davon, daß eine derartige Aufspaltung nicht sachgerecht erscheint, zeigt auch das maßgebliche Berufsbild für das Elektroinstallateur-Handwerk, daß die gesamte Tätigkeit, die mit dem Bau und der Prüfung von Blitzschutz- und Erdungsanlagen zusammenhängt, also der "innere" und der "äußere Blitzschutz", in einer Hand verbleiben soll.

29

2.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmebewilligung.

30

Ein Ausnahmefall liegt gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO vor, wenn das Ablegen der Meisterprüfung für den Antragsteller eine unzumutbare Belastung bedeuten würde. Entgegen der Auffassung des Klägers gilt diese Voraussetzung auch, wenn - wie hier - die Ausnahmebewilligung lediglich für ein Teilgebiet eines Handwerks gemäß § 8 Abs. 2 HwO erstrebt wird. Das Gesetz verlangt die Meisterprüfung unabhängig davon, ob das Vollhandwerk oder nur ein wesentlicher Teil der Tätigkeiten eines Handwerks ausgeübt werden soll (vgl. § 1 Abs. 2 HwO). Es besteht deshalb kein Anlaß, bei der Ausnahmebewilligung für ein Teilhandwerk auf einen Ausnahmegrund im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO zu verzichten (vgl. Urt. d. erk. Sen. v. 24.09.1981, NVwZ 1982, 692 = GewArch 1982, 133 [OVG Niedersachsen 24.09.1981 - 8 A 32/80]; Urt. v. 17.02.1988 - 8 OVG A 6/87 -; Siegert/Musielak, a.a.O., § 8 RdNr. 31 und 38). Etwas anderes gilt nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 8 Abs. 2 letzter Halbs. HwO nur für die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten. Insoweit muß der Antragsteller lediglich die Befähigung für das betreffende Teilhandwerk nachweisen. Da es hier jedoch - wie nachstehend im einzelnen dargelegt wird - an einem Ausnahmefall mangelt, müßte nicht geprüft werden, ob der Kläger über die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für den Bau und die Prüfung von Blitzschutz- und Erdungsanlagen verfügt.

31

Ob ein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO vorliegt, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist nicht nur die derzeitige Situation des Antragstellers, sondern sein gesamter bisheriger Berufsweg. Die Ausnahmebewilligung darf nicht zur Umgehung der Meisterprüfung führen. Sie muß eine Ausnahme von der Regel bleiben, daß gemäß § 7 Abs. 1 HwO grundsätzlich nur derjenige in die Handwerksrolle eingetragen werden darf, der in dem von ihm zu betreibenden Handwerk die Meisterprüfung abgelegt hat (BVerwG, Urt. v. 23.06.1990, GewArch 1991, 386 [BVerwG 26.06.1990 - BVerwG 1 C 22.88]; Beschl, v. 15.12.1988, GewArch 1989, 272 - die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde mangels Erfolgsaussicht vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen, Beschl. v. 04.04.1990, GewArch 1991, 137). Hat der Antragsteller bei der Planung seines Berufswegs auf das Ablegen der Meisterprüfung verzichtet, rechtfertigt dies allein nicht die Annahme, diese sei ihm nicht zuzumuten gewesen. Der Antragsteller muß sich diese persönliche Entscheidung zurechnen lassen, soll nicht eine unangemessene Bevorzugung gegenüber denjenigen Handwerkern eintreten, die sich der Meisterprüfung gestellt haben.

32

Der Kläger hat inzwischen mit 51 Jahren ein Alter erreicht, in dem ihm die Belastungen einer förmlichen Meisterprüfung nicht mehr zugemutet werden können. Der Senat zieht die Zumutbarkeitsgrenze in ständiger Rechtsprechung bei einem Lebensalter von etwa 50 Jahren (vgl. zuletzt Urt. v. 28.02.1992 - 8 L 4207/91 -). Der Kläger hätte die Meisterprüfung im Elektroinstallateur - Handwerk aber in der Vergangenheit ablegen können. Die von ihm vorgetragenen Hinderungsgründe rechtfertigen die Annahme eines Ausnahmefalles nicht. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 130 b VwGO auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten wird ergänzend bemerkt:

33

Ob dem Kläger bereits während seiner Beschäftigung als Blitzschutz-Obermonteur bei der Firma T. die Ablegung der Meisterprüfung zumutbar gewesen sein könnte, mußte nicht entschieden werden. Denn ebenso wie das Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß er sich zumindest während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit von November 1982 bis Anfang 1984 auf die Meisterprüfung hätte vorbereiten und sich ihr auch unterziehen können. Die von ihm teilweise erst im Berufungsverfahren als Hinderungsgründe angegebenen familiären, psychischen und finanziellen Schwierigkeiten sind nicht als so schwerwiegend anzusehen, daß ihm damals die mit der Meisterprüfung verbundenen Belastungen nicht hätten zugemutet werden können. Auch hätte er eine Gesellenprüfung im Elektroinstallateur-Handwerk nicht mehr ablegen müssen, da er jahrelang als Blitzschutz-Obermonteur tätig gewesen war.

34

Aber selbst wenn man annehmen würde, daß der Kläger während dieses Zeitraums aus zwingenden Gründen an der Ablegung der Meisterprüfung verhindert war, hätte er jedenfalls spätestens nach dem Ausscheiden aus der Firma Blitz Schrader GmbH im Juli 1986 die Gelegenheit wahrnehmen müssen, sich der Meisterprüfung zu unterziehen. Damals stand der Kläger mit 45 Jahren in einem Alter, in dem ihm die Ablegung der Meisterprüfung zumutbar war. Für diese Zeit hat er weder geltend gemacht noch ist sonst ersichtlich, daß er dazu wegen besonderer persönlicher oder vergleichbarer Belastungen nicht in der Lage war. Daß er sich Ende Juli 1986 als Blitzableiter-Setzer selbständig gemacht hat, vermag keinen Ausnahmefall zu begründen. Ihm hätte klar sein müssen, daß dies nur unter den Voraussetzungen des § 7 HwO möglich war. Von jedem Handwerker muß erwartet werden, daß er die grundlegenden Voraussetzungen einer selbständigen beruflichen Tätigkeit kennt bzw. sich insoweit Gewißheit verschafft, bevor er einen entsprechenden Betrieb eröffnet. Weder der Beklagte noch die Beigeladene haben ihm gegenüber den Eindruck erweckt, daß er für die von ihm aufgenommene Tätigkeit keine Meisterprüfung im Elektroinstallateur-Handwerk benötige. Auch konnte er nicht darauf vertrauen, daß ihm eine Ausnahmebewilligung erteilt werden würde.

35

Zwar hätte die Vorbereitung auf die Meisterprüfung neben einer beruflichen Tätigkeit für den Kläger eine erhebliche zeitliche und finanzielle Beanspruchung bedeutet. Dem Kläger wäre aber nicht mehr abverlangt worden, als jedem künftigen Handwerksmeister, der sich aus persönlicher Neigung oder wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit entschließt, ein Handwerk selbständig zu betreiben.

36

Wenn es dem Kläger heute Schwierigkeiten bereitet, seinen Betrieb entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu führen, vermag dies ebenfalls nicht die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zu rechtfertigen. Wer sich bei Aufnahme eines selbständigen Handwerks über die Zulassungsvoraussetzungen hinwegsetzt, kann die daraus sich ergebenden Folgen nicht als unzumutbare Belastung geltend machen (vgl. Siegert/Musielak, a.a.O., § 8 RdNr. 24 m.w.Nachw.). Die Schließung, des Betriebs des Klägers erscheint im übrigen auch nicht unumgänglich. Er kann gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 HwO einen Elektroinstallateur-Meister als technischen Betriebsleiter einstellen.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

38

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Gründe gegeben ist.

Heidelmann Groepper Atzler