Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.05.1992, Az.: 7 A 31/88
Teilgenehmigung; Kernkraftwerk; Nukleare Inbetriebsetzung; Probebetrieb; Flugzeugabsturz; Betriebssicherheit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.05.1992
- Aktenzeichen
- 7 A 31/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 13378
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1992:0521.7A31.88.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 12.07.1993 - AZ: BVerwG 7 B 177.92
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der in Lingen wohnende Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten den Beigeladenen am 30. März 1988 erteilte 4. atomrechtliche Teilgenehmigung (4. TG) zur Errichtung und zum Betrieb des Kernkraftwerks Emsland (KKE) im Industriepark Süd in Lingen. Diese Genehmigung erstreckt sich auf die nukleare Inbetriebsetzung und den Probebetrieb sowie den bestimmungsmäßigen Betrieb des Kernkraftwerks, einer Anlage mit Druckwasserreaktor mit einer Leistung von 3.765 MW (th.), ferner auf den Umgang mit Kernbrennstoffen und sonstigen radioaktiven Stoffen, die Ableitung radioaktiver Stoffe mit der Fortluft und dem Abwasser im bestimmungsmäßigen Betrieb, die Beseitigung von als nicht radioaktiv geltenden Abfällen aus dem Kontrollbereich, die etwa erforderliche Rücknahme von Behältern mit bestrahlten Brennelementen aus Zwischenlagern sowie auf Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes (u.a. Einrichtungen für die Druckentlastung des Reaktorsicherheitsbehälters über Schwebstoffilter). Die Genehmigung ist mit einer Vielzahl von Nebenbestimmungen zum Betrieb und zur wiederholenden Kontrolle der Anlage versehen. Insbesondere werden Grenzwerte für die Abgabe radioaktiver Stoffe mit der Abluft und dem Abwasser festgesetzt. In den Gründen des Bescheides kommt zum Ausdruck, daß nach den vorgenommenen Sachprüfungen, bei denen sich die Genehmigungsbehörde vor allem auf Gutachten des TÜV Hannover stützt, sowohl die atom- als auch die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt seien. Umstände, die eine Versagung der Genehmigung aus Ermessensgründen rechtfertigten, hätten sich bei der Sachprüfung nicht ergeben. Bei seinen Ermessenserwägungen habe der Beklagte berücksichtigt, daß die nach den "Grundsätzen zur Entsorgungsvorsorge für Kernkraftwerke" vom 29. Februar 1980 (BAnz. Nr. 58 v. 22. 3. 1980 S. 2) geforderten Nachweise über den sicheren Verbleib der bestrahlten Brennelemente erbracht worden seien.
Der 4. TG waren drei Teilgenehmigungen sowie zwei Änderungen dieser Teilgenehmigungen vorangegangen:
Mit der 1. TG vom 4. August 1982 - die Gegenstand des Senatsurteils vom 3. März 199.2 in dem Berufungsverfahren 7 L 121/90 war - ist den Betreibern ein Vorbescheid über den Standort und das Konzept der Anlage sowie die Genehmigung zur Errichtung ihrer wesentlichen Bauteile erteilt worden.
Durch den Änderungsbescheid vom 21. Mai 1984 ist die Genehmigung auf weitere bauliche Anlagen erstreckt worden.
Die 2. TG vom 20. September 1984 betrifft die wesentlichen technischen Einrichtungen des Kernkraftwerks.
Durch die 3. TG vom 4. Mai 1987 wurden den Betreibern der Umgang mit unbestrahlten Brennelementen und mit Primärneutronenquellen sowie Maßnahmen zur Anlagensicherung gestattet.
Durch den Änderungsbescheid vom 8. September 1987 wurden die erteilten Rechte auf die jetzige Beigeladene zu 2) übertragen.
Vor Erteilung der 1. und 2. TG fand jeweils ein Verfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit statt.
Der Kläger, der keine der früheren Genehmigungen angefochten hat, hat am 5. April 1988 Klage gegen die 4. TG erhoben, zu deren Begründung er vorträgt:
Das Kernkraftwerk sei nicht ausreichend gegen die Folgen eines Flugzeugabsturzes gesichert. Die für seine Auslegung maßgeblichen Lastannahmen entsprächen nicht mehr den heutigen Flugverkehrsbedingungen. Einige Jahre nach Erteilung der 1. TG sei das Kampfflugzeug MRCA Tornado eingeführt worden, welches mittlerweile das am meisten benutzte Übungsflugzeug auf dem nahegelegenen Bombenabwurfplatz Nordhorn-Range darstelle. Dieses Flugzeug verfüge über ein so hohes Gewicht und eine so hohe Auftreffgeschwindigkeit, daß hierdurch die Sicherheitshülle und die sicherheitsrelevanten Anlagenteile des Kernkraftwerkes durchschlagen und ein ernster Störfall hervorgerufen werden könne. Bei diesem Flugzeugtyp komme hinzu, daß sich das Triebwerk, statt zu zerspringen, wie ein Kreiselbohrer durch das Containment bohren könne. Mit diesem Vorbringen sei er - der Kläger - nicht präkludiert, weil das Flugzeug bei Erteilung der 1. TG noch nicht vorhanden gewesen sei. - Soweit nach den Störfall-Leitlinien Flugzeugabstürze keine Auslegungsstörfälle darstellten, verstießen diese Leitlinien gegen das in § 28 Abs. 3 Satz 2 StrlSchV enthaltene Vorsorgegebot. Es liege ein Ermittlungs- und Bewertungsdefizit insofern vor, als bei der Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des KKE die örtlichen Besonderheiten (hohe Flugdichte, Nähe des Bombenabwurfplatzes) nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.
Des weiteren sei die Entsorgung des KKE nicht gesichert. Der in den bisherigen Teilgenehmigungen angeführte Entsorgungsnachweis habe sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert und sei angesichts der tatsächlich fehlenden Entsorgungsmöglichkeiten auf immer wieder andere Spekulationen und Wunschträume gestützt worden. Der Traum der Kraftwerksbetreiber von einer Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf sei inzwischen wie eine Seifenblase zerplatzt. Der Salzstock in Gorleben habe sich als für Grundwasser durchlässig und damit als ungeeignet erwiesen. Unabhängig von den fehlenden geologischen Möglichkeiten stehe der Salzstock Gorleben für eine Endlagerung schon deswegen nicht zur Verfügung, weil der Beklagte mit dem Regierungswechsel in Niedersachsen eine weitere bergwerkliche Erkundung des Salzstockes ablehne und alles unternehme, um eine Endlagerung radioaktiver Abfälle in diesem Salzstock zu verhindern. Es fehle auch an Zwischenschritten zu einer endgültigen Schlußentsorgung. Es sei davon auszugehen, daß ein Vertrag der Betreiber des KKE mit einer ausländischen Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von bestrahlten Brennelementen nicht existiere. Sei ein solcher aber vorhanden, so enthalte er eine Rücknahmeklausel, welche beweise, daß die Lieferung von Brennstäben an eine ausländische Wiederaufarbeitungsanlage gerade nicht als Nachweis der endgültigen Beseitigung der bestrahlten Kernbrennstoffe angesehen werden könne. Das KKE verfüge nicht über die Lagerkapazitäten, um die vertraglich übernommenen Rücknahmeverpflichtungen - auch für im Zwischenlager Gorleben gelagerte Brennelemente - einzuhalten. Das anlageninterne Kompaktlager scheide als Entsorgungsnachweis aus, da es nicht auf einen dauerhaften Verbleib der Brennelemente angelegt sei und selbst entsorgt werden müsse.
Er - der Kläger - sei von dem fehlenden Entsorgungsnachweis betroffen, da im KKE radioaktive Abfälle produziert und unzulässigerweise nicht entsorgt würden. Durch die erforderliche Kompaktlagerung sowie die Erhöhung der eingelagerten Menge an langlebigen Radionukliden werde das Gefährdungspotential der Anlage und damit auch seine eigene Gefährdung nicht unerheblich erhöht. Weiter fehle ein Nachweis für die spätere Anlagenbeseitigung.
Wegen der nicht nachgewiesenen Entsorgungssicherheit sei die angefochtene Genehmigung aufzuheben. Sollte § 7 AtG die Genehmigung ohne einen hinreichenden Entsorgungsnachweis zulassen, so wäre diese Bestimmung verfassungswidrig, weil die Trennung von Anlagenzulassung und Entsorgungssicherung gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz und den Grundsatz der einheitlichen Konfliktbewältigung verstoße. Ferner seien Art. 2 Abs. 2 GG sowie der Vorbehalt des Gesetzes verletzt. Er - der Kläger - sei einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt worden, ohne daß das Zitiergebot des Art. 19 GG im Atomgesetz beachtet worden sei. Der Gesetzgeber sei verpflichtet gewesen, bei seiner Regelung die zutage liegenden oder inzwischen zutage getretenen negativen Folgen zu berücksichtigen. Insoweit bestehe eine Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers, welche zur Nichtigkeit des § 7 AtG und damit zur Rechtswidrigkeit der darauf gestützten Genehmigung führe. Diese müßte selbst dann aufgehoben werden, wenn das Gericht meinte, der Kläger könne wegen der Entsorgungsprobleme keine Verletzung eigener Rechte geltend machen. Die Verfassungswidrigkeit ergreife § 7 AtG insgesamt. Daher könne ihm nicht entgegengehalten werden, daß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG in Entsorgungsangelegenheiten kein subjektives Recht einräume; denn diese Vorschrift sei ja gerade nichtig.
Der Kläger beantragt,
die 4. Teilgenehmigung für das Kernkraftwerk Emsland aufzuheben,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des § 7 AtG vorzulegen.
Der Beklagte hat schriftlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung hat er keinen Antrag gestellt. Die Beigeladenen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) tritt der Klage mit folgenden Erwägungen entgegen:
Die 1. bis 3. TG für das KKE seien dem Kläger gegenüber bestandskräftig geworden. Der Kläger sei daher mit den meisten seiner Bedenken präkludiert. Dies gelte auch für sein Vorbringen zum Thema Flugzeugabsturz. Insoweit könne er auch keinen Drittschutz beanspruchen. Der Entsorgungsnachweis gehöre nicht zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach § 7 AtG. Im Rahmen seiner Ermessensausübung habe sich der Beklagte ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine ausreichende Entsorgungsvorsorge getroffen sei. Den nach Maßgabe der Entsorgungsgrundsätze erforderlichen Nachweis habe die Beigeladene erbracht. Soweit der Kläger die Möglichkeit einer anlagenexternen Entsorgung bestreite, gewähre ihm das Gesetz keinen Drittschutz. Mit seinen im Zusammenhang mit dem Kompaktlager geäußerten Sorgen sei er präkludiert. Hinsichtlich des anlagenimmanenten Gefährdungspotentials sei Vorsorge mit der bestandskräftigen 2. TG getroffen worden. Unabhängig hiervon habe der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, daß an dem für ihn maßgeblichen Aufenthaltsort eine Überschreitung der Störfallgrenzwerte des § 28 Abs. 3 StrlSchV so hinreichend wahrscheinlich zu besorgen sei, daß hiergegen mit der angegriffenen Genehmigung hätte Vorsorge getroffen werden müssen. Der Kläger könne auch nicht dadurch in seinen Rechten verletzt sein, daß er Auflagen zur Stillegung und Beseitigung der Anlage in der angegriffenen TG vermisse. Diese Fragen gehörten nicht zu den Genehmigungsvoraussetzungen der 4. TG.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze verwiesen.
Dem Senat haben die in dem Genehmigungsbescheid genannten Genehmigungsunterlagen mit den sich aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 6. Mai 1992 ergebenden Einschränkungen sowie die in dem Schriftsatz des Beklagten vom 15. Mai 1992 bezeichneten Vorgänge als Gegenstand der mündlichen Verhandlung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig. Der Kläger hat nicht in der erforderlichen Weise dargetan, durch den angefochtenen Genehmigungsbescheid in seinen Rechten betroffen zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).
1. Nach geltendem Recht wird der Kläger im Hinblick auf die im Normalbetrieb eines Kernkraftwerkes zu erwartenden Radioaktivitätsabgaben vor einer die Dosisgrenzwerte des § 45 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), im Hinblick auf die Auslegung der Anlage vor einer den Störfallplanungswert des § 28 Abs. 3 StrlSchVüberschreitenden Strahlenexposition geschützt. Er hat somit zur Begründung seiner Klagebefugnis entweder darzulegen, daß aufgrund der festgesetzten höchstzulässigen Abgaberaten für radioaktive Stoffe die Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchV, bezogen auf seinen Wohn-, Arbeits- oder Aufenthaltsort, nicht eingehalten werden; oder er muß substantiiert vortragen, daß ein zu einer Überschreitung des Störfallplanungswertes führendes Ereignis so hinreichend wahrscheinlich ist, daß hiergegen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Atomgesetzes (AtG) Vorsorge getroffen werden mußte (BVerwG, Urt. v. 22. 12. 1980 - 7 C 84.78 - BVerwGE 61, 256/268; Urt. v. 11. 1. 1985 - 7 C 74.82 - BVerwGE 70, 365/369). Seine Darlegungslast hat sich dabei an dem Umfang der von der Genehmigungsbehörde getroffenen Ermittlungen zu orientieren. Je mehr diese ihre Entscheidung gutachtlich abgesichert hat, um so weniger kann sich der Kläger zur Darlegung seiner Betroffenheit mit schlichten Behauptungen begnügen, sondern muß diese mit einer Begründung versehen, welche die von ihm behauptete Kausalkette zumindest plausibel erscheinen läßt. Hierbei sind die Grenzen der richterlichen Kontrolldichte zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat sich die gerichtliche Überprüfung des Genehmigungsbescheides darauf zu beschränken, ob der Genehmigungsbehörde bei der Risikoermittlung und -bewertung ein Fehler unterlaufen ist, insbesondere ob diese Bewertung auf einer ausreichenden "Datenbasis" (Tatsachengrundlage) beruht und die dabei angewandten Maßstäbe dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen (BVerwG, Urt. v. 19. 12. 1985 - 7 C 65.82 - BVerwGE 72, 300/316; Urt. v. 22. 10. 1987 - 7 C 4.85 - BVerwGE 78, 177/180). Demgemäß hat der Kläger zur Begründung seiner Klagebefugnis substantiiert darzutun, daß die angefochtene Genehmigung auf einem Ermittlungs- und Bewertungsdefizit im Hinblick auf Risiken beruhe, vor deren Realisierung das Gesetz den Kläger schützen will. Innerhalb dieses Rahmens sind die Angriffsmöglichkeiten des Klägers in mehrfacher Hinsicht rechtlich begrenzt: Er kann sich nur gegen eine Verletzung drittschützender Normen zur Wehr setzen; und er kann nur Umstände geltend machen, die zum Regelungsbereich der jeweils angefochtenen Genehmigung gehören, mit denen er nicht gemäß § 7 b AtG oder § 7 der atomrechtlichen Verfahrensverordnung (AtVfV) präkludiert ist und deren Prüfung in dem von ihm eingeleiteten Klageverfahren nicht die Bestandskraft eines früheren Bescheides entgegensteht.
2. Mit der vom Kläger (ausschließlich) angefochtenen 4. TG sind im wesentlichen die nukleare Inbetriebnahme und der Dauerbetrieb des Kernkraftwerkes genehmigt worden. Dieser setzt zum einen voraus, daß sämtliche für die Errichtung der Anlage erforderlichen Genehmigungen vorliegen, zum anderen, daß die Anlage entsprechend diesen Genehmigungen errichtet worden ist. Insoweit stützt sich der Beklagte auf das umfangreiche Sicherheitsgutachten des TÜV Hannover vom Dezember 1987 zur "Nuklearen Inbetriebsetzung und Betrieb" des Kernkraftwerks. Die Gutachter sind zu dem Ergebnis gelangt, "daß die für die Abgaben radioaktiver Stoffe aus dem Kernkraftwerk Emsland beantragten maximalen Abgabewerte rechnerisch zu Strahlenexpositionen führen, die deutlich unterhalb der Grenzwerte des § 45 StrlSchV liegen", und daß "die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik ... erforderliche Vorsorge zum Schutz gegen Schäden durch den Betrieb der Anlage und zur Reinhaltung der Umwelt hinreichend gewährleistet" sei (Band I, Kapitel 3.8; Band II, Kapitel 5). Angesichts dieser im einzelnen erläuterten Feststellungen genügt der pauschale Hinweis des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf die von dem Kernkraftwerk im Normalbetrieb und bei Störfällen ausgehenden Gefahren nicht zur Darlegung seiner Betroffenheit. Der Kläger setzt sich mit dem Gutachten nicht auseinander und ist daher dem Gericht jeden Hinweis darauf schuldig geblieben, in welcher Beziehung die dem Gutachten und dem darauf gestützten Genehmigungsbescheid zugrunde liegenden Annahmen sich als widerlegbar erweisen könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. 10. 1987 - BVerwGE 78, 177/182).
3. Soweit der Kläger mit umfangreichen Argumenten auf die seiner Meinung nach unzureichende Auslegung des Kernkraftwerks gegen Flugzeugabstürze eingeht und die fehlende Entsorgungsvorsorge rügt, stehen der Erheblichkeit seines Vorbringens die Bestandskraft früherer, von ihm nicht angefochtener Genehmigungen sowie der Umstand im Wege, daß durch die von ihm behaupteten Mängel keine drittschützenden Normen verletzt werden.
a) Die Auslegung des Kernkraftwerks gegen Flugzeugabstürze ist nicht Regelungsgegenstand der 4. TG. Daß insoweit die erforderliche Vorsorge getroffen worden ist, ist bereits durch die 1. TG abschließend und mit bindender Wirkung für den Kläger entschieden worden. Wenn der Kläger geltend macht, seither habe sich durch den Einsatz von Kampfflugzeugen des Typs "Tornado" die Situation nachhaltig verändert, so mag dies im Hinblick auf die Vorschrift des § 7 b AtG von Bedeutung sein, nach welcher der Kläger nur mit Tatsachen ausgeschlossen ist, die in einem früheren Verfahrensstadium "schon vorgebracht waren oder ... hätten vorgebracht werden können". Unberührt hiervon bleiben die Rechtsfolgen, die sich aus der Bestandskraft einer Teilgenehmigung und der damit verbundenen Tatbestandswirkung ergeben. Insoweit hat der Kläger gegen sich gelten zu lassen, daß eine das Maß der Absicherung der Anlage gegen Flugzeugaufprall regelnde Genehmigung als - eine - Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebsgenehmigung vorliegt. Daß diese auf einem im Zeitpunkt der Betriebsgenehmigung möglicherweise bereits überholten Stand von Wissenschaft und Technik beruhen und eine erst später einsetzende Entwicklung nicht berücksichtigen mag, ist für ihre Tatbestandswirkung unerheblich. Wenn die Genehmigungsbehörde meint, den Betrieb der Anlage nicht zulassen zu dürfen, weil sie deren Errichtung bei Kenntnis der später eingetretenen Änderungen nicht genehmigt hätte, so hat sie die Möglichkeit eines Widerrufs der Errichtungsgenehmigung nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 oder Abs. 5 AtG. Ohne einen solchen ist sie nicht befugt, die Betriebsgenehmigung zu verweigern. Folglich kann auch der Kläger nicht beanspruchen, daß die Genehmigungsbehörde wegen der von ihm behaupteten erhöhten Gefahr von Beschädigungen des Kernkraftwerks durch Flugzeugabstürze den Beigeladenen die Genehmigung zur Inbetriebnahme der Anlage versagt; sein Antrag scheitert insoweit an dem Fehlen eines dieses Begehren rechtfertigenden subjektiven Rechts. Bei der hier gegebenen Sachlage kommt es nicht darauf an, ob die Auslegung von Kernkraftwerken gegen Flugzeugabstürze überhaupt von dem drittschützenden Vorsorgegebot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG umfaßt wird (vgl. dazu Urt. d. Sen. v. 3. 3. 1992 - 7 L 121/90 - S. 52 ff.).
Ob die Genehmigungsbehörde aus dem von dem Kläger geltend gemachten Grunde befugt wäre, die 1. TG gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 2 oder Abs. 5 AtG zu widerrufen und ob der Kläger einen darauf gerichteten Anspruch einklagen könnte, ist mangels eines dahingehenden und ohne ein vorheriges Verwaltungsverfahren einer gerichtlichen Sachentscheidung auch gar nicht zugänglichen Antrags des Klägers hier nicht zu entscheiden.
b) Der Kläger kann die Aufhebung der 4. TG auch nicht mit der Begründung erreichen, die "Entsorgung" der bestrahlten Brennelemente sei nicht gewährleistet.
Die "anlagenextern" zu realisierende Entsorgungsvorsorge dient nach der ständigen Rechtsprechung dieses Senats nicht dem Drittschutz (vgl. zuletzt Urt. v. 3. 3. 1992 - 7 L 121/90 - S. 53 ff.). Durch die Verankerung der gesetzlichen Pflicht zur Entsorgungsvorsorge in § 9 a AtG ist klargestellt, daß es sich hierbei nicht um eine Genehmigungsvoraussetzung im Sinne des § 7 Abs. 2 AtG handelt; seine frühere gegenteilige Ansicht hat der Senat längst aufgegeben. Soweit die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihres Ermessens (Versagungsermessens) die Erteilung der Genehmigung von einem Entsorgungsnachweis abhängig macht, wendet sie keine drittschützende Norm an, sondern wird allein im Interesse der Allgemeinheit tätig.
Wenn der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Klagerecht des Eigentümers eines durch eine straßenrechtliche Planfeststellung mit enteignender Wirkung betroffenen Grundstücks (BVerwGE 67, 74) meint, ein durch eine Genehmigung in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffener Kläger müßte gleicherweise geltend machen können, daß öffentliche Belange nicht hinreichend beachtet worden seien, so verkennt er den wesentlichen Unterschied zwischen den von ihm gleichgesetzten Sachverhalten. Bei den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fällen stand der Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 14 GG bereits fest; es ging lediglich darum, ob dieser Eingriff zu Recht erfolgt sei. Bei der Klage eines Nachbarn gegen eine atomrechtliche Genehmigung ist indessen gerade umstritten und wird zur Entscheidung des Gerichtes gestellt, ob ein Eingriff in eine rechtlich geschützte Position des Klägers vorliegt. Für die Beantwortung dieser Frage kann es schlechterdings nicht darauf ankommen, ob durch die behördliche Maßnahme gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird, die nicht dem Drittschutz dienen.
Soweit der Kläger geltend macht, es sei nicht auszuschließen, daß die bestrahlten Brennelemente mangels Entsorgungsmöglichkeiten und externer Zwischenlagerkapazitäten im Kernkraftwerk verblieben und dessen Gefahrenpotential erhöhten, fehlt es an der substantiierten Darlegung eines Kausalverlaufs, der eine Gefährdung des Klägers möglich erscheinen ließe. Wenn die bestrahlten Brennelemente tatsächlich im Kraftwerk verbleiben müssen, so mag dies nach einem gewissen Zeitraum zu einer Erschöpfung seiner "internen" Zwischenlagerkapazität führen, mit der Folge, daß das Kraftwerk abgeschaltet werden muß. Daß die Zwischenlagerung im Kernkraftwerk Emsland in Gestalt der "Kompaktlagerung" dem Vorsorgegebot des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG genügt, ist mit für den Kläger bindender Wirkung durch die von ihm nicht angefochtene 2. TG festgestellt worden.
4. Dem Hilfsantrag des Klägers war nicht stattzugeben, weil § 7 Abs. 2 AtG nicht verfassungswidrig ist. Dies ist vom Bundesverfassungsgericht seit seinem grundlegenden Beschluß vom 8. April 1978 (BVerfGE 49, 89) wiederholt entschieden worden. Die Erwägungen des Klägers bieten keinen Anlaß, dieses Ergebnis in Frage zu stellen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG vorzulegen.
Der Kläger hält § 7 Abs. 2 AtG für verfassungswidrig, sofern diese Vorschrift die Genehmigung der Errichtung und des Betriebs eines Kernkraftwerks trotz fehlender Entsorgungsmöglichkeiten zulasse. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Gesetz schreibt in § 9 a AtG vor, daß Bund und Länder für End- und Zwischenlager für radioaktive Abfälle zu sorgen haben, und verpflichtet die Betreiber kerntechnischer Anlagen, ihre radioaktiven Abfälle dorthin abzuliefern. Der Nachweis, daß der Zeitraum bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers durch Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente oder auf andere Weise überbrückt wird, ist zwar - wie bemerkt - keine Genehmigungsvoraussetzung, aber zulässiger Gegenstand der Abwägung im Rahmen der Ermessensausübung der Genehmigungsbehörde. Damit enthält das Gesetz alle Voraussetzungen dafür, die Entsorgungsmöglichkeiten vor Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung zu prüfen und diese von dem Nachweis solcher Möglichkeiten abhängig zu machen. Zwar gestattet das Gesetz, atomrechtliche Genehmigungen zu erteilen, von diesen Gebrauch zu machen und radioaktive Abfälle zu erzeugen, bevor ein Endlager für solche Abfälle fertiggestellt ist. Es geht hierbei aber von der Möglichkeit einer rechtzeitigen Fertigstellung des Endlagers aus. Ob diese Möglichkeit noch besteht, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung und -bewertung bei der Anwendung des einfachen Gesetzesrechts, nicht jedoch eine Frage seiner Auslegung. Grundrechte des Klägers oder andere Verfassungsrechte werden durch diese gesetzliche Regelung jedenfalls nicht verletzt.
Im Hinblick auf die Tatsachenfeststellung hat der Senat auch hier die einfach-gesetzlichen Grenzen seiner Prüfungskompetenz zu beachten. Die Verfassungsrüge des Klägers setzt ihn nicht in den Stand, in eine ihm nach einfachem Recht verwehrte Prüfung einzutreten, ob die Erwartungen des Gesetzgebers noch realistisch erscheinen. Die verfassungsrechtliche Relevanz einer Sachfrage erweitert nicht den dem Gericht insoweit nach einfachem Recht gesteckten Prüfungsrahmen.
5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 und 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht erfüllt.
Beschluß
Der Streitwert wird auf 20.000,-- DM (in Worten: zwanzigtausend Deutsche Mark) festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Czajka
Kalz
Rettberg
Dr. Berkenbusch
Petersen