Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.05.1992, Az.: 9 L 4530/91

Erschließung; Straße; Gewerbegebiet; Zufahrt; Bebauungsplan; Verbot; Zufahrt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.05.1992
Aktenzeichen
9 L 4530/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 13361
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:0518.9L4530.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover 27.11.1990 - 8 A 145/88
nachfolgend
BVerwG - 17.06.1994 - AZ: BVerwG 8 C 24/92

Fundstelle

  • KStZ 1993, 14

Amtlicher Leitsatz

Die Erschließung eines beplanten Gewerbegebiets erfolgt nicht durch eine Straße, wenn der Bebauungsplan ein Zu- und Abfahrtverbot für die Straße und einen Grünstreifen zwischen Straße und Grundstücksgrenze vorsieht. Auch das Vorhandensein einer einzelnen ungenehmigten Zufahrt oder Zugangsmöglichkeit zu Wohngebäuden ändert hieran nichts.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 8. Kammer Hannover - vom 27. November 1990 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Teilerschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung des Nibelungenweges in den Jahren 1966 bis 1979. Sie ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten, im Norden an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücks Nibelungenweg 54. Für die südlich des Nibelungenweges gelegenen Grundstücke gilt der seit April 1973 rechtsverbindliche Bebauungsplan Nr. 475, der für die Grundstücke Gewerbegebiet festsetzt und in § 1 der textlichen Festsetzungen bestimmt, daß das Gewerbegebiet beschränkt ist "auf Betriebe, die nur im Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO zugelassen sind (§ 8 Abs. 4 BauNVO)". Der Bebauungsplan setzt ferner gemäß § 9 Abs. 1 Nrn. 15 und 16 BBauG 1960 zwischen der Straßenbegrenzungslinie und der Baugrenze auf den Grundstücken in einer Breite von 5 m einen anzupflanzenden und zu erhaltenden Baumstreifen fest; darüber hinaus bestimmt er gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 BBauG 1960, daß die Grundstücke südlich des Nibelungenweges keinen Anschluß (keine Zufahrt) an die Verkehrsfläche haben. Diese Festsetzungen verfolgen nach der Begründung zum Bebauungsplan das Ziel, evtl. auftretende Störungen durch die gewerbliche Nutzung von der angrenzenden Wohnbebauung weitgehend fernzuhalten.

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Die tatsächliche Nutzung der im Süden an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücke weicht teilweise von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 475 ab. Das Flurstück 8/18, das mit dem Flurstück 8/20 ein einheitliches, 9.146 qm großes Buchgrundstück bildet, ist mit einem 1955 errichteten Einfamilienhaus und einer Doppelgarage bebaut; auf dem Flurstück 8/20 befinden sich ein Betriebsgebäude, das 1967 mit einer Zufahrt von der Hagenbleckstraße genehmigt wurde, sowie das Wohnhaus Nibelungenweg 5, welches als Wohnung für den Betriebsinhaber im Jahre 1972 ausnahmsweise zugelassen worden ist und einen Zugang zum Nibelungenweg aufweist. Das 5.794 qm große Grundstück Nibelungenweg 13/15 wird sowohl gewerblich als auch zu Wohnzwecken genutzt; zu den Betriebsgebäuden auf dem Grundstück besteht seit 1972 eine asphaltierte Zufahrt vom Nibelungenweg her, die nicht bauaufsichtsbehördlich genehmigt worden ist, aber - auch nach Herstellung der Fränkischen Straße im Juni 1983 - mit Duldung der Beklagten tatsächlich genutzt wird; das auf dem Grundstück ferner vorhandene Wohnhaus, das auch die für den Gewerbebetrieb notwendigen Büroräume enthält, wurde im Jahre 1972 als Betriebsinhaberwohnung mit einer Zufahrt zum Nibelungenweg genehmigt. Auf dem Grundstück Nibelungenweg 17 befindet sich ein Druckereigebäude; es wurde mit der Auflage genehmigt, daß der Betrieb bis zur Herstellung der Fränkischen Straße vom Nibelungenweg her erschlossen werden dürfe und die provisorische Zufahrt zum Nibelungenweg danach sofort zu beseitigen sei; letzteres ist bisher nicht geschehen.

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Mit Bescheid vom 30. Dezember 1983 in der Fassung des Änderungsbescheid vom 11. Januar 1984 zog die Beklagte die Klägerin zu einem Teilerschließungsbeitrag in Höhe von 17.449,74 DM heran; dabei ging sie davon aus, daß der Nibelungenweg die südlich angrenzenden Grundstücke nicht erschließe; bei den angesetzten Straßenentwässerungskosten in Höhe von 42.633,49 DM legte sie geschätzte Herstellungskosten von 57,-- DM bzw. 58,-- DM pro lfd. Meter Kanallänge und einen Pauschbetrag von 554,-- DM für jeden der 17 Straßeneinläufe zugrunde. Auf den Widerspruch der Klägerin ermäßigte die Beklagte die Festsetzung des Teilerschließungsbeitrages mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 1988 auf 14.187,23 DM, wies den Widerspruch aber im übrigen mit der Begründung zurück, daß die im Süden an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücke bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands nicht berücksichtigt werden könnten, weil es wegen des festgesetzten Zu- und Abfahrtsverbotes an der rechtlichen Möglichkeit fehle, mit Kraftfahrzeugen vom Nibelungenweg auf diese Grundstücke heraufzufahren.

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Mit ihrer daraufhin erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,

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den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 30. Dezember 1983 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Januar 1984 und deren Widerspruchsbescheid vom 10. August 1988 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. November 1990 als unbegründet abgewiesen; die Beklagte habe - so hat das Gericht ausgeführt - die Gewerbegrundstücke südlich des Nibelungenweges wegen des festgesetzten Zu- und Abfahrtsverbotes zu Recht als nicht vom Nibelungenweg erschlossen angesehen; der beitragsfähige Straßenentwässerungsaufwand belaufe sich auf 49.294,58 DM, da ihm gemäß § 4 Abs. 1 EBS 1985 nur die tatsächlich entstandenen Kosten zugrunde gelegt werden dürften; eine Schätzung mittels gesicherter Erfahrungssätze sei nämlich lediglich hinsichtlich der Materialkosten, die sich einer pfenniggenauen Zuordnung zum Regenwasserkanal entzögen, zulässig gewesen.

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Mit ihrer, gegen dieses Urteil fristgerecht eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, daß der beitragsfähige Erschließungsaufwand fehlerhaft ermittelt und verteilt worden sei. Das Verwaltungsgericht hätte ihn für die Straßenentwässerung nicht selbst errechnen dürfen, da die Beklagte von der - ihr möglichen - Ermittlung des tatsächlichen Aufwandes abgesehen habe und die vorgenommene Schätzung unzulässig sei. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 475 stünden dem Erschlossensein der südlich an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücke nicht entgegen; dies gelte selbst für das Grundstück Nibelungenweg 17, weil es eine unmittelbare, tatsächlich genutzte Zuwegung zum Nibelungenweg unterhalte.

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Die Klägerin beantragt,

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unter Änderung des angefochtenen Urteils nach ihrem Klageantrag zu erkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie meint, die Gewerbegrundstücke südlich des Nibelungenweges dürften wegen des bestehenden Zu- und Abfahrtsverbotes nicht in die Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwandes einbezogen werden. Die Zuwegungen zu den als Betriebsinhaberwohnungen genutzten Wohnhäusern auf den Grundstücken Nibelungenweg 5 und 13/15 seien nur bestandsgeschützt und könnten deshalb eine Beitragspflicht nicht auslösen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

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II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Weder das Berufungsvorbringen der Klägerin noch sonstige Gesichtspunkte rechtfertigen eine Entscheidung, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht.

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So ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einem beitragsfähigen Erschließungsaufwand für die Straßenentwässerung in Höhe von 49.294,58 DM ausgegangen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es nicht zu beanstanden, daß das Gericht den - von der Beklagten unzutreffend ermittelten - beitragsfähigen Erschließungsaufwand für die Straßenentwässerung selbst errechnet hat und daß die Materialkosten, die sich einer pfenniggenauen Zuordnung zum Regenwasserkanal entziehen, mit Hilfe gesicherter Erfahrungssätze geschätzt worden sind.

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Das Verwaltungsgericht hat ferner im Ergebnis zutreffend angenommen, daß der Nibelungenweg die südlich angrenzenden Grundstücke nicht erschließt. Die vom Senat hierzu im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Beschl. v. 23. 10. 1991, 9 M 4730/91) aufgezeigten Bedenken, die ihn zu einer teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung veranlaßt haben, rechtfertigen indessen nach dem Ergebnis der abschließenden Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Hauptsacheverfahren keine teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide, und zwar aus folgenden Erwägungen:

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Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der beitragsfähige Erschließungsaufwand auf die Grundstücke zu verteilen, die im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen (Teil-)Beitragspflicht - hier mit dem Kostenspaltungsbeschluß im März 1987 - durch die Erschließungsanlage erschlossen waren. Für die Frage des Erschlossenseins kommt es entscheidend darauf an, welche Anforderungen das Bebauungsrecht an die verkehrsmäßige Erschließung stellt, insbesondere, ob es für die bauliche (oder sonstwie beitragsrechtlich relevante) Grundstücksnutzung ein Heranfahrenkönnen an das Grundstück ausreichend sein läßt oder ob es eine bestimmte, planungsrechtlich erlaubte Nutzung eines Grundstücks davon abhängig macht, daß mit Kraftfahrzeugen aller Art auf das Grundstück heraufgefahren werden darf. Lediglich im letztgenannten Fall setzt ein Erschlossensein im Sinne des § 131 Abs. 1 BauGB voraus, daß ein Anschluß der Grundstücke an die Verkehrsfläche, also eine Zu- und Abfahrtsmöglichkeit besteht (st. Rspr.; vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 3. 11. 1987, DVBl 1988, 511, 512; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 3. Aufl. 1991, RdNrn. 565 ff). Diese Maßstäbe bedeuten für den vorliegenden Fall:

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Der zeichnerische Teil des Bebauungsplanes Nr. 475 setzt für die im Süden an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücke Gewerbegebiet fest; dieses ist gemäß § 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans allerdings "beschränkt auf Betriebe, die nur im Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO zugelassen sind (§ 8 Abs. 4 BauNVO)". Dazu gehören - neben den in § 6 Abs. 2 Nr. 3 der Baunutzungsverordnung von 1968 (BGBl I S. 1238) ausdrücklich aufgeführten Einzelhandelsbetrieben, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betrieben des Beherbergungsgewerbes - alle sonstigen Gewerbebetriebe (auch des produzierenden Gewerbes), die das Wohnen nicht wesentlich stören. Für den überwiegenden Teil der in einem derart eingeschränkten Gewerbegebiet zulässigen Nutzungsarten ist es eigentümlich, daß sie einen - je nach Art des Betriebes unterschiedlich intensiven, aber regelmäßig betriebsnotwendigen - Verkehr mit Kraftfahrzeugen auslösen, sei es, daß betriebseigene Fahrzeuge zum Einsatz kommen oder sei es, daß die Betriebe regelmäßig von Lieferanten - und/oder Kundenfahrzeugen angefahren werden. Mit den bei der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen der Wirtschaft und des Verkehrs wäre es nicht zu vereinbaren, solchen Gewerbebetrieben anzusinnen, das Be- bzw. Entladen der Fahrzeuge außerhalb der Betriebsgrundstücke auf den öffentlichen Verkehrsflächen abzuwickeln und die Erreichbarkeit der Betriebsgrundstücke nur "zu Fuß" ausreichen zu lassen. Darüber hinaus umfaßt der durch Art. 14 GG gewährleistete Anliegergebrauch für gewerblich nutzbare Grundstücke regelmäßig die Möglichkeit, von der Straße auf das Grundstück und von dort auf die Straße zu fahren.

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Für die südlich an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücke besagt all dies, daß das Erschlossensein zwar nicht bei jeder einzelnen Anlage, aber doch für das eingeschränkte Gewerbegebiet insgesamt typischerweise die Möglichkeit voraussetzt, vom Nibelungenweg mit Personen- und Lastkraftwagen auf die Grundstücke fahren zu können. Diesem Ergebnis steht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 1991 (DVBl 1991, 1068, 1069 f) nach Ansicht des Senats nicht entgegen, und zwar auch nicht im Blick darauf, daß auf den südlich an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücken auch Gewerbebetriebe zulässig sind, für deren angemessene Nutzung die Möglichkeit ausreicht, mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an die Grundstücksgrenze heranfahren und das Grundstück von dort betreten zu können. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, daß sich aus der Festsetzung eines Mischgebietes nicht auf den Willen des Satzungsgebers schließen lasse, die Bebaubarkeit aller Grundstücke davon abhängig zu machen, daß auf sie heraufgefahren werden darf; vielmehr bedürfe es für eine solche Folgerung zusätzlicher planungsrechtlicher Festsetzungen, denen zufolge für die Grundstücke gerade eine derjenigen Nutzungsarten im Sinne des § 6 Abs. 2 BauNVO 1968 vorgesehen sei, die ein Herauffahren auf das Grundstück voraussetze. Hier liegt der Fall indes anders, weil der Bebauungsplan Nr. 475 für den Bereich der südlich an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücke kein Mischgebiet (dort wäre auch Wohnen zulässig, vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1968) festsetzt, es sich vielmehr um ein Gewerbegebiet handelt, bei dem das Herauffahrenkönnen auf die Grundstücke nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 3. 11. 1987, BVerwGE 78, 237, 242) [BVerwG 03.11.1987 - 8 C 77/86] in der Regel erforderlich ist.

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Für das Erschlossensein der südlich an den Nibelungenweg angrenzenden Grundstücke kommt es somit darauf an, ob mit Kraftfahrzeugen auf die Grundstücke heraufgefahren werden darf. Nach dem im Bebauungsplan Nr. 475 festgesetzten Zu- und Abfahrtverbot ist dies unzulässig. Dem entspricht es, daß das Plangebiet, zu dem auch der Nibelungenweg zählt, nach der Begründung zum Bebauungsplan (S. 2) "durch die Hagenbleckstraße, die Empelder Straße und eine geplante Straße" (die Fränkische Straße), also nicht durch den Nibelungenweg erschlossen werden soll. Allerdings bestehen auf den Grundstücken Nibelungenweg 13/15 und 17 Zufahrten zum Nibelungenweg, die gewerblich genutzt werden. Insoweit kommt es darauf an, ob sie genehmigt worden sind und mit welcher Legalisierungswirkung sie bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 3. 2. 1989, DVBl 1989, 675). Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen an, die das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zum Fehlen eines Bestandsschutzes gemacht hat. Beim Grundstück Nibelungenweg 13/15 läßt sich eine hinreichende Möglichkeit des Herauffahrenkönnens insbesondere auch nicht aus dem Gesichtspunkt herleiten, daß zunächst, nämlich bis zur Herstellung der Fränkischen Straße im Jahre 1983, ein Anspruch auf Nutzung der gewerblichen Zufahrt im Rahmen des Anliegergebrauchs bestanden hat, weil die Grundstückseigentümerin zur angemessenen Nutzung ihres Gewerbebetriebes auf das Vorhandensein und die Benutzung des Nibelungenweges in besonderer Weise angewiesen war. Der Anliegergebrauch gewährleistet einen ausreichenden Zugang zur Straße, nicht aber die Beibehaltung einer vorteilhaften Ausgestaltung der Grundstücksverbindung oder einer bestimmten Zufahrt zum Grundstück. Der besondere, durch Art. 14 GG gewährleistete Schutz des Anliegergebrauchs dauert also lediglich solange, wie für den rechtlichen Wegfall der Zuwegung zum Nibelungenweg kein angemessener Ersatz gewährt wurde (vgl. Kodal, Straßenrecht, 4. Aufl., S. 555 f, 558, 571 f). Beim Grundstück Nibelungenweg 13/15 bedeutet dies, daß die gewerblich genutzte Zufahrt zum Nibelungenweg nur bis zur endgültigen Herstellung der Fränkischen Straße im Jahre 1983 durch Art. 14 GG geschützt war.

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Die von den Grundstücken 13/15 und 17 ausgehende tatsächliche Nutzung der gewerblichen Zufahrten entbehrt somit jeglicher rechtlichen Grundlage. Sie muß erschließungsbeitragsrechtlich demzufolge unberücksichtigt bleiben, weil das Erschließunsbeitragsrecht nicht auf die tatsächliche, sondern auf die rechtlich zulässig Nutzung abstellt.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht eine Erschießung vom Nibelungenweg aus schließlich auch nicht daraus hergeleitet, daß auf den Grundstücken Nibelungenweg 5 und 13/15 Wohngebäude mit Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit zum Nibelungenweg vorhanden sind. Die damit verbundenen Nutzungen der Grundstücke zu Wohnzwecken stellen keine zulässige, sondern lediglich eine - aufgrund einer Ausnahme sowie des Bestandsschutz - zugelassene Nutzung dar. Der zwischen beiden Formen bestehende Wertigkeitsunterschied erlaubt es, bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands diejenige Nutzung, die durch eine Ausnahme, Befreiung oder den Bestandsschutz zusätzlich ermöglicht wird, unberücksichtigt zu lassen (vgl. im Zusammenhang mit der Verteilungsregelung: BVerwG, Urt. v. 23. 8. 1974, Buchholz 406.11§ 131 Nr. 10; Urt. v. 20. 9. 1974, KStZ 1975, 111; Beschl. v. 27. 11. 1981, DVBl 1982, 546, 547[BVerwG 27.11.1981 - 8 B 189/81]; Urt. v. 14. 2. 1986, NVwZ 1986, 568). Eine andere Betrachtungsweise würde in Fällen der vorliegenden Art auch zu unüberwindbaren praktischen Schwierigkeiten führen; bei Zugrundelegung des Buchgrundstücksbegriffs ließe sich dann nicht mit der gebotenen Rechtssicherheit ermitteln, welcher Grundstücksteil der Wohnnutzung zuzuordnen und als durch die Erschließung zu Wohnzwecken bevorteilt anzusehen ist. Entscheidend muß daher im vorliegenden Fall sein, daß es sich bei den Grundstücken Nibelungenweg 5, 13/15 und 17 um Gewerbegrundstücke handelt, die nicht über eine rechtlich zulässige Gewerbezufahrt zum Nibelungenweg verfügen. Dies allein schließt ein Erschlossensein der Grundstücke vom Nibelungenweg her aus.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO iVm den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Klärungsbedürftig ist insbesondere die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erhebliche Frage, ob Grundstücke in einem gegliederten Gewerbegebiet, die sowohl gewerblich als auch zu Wohnzwecken genutzt werden, trotz eines bauplanungsrechtlichen Zu- und Abfahrtverbots durch eine Anbaustraße erschlossen sind, zu der tatsächlich (auch zu gewerblichen Zwecken) Zufahrt genommen wird. In diesem Zusammenhang erscheint auch klärungsbedürftig, ob bei gegliederten Gewerbegebieten für das Erschlossensein das Herauffahrendürfen auf das Grundstück erforderlich ist und ob die minderen Erschließungsanforderungen einer im Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässigen und tatsächlich zugelassenen Wohnnutzung beitragsrechtlich zu berücksichtigen sind.

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Beschluß

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Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 14.187,23 DM festgesetzt.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).

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Schmaltz

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Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Berthold ist beurlaubt und daher an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert.

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Schmaltz

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Dr. Claaßen