Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.2004, Az.: 9 K 506/00
Voraussetzungen für Ansprüche auf Erstattung von Steuern und Steuervergütungen; Einnahme der Stellung des Steuerpflichtigen im Steuerfestsetzungsverfahren durch den Abtretungsempfänger (Zessionar); Schutz des Zessionars vor Minderung des abgetretenen Steueranspruchs durch Abgabe einer berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung nach der Abtretung; Einschlägigkeit des Erhebungsverfahrens oder des Festsetzungsverfahrens beim Streit über das Vorliegen eines Erstattungsanspruchs des Steuerpflichtigen gegenüber dem Finanzamt ; Möglichkeit einer Erhebung von Einwendungen gegen Grund und Höhe der dem Abrechnungsbescheid zu Grunde liegenden Steuerfestsetzung im Verfahren über einen Abrechnungsbescheid ; Berücksichtigung der formellen Bescheidlage im Verfahren über den Abrechnungsbescheid; Zulässigkeit einer Übertragung einer zivilrechtlichen Vorschrift zum Schutze des neuen Gläubigers auf einen öffentlich-rechtlichen Steuervergütungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.2004
- Aktenzeichen
- 9 K 506/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 27916
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1208.9K506.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs. 1 AO 1977
- § 46 Abs. 2 AO 1977
- § 46 Abs. 3 AO 1977
- § 218 AO 1977
- § 407 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- DStR 2005, X Heft 12 (Kurzinformation)
- DStRE 2005, 421-423 (Volltext)
- EFG 2005, 578-579
Verfahrensgegenstand
Abrechnungsbescheid
Amtlicher Leitsatz
Der Abtretungsempfänger (Zessionar) nimmt nicht der Stellung des Steuerpflichtigen im Steuerfestsetzungsverfahren ein. Er ist nicht davor geschützt, dass sich der abgetretene Steueranspruch nach der Abtretung durch Abgabe einer berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung vermindert. Er kann sich nicht auf § 407 BGB berufen.
Tatbestand
Streitig ist, ob den Klägern aus abgetretenem Recht ein Zahlungsanspruch von 13.596,84 DM zusteht.
Die Kläger sind als Rechtsanwälte tätig. Der Geschäftsführer der M-GmbH (GmbH) beauftragte die Kläger am 14. Februar 1997 mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der GmbH. Zur Sicherung der aus dieser Mandatierung resultierenden Honoraransprüche wollte der Geschäftsführer einen Erstattungsanspruch der GmbH, der auf Grund der am 11. Februar 1997 beim Beklagten (das Finanzamt -FA-) eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat Januar 1997 in Höhe von 13.596,84 DM bestand, an die Kläger abtreten. Die Parteien vereinbarten daher schriftlich, dass der Erstattungsanspruch gegen das FA zur Sicherung an die Kläger abgetreten wird. Die Kläger verfügten jedoch nicht über den amtlich vorgeschriebenen Vordruck, um die Abtretung dem FA anzuzeigen. Sie baten aus diesem Grund eine befreundete Steuerberatungsgesellschaft, den Vordruck per Telekopie (Fax) zu übermitteln. NachÜbermittlung und genauer Prüfung des Inhalts unterzeichnete der Geschäftsführer die Abtretungsanzeige, die noch am selben Tag abgesandt wurde, sodass sie am 17. Februar 1997 beim FA einging.
Mit Schreiben vom 27. Februar 1997 teilte das FA den Klägern mit, dass die Abtretungsanzeige formal unwirksam sei, weil der Sicherungszweck nicht eindeutig ersichtlich sei, sodass von einer Abtretung mit Erfüllungscharakter ausgegangen werden müsse. Daher zahlte das FA den Umsatzsteuererstattungsanspruch für den Voranmeldungszeitraum Januar 1997 nicht aus. Am 17. März 1997 reichte die GmbH eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 1997 beim FA ein, aus der sich nunmehr eine Zahlungsverpflichtung zugunsten des FA ergab. Das FA erließ daraufhin am 23. Juni 1997 einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für den Voranmeldungszeitraum Januar 1997.
Zwischenzeitlich hatten die Kläger eine (ergänzte) Abtretungsanzeige im Original vorgelegt, deren formelle Wirksamkeit das FA weiter bestritt. Daraufhin erließ das FA am 27. Mai 1997 einen ablehnenden Abrechnungsbescheid. Der Einspruch blieb erfolglos.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger vertreten die Auffassung, dass die am 14. Februar 1997 erfolgte Abtretung wirksam sei und die Abtretungsanzeige den Formvorschriften des § 46 Abs. 3 AO entspräche. Die Formvorschriften dienten zunächst dem Schutz des Abtretenden und erst danach dem Zweck der einfachen Bearbeitung durch das FA. Beide Zwecke seien mit der Abtretungsanzeige vom 17. Februar 1997 erfüllt. Der Abtretende habe in ausreichendem Maße von den Hinweisen, die ihn schützen sollen, Kenntnis genommen. Allein die Tatsache, dass die vorgelegte Kopie aus zwei Seiten bestand, sei unschädlich. Die Forderung des FA, die Anzeige hätte aus Vorder- und Rückseite bestehen müssen, sei reine Förmelei. Darüber hinaus könne ihnen - den Klägern - nicht die spätere Berichtigung der Umsatzsteuervoranmeldung entgegen gehalten werden. In entsprechender Anwendung des § 407 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sei die Berichtigung gegenüber einem Abtretungsempfänger unwirksam. Daher bestehe der streitige Anspruch noch.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2000 und Änderung des Abrechnungsbescheids vom 27. Mai 1997 einen Zahlungsanspruch von 13.596,84 DM nebst 8 v.H. Zinsen seit dem 16. Juli 1997 festzustellen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Anzeige nicht den Formvorschriften des § 46 Abs. 3 AO entspräche. Darüber hinaus sei der Anspruch zwischenzeitlich abgewickelt. Ein Anspruch aus abgetretenem Recht stehe den Klägern daher nicht zu.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, weil nach Abgabe der berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung für den Januar 1997 kein Erstattungsanspruch, der hätte abgetreten werden können, bestand.
1.
Nach § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern und Steuervergütungen abgetreten werden. Voraussetzung einer wirksamen Abtretung ist neben einer den Anforderungen des § 46 Abs. 2 und 3 AO entsprechenden Anzeige, dass dem Abtretenden überhaupt eine Forderung gegenüber dem FA zusteht. An einer solchen Forderung fehlt es im Streitfall. Zwar bestand zum Zeitpunkt der (privatrechtlichen) Abtretung am 14. Februar 1997 auf Grund der Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 1997 ein Vorsteuerüberhang. Dieser ist jedoch mit der Abgabe der berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung vom 17. März 1997 untergegangen. Da dem Abtretenden keine Forderung auf Auszahlung eines Vorsteuerüberhangs zustand, ging die Abtretung ins Leere.
2.
Das FA hat dem hier streitigen Abrechnungsbescheid zu Recht allein die gültige (formelle) Bescheidlage zu Grunde gelegt. Besteht Streit über die Frage, ob dem Steuerpflichtigen ein Erstattungsanspruch gegen das FA zusteht, wird über diesen Streit gem. § 218 AO durch Abrechnungsbescheid entschieden. Die Entscheidung ergeht im Erhebungsverfahren und betrifft nicht das Festsetzungsverfahren (Urteil des BFH vom 12. August 1999 VII R 92/98, BStBl. II 1999, 751). Einwendungen gegen Grund und Höhe der dem Abrechnungsbescheid zu Grunde liegenden Steuerfestsetzung können im Verfahrenüber den Abrechnungsbescheid nicht erhoben werden. Die Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide wird nicht mehr geprüft. Im Abrechnungsverfahren ist von der bestehenden formellen Bescheidlage auszugehen (Urteil des BFH vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BStBl. II 2000, 46). Nach der dem hier streitigen Abrechnungsbescheid zugrunde liegenden Bescheidlage bestand nach Abgabe der berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung für den Januar 1997 kein Vergütungsanspruch mehr. Ausweislich des noch wirksamen Umsatzsteuerbescheids vom 23. Juni 1997 besteht vielmehr ein Zahlungsanspruch des FA gegenüber der GmbH. Nur diese formelle Bescheidlage ist im Verfahren über den Abrechnungsbescheid zu berücksichtigen. Ob die Umsatzsteuerfestsetzung vom 23. Juni 1997 zutreffend ist, ist daher unerheblich. Aus diesem Grund muss das Gericht auch nicht die zwischen Rechtsprechung und Literatur umstrittene Rechtsfrage entscheiden, ob der Abtretungsgläubiger seinen Anspruch lediglich im Rahmen des Erhebungsverfahrens eigenständig verfolgen (so die Rechtsprechung Urteil des BFH vom 9. April 1986 I R 62/81, BStBl. II 1986, 565; so auch Klein§ 46 Rz. 20) oder auch das Festsetzungsverfahren betreiben kann (vgl. Pahlke/König § 46 Rz. 29 ff; Tipke/Kruse § 46 Rz. 54 ff.). Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, dass die Kläger als Abtretungsgläubiger das Festsetzungsverfahren betreiben könnten, hätte dies auf die Rechtmäßigkeit des hier streitigen Abrechnungsbescheids keinen Einfluss.
3.
Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf § 407 Abs. 1 BGB berufen. Nach § 407 Abs. 1 BGB muss der neue Gläubiger nur die Rechtsgeschäfte zwischen dem alten Gläubiger und dem Schuldner gegen sich gelten lassen, die zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurden, zu dem der Schuldner noch keine Kenntnis von der Abtretung hatte. Diese zivilrechtliche Vorschrift zum Schutze des neuen Gläubigers kann nicht auf denöffentlich-rechtlichen Steuervergütungsanspruchübertragen werden.
a.
Einerseits kann die zivilrechtliche Abtretung nicht so weitgehend auf den öffentlich-rechtlichen Steuervergütungsanspruch einwirken, dass das FA an einer rechtmäßigen Steuerfestsetzung auch mit Wirkung für den neuen Gläubiger gehindert wäre. Dies würde den fundamentalen Grundsätzen der verfassungsrechtlich geforderten zutreffenden Steuerfestsetzung (vgl. § 85 AO) widersprechen.
b.
Anderseits kann die Vorschrift des § 407 Abs. 1 BGB auch ihrem Inhalt nach nicht auf den vorliegenden Streitfall übertragen werden. Bei der Abgabe einer berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung handelt es sich nicht um ein (neues) "Rechtsgeschäft" zwischen FA und altem Gläubiger, mit dem nachträglich zum Nachteil des neuen Gläubigers über die Steuerforderung verfügt wird. Vielmehr entsteht der Steueranspruch nach§ 38 AO materiell durch Verwirklichung des Tatbestand, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Der später erlassene Steuerbescheid hat dogmatisch gesehen somit nur deklaratorische Bedeutung, da der Steueranspruch bereits kraft Gesetzes durch Verwirklichung des Tatbestands entstanden ist (zu Einzelheiten vgl. Cöster in Pahlke/Koenig § 155 Rz. 16; Tipke/Kruse § 38 Rz. 23). Die spätere Änderung der Umsatzsteuervoranmeldung durch die GmbH hat daher nur dazu gedient, den tatsächlich entstandenen Steueranspruch konkret festzustellen. Damit hat der alte Gläubiger nicht nachträglich verändernd auf den abgetretenen (Steuer-)Anspruch zum Nachteil des neuen Gläubigers - den Klägern- eingewirkt. Der vermeintlich abgetretene Anspruch hat vielmehr von Anfang an nicht bestanden. Dies wurde lediglich durch die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung und den daraufhin geänderten Umsatzsteuerbescheid klar gestellt. Somit ist die hier vorliegende Situation nicht mit dem Schutzzweck des § 407 Abs. 1 BGB zu vergleichen, der den neuen Gläubiger allein vor einer nachträglich Veränderung des abgetretenen Anspruch durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen dem altem Gläubiger und dem Schuldner schützen will.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).