Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.12.2004, Az.: 14 K 571/99
Steuerliche Anerkennung einer vermeintlich nicht existenten Grundstücksgesellschaft; Klagebefugnis bei nicht vorhandener, belastender Regelung aufgrund nichterfolgter Steuerfestsetzung oder Festsetzung der Steuer auf Null durch das Finanzamt; Erkennbarkeit der zweiten Gesellschaft nach Außen als unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer zweiten personenidentischen Personengesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.12.2004
- Aktenzeichen
- 14 K 571/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 37158
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1216.14K571.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 40 Abs. 2 FGO
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin als eigenständige Grundstücksgesellschaft steuerlich anzuerkennen ist.
Die ... GbR (GbR) war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Gesellschafter waren H und sein Sohn J. Zweck der Gesellschaft war es, einen "Baugewerken-Betrieb" zu führen. Darüber hinaus erwarben H und J jeweils zur Hälfte das unbebaute Grundstück ... (Grundstück). Anschließend errichtete die GbR auf dem Grundstück ein Wohngebäude mit 12 Wohnungen. Mit Vertrag vom 17. Juli 1993 änderten H und J sodann die ursprünglich vereinbarte Verteilung des Gewinns des GbR rückwirkend zum 1. Januar 1991. In dem Vertrag heißt es u.a., dass die Änderung der Gewinnverteilung bereits 1991 mündlich vereinbart worden sei. Bis zum Jahre 1994 veräußerten H und J die einzelnen Wohnungen des Grundstücks laufend an verschiedene Erwerber. Steuerlich wurde die GbR zunächst vom Steuerberater ... betreut, der das Grundstück als Betriebsvermögen der GbR behandelte und dementsprechend auch die Aufwendungen für das Grundstück und die Erlöse aus dem Verkauf der Wohnungen im Rahmen der laufenden Buchführung der GbR erfasste.
Ende 1995 wechselte die GbR zur ... Steuerberatungsgesellschaft mbH und wurde dort vom Steuerberater ... betreut. Die ... beantragte beim beklagten Finanzamt (FA), für die Klägerin und weitere sechs Grundstücksgesellschaften eigene Steuernummern zu vergeben. H und J hätten neben der GbR eigenständige personenidentische Grundstücksgesellschaften gegründet. Ihr ehemaliger Steuerberater habe jedoch rechtsfehlerhaft das Betriebsvermögen und sämtliche Geschäftsvorfälle der separaten Gesellschaften in der Buchführung der GbR erfasst und ihnen aus Vereinfachungsgründen lediglich zu einer veränderten Verteilung des Gewinns der GbR geraten. Die steuerliche Handhabung müsse nunmehr - auch für die zurückliegenden Jahre - an die tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden. Für die Streitjahre reichte die GbR sodann ihre von der ... erstellten Steuererklärungen und Jahresabschlüsse beim FA ein. Abweichend von der bisherigen Handhabung berücksichtigte die GbR in diesen Erklärungen jedoch nicht mehr das Grundstück als Betriebsvermögen. Ferner gab die Klägerin erstmals für die Streitjahre Gewerbesteuererklärungen beim FA ab und erklärte Verluste aus Gewerbebetrieb für 1992 von ... und für 1993 von ... DM sowie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1994 von ... DM. Darüber hinaus legte sie dem FA einen Gesellschaftsvertrag vom 20. Juli 1992 vor. Nach diesem Gesellschaftsvertrag gründeten die Gesellschafter der GbR die Klägerin als weitere Grundstücksgesellschaft. Gegenstand des Unternehmens war nach dem Vertrag der Erwerb des Grundstücks, um es zu bebauen und anschließend zu veräußern. Die Gesellschaft begann nach dem Vertrag am 1. Juni 1992 und endet mit dem Verkauf des Grundstücks. Der Vertrag ist vom Steuerberater ... im März 1996 erstellt und auf den 20. Juli 1992 rückdatiert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag vom 20. Juli 1992 verwiesen (vgl. Bl. ... der beim FA für die Klägerin unter der Steuernummer ... geführten Feststellungsakte). Das FA folgte den Gewerbesteuererklärungen der Klägerin und setzte ihr gegenüber mit Bescheiden jeweils vom ... unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge für 1992 und für 1993 jeweils auf 0 DM und für 1994 auf ... DM fest.
In der Zeit vom ... bis ... führte das FA bei der GbR, der Klägerin und den übrigen Grundstücksgesellschaften Außenprüfungen durch. Im Laufe der Außenprüfungen leitete das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ... Ermittlungsverfahren gegen J und gegen den Steuerberater ... wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein. Im Februar 1997 sagte der ehemalige Steuerberater der GbR im Rahmen seiner Vernehmung durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ... aus, dass mit ihm über die Existenz anderer separater Gesellschaften neben der GbR nie gesprochen worden sei. Die Gesellschafter der GbR hätten ihn auch nie auf derartige Gesellschaften aufmerksam gemacht. Entsprechende Gesellschaftsverträge kenne er nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vernehmungsprotokoll des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen ... vom ... verwiesen (Bl. ... der Ermittlungsakte J). Der Betriebsprüfer stellte sodann im Rahmen seiner Prüfungen fest, dass die Klägerin und die weiteren sechs Grundstücksgesellschaften steuerlich nicht anerkannt werden könnten. Sämtliche Geschäftsvorfälle der Grundstücksgesellschaften seien vielmehr der GbR zuzurechnen. Eine rückwirkende Ausgliederung der verschiedenen Bauvorhaben aus dem Betriebsvermögen der GbR sei nicht zulässig. Die tatsächliche Durchführung der Ausgliederung habe im Laufe der Prüfung nicht nachvollzogen werden können. Auch die Ermittlungen der Steuerfahndung hätten keine Anhaltspunkte für eine von vornherein durchgeführte Trennung der verschiedenen (Betriebs-)Vermögen ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Betriebsprüfungsberichte des FA jeweils vom ... verwiesen (vgl. Bl. ... der Betriebsprüfungsakte Bd. II zur Steuernummer ... sowie Bl. ... der Betriebprüfungsakte zur Steuernummer ...).
Das FA folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und setzte mit Bescheiden jeweils vom ... gegenüber der Klägerin die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge für sämtliche Streitjahre auf 0 DM fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Ihr gegenüber seien einheitliche Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen, da das Grundstück ihr und nicht der GbR zuzurechnen sei. Der Steuerberater ... habe rechtsfehlerhaft das Grundstück im Rahmen der Gewinnermittlung der GbR erfasst. Mit Einspruchsbescheid vom ... wies das FA den Einspruch für 1992 und 1993 als unbegründet und im Übrigen als unzulässig zurück. Die Klägerin sei steuerlich nicht anzuerkennen, da sie nicht existiere. Das Grundstück sei daher der GbR als Betriebsvermögen zuzurechnen. Für 1994 sei der Einspruch unzulässig, da die Klägerin durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert sei.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klägerin ihr bisheriges Anliegen weiterverfolgt. Die Veräußerung des Grundstücks sei in einer separaten Gewinnermittlung zu erfassen. Im Rahmen der Finanzbuchhaltung habe der ehemalige Steuerberater ihrer Gesellschafter jedoch keine klare Trennung bei der Zuordnung des Grundstücks vorgenommen. Erst durch die Beratung der ... sei H und J klar geworden, dass sie falsch beraten worden seien. Sie seien bis dahin stets davon ausgegangen, dass eine klare Differenzierung der einzelnen Gesellschaften vorliege, es aber nicht erforderlich sei, im Geschäftsverkehr jede einzelne Gesellschaft explizit namensmäßig zu trennen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung der Beklagten vom ... und Änderung des Feststellungsbescheids vom ... ihren einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag wie folgt festzusetzen:
1992 | 0 DM |
---|---|
1993 | 0 DM |
1994 | ... DM |
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält ebenfalls an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
I.
Der Klägerin fehlt, selbst wenn sie tatsächlich bestanden haben sollte, die nach § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche Klagebefugnis. Eine Klage ist nach § 40 Abs. 2 FGO nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Die erforderliche Klagebefugnis liegt dagegen dann nicht vor, wenn das Finanzamt eine belastende Regelung nicht getroffen hat, also eine Steuerfestsetzung abgelehnt oder die Steuer auf 0 DM festgesetzt hat (Schwarz, FGO, Lfg. 23, Stand: August 2004, § 40 Rz. 53).
Nach diesen Grundsätzen macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage keine Verletzung eigener Rechte geltend. Mit den angefochtenen Bescheiden hat es das FA abgelehnt, für die Streitjahre gegenüber der Klägerin einheitliche Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen. Dabei ist es im Ergebnis gleichgültig, ob förmlich die Gewerbesteuermessbeträge, wie im Streitfall, auf 0 DM festgesetzt werden oder ausdrücklich zum Ausdruck gebracht wird, dass keine einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen seien (vgl. Hübschmann/ Haep/ Spittaler, AO, Lieferung 153, Stand: Juli 1997, § 155 Rdz. 26). Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin für die Streitjahre 1992 und 1993 nicht gegen die Höhe der vom FA festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge, sondern rügt ausschließlich, dass das FA in den angefochtenen Bescheiden ihre Existenz verneint habe. Für das Streitjahr 1994 macht die Klägerin darüber hinaus geltend, dass das FA ihr gegenüber den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag zu niedrig festgesetzt hat. Dies genügt jedoch nicht, da die Klägerin durch die Ablehnung des FA, ihr gegenüber einheitliche Gewerbesteuermessbeträge festzustellen, nicht beschwert ist. Allein daraus, dass das FA in den angefochtenen Bescheiden ihre Existenz verneint hat, ergibt sich keine Beschwer. Dies ist lediglich eine Frage der Begründung der angefochtenen Verwaltungsakte.
II.
Das Gericht weist lediglich ergänzend darauf hin, dass der Sachantrag der Klägerin auch unbegründet wäre. Zu Recht ist das FA in den angefochtenen Bescheiden davon ausgegangen, dass für die Klägerin keine einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre festzusetzen, da die Klägerin nicht existiert. Ob neben einer Personengesellschaft tatsächlich eine zweite personenidentische Gesellschaft gegründet worden ist und diese auch tatsächlich Leistungen erbracht hat, ist aufgrund der objektiven Gegebenheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme einer zweiten personenidentischen Personengesellschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die zweite Gesellschaft nach außen erkennbar geworden ist (BFH-Urteil vom 19. Februar 1998 IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603; BFH-Beschluss vom 22. Januar 1998 IV B 153/96, BFH/NV 1998, 847). Im Übrigen ist aufgrund von Beweisanzeichen, wie z.B. getrennte Bankkonten und Kassen, verschiedene Rechnungsvordrucke, eigenständige Buchführung, festzustellen, ob und inwieweit die zweite Gesellschaft eine von der ersten Gesellschaft abgrenzbare Tätigkeit entfaltet hat (BFH-Urteil vom 19. Februar 1998 IV R 11/97, BStBl. II 1998, 603).
Nach diesen Grundsätzen hat das FA im Streitfall zu Recht die Existenz der Klägerin verneint. Weder im Rahmen des finanzamtlichen Veranlagungsverfahrens noch im Rahmen der Betriebsprüfung oder des Ermittlungsverfahrens des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen ... haben sich irgendwelche greifbaren Anhaltspunkte ergeben, die auf die Existenz der Klägerin hindeuten könnten. Auch die Klägerin hat hierzu im vorliegenden Klageverfahren, das bereits seit mehreren Jahren anhängig ist, nichts vorgetragen. Vielmehr räumt sie selbst ein, dass es ihren Gesellschaftern nicht gelungen sei, die verschiedenen personenidentischen Gesellschaften explizit namensmäßig zu trennen. Vor allem ist nicht nach außen erkennbar, dass die Klägerin ein eigenes Vermögen gebildet hat. Überdies hatte die Klägerin in den Streitjahren auch keine eigenständige Buchführung, die auf ihre Existenz hindeuten könnte. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, entgegen der wohl von der Klägerin vertretenen Auffassung, aus welchen Gründen sie keine eigene Buchführung hatte und ob es sich dabei um eine Falschberatung des ehemaligen Steuerberaters ihrer Gesellschafter gehandelt hat.
III.
Das Gericht hat davon abgesehen, wie von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung beantragt, den Steuerberater ... als Zeugen zu vernehmen zu der Frage, ob er von der Existenz mehrerer personenidentischer Gesellschaften der Gesellschafter der GbR, H und J, gewusst und ihnen im Jahr 1993 aus buchführungsmäßigen Gründen geraten habe, eine Verknüpfung insoweit vorzunehmen als lediglich die Verteilung des Gewinns der GbR geändert werde, obwohl er richtigerweise die weiteren Gesellschaften buchführungsmäßig hätte unterscheiden müssen. Dieser Beweisantrag ist für das vorliegende Klageverfahren bedeutungslos, da die Klage wegen der fehlenden Klagebefugnis der Klägerin unzulässig ist. Aber selbst wenn das Gericht in der Sache entschieden hätte, wäre es nicht verpflichtet gewesen, den Steuerberater ... als Zeugen zu vernehmen. Soweit der Beweisantrag darauf abzielt, den Steuerberater ... zu der Frage zu vernehmen, ob er von der Existenz weiterer Gesellschaften der Gesellschafter der GbR gewusst habe, ist der Beweisantrag schon unsubstantiiert, da er keine konkreten Tatsachen in das Wissen des Zeugen stellt. Insoweit benennt der Beweisantrag lediglich das Beweisziel der Klägerin, das Gericht von der Existenz mehrerer personenidentischer Gesellschaften zu überzeugen. Im Übrigen wäre der Beweisantrag auch bei einer Entscheidung in der Sache ebenfalls bedeutungslos. Das Gericht wäre auch dann zu keinem anderen Ergebnis gekommen, wenn der Steuerberater ... den Gesellschaftern der GbR, H und J, tatsächlich im Jahre 1993 rechtsfehlerhaft geraten hätte, aus buchführungsmäßigen Gründen lediglich die Verteilung des Gewinns der GbR zu ändern und aus Vereinfachungsgründen die weiteren Gesellschaften der Gesellschafter der GbR buchführungsmäßig nicht zu unterscheiden. Materiell-rechtlich käme es im vorliegenden Klageverfahren, wie oben bereits dargelegt, nur darauf an, ob die Klägerin nach außen in irgend einer Weise erkennbar geworden ist. Dagegen sind die Gründe, warum die Klägerin im Bereich der Buchführung nicht nach außen erkennbar geworden ist, ohne Bedeutung. Unerheblich ist daher, auf welchen internen Überlegungen die Verteilung des Gewinns der GbR beruht und ob es sich insoweit um eine Falschberatung des ehemaligen Steuerberaters der Gesellschafter der GbR gehandelt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.