Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 16.08.2004, Az.: 6 A 477/03
Beweisfoto; Ermessen; Ermittlungsaufwand; Fahrerfeststellung; Fahrtenbuch; Fahrtenbuchanordnung; Fahrtenbuchauflage; Fahrzeughalter; Frontfoto; Gebührenbemessung; Gebührenrahmen; Geschwindigkeitsüberschreitung; Höchstgeschwindigkeit; Selbstbelastung; Unmöglichkeit; Verwaltungsgebühr
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 16.08.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 477/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50718
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31a Abs 1 StVZO
- § 6a StVG
- § 9 Abs 1 VwKostG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zum erforderlichen Ermittlungsaufwand der Bußgeldbehörde bei der Fahrerfeststellung, wenn der Halter des Fahrzeugs dazu keine näheren Angaben macht, aber ein verhältnismäßig deutliches Frontfoto vorliegt.
2. Zur Bemessung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage.
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 30. Oktober 2003 wird aufgehoben, soweit Verwaltungskosten in Höhe von 46,00 Euro festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1546,00 Euro festgesetzt.
Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung der Beklagten, für seinen Pkw ein Fahrtenbuch zu führen.
Der Kläger ist Halter eines Pkw der Marke Mitsubishi mit dem amtlichen Kennzeichen B.. Mit diesem Fahrzeug wurde am 3. Oktober 2002 auf der B 3 im Landkreis Celle die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h nach Abzug eines Toleranzwertes um 62 km/h überschritten. Die Ordnungswidrigkeit wurde von der Polizei durch ein Geschwindigkeitsmessgerät und Fotos dokumentiert.
Unter dem 17. Oktober 2002 übersandte der Landkreis Celle als Bußgeldbehörde dem Kläger einen Anhörungsbogen, auf dem der Kläger angab, er könne sich nicht erinnern, dass er das Fahrzeug zur fraglichen Zeit am Tatort gefahren sei. Er bitte um Zusendung des Beweisfotos. Die Bußgeldbehörde übersandte ihm das Foto unter dem 25. Oktober 2002.
Nachdem der Kläger nicht weiter reagiert hatte, forderte die Bußgeldbehörde vom Einwohnermeldeamt das Personalausweisfoto des Klägers an. Der zuständige Sachbearbeiter stellte fest, dass das Foto zu alt sei und daher zur Identitätsfeststellung nicht ausreiche. Daraufhin bat die Bußgeldbehörde die Polizei in Wolfsburg unter dem 2. Dezember 2002 darum, den Fahrzeugführer anhand des vorliegenden Beweisfotos zu ermitteln. Einer im Dezember 2002 erfolgten Vorladung der Polizei leistete der Kläger ohne Angabe von Gründen nicht Folge. Im Januar 2003 bat die Bußgeldbehörde die Polizei Wolfsburg nochmals darum, durch einen Fotoabgleich den Fahrzeugführer festzustellen. Am 7. Januar 2003 suchte ein Polizeibeamter die Wohnung des Klägers auf, traf diesen dort jedoch nicht an. Nach dem Ermittlungsbericht des Beamten war auch in der Nachbarschaft niemand zu erreichen. Der Beamte hinterließ in der Wohnung des Klägers eine Mitteilung, in der der Kläger gebeten wurde, sich mit den Beamten in Verbindung zu setzen. Der Kläger reagierte darauf nicht. Auf die unter dem 9. Januar 2003 erfolgte erneute Vorladung durch die Polizei erwiderte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 13. Januar 2003, er werde der Vorladung nicht Folge leisten, sondern sich ggf. über seinen Anwalt zum Vorwurf äußern. Mit Verfügung vom 16. Januar 2003 stellte der Landkreis Celle das Ordnungswidrigkeitenverfahren ein.
Mit Bescheid vom 20. Januar 2003 gab die Beklagte dem Kläger auf, für die Dauer von sechs Monaten ab Bestandskraft der Verfügung ein Fahrtenbuch zu führen. Der Bescheid enthält folgende Überschrift: „Verfügung über die Führung eines Fahrtenbuches gegen den Halter des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen C. (oder Ersatzfahrzeuge)“. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, das Verhalten des Klägers im Ordnungswidrigkeitenverfahren habe gezeigt, dass er nicht willens sei, an der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitzuwirken. Außerdem setzte die Beklagte in dem Bescheid eine Verwaltungsgebühr von 46,00 Euro fest.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2003, das der Beklagten am darauf folgenden Tage zuging, erhob der Kläger Widerspruch. Dazu machte er geltend, die Fahrtenbuchauflage sei unverhältnismäßig. Er sei bislang verkehrsrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Nach wie vor könne er sich nicht daran erinnern, wer das Fahrzeug zur fraglichen Zeit am Tatort gefahren habe. Die ihm überlassenen Frontfotos seien von schlechter Qualität und ließen keinerlei Rückschlüsse auf den Fahrzeugführer zu.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2003, der dem Kläger am 4. November 2003 zugestellt wurde, wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch unter teilweiser Vertiefung der Ausführungen der Beklagten zurück.
Am 3. Dezember 2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, die Rechtmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessungen am Vorfallstag sei zu keiner Zeit überprüft worden, sodass der Verkehrsverstoß nicht als erwiesen zu betrachten sei. Es dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass er sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren möglicherweise selbst belastet hätte, wenn er den Vorladungen der Polizei nachgekommen wäre. Tatsächlich habe er den Vorladungen aus betrieblichen Gründen nicht Folge leisten können. Im Übrigen wiederholt er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 30. Oktober 2003 aufzuheben und
die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und nimmt dazu im Wesentlichen auf die angegriffenen Bescheide Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage hat im Wesentlichen keinen Erfolg.
1. Soweit sich die Klage gegen die Anordnung der Beklagten richtet, ein Fahrtenbuch zu führen, ist sie nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Bescheide lassen noch hinreichend deutlich erkennen, für welche Fahrzeuge die Fahrtenbuchanordnung gilt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG). Zwar hat die Beklagte die Fahrzeuge in Ziffer 1 ihrer Verfügung nicht ausdrücklich bezeichnet. Unter Berücksichtigung der Formulierungen in der Überschrift der Verfügung kann die Anordnung objektiv jedoch nur dahin verstanden werden, dass sie sich auf das Tatfahrzeug - den Pkw mit dem Kennzeichen WOB-CH 178 - und ein Ersatzfahrzeug (§ 31 a Abs. 1 Satz 2 StVZO) bezieht.
Rechtsgrundlage für die Fahrtenbuchauflage im Hinblick auf das Tatfahrzeug ist die Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Mit dem Fahrzeug des Klägers wurde am 3. Oktober 2002 die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten und damit gegen Verkehrsvorschriften verstoßen. Dies ergibt sich aus dem amtlichen, von Beamten des Polizeikommissariats Celle angefertigten Messprotokoll und den Anlagen, die sich in der vorliegenden Akte des Landkreises Celle befinden. Diesen Unterlagen, bei denen es sich um öffentliche Urkunden im Sinne des § 98 VwGO i. V. m. § 418 ZPO handelt, ist zu entnehmen, dass die Messung unter regulären Bedingungen mit einem dafür amtlich zugelassenen, geeichten und funktionsfähigen Messgerät durchgeführt und dieses dabei vorschriftsmäßig bedient worden ist. Die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Messung sind unsubstanziiert und geben keine Veranlassung, die Richtigkeit der genannten Feststellungen in Frage zu stellen sowie weitergehende Ermittlungen durchzuführen (vgl. dazu BVerwG, Beschl. vom 09.12.1993 - 11 B 113.93 -; Niedersächsisches OVG, Urt. vom 28.05.1993 - 12 L 7381/91 -; Beschl. vom 14.06.1999, NZV 1999, 486 [OVG Niedersachsen 14.06.1999 - 12 M 2491/99]; Beschl. vom 29.11.1999 - 12 L 4605/99 -).
Die Feststellung der Person, die bei dem Verkehrsverstoß am 3. Oktober 2002 das Fahrzeug gefahren hat, war dem Landkreis Celle als zuständiger Ordnungsbehörde nicht möglich. Nicht möglich i. S. des § 31a StVZO ist die Fahrerfeststellung dann, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Angemessen sind die Maßnahmen, die die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m.w.N.; Beschl. vom 21.10.1987, Buchholz, aaO., Nr. 18 m.w.N.; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 17.02.1999 - 12 L 669/99 -, Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00 - ; Beschl. vom 04.12.2003 - 12 LA 442/03 -). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Landkreis Celle hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen. Der Kläger hat an der für die Aufklärung des Verkehrsverstoßes erforderlichen Feststellung, wer das Fahrzeug am Tag des Vorfalls gefahren hat, nicht hinreichend mitgewirkt. Über die getroffenen Maßnahmen hinaus gehende Ermittlungen musste die Bußgeldbehörde nicht vornehmen.
An einer hinreichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters fehlt es bereits dann, wenn er keine weiteren Angaben zu dem Personenkreis macht, der das Tatfahrzeug benutzt (Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 04.12.2003 - 12 LA 442/03 -). Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat auf dem ihm übersandten Anhörungsbogen zum Verkehrsverstoß keinerlei Angaben zum Fahrzeugführer gemacht. Stattdessen hat er lediglich erklärt, er könne sich nicht erinnern, das Fahrzeug „zur gegebenen Zeit am Tatort“ gefahren zu haben; er bitte um Übersendung des Beweisfotos. Auch zu dem ihm daraufhin übersandten Foto hat er sich nicht weiter geäußert. Zwei polizeilichen Vorladungen hat er nicht Folge geleistet. Auf eine Mitteilung, die ein Polizeibeamter bei einem erfolglosen Versuch, den Kläger zu Hause anzutreffen, bei dessen Wohnung hinterlassen hatte und in der er um Kontaktaufnahme mit dem Beamten gebeten worden war, hat der Kläger nicht reagiert. Die Erklärung in dem an die Polizei gerichteten Schreiben seines Anwalts vom 13. Januar 2003, der Kläger werde der Vorladung nicht Folge leisten, sondern sich gegebenenfalls über seinen Anwalt zum Vorwurf äußern, enthält keine Einlassung zur Sache. Im Übrigen ist eine schriftliche Äußerung damit nicht verlässlich angekündigt, sodass die Bußgeldbehörde eine schriftliche Einlassung des Klägers nicht abzuwarten brauchte. Selbst wenn der Kläger sich nicht mehr erinnern konnte, das Fahrzeug zur Zeit des Verkehrsverstoßes selbst gefahren zu haben, so hätte er jedenfalls den Kreis der in Betracht zu ziehenden Personen eingrenzen, diese konkret benennen und zumindest in dieser Weise die Ermittlungen nachhaltig unterstützen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 18.07.1995 - 11 B 30.95 -; VG Braunschweig, Urt. vom 10.08.2000 - 6 A 296/99 -). Ob die dem Kläger überlassene Kopie des bei der Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Frontfotos der Qualität der vorliegenden, hinreichend deutlichen und für eine Personenidentifizierung oder Eingrenzung des Personenkreises durchaus geeigneten Originale entsprach, kann daher offen bleiben. Der Kläger kann auch nicht erfolgreich einwenden, den polizeilichen Vorladungen habe er „aus betrieblichen Gründen“ nicht Folge leisten können. Wenn dies tatsächlich so gewesen wäre, hätte er sich an die Polizei wenden und um einen anderen Termin kümmern müssen. Unabhängig davon hätte er die erforderlichen Angaben zum Kreis der Fahrzeugnutzer auch ohne weiteres schriftlich machen können.
Unter Berücksichtigung der vom Kläger von Beginn an verweigerten Mitwirkung hat die Bußgeldbehörde mithilfe der Polizei die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Fahrerfeststellung getroffen. Zwar lag der Behörde ein verhältnismäßig deutliches Frontfoto vor, dessen Vergleich mit dem älteren, für eine abschließende Beurteilung allerdings nicht ausreichenden Ausweisfoto des Klägers durchaus Anlass für die Vermutung gab, dieser habe das Fahrzeug bei dem Verkehrsverstoß selbst gefahren. Die Behörde ist dem jedoch hinreichend nachgegangen, indem sie mithilfe der Polizei versucht hat, einen persönlichen Kontakt mit dem Kläger herzustellen und hierdurch einen tragfähigeren Fotoabgleich zu ermöglichen. Die Polizei durfte sich in diesem Zusammenhang insbesondere zunächst darauf beschränken, den Kläger zum Zweck des Fotoabgleichs persönlich vorzuladen. Dieses Vorgehen ist für die Polizei gerade bei berufstätigen Fahrzeughaltern regelmäßig mit geringerem Aufwand verbunden als ein Hausbesuch. Auch die Polizei muss zur Fahrerfeststellung nur diejenigen Maßnahmen treffen, die bei einem sachgerechten und rationellen Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel in gleich gelagerten Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen. Im Übrigen hat die Polizei nach erfolglos gebliebener Vorladung versucht, den Kläger zu Hause aufzusuchen, und ihm eine Nachricht hinterlassen. Weitere Maßnahmen waren ihr im Hinblick auf die Verweigerungshaltung des Klägers und dessen nochmals im Anwaltsschreiben vom 13. Januar 2003 dokumentierte fehlende Bereitschaft, bei der Fahrerfeststellung effektiv mitzuwirken, jedenfalls nicht zumutbar
Der Einwand des Klägers, er hätte sich möglicherweise selbst belastet, wenn er bei der Polizei vorstellig geworden wäre, steht der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen. Die Anordnung ist auch in diesen Fällen vom Zweck des § 31a StVZO gedeckt. Die Vorschrift soll im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers desjenigen Kraftfahrzeugs hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten. Ein doppeltes „Recht" des Fahrzeughalters, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren Angaben zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht (vgl. BVerwG, Beschl. vom 22.06.1995, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 22 = DAR 1995, 459; Beschl. vom 11.08.1999, NZV 2000, 385; s. auch BVerfG, Beschl. vom 07.12.1981, NJW 1982, 586; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 30.04.2002 - 12 ME 349/02 -; Beschl. vom 03.06.2002 - 12 LA 469/02 -; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 31a StVZO Rn. 2 f.).
Die Fahrtenbuchanordnung lässt auch keine Ermessensfehler erkennen (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Sie verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass bereits eine einmalige Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h regelmäßig eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigt. Selbst wenn durch den Geschwindigkeitsverstoß eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist, handelt es sich in diesen Fällen um eine so erhebliche Verkehrsübertretung, dass die Androhung einer Fahrtenbuchanordnung nicht ausreicht, sondern eine sofortige Fahrtenbuchauflage geboten ist (BVerwG, Urt. vom 17.05.1995, BVerwGE 98, 227 = NZV 1995, 460; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 27.06.2000 - 12 L 2377/00 -; VG Braunschweig, Urt. vom 19.12.2003 - 6 A 738/02 -). Anhaltspunkte, die für den vorliegenden Fall einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 62 km/h eine davon abweichende Beurteilung nahe legen, sind nicht ersichtlich.
Durch die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchanordnung ist der Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt. Um die Fahrzeugbenutzung wirksam überwachen und den Fahrzeughalter künftig im Falle eines Verkehrsverstoßes zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers anhalten zu können, ist eine gewisse, nicht zu geringe Dauer der Fahrtenbuchauflage erforderlich. Bei der Bemessung der Frist sind das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes und das Verhalten des Fahrzeughalters im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bußgeldstelle zur Tataufklärung zu berücksichtigen (VGH Baden-Württemberg, Beschl. vom 28.05.2002, DAR 2003, 90 [VGH Baden-Württemberg 28.05.2002 - 10 S 1408/01]). Der von der Beklagten angeordnete Zeitraum von sechs Monaten liegt danach an der unteren Grenze des für eine Fahrtenbuchanordnung sinnvollen und üblichen Zeitrahmens. Schon das Ausmaß des hier festgestellten Verkehrsverstoßes - eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 62 (!) km/h - würde es ohne weiteres rechtfertigen, das Fahrtenbuch auch für einen deutlich längeren Zeitraum anzuordnen. Ein Zeitraum von sechs Monaten übersteigt jedenfalls nicht das Maß der bei einem Geschwindigkeitsverstoß der hier gegebenen Größenordnung gebotenen effektiven Kontrolle und belastet den Kläger daher nicht übermäßig (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 02.04.2003 - 6 A 83/02 - <Anordnung für die Dauer von 12 Monaten bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 42 km/h> sowie Urt. vom 21.01.2004 - 6 A 57/03 - und vom 19.12.2003 - 6 A 738/02 - m.w.N.).
Die Beklagte hat bei der Ermessensausübung zu Recht nicht entscheidend berücksichtigt, dass der Kläger bislang - nach eigenen Angaben - verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Es kann offen bleiben, ob die Gefahr besteht, dass der Kläger künftig als Fahrzeugführer gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird. Die Fahrtenbuchanordnung soll nicht nur Verkehrszuwiderhandlungen durch den Fahrzeughalter vorbeugen, sondern hat eine umfassendere Aufgabe: Mit ihr soll sichergestellt werden, dass bei künftigen Verkehrsverstößen mit dem Fahrzeug die Feststellung des Fahrers anders als in dem Anlassfall ohne Schwierigkeiten möglich ist. Sie richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Auch wenn von dem Fahrzeughalter selbst keine Verkehrszuwiderhandlungen zu befürchten wären, stünde dies der Fahrtenbuchanordnung nicht entgegen.
Frei von Ermessensfehlern ist die Fahrtenbuchanordnung auch, soweit sie sich auf ein Ersatzfahrzeug für das Tatfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen D. erstreckt. Die Anordnung eines Fahrtenbuchs für ein Ersatzfahrzeug, die ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO findet, ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in aller Regel vereinbar. Nur so kann angesichts der mitunter beträchtlichen Verfahrensdauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verhindert werden, dass die Regelungen in § 31a StVZO leer laufen und der Halter sich durch den Verkauf des von der Fahrtenbuchanordnung unmittelbar erfassten Fahrzeugs der bestehenden Verpflichtung entzieht. Anhaltspunkte, die für den vorliegenden Fall eine Ausnahme rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
2. Die Entscheidung der Beklagten, für die Fahrtenbuchanordnung eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 46 Euro zu erheben, ist rechtsfehlerhaft.
Rechtliche Grundlage für die Kostenfestsetzung ist § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt - i.V.m. Nr. 252 der Anlage zu § 1 GebOSt. Die gesetzliche Grundlage dieser Gebührenordnung findet sich in § 6a StVG. Soweit die Gebührenordnung keine abweichenden Regelungen enthält, ist außerdem gemäß § 6 GebOSt das Verwaltungskostengesetz - VwKG - ergänzend anzuwenden.
Nach Nr. 252 der Anlage zur GebOSt ist für eine Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches einschließlich der Prüfung der Eintragung ein Gebührenrahmen von 21,50 Euro bis 93,10 Euro vorgesehen. Innerhalb dieser Grenzen ist die im Einzelfall angemessene Gebühr nach den in § 9 VwKG aufgestellten Kriterien des Verwaltungsaufwands für die einzelne Amtshandlung und des Gegenstandswertes zu bestimmen. Damit sind der Behörde Maßstabshilfen an die Hand gegeben, die sie bei ihrer Ermessensentscheidung zu beachten und als Grundlage der Gebührenfestsetzung für den Adressaten erkennbar umzusetzen hat. Insoweit bedarf es nicht einer bis ins Einzelne gehenden betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung, deren Aufwand regelmäßig außer Verhältnis zur Höhe der hier in Betracht zu ziehenden Gebühren stünde. Dem Äquivalenzprinzip in § 9 Abs. 1 VwKG wird vielmehr in der Regel mit einer Pauschalierung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwandes und einer typisierenden Wertrelation von Verwaltungsleistung und Nutzen der Amtshandlung genügt, sofern die Gebührenermittlung, deren wesentliche Gesichtspunkte darzulegen sind, nicht grob übersetzt ist (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Urt. vom 22.04.1981 - 9 OVG A 12/80 - m.w.N.). Hierzu finden sich Hinweise z. B. in dem Runderlass des Nds. Finanzministeriums vom 19. Juni 2001 über Pauschsätze für den Verwaltungsaufwand bei der Gebührenbemessung im staatlichen Bereich (Nds. MBl. 2001, S. 419, zuletzt geändert durch Runderlass vom 31.03.2004, Nds. MBl. 2004, 214).
Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch weder dem angegriffenen Bescheid der Beklagten noch dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig entnehmen, nach welchen Kriterien die Gebühr für die Fahrtenbuchanordnung bemessen worden ist. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Beklagte eine angemessene Wertrelation zwischen dem entstandenen Verwaltungsaufwand und dem Gegenstandswert der dem Betroffenen auferlegten Verpflichtung hergestellt hat. Damit fehlt es an den bei der Anwendung eines Gebührenrahmens anzustellenden und nachvollziehbar darzulegenden Abwägungen nach § 9 Abs. 1 VwKG (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 19.12.2003 - 6 A 738/02 - m.w.N.; ständige Rechtsprechung der Kammer).
Da es in den Bescheiden insoweit vollständig an Ermessenserwägungen fehlt, kam eine Ergänzung gemäß § 114 Satz 2 VwGO nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Beschl. vom 14.01.1999, NJW 1999, 2912). Dies führt zur Aufhebung der angegriffenen Bescheide, soweit die Verwaltungsgebühr betroffen ist (vgl. VG Braunschweig, Urt. vom 23.08.2001 -6 A 119/01 - und vom 02.04.2003 - 6 A 602/02 -).
3. Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Gericht hat davon abgesehen, der Beklagten einen Teil der Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil sie nur im Hinblick auf die erhobene Verwaltungsgebühr, gemessen an dem Gesamtumfang des Rechtsstreits also lediglich zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus der Anwendung der §§ 167 VwGO, 711 und 708 Nr. 11 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung i. V. m. § 71 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG und entspricht in dieser Höhe der ständigen Rechtsprechung der Kammer, des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts (250 Euro je Monat der getroffenen Fahrtenbuchanordnung zzgl. streitige Verwaltungskosten).
II. Der Antrag des Klägers, die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, ist abzulehnen. Dieser Antrag ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Das Gericht hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang auferlegt, sodass ihm gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der Verfahrenskosten nicht zusteht und eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ohne Bedeutung wäre (vgl. Olbertz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2003, § 162 Rn. 83).
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO sind nicht ersichtlich.