Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.08.2004, Az.: 6 A 807/02
Asylanerkennung; Aufenthaltsbefugnis; falsche Angaben; Rechtsschutzbedürfnis; Rücknahme; Rückwirkung; Widerruf
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.08.2004
- Aktenzeichen
- 6 A 807/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50748
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 73 Abs 1 AsylVfG
- § 73 Abs 2 AsylVfG
- § 30 Abs 2 AuslG
- § 30 Abs 4 AuslG
- § 30 Abs 5 AuslG
- § 34 Abs 2 AuslG
- § 43 Abs 1 Nr 4 AuslG
- § 51 Abs 1 AuslG
- § 48 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Bei der Rücknahme einer Entscheidung nach § 51 Abs. 1 AuslG im Asylverfahren gemäß § 73 Abs. 2 AsylVfG findet § 30 Abs. 5 AuslG Anwendung, sofern dem Ausländer nicht zuvor aus asylverfahrensunabhängigen Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden ist.
2. Bei § 73 Abs. 2 AsylVfG handelt es sich um eine spezialgesetzliche Regelung von Aufhebungstatbeständen bei asylrechtlichen Anerkennungen, die zwingend die Rücknahme des von Beginn an als rechtswidrig geltenden Anerkennungsbescheides mit Rückwirkung vorsieht; § 48 VwVfG findet für sonstige Fälle eines Widerrufs ergänzende Anwendung (BVerwG, Urt. vom 19.09.2000, BVerwGE 112, 80).
3. Im Streit um die Verlängerung einer befristeten Aufenthaltsbefugnis führt die spätere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (aufgrund einer Heirat mit einem Deutschen) nur dann zum Wegfall des Bescheidungsinteresses, wenn das Rechtsschutzziel des Ausländers von vornherein darauf gerichtet war, auch für den dazwischen liegenden Zeitraum den Aufenthalt durch einen Aufenthaltstitel zu legalisieren (BVerwG, Urt. vom 15.07.1997, NVwZ 1997, 191 [BVerwG 27.02.1996 - BVerwG 1 C 41.93]).
Tatbestand:
Die Kläger, albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo, waren am 7. April 1993 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hatten am 20. April 1993 ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragt. Zur Begründung gab die Klägerin zu 1) bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an, ihr Ehemann sei aus der serbischen Miliz desertiert. Er sei Richter am Amtsgericht in Pristina gewesen und werde jetzt gesucht. Ihr Ehemann stehe in Verbindung mit der LDK und arbeite im Untergrund. Bei einer Rückkehr würde man sie nach Belgrad bringen und dort zwingen, den Aufenthaltsort ihres Mannes zu verraten.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25. Mai 1993 wurde das Begehren der Kläger, soweit es auf die Anerkennung als Asylberechtigte gerichtet war, abgelehnt, jedoch festgestellt, dass im Hinblick auf den von der Klägerin zu 1) geschilderten Sachverhalt die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 51 Abs. 1 AuslG sowie ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorlägen. Den Klägern wurde daraufhin von der seinerzeit zuständigen Ausländerbehörde des Landkreises Stade am 28. April 1994 gemäß § 70 AsylVfG eine befristete Aufenthaltsbefugnis erteilt, deren Geltungsdauer mehrfach, zuletzt bis zum 27. März 2002, verlängert wurde.
Nachdem die Klägerin zu 1) im Rahmen des Verfahrens zur Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis unter Vorlage einer Bescheinigung der Bundesrepublik Jugoslawien vom 8. Januar 1996 angegeben hatte, nicht verheiratet zu sein, leitete das Bundesamt unter dem 21. April 1998 ein Verfahren zur Rücknahme der im Asylverfahren getroffenen Entscheidung ein und nahm schließlich mit Bescheid vom 4. Juli 2001 die mit einem früheren Bescheid vom 25. Mai 1993 getroffenen Feststellungen zu § 51 Abs. 1 AuslG wegen der im Asylverfahren gemachten unrichtigen Angaben zurück. Außerdem wurde festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig ebenso ohne Erfolg (Urt. vom 12. Oktober 2001 - 7 A 302/01 -) wie ein Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Niedersächsischen OVG (Beschl. vom 27. November 2001 - 12 LA 3826/01 -).
Am 22. Januar 2002 beantragten die Kläger die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis über den 27. März 2002 hinaus und machten geltend, sie hätten seit fast neun Jahren im Bundesgebiet gelebt und sich an die deutschen Lebensverhältnisse angepasst. Eine Verpflichtung zur Rückkehr in das Kosovo würde insbesondere für die Kinder eine unzumutbare Härte bedeuten. Außerdem lebe der Vater der Kinder ebenfalls in Deutschland.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Februar 2002 ab und forderte die Kläger zur Vermeidung einer zwangsweisen Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien auf, bis zum 31. März 2002 das Bundesgebiet zu verlassen. Zur Begründung wurde in dem Bescheid ausgeführt: Die Aufenthaltsgenehmigung sei auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Erteilungsanspruches gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 AuslG zu versagen, wenn der Ausländer - wie hier - nicht im Besitz eines erforderlichen Passes sei. Zudem könne gemäß § 30 Abs. 5 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis nur nach Maßgabe der Absätze 3 und 4 dieser Vorschrift erteilt werden. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG lägen hier jedoch nicht vor. Da eine familiäre Lebensgemeinschaft zu dem Vater der Kläger zu 2) bis 4) nicht bestehe, sei auch die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 31 AuslG nicht möglich. Es sei bereits in Bezug auf die Kläger verwaltungsgerichtlich entschieden worden, dass eine Trennung der Kläger zu 2) bis 4) vom Kindesvater keinen Verstoß gegen Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK darstelle. Da der Aufenthalt im Bundesgebiet durch eine Täuschung und mit falschen Angaben erreicht worden sei, komme der Integration der Kinder in die deutschen Lebensverhältnisse keine Bedeutung zu.
Hiergegen erhoben die Kläger am 20. Februar 2002 Widerspruch, den die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2002 als unbegründet zurückwies.
Am 3. Dezember 2002 haben die Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Eine außerdem beim Niedersächsischen Landtag eingereichte Petition blieb ohne Erfolg.
Zur Begründung der Klage tragen die Kläger vor:
Sie hätten auf Grund ihres inzwischen zehnjährigen Aufenthalts in Deutschland gemäß § 30 Abs. 2 AuslG einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus dringenden humanitären Gründen. Soweit sich die Beklagte demgegenüber auf § 30 Abs. 5 AuslG berufe und eine Anwendung des § 30 Abs. 2 AuslG ausgeschlossen habe, habe sie das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt, sodass der Bescheid vom 11. Februar 2002 schon aus diesem Grunde rechtswidrig sei. Unzutreffend sei außerdem die Annahme der Beklagten, dass der Rücknahmebescheid des Bundesamtes vom 4. Juli 2001, der auf § 73 Abs. 2 AsylVfG gestützt sei, einer Ablehnung der Asylanträge i.S.d. § 30 Abs. 5 AuslG gleichzusetzen sei. Im Übrigen habe die Beklagte von der Möglichkeit des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG, die Aufenthaltsgenehmigung zu widerrufen, wenn die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG erlösche oder unwirksam werde, keinen Gebrauch gemacht. Die ursprüngliche Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG im Asylverfahren beruhe zudem nicht auf einer Täuschung, wie die Beklagte angenommen habe, sondern sei ausschließlich deshalb getroffen worden, weil sie albanische Volkszugehörige seien. Unabhängig hiervon habe sie schon frühzeitig darauf hingewiesen, tatsächlich nicht verheiratet gewesen zu sein. Trotz weiterer Hinweise auf den Personenstand sei das Rücknahmeverfahren jedoch erst mehrere Jahre später eingeleitet worden. Hinsichtlich des von der Beklagten angenommenen Versagungsgrundes des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AuslG für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung werde schließlich darauf verwiesen, dass sie (Klägerin zu 1) seit dem 6. Dezember 2002 im Besitz eines bis zum 6. Dezember 2012 gültigen jugoslawischen Nationalpasses sei. Schließlich werde auf das Ergebnis einer Dienstbesprechung vom 8. Dezember 2003 im Nds. Innenministerium hingewiesen. Diesen Aufzeichnungen sei zu entnehmen, dass § 30 Abs. 2 AuslG auch im Falle eines Widerrufs der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis anwendbar sei.
Nachdem die Verfahrensbeteiligten wegen einer der Klägerin zu 1) zwischenzeitlich erteilten Aufenthaltserlaubnis in Bezug auf die in dem Bescheid vom 11. Februar 2002 enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, beantragen die Kläger,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 11. Februar 2002 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 8. November 2002 zu verpflichten, ihnen die beantragte Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie entgegnet:
Die Regelung des § 30 Abs. 5 AuslG finde auf die Kläger Anwendung, sodass die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 2 AuslG nicht möglich sei. Von einem Widerruf der zuvor erteilten Aufenthaltsbefugnis sei lediglich im Hinblick darauf abgesehen worden, dass der Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer unmittelbar bevorgestanden habe. Der Verzicht auf einen solchen Widerruf habe jedoch für die Ermessensentscheidung bei der Erteilung einer weiteren Aufenthaltsgenehmigung keine Bedeutung. Nachdem die Klägerin zu 1) am 15. Dezember 2003 einen deutschen Staatsangehörigen geheiratet habe, sei ihr jedoch am 18. Dezember 2003 eine zunächst bis zum 17. Dezember 2004 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Weil die Klägerin zu 1) nach den Angaben ihres Ehemannes allerdings seit dem 29. Februar 2004 getrennt lebe, sei mit Verfügung vom 5. Mai 2004 die ursprünglich bis zum 17. Dezember 2004 bemessene Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis zeitlich bis zum 31. Mai 2004 beschränkt worden. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin zu 1) habe die Bezirksregierung Braunschweig noch nicht entschieden.
Die Kläger entgegnen:
Die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht zumutbar gewesen. Erst nach der Eheschließung sei bekannt geworden, dass der Ehemann der Klägerin zu 1) ganz erheblich vorbestraft sei. Weitere Strafverfahren seien noch anhängig. Es lägen deshalb besondere Härtegründe i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG vor, die die Zuerkennung eines weiteren Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet rechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (4 Bände) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten hinsichtlich der in dem Bescheid vom 11. Februar 2002 enthaltenen Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO das Verfahren einzustellen und nach § 161 Abs. 2 VwGO über die Verfahrenskosten zu befinden. Der Billigkeit entspricht es, die hierauf entfallenden Kosten des Verfahrens den Klägern aufzuerlegen. Denn der Anlass, der zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geführt hat, durch die die Ausreisepflicht entfallen und eine Erledigung insoweit eingetreten ist (BVerwG, Urt. vom 21.09.1999, BVerwGE 109, 305 m.w.N.), fällt in die Rechtssphäre der Kläger (Eheschließung der Klägerin zu 1) mit einem deutschen Staatsangehörigen).
Die hiernach noch anhängige Klage hat keinen Erfolg.
Soweit das Begehren der Klägerin zu 1) weiterhin darauf gerichtet ist, ihr über den 27. März 2002 hinaus eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, obgleich sie am 18. Dezember 2003 auf Grund ihrer Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hatte, ist die Klage nicht wegen eines fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Gegenstand des Rechtsstreits ist bei Würdigung des Rechtsschutzziels der Klägerin zu 1) nicht nur ihr Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu einem beliebigen Zeitpunkt, sondern zugleich auch die Legalisierung ihres aufenthaltsrechtlichen Status im Anschluss an den Ablauf der letzten ihr erteilten Aufenthaltsbefugnis zum 27. März 2002. Die der Klägerin zu 1) erteilte Aufenthaltserlaubnis wurde am 18. Dezember 2003 nur mit Wirkung für die Zukunft (befristet) erteilt, sodass hiermit eine rückwirkende Legalisierung der aufenthaltsrechtlichen Stellung nicht verbunden war. Weil es für ihre weitere aufenthaltsrechtliche Rechtsstellung erheblich sein kann, ob der Aufenthalt auch für den dazwischen liegenden Zeitraum vom 28. März 2002 bis zum 17. Dezember 2003 durch einen Aufenthaltstitel gedeckt war, hat die Klägerin zu 1) ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für diese Zeit (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 15.07.1997, NVwZ 1998, 191 [BVerwG 15.07.1997 - BVerwG 1 C 15/96] m.w.N.).
Die Beklagte hat es jedoch zu Recht abgelehnt, die beantragte Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis zu gewähren.
Nach § 34 Abs. 2 AuslG darf eine Aufenthaltsbefugnis nicht verlängert werden, wenn das Abschiebungshindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind. Eine solche Sachlage ist mit der rechtskräftig verwaltungsgerichtlich als rechtmäßig bestätigten Rücknahme der Feststellung eines Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG und der außerdem getroffenen Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG nicht vorliegen, gegeben.
Die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung aus anderen Gründen kommt nicht in Betracht.
Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 AuslG für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis liegen nicht vor. Danach darf dem Ehegatten und einem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, der eine Aufenthaltsbefugnis besitzt, nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 bis 4 AuslG und abweichend von § 30 Abs. 5 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis zur Herstellung und Wahrung der Familienlebensgemeinschaft mit dem Ausländer im Bundesgebiet erteilt werden. Weder besteht zwischen den Klägern zu 2) bis 4) und dem im Landkreis Stade wohnenden leiblichen Vater, der (noch) über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügt, eine familiäre Lebensgemeinschaft, noch werden von ihm wesentliche Betreuungsleistungen bei der Erziehung der Kläger zu 2) bis 4) wahrgenommen, die über das Vorliegen einer bloßen Begegnungsgemeinschaft hinaus die Annahme einer Beistandsgemeinschaft (vgl. hierzu: BVerfG, Beschl. vom 22.12.2003, NJW 2004; Beschl. vom 30.01.2002, DVBl 2002, 693; BVerwG, Urt. vom 16.07.2002, BVerwGE 116, 378; Niedersächsisches OVG, Beschl. vom 18.09.2000, InfAuslR 2001, 75) rechtfertigen. Es finden lediglich einmal monatlich ein Besuch sowie gelegentliche Telefonate statt. Die Erziehungsbefugnisse obliegen allein der Klägerin zu 1) und werden von ihr auch wahrgenommen, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Überdies liegt in Bezug auf die Kläger zu 2) bis 4) der Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AuslG vor, wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 11. Februar 2002 zutreffend ausgeführt hat. Derartige Unterlagen sind zwar beantragt worden, fehlen aber noch immer.
Da die Klägerin zu 1) mit dem Vater der Kläger zu 2) bis 4) nicht verheiratet war, kam auch für sie die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Abs. 1 AuslG nicht in Betracht.
Im Übrigen ist die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 5 AuslG auf Entscheidungen nach den Abs. 3 und 4 dieser Vorschrift beschränkt. Diese Regelung des § 30 Abs. 5 AuslG findet hier entgegen der Auffassung der Kläger Anwendung. Hiernach kann einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, eine Aufenthaltsbefugnis nur nach Maßgabe der Abs. 3 und 4 erteilt werden. Als abgelehnt im Sinne dieser Vorschrift gilt ein Asylantrag auch dann, wenn gemäß § 73 Abs. 2 AsylVfG eine zunächst stattgebende Entscheidung vom Bundesamt mit Wirkung für die Vergangenheit wieder zurückgenommen worden ist, weil die ursprüngliche Entscheidung mit unzutreffenden Angaben herbeigeführt wurde. § 30 Abs. 5 AuslG wäre lediglich dann nicht anwendbar, wenn einem Ausländer zwischenzeitlich eine asylverfahrensunabhängige Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden wäre (OVG Bremen, Beschl. vom 09.06.2000, NordÖR 2001, 258 [OVG Bremen 09.06.2000 - 1 B 122/00] m.w.N.). Dagegen kann ein Aufenthaltstitel, der letztlich auf unwahre Angaben im Asylverfahren zurückzuführen ist, nicht dazu führen, dass die Beschränkungen des § 30 Abs. 5 AuslG entfallen. Ohne rechtlichen Belang ist in diesem Zusammenhang, dass die von der Klägerin zu 1) im Asylverfahren gemachten Angaben zu einer stattgebenden Entscheidung (nur) nach § 51 Abs. 1 AuslG geführt hatten, die später wieder zurückgenommen wurde. Gegenstand eines Asylantrags ist gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG auch eine feststellende Entscheidung zu § 51 Abs. 1 AuslG, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Anwendbarkeit des § 30 Abs. 5 AuslG nicht in Frage steht. Die den Klägern ursprünglich nach Maßgabe des § 70 AsylVfG erteilte Aufenthaltsbefugnis geht ebenfalls auf einen Asylantrag zurück, der letztlich mit der Entscheidung des Bundesamt vom 4. Juli 2001 abgelehnt worden ist.
Soweit die Kläger sich hinsichtlich einer Anwendbarkeit der Regelung des § 30 Abs. 2 AuslG, dessen Voraussetzungen sie für gegeben halten, auf die Niederschrift einer Dienstbesprechung im Nds. Innenministerium vom 8. Dezember 2003 stützen, verkennen sie den Regelungsinhalt der hier maßgeblichen Vorschriften sowie des von ihnen zitierten Besprechungsprotokolls. Im Falle der Kläger war es nicht zu einem Widerruf der Feststellungsentscheidung des Bundesamtes zu § 51 Abs. 1 AuslG, sondern zu der Rücknahme einer solchen Entscheidung nach § 73 Abs. 2 AsylVfG gekommen. § 73 Abs. 2 AsylVfG sieht als spezialgesetzliche Regelung von Aufhebungstatbeständen bei asylrechtlichen Anerkennungen, die auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erfolgt sind, zwingend die Rücknahme des von Beginn an als rechtswidrig geltenden Anerkennungsbescheides mit Rückwirkung vor. Lediglich in den Fällen des § 73 Abs. 1 AsylVfG und in anderen Fällen eines Widerrufs nach den §§ 48 und 49 VwVfG, soweit die ergänzende Anwendung dieser Vorschriften statthaft ist (BVerwG, Urt. vom 19.09.2000, BVerwGE 112, 80), stellt sich die Frage einer Anwendung des § 30 Abs. 2 AuslG, wenn das eingeräumte Widerrufsermessen nicht mit Wirkung für die Vergangenheit ausgeübt wird. Diese Unterscheidung liegt auch dem Protokoll der Dienstbesprechung vom 8. Dezember 2003 zu Grunde, sodass die Kläger aus dem Umstand, dass dort für die Fälle eines Widerrufs der Asylanerkennung die Anwendung des § 30 Abs. 2 AuslG für möglich gehalten wird, für sich keine Ansprüche herleiten können.
Die solchermaßen auf den Regelungsgehalt des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG beschränkten Erteilungsvoraussetzungen einer Aufenthaltsbefugnis sind von der Beklagten ohne ersichtlichen Rechtsfehler verneint worden. Es fehlt bereits deshalb an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensausübung durch die Beklagte und für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 oder 4 AuslG, weil die Kläger noch nicht unanfechtbar ausreisepflichtig sind. Unanfechtbar ausreisepflichtig ist ein Ausländer nicht schon dann, wenn er kraft Gesetzes zur Ausreise verpflichtet ist, weil er nicht oder nicht mehr im Besitz einer erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung ist (§ 42 Abs. 1 AuslG). Dass die Ausreisepflicht nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 AuslG vollziehbar ist, reicht ebenfalls nicht aus. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Unanfechtbarkeit stellt der Gesetzgeber auf das Vorliegen eines die Ausreisepflicht selbstständig begründenden oder feststellenden Verwaltungsakts ab, weil nur dieser anfechtbar ist und infolgedessen unanfechtbar werden kann (BVerwG, Urt. vom 15.02. 2001, DVBl 2001, 1520 m.w.N.). Eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung hatten die Kläger erst mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2002 erhalten. Diese Entscheidung war bis zur mündlichen Verhandlung vom 18. August 2004 noch nicht unanfechtbar.
Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG käme überdies nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung vorliegen, weil der freiwilligen Ausreise und einer Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat. Abgesehen davon, dass Hinderungsgründe für eine freiwillige Rückkehr in das Kosovo nicht ersichtlich sind, stehen auch Abschiebungshindernisse i.S.d. § 55 Abs. 2 AuslG einer Rückführung der albanischstämmigen Kläger in das Kosovo nicht entgegen. Der mehrjährige Aufenthalt der Kläger und die Eingewöhnung in die Verhältnisse im Bundesgebiet sind letztlich darauf zurückzuführen, dass die Klägerin zu 1) mit unwahren Angaben einen Aufenthalt im Bundesgebiet herbeigeführt hat; dieses Verhalten der Mutter müssen sich die Kläger zu 2) bis 4) zurechnen lassen. Die Beklagte hatte sich im Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung mit diesem Vorgang befasst und eine Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer der Kläger abgelehnt.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.