Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.05.2014, Az.: 1 A 6026/13

Abwasserbeitrag; Beitragserlass; Logistikhalle; Vollgeschossmaßstab

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.05.2014
Aktenzeichen
1 A 6026/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42509
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ist die beitragsrechtlich relevante Zahl der Vollgeschosse im Rahmen des Vollgeschossmaßstabs anhand der zulässigen Gebäudehöhe fiktiv zu ermitteln und kann es dadurch für Lager bzw. Logistikhallen zu verhältnismäßig hohen Abwasserbeiträgen kommen, scheidet ein Beitragserlass regelmäßig aus, weil die Beitragshöhe gerade eine systemimmanente Folge der maßgeblichen satzungsrechtlichen Regelungen darstellt.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Teilerlass hinsichtlich eines Abwasserbeitrages für Schmutzwasser.

Die Klägerin erwarb von der Beklagten das Grundstück D. (Gemarkung E., Flur 15, Flurstücke 62/2, 63, 64). Die Klägerin erhielt auf ihren Antrag für dieses Grundstück von der Beklagten eine Baugenehmigung für den „Neubau Logistikhalle VW mit Verwaltungs- und Sozialbereichen sowie einem Pförtnergebäude, Lkw-Warteplatz und Pkw-Stellplätzen“. Die Klägerin errichtete bauantragsgemäß das Logistikzentrum, welches inzwischen auch genutzt wird.

Mit Anhörungsschreiben vom 10.05.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, diese zur Zahlung eines Abwasserbeitrages (Schmutzwasser) in Höhe von 491.282,96 EUR heranziehen zu wollen. Hierbei ging die Beklagte für die Logistikhalle von drei Vollgeschossen bei einem Nutzungsfaktor in Höhe von 220 % aus. Die Klägerin äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 31.07.2012. Sie rügte insbesondere die Höhe der beabsichtigten Inanspruchnahme und stellte zugleich auch einen Antrag auf einen Teilerlass der Forderung der Beklagten aus Billigkeitsgründen. Hierbei schilderte die Klägerin insbesondere den Umfang der ihr bisher zur Nutzbarkeit des im Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebietes entstandenen Aufwendungen. Diese seien mit mehr als 1,3 Mio. EUR zu beziffern.

Mit Bescheid vom 04.12.2012 - zugegangen am 07.12.2012 - erhob die Beklagte schließlich einen Abwasserbeitrag (Schmutzwasser) in Höhe von 625.269,23 EUR. Sie nahm hierbei einen Nutzungsfaktor in Höhe von 280 % an und ging bei der Berechnung des Beitrages von vier Vollgeschossen hinsichtlich der Logistikhalle aus. Entscheidend für die Annahme von vier Vollgeschossen sei, dass die Halle aufgrund einer auf Antrag der Klägerin erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans eine tatsächliche Höhe von bis zu 12,46 m oberhalb der Geländeoberkante bezogen auf die Oberkante der Fahrbahn „F.“ habe. Insofern werde die im Bebauungsplan vorgesehene zulässige Maximalhöhe des Gebäudes von 12 m überschritten. Nach § 4 I Abs. 3 Ziffer 3 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Landeshauptstadt Hannover vom 10.12.2009 (ABAS) sei in diesem Fall von der tatsächlichen Gebäudehöhe bei der Umrechnung auf die Zahl der Vollgeschosse auszugehen. Die nach § 4 I Abs. 3 Ziffer 1 b ABAS durchzuführende Berechnung laute daher: 12,46 m : 3,5 = 3,56 (gerundet: 4). Nach der Satzung ergebe sich vor dem Hintergrund der Annahme von vier Vollgeschossen ein Nutzungsfaktor von 280 % (100 % für das erste Geschoss und jeweils 60 % für drei weitere Geschosse). Für die Berechnung des Beitrages sei die Grundstücksfläche von 71.804,00 qm mit dem Nutzungsfaktor 280 % zu multiplizieren. Hieraus ergebe sich eine Veranlagungsfläche von 201.051,21 qm. Je qm sei ein Betrag von 3,11 EUR zu zahlen. Danach errechne sich ein Betrag in Höhe von 625.269,23 EUR.

Insbesondere sei die Annahme eines Nutzungsfaktors in Höhe von 280 % unter Anwendung des Vollgeschossmaßstabes nicht zu beanstanden. Die Bewertung des ersten Vollgeschosses mit 100 % bzw. des zweiten und jedes weiteren Vollgeschosses mit 60 % sei nicht überhöht, was in der Rechtsprechung und in der Literatur anerkannt sei. Ferner sei auch der bei der Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse benutzte Divisor von 3,5 rechtlich unbedenklich. Die ABAS unterscheide insofern zwischen Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten einerseits (3,5) sowie allen anderen Baugebieten andererseits (2,2). Diese Differenzierung folge aus der Überlegung, dass ein Vollgeschoss in einem „anderen Baugebiet“ üblicherweise niedriger sei, als z.B. in einem Industriegebiet. Würde man den Divisor von 2,2 auf die Logistikhalle anwenden, so wäre (gerundet) von sechs Vollgeschossen auszugehen (12,46 m : 2,2 = 5,66). Es komme für die Wahl des Divisors auch nicht auf die konkrete Art der Bebauung an, sondern nur auf die zulässige Nutzung. Mit dem Beitrag solle der Vorteil für ein Grundstück abgegolten werden, der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserleitung geboten werde. Es liege auch kein unzulässiger „Artzuschlag“ vor, weil grundsätzlich dieselben Kriterien bei der Berechnung des Beitrages anzuwenden seien.

Auch der Antrag auf Teilerlass sei abzulehnen. Es sei unstreitig, dass für die Erschließung des Grundstücks erhebliche Aufwendungen entstanden seien. Allerdings stünden die Kosten nicht im Zusammenhang mit den Kosten für den Bau der öffentlichen Abwasseranlage.

Hiergegen erhob die Klägerin am 07.01.2013 Klage (1 A 222/13), soweit ein Beitrag in Höhe von mehr als 223.310,44 EUR festgesetzt wurde. Diese Klage ist erfolglos geblieben (Urteil vom 21.05.2014).

Im Laufe jenes Klageverfahrens begründete die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 04.04.2013 den bereits am 31.07.2012 gestellten Antrag auf Teilerlass der entsprechenden Beitragsforderung. Die Klägerin trug hierzu im Wesentlichen vor, die Einziehung des Abwasserbeitrages in der von der Beklagten festgesetzten Höhe sei sachlich unbillig. Es sei ein Missverhältnis zwischen dem Beitrag und dem der Klägerin durch die Logistikhalle entstandenen Vorteil anzunehmen.

Mit Bescheid vom 02.07.2013 - der Klägerin zugegangen am 05.07.2013 - lehnte die Beklagte den Antrag auf Teilerlass ab. Sie ging davon aus, dass die Klägerin mit Schreiben vom 04.04.2013 einen weiteren Antrag auf Teilerlass gestellt hatte. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Eine Billigkeitsregelung sei bei objektiver Unbilligkeit zulässig. Diese könne angenommen werden, wenn das Ergebnis der konkreten Rechtsanwendung unbillig erscheine, wenn also der Gesetzgeber, wäre ihm die konkrete Folge bewusst gewesen, hierauf eine andere gesetzliche Regelung gewählt hätte. Systemimmanente Folgen der gesetzlichen Regelung dürften hingegen nicht im Wege der Billigkeit aufgehoben werden, auch wenn im Einzelfall eine Härte gegeben sei. Hier sei die Beitragssatzung bewusst für Fälle geschaffen worden, in denen Grundstücke baulich beansprucht würden. Dies könne im Einzelfall auch zu systembedingt hohen Beiträgen führen. Insoweit könne jedoch nicht von einer unbeabsichtigten Härte ausgegangen werden. Die Regelungen in den §§ 163 und 227 AO seien zudem auch keine Instrumente der Kommunalpolitik in dem Sinne, dass von Steuern, Gebühren oder Beitragen abgesehen werden könne, um Unternehmen zu einer Ansiedlung in der jeweiligen Kommune zu bewegen. Es sollten lediglich unerträgliche Ergebnisse vermieden werden. Die Beitragserhebung führe hier aber nicht zu einem unerträglichen Ergebnis.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.08.2013 Klage erhoben. Sie verweist auf ihren Klagevortrag aus dem Verfahren 1 A 222/13 und hebt hervor, die Voraussetzungen für einen teilweisen Erlass der Forderung seien gegeben. § 227 Hs. 1 AO gebe der Beklagten die Möglichkeit, Ansprüche aus dem Abgabenverhältnis ganz oder teilweise zu erlassen, wenn deren Einbeziehung nach Lage des Einzelfalls unbillig wäre. Hier liege eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen vor. Es sei zu berücksichtigen, dass eine geringe Überschreitung der grundsätzlich zulässigen baulichen Höhe eines Teils des Logistikhalle für sich genommen eine zusätzliche Beitragsforderung von bereits 133.986,24 EUR begründe. Die geringe Überschreitung der Geschosshöhe um einige Zentimeter führe nicht dazu, dass die Klägerin den zusätzlichen Raum wie ein komplettes Vollgeschoss nutzen könne. Sie habe keinen Nutzen oder Vorteil aus der Überschreitung der eigentlich zulässigen Höhe der Halle. Insoweit verweist die Klägerin insbesondere auf die Rechtsprechung des VG Magdeburg (Urteil vom 13.12.2012 - 9 A 251/11 - juris). Dieses Missverhältnis gehe deutlich über das hinaus, was die Beklagte als „systembedingt hohe Beiträge“ bezeichne. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich für andere Beitragspflichtige im Gewerbegebiet solche systembedingt hohen Beiträge ergäben und wie die Beklagte kalkuliert habe. Die hier vorliegende Beitragsforderung gehe weit über den gesetzgeberischen Willen hinaus. Die Beklagte habe auch keine Protokolle vorgelegt, aus denen der gesetzgeberische Wille ersichtlich sei. Die Beklagte habe zudem keine besonderen und gewichtigen Gründe vorgetragen, die eine Rechtfertigung dafür bieten könnten, keinen Erlass aus Billigkeitsgründen vorzunehmen. Das auszuübende Ermessen sei auf einen Teilerlass reduziert.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 02.07.2013 die Beklagte zu verpflichten, den mit Bescheid vom 04.12.2012 festgesetzten Abwasserbeitrag zu erlassen, soweit ein Betrag von mehr als 223.310,44 EUR festgesetzt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid vom 02.07.2013 und trägt ergänzend vor, die in der Satzung festgeschriebene Anwendung des Vollgeschossmaßstabes sei zulässig. Auch die dort vorgesehenen Rundungsregelungen bezüglich der Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse seien rechtmäßig. Es habe auch in der Vergangenheit bereits Fälle gegeben, in denen sehr hohe Beiträge verlangt worden seien. Es sei dennoch keine andere Regelung in die Satzung aufgenommen worden. Dies sei auch künftig nicht beabsichtigt. Ein Erlass im Wege einer Billigkeitsentscheidung sei nicht möglich.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten zu dem Verfahren 1 A 222/13 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat den Teilerlass der Beitragsforderung zutreffend abgelehnt.

Als Rechtsgrundlage kommen hier die § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) und Nr. 5 a) NKAG i.V.m. §§ 163, 227 Hs. 1 AO in Betracht, wonach Beiträge niedriger festgesetzt werden können und bereits festgesetzte Beiträge ganz oder teilweise erlassen werden können, wenn deren Erhebung bzw. deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Da Anhaltspunkte dafür fehlen, dass aus bei der Klägerin vorliegenden persönlichen Gründen die Beitragserhebung der Höhe nach unbillig sein könnte, kommen allenfalls sachliche Unbilligkeitsgründe in Betracht. Derartige Gründe liegen vor, wenn die Beitragserhebung für einen beitragspflichtigen Tatbestand im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist, also den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Ein Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen kommt - anders ausgedrückt - nur in Betracht, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege begehrte Entscheidung - hätte er die Frage geregelt - im Sinne des Erlasses getroffen haben würde. Hingegen darf ein Billigkeitserlass nicht gewährt werden, um ein vom Gesetzgeber zulässigerweise gewolltes oder in Kauf genommenes Ergebnis abzuwenden (vgl. BFH, Urteil vom 19.10.2010 - X R 9/09 - juris; BVerwG, Urteil vom 04.06.1982 - 8 C 106.81 - KStZ 1982, 192; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.09.2005 - 9 ME 308/04 - juris, mwN; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 02.05.2013 - 5 K 5900/12 - juris).

Die Beitragseinziehung muss eine Unbilligkeit für den Beitragspflichtigen darstellen, so dass es nach Lage der Verhältnisse unangebracht ist, den nach dem Wortlaut des Gesetzes geschuldeten Betrag (vollständig) zu erheben (vgl. Driehaus, Kommunalabgebenrecht, 47. EL, September 2012, § 8, Rn. 37). Systemimmanente Folgen der gesetzlichen Regelung dürfen hingegen nicht im Wege der Billigkeit aufgehoben werden, auch wenn im Einzelfall eine Härte gegeben ist (vgl. Rosenzweig/Freese, NKAG, § 11, Rn. 88).

Hier hat sich der Normgeber gerade für die Anwendung des Vollgeschossmaßstabs und der damit in der Satzung festgelegten Berechnungsmethoden entschieden. Dies gilt insbesondere auch für die in der Satzung enthaltenen Vorgaben, wonach bei der fiktiven Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse auf- bzw. abgerundet wird. Der Normgeber hat insoweit in Kauf genommen, dass in bestimmten Fällen auch ein hoher Abwasserbeitrag zu entrichten ist. Die Kammer hat in ihrem Urteil in dem Verfahren 1 A 222/13 die Beitragsfestsetzung gegenüber der Klägerin für rechtmäßig erachtet und hat hierzu u.a. ausgeführt:

„Die von der Beklagten durchgeführte Berechnung des Abwasserbeitrages ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zutreffend einen Nutzungsfaktor von 280 % angenommen, weil sie von vier Vollgeschossen der Logistikhalle der Klägerin ausgegangen ist. Auch der Beitragssatz in Höhe von 3,11 je qm bietet keinen Ansatzpunkt für die Rechtswidrigkeit der Festsetzung.

Die Beklagte durfte im Rahmen der Festsetzung auf den Vollgeschossmaßstab abstellen. Dieser ist in § 4 I Abs. 1 ABAS geregelt. Danach werden zur Ermittlung des nutzungsbezogenen Beitrages für das erste Vollgeschoss 100 % und für jedes weitere Vollgeschoss 60 % der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass gegen den Vollgeschossmaßstab keine durchgreifenden Bedenken bestehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.10.1993 - 9 M 2240/13 - juris), weil er an die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks anknüpft und unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten von dem Erfahrungssatz ausgeht, dass mit zunehmender Zahl der Vollgeschosse auch der Gebrauchs- und Nutzungswert des Grundstücks steigt. § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG, wonach die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen sind, wird durch den Vollgeschossmaßstab entsprochen (vgl. hierzu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1024 mwN; VG Hannover, Beschluss vom 13.02.2009 - 1 B 5675/08 - n.v.).

Für die Anwendung des Vollgeschossmaßstabes ist die Art der baulichen Nutzung nicht relevant (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.03.2014 - OVG 9 N 35.11 - juris). Deshalb muss erst recht nicht die (tatsächliche) bauliche Nutzungsintensität berücksichtigt werden, die bei einer eingeschossigen Lagerhalle gering sein mag. Es ist unerheblich, welcher Abwasseranfall bei der konkreten Nutzung auftreten könnte und dass die Logistikhalle noch über mehrere deutlich kleinere Kalthallen verfügt und aus Sicht der Klägerin nur ein Geschoss hat. Entscheidend ist vielmehr bereits die grundsätzliche Möglichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks, die der Klägerin durch die Festsetzungen im Bebauungsplan und durch die Befreiung von dessen Festsetzungen eingeräumt wurde. Da der vorliegende Abwasserbeitrag nur einmal erhoben wird, verbietet sich eine Betrachtungsweise, die auf die jederzeit änderbare und mehr oder weniger zufällige tatsächliche Nutzung abstellt. Ein Abstellen auf die tatsächliche Nutzung wäre mit einer Vielzahl von rechtlich kaum lösbaren Problemen verbunden. Dies würde unter praxisbezogenen Gesichtspunkten kaum ermöglichen, eine sachgerechte Finanzierung von Kanalbauprojekten herbeizuführen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11.06.1996 - 9 L 7116/94 - juris).

Welchen Maßstab der Satzungsgeber für die Steigerung des Nutzungsfaktors nach dem ersten Vollgeschoss wählt (hier 60 %), das heißt, ob der Nutzungsfaktor linear-progressiv oder degressiv ausgestaltet ist und in welchen Stufen, liegt grundsätzlich im Ermessen des Satzungsgebers. Er muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr findet das Ermessen des Satzungsgebers erst dort seine Grenze, wo sich sachliche Gründe für die Abstufung nicht mehr finden lassen oder der gewählte Maßstab ersichtlich unangemessen und deshalb dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitssatz nicht mehr entspricht (vgl. VG Greifswald, Urteil vom 14.11.2013 - 3 A 524/11 - juris). Der Vollgeschossmaßstab zeichnet sich gerade durch seine Praktikabilität und Durchschaubarkeit aus und ist - auch ohne genauere Differenzierungen hinsichtlich des Maßes der Nutzung nach Gebietsarten und mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Beitragsbelastung der einzelnen Grundstücke gerade nicht in dem Verhältnis stehen muss, wie sich deren bauliche oder sonstige Nutzbarkeit verhält - als zulässig erachtet worden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 26.01.1979 - 4 C 84/75 - juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22.02.2001 - 2 A 149/98 - n.v.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte hier eine weitere differenzierende Regelung bezüglich der Gruppe der „Lagerhallen“ in der Satzung hätte treffen müssen. Der unterschiedliche Anteilssatz für das erste Vollgeschoss mit 100% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 60% findet seine Rechtfertigung letztlich darin, dass beim ersten Vollgeschoss ein ausgebautes Dachgeschoss, das nach § 2 Abs. 4 NBauO (a.F.) kein Vollgeschoß ist, mit zu berücksichtigen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 02.05.1991 - 9 M 4630/91 - juris; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1024 mwN). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die entsprechenden Anteilssätze unverhältnismäßig sind. Deshalb durfte sich die Beklagte auch auf den Vollgeschossmaßstab in der hier vorhandenen Ausprägung stützen, obwohl ein linearer Steigerungssatz genutzt wurde.

Hiervon ausgehend hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass im Rahmen der notwendigen Berechnung des Beitrages von vier Vollgeschossen der Logistikhalle auszugehen ist. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist insoweit § 4 I Abs. 3 Ziffer 3 ABAS, der in Verbindung mit Abs. 1 Ziffer 1 b) eine Regelung zur Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse enthält. Danach gilt als Zahl der Vollgeschosse bei Grundstücken, für die - wie hier - im Bebauungsplan statt der Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt ist, in Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO die durch 3,5 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe. Bei sich hiernach ergebenden Bruchzahlen bis 0,49 wird auf ganze Zahlen abgerundet, bei Bruchzahlen ab 0,50 auf ganze Zahlen aufgerundet. Vorliegend ist die Besonderheit gegeben, dass die Klägerin ausnahmsweise von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB befreit wurde und die grundsätzlich zulässige Gebäudehöhe um 46 cm überschreiten durfte. Diese Höhe wurde von der Klägerin bei der Errichtung der Halle auch ausgeschöpft. Es kommt nicht darauf an, ob die an die „Haupthalle“ angegliederten Kalthallen eine um 5 m niedrigere Höhe haben. Es mag unter Umständen im Einzelfall nicht mehr vorteilsgerecht sein, wenn eine untergeordnete Teilfläche, für die jedoch bauplanungsrechtlich die höchstzulässige Nutzung - vorliegend in Gestalt der Gebäudehöhe - festgelegt ist, die beitragsrechtlich beachtliche Ausnutzbarkeit der Gesamtfläche bestimmen soll (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 10.10.2007 - 1 L 256/06 - juris). Vorliegend ist die Logistikhalle mit der Höhe von 12,46 m als deutlich prägender Gebäudeteil anzusehen. Ausweislich des Lageplans vom 20.07.2011 nehmen die drei vorhandenen Kalthallen - die jeweils schlauchartig an drei Außenseiten der Halle anschließen - selbst nur eine untergeordnete Teilfläche ein.

Hier ergibt sich ein rechnerischer Wert der Zahl der Vollgeschosse von 3,56, wenn man 12,46 durch 3,5 teilt. Es ist nicht zu beanstanden, dass auf diese zulässige Höhe abgestellt wurde, weil im Bebauungsplan keine zulässige Anzahl von Vollgeschossen festgelegt wurde und es auch unbillig wäre, bei sehr großen Gebäuden lediglich von einem Geschoss auszugehen. Im Übrigen stand es der Klägerin auch frei, eine lediglich 12 m hohe Halle zu bauen und keine Ausnahmeregelung in Anspruch zu nehmen. Dann hätte die Beklagte nur von drei Vollgeschossen ausgehen können. Unproblematisch ist hier die Verwendung des Divisors 3,5. Fehlt im Bebauungsplan die Angabe der zulässigen Vollgeschosse, weil nur Gebäudehöhen festgesetzt sind, so muss in der Satzungsregelung eine Umrechnungsformel enthalten sein. In Anbetracht des dem Ortsgesetzgeber zustehenden Bewertungsermessens kann eine vorteilsgerechte Einordnung des betroffenen Grundstücks durchaus so erfolgen, dass bei Gewerbe- und Industriegrundstücken im Hinblick auf die bei diesen Nutzungen übliche Raumhöhe von 3,50 m eine Umrechnung mit dem Divisor 3,5 vorgesehen ist (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1039a).

Auch die in § 4 I Abs. 3 Ziffer 3 ABAS vorgesehene Auf- und Abrundungsregelung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Regelung trägt einerseits dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung und wahrt andererseits noch das Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG. Die Rechtfertigung für die Auf- und Abrundung ergibt sich jedoch vor allem aus dem Zweck des Rechenvorganges. Denn damit soll eine fiktive zulässige Zahl der Vollgeschosse bestimmt werden, die nicht als Bruchzahl darstellbar ist. Soweit die Klägerin auf einen Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 12.08.2003 (9 LA 36/03 - juris) verweist, betraf diese Entscheidung eine Bestimmung, die gerade keine kaufmännische Rundung, sondern eine generelle Aufrundung vorsah (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.03.2011 - 4 L 385/08 - juris; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1039a). Die hier zur Anwendung kommende Rundungsregelung ist ungeachtet des Umstandes, dass jede derartige Regelung Härten mit sich bringen kann, wenn der jeweilige Grenzwert nur unwesentlich überschritten wird und hieraus eine Aufrundung folgt, nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 04.12.2012 zutreffend den Beitragssatz nach § 5 Nr. 1 ABAS in Höhe von 3,11 EUR angewandt und unter Berücksichtigung der errechneten Veranlagungsfläche den Beitrag in Höhe von 625.269,23 EUR errechnet. Die Beklagte durfte sich hier auch auf den konkreten Beitragssatz in Höhe von 3,11 EUR stützen. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Beitragssatz unverhältnismäßig ist oder fehlerhaft kalkuliert wurde.“

Diese Erwägungen gelten auch für die hier zu treffende Entscheidung hinsichtlich eines Teilerlasses. Vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die „eigentlich“ zulässige Gebäudehöhe nur um wenige Zentimeter überschritten wurde. Es stand der Klägerin - wie bereits ausgeführt wurde - frei, eine Halle zu errichten, die sich innerhalb der vorgegebenen Grenze von 12 m Höhe hält. Insoweit verfängt der Vortrag der Klägerin nicht, sie habe aus dem nur wenige Zentimeter höheren Gebäude keinen zusätzlichen Nutzen. Würde man diesem Vortrag folgen, so stellte sich die Frage, weshalb das Gebäude in der tatsächlichen Höhe errichtet wurde. Die Klägerin kann auf das gesamte Gebäude bezogen einen angemessenen Vorteil aus dem Anschluss an die Abwasserentsorgung ziehen.

Hieran ändert auch nichts der Verweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des VG Magdeburg (Urteil vom 13.12.2012 - 9 A 251/11 - juris). Das VG Magdeburg hatte in dieser Entscheidung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 20.10.2004 - 1 L 186/04 - juris) ausgeführt, auch die Anwendung eines an sich vorteilsgerechten Maßstabselements könne im Einzelfall zur Unbilligkeit führen. Dies sei in Bezug auf das Maßstabskriterium „Anzahl der Vollgeschosse“ dann der Fall, wenn zu seiner Bestimmung an die Höhe einer baulichen Anlage mit der Vermutung angeknüpft werde, daraus ergebe sich wegen der regelmäßig bestehenden Geschosshöhen die Anzahl der Vollgeschosse, die tatsächliche Anzahl der auf dem Grundstück vorhandenen Vollgeschosse bleibe jedoch dahinter zurück. Diese Rechtsprechung vermag nicht zu überzeugen. Sie würde gerade zu einer Privilegierung solcher großer baulichen Anlagen führen, bei denen die tatsächliche Anzahl der Geschosse hinter der nach den Regelungen der Satzung ermittelten Geschosszahl zurückbleibt, obgleich die grundsätzliche Möglichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks wegen der dortigen Bebauung vorhanden ist und so sehr große Vorteile aus dem Grundstück gezogen werden können. Auf die tatsächliche aktuelle Nutzung kommt es nicht an. Ein von der Klägerin insoweit wohl begehrter nutzungsbezogener „Art-Abschlag“ ist ebenso wie ein „Art-Zuschlag“ (vgl. hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1041) für gewerbliche oder industriell genutzte Grundstücke grundsätzlich nicht zulässig. Eine derartige Vorgehensweise wäre mit § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG unvereinbar, wonach die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen sind.

Insgesamt geht die Kammer davon aus, dass es sich hier um systemimmanente Folgen der Satzungsregelung handelt, die nicht im Wege des Erlasses aus Billigkeitsgründen umgangen werden können, auch wenn eine Härte vorliegen könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Normgeber hier eine andere Regelung gewählt hätte, hätte er den konkreten Fall gekannt. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Normgeber sich tatsächlich - aus etwaigen Protokollen ersichtlich - mit der hier vorliegenden Frage beschäftigt hat. In den wenigsten Normgebungsmaterialien lassen sich die verschiedensten Problemstellungen nachvollziehen. Hier hat der Normgeber durch das fortwährende Festhalten an der Satzung und den darin enthaltenen Regelungen - gerade hinsichtlich des Vollgeschossmaßstabes - in Kauf genommen, dass in bestimmten Fällen - wie hier - hohe Beiträge zu leisten sind. Es ist deshalb auch nicht ersichtlich, dass das Ermessen auf den Teilerlass hin reduziert wäre. Für die Klägerin ergibt sich aus Sicht der Kammer kein völlig unerträgliches Ergebnis durch die Anwendung der Satzungsregelungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.