Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 28.05.2014, Az.: 6 A 8169/13

Nichtärztliche Heilberufe; Physiotherapeutenschule; Physiotherapie; Rechtsgrundlage; Schulaufsicht; Schulaufsicht: Rechtsgrundlage; Schulen; Staatliche Anerkennung; Verbotsverfügung; verkürzte Ausbldung: Physiotherapie

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
28.05.2014
Aktenzeichen
6 A 8169/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42638
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für den Erlass schulaufsichtlicher Verfügungen gegenüber den Trägern von staatlich anerkannten Schulen für Physiotherapie gibt es in Niedersachsen keine Rechtsgrundlage.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Trägerin der in F. unter dem Namen Schulen G. betriebenen Berufsfachschule für Physiotherapie. Der Schule ist mit Bescheid der ehemaligen Bezirksregierung Hannover vom 12. September 1995 unter Bezugnahme auf § 9 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG) die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie verliehen worden. Mit Bescheid vom 21. Februar 1996 hat die Bezirksregierung die Aufnahme eines 2. Lehrganges pro Schuljahr genehmigt, die Aufnahmetermine und die Lehrgangsgröße festgesetzt und erklärt, dass die staatliche Anerkennung in der Form des Bescheides vom 12. September 1995 im Übrigen weitergilt.

Bei einem Schulbesuch am 22. November 2012 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin auch Lehrgänge für die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 bis 3 MPhG auf 18 oder 12 Monate verkürzte Physiotherapeutenausbildung durchführt. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 23. November 2011 darauf hin, dass für die Durchführung der verkürzten Ausbildungen keine Genehmigung vorliege und der Unterricht grundsätzlich in jeweils getrennten Lehrgängen durchgeführt werden müsse. Daraufhin beantragte die Klägerin mit einem Schreiben ihrer Schule vom 17. Dezember 2012 die Erteilung einer Genehmigung für die Durchführung der verkürzten Ausbildung.

Mit Bescheid vom 27. November 2013 untersagte die Beklagte der Klägerin, zukünftig die verkürzte Ausbildung gemäß § 12 Abs.1 MPhG durchzuführen.

Zur Begründung vertrat sie die Auffassung, dass die Klägerin nur über eine staatliche Anerkennung für die dreijährige Physiotherapeutenausbildung verfüge und mehrfach vergeblich aufgefordert worden sei, die Genehmigung der auf 18 oder 12 Monate verkürzten Ausbildungen zu beantragen und Curricula vorzulegen. Abweichend von der Praxis der Klägerin, Schülerinnen und Schüler mit Erlaubnis für eine der verkürzten Ausbildungen auf die Klassen der regulären dreijährigen Ausbildung zu verteilen, sei es notwendig, deren Vorwissen aus der nachgewiesenen Berufsausbildung aufzufrischen und zu ergänzen. Es sei zwar durchaus möglich, nach entsprechender Genehmigung gemeinsame Lernsituationen bzw. Unterrichtseinheiten zu schaffen. Die Zusammenlegung von Klassen setze aber ein strukturiertes Curriculum voraus, aus dem hervorgehe, mit welchem Lernstand die Schüler diese Sequenz beginne und welche Kompetenzen angestrebt werden.

Die Klägerin hat am 27. Dezember 2013 Klage erhoben.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die in identischen Fächern vorgenommene Zusammenlegung des Unterrichts für die verkürzten Ausbildungen von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten rechtlich zulässig sei. Allerdings entscheide die staatlich anerkannte Schule nach § 14 Abs. 2 in Verbindung mit § 9 MPHG in eigener Verantwortung darüber, ob und wie sie eine verkürzte Ausbildung organisiere. Eine gesetzliche Vorgabe, wonach die Schule gesonderte Lehrgänge oder eine eigene Schule für eine verkürzte Ausbildung genehmigen lassen müsse, gebe es nicht. Die inhaltlichen Anforderungen an die Physiotherapieausbildung seien in der (bundesrechtlichen) Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten festgelegt. Demzufolge unterliege eine staatlich anerkannte Physiotherapeutenschule nicht aber der Fachaufsicht des Landes. Die zuständige Behörde des Landes entscheide nach § 14 Abs. 2 MPHG nur über die Anträge von einzelnen Schülerinnen und Schülern auf Verkürzung der Ausbildung. Allein darauf beschränkten sich ein Genehmigungserfordernis und die Behördenzuständigkeit der Beklagten. Wenn die Behörde der Auffassung sei, die Ausbildung an dieser Schule sei unzureichend, müsse sie die Verkürzungsanträge von Schülerinnen und Schülern ablehnen.

Die Lehrgänge nach § 12 Abs. 1 Satz 1 bis 3 MPhG seien auch keine speziellen Ausbildungen, sondern Teil des einheitlichen Bildungsgangs der dreijährigen Physiotherapeutenausbildung nach § 9 MPhG, welche in diesen Fällen nur gemäß § 12 Abs. 1 MPhG wegen bereits erbrachter Vorleistungen verkürzt werde und mit einer staatlichen Ergänzungsprüfung abschließe. Das folge aus der Anrechnungsvorschrift des § 12 Abs. 3 MPhG und aus § 14 Abs. 2 MPHG, wonach der Gesetzgeber gerade nicht von separaten Ausbildungen der in § 12 Abs. 1 MPhG genannten Personen ausgehe. Dem entspreche die Praxis bei der Verkürzung von Ausbildungszeiten in anderen Ausbildungsberufen. Daher habe sie die Teilnehmer an der verkürzten Ausbildung in die vorhandenen Lehrgänge gemäß § 9 MPhG insoweit integriert, als aus dem Stoff des Gesamtlehrganges die für die verkürzten Ausbildungen relevanten Fächer und Inhalte herausgesucht und den entsprechenden Teilnehmern angeboten würden.

Die verkürzte Ausbildung werde in den Schulen G. ordnungsgemäß durchgeführt. An der Schule seien in den letzten drei Jahren mehrere Abschlussprüfungen für Schülerinnen und Schülern stattgefunden, denen die Beklagte die Genehmigung zur Verkürzung der Ausbildung erteilt habe. Beanstandungen habe es dabei nicht gegeben, alle Schülerinnen und Schüler hätten die Ergänzungsprüfung mit Erfolg bestanden. Mängel der Ausbildung habe die Beklagte bei ihren Schulbesuchen nach Einblick in die Curricula, Stoffverteilungspläne und Klassenbücher ebenfalls nicht festgestellt.

Dass das Vorwissen der Ausbildung zum Masseur und Medizinischen Bademeister in der verkürzten Ausbildung bei den Schulen G. nicht aufgefrischt und ergänzt werde, treffe nicht zu. Die verkürzte Ausbildung basiere auf einem Curriculum, welches sich im Wesentlichen auf die Vorgaben in den Anlagen 2 und 3 der Physiotherapeutenausbildungs- und Prüfungsverordnung stütze. Diesen sei deutlich zu entnehmen, welche Fächer und praktischen Ausbildungszeiten für die verkürzten Ausbildungen wegfielen und welche Inhalte in den restlichen Fächern noch gelehrt werden müssten. Die verbleibenden Ausbildungsinhalte der Anlagen 2 und 3 fänden sich vollständig in den inhaltlichen Vorgaben der dreijährigen Ausbildung in Anlage 1 der Physiotherapeutenausbildungs- und Prüfungsverordnung wieder. Demzufolge vermittle die Schule bei der verkürzten Ausbildung in jedem Fall die in der Physiotherapeutenausbildungs- und Prüfungsverordnung vorgeschriebenen Inhalte.

Die Klägerin beantragt,

den zum Geschäftszeichen H 4.3-41062 ergangenen Bescheid der Beklagten vom 27. November 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die der Klägerin im Jahre 1995 verliehene staatliche Anerkennung nur den Regelfall der dreijährigen Ausbildung für Lehrgänge gemäß § 9 MPhG umfasse. Die nach § 12 Abs. 1 MPhG angebotene verkürzte Ausbildung stehe unter Aufsicht des Staates, zumindest aber nach Art. 7 Abs. 4 GG unter einem Genehmigungsvorbehalt. Die Wahrnehmung der staatlichen Aufsicht mache es erforderlich, dass ein Schulträger das Angebot von Lehrgängen für die verkürzte Ausbildung unter Vorlage von entsprechenden Unterlagen anzeige und ihm dann die entsprechende staatliche Anerkennung erteilt werde. Dies sei nicht nur zur Sicherheit des Schulträgers erforderlich, sondern auch damit Schülerinnen und Schüler wüssten, dass auch ihre verkürzte Ausbildung unter staatlicher Aufsicht erfolge.

Dafür seien mit Schreiben vom 1. März 2013 konkrete Unterlagen von der Klägerin angefordert worden. Bei den Lehrgängen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und 3 MPhG handele es sich um eine eigenständige Ausbildung, die sich von der Ausbildung nach § 9 MPhG nicht nur im zeitlichem Umfang, sondern auch hinsichtlich ihrer Inhalte unterscheide und deshalb ein unterrichtsorganisatorisches und methodisches Konzept voraussetze. Die Klägerin habe dieses Konzept trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Bislang seien die Schüler gemeinsam unterrichtet worden, wobei die Klägerin angeblich Unterrichtseinheiten für abweichende Unterrichtsinhalte angeboten habe. Konkrete Nachweise dafür lägen aber nicht vor. Erst wenn ein Curriculum für die jeweiligen beiden Verkürzungskurse vorgelegt werde, könne die Beklagte im Rahmen ihrer staatlichen Aufsichtsaufgabe entscheiden, ob und welche Fächer und Inhalte sich gemeinsam unterrichten ließen.

Der Klägerin sei mehrfach angeboten worden, die rechtswidrigen Zustände mit einem nachträglichen Antrag auf Änderung der staatlichen Anerkennung unter Vorlage von Unterlagen zu heilen. Da sie dies bis heute verweigere, sei davon auszugehen, dass sie weiter Personen mit einer verkürzten Ausbildung gemeinsam mit Personen mit dreijähriger Ausbildung unterrichte und sich absichtlich der staatlichen Aufsicht entziehe.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der im vorliegenden Verfahren (Beiakte A zu 6 A 8169/13) und der im Verfahren 6 A 6162/13 beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte A zu 6 A 6162/13) der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2013, mit welchem der Klägerin untersagt worden ist, eine nach § 12 Abs. 1 MPhG verkürzte Ausbildung für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten durchzuführen, ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufzuheben, denn der Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Für das mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verbot der Durchführung einer verkürzten Ausbildung fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Es verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes.

Jeder Verwaltungsakt, der in die Rechte des von ihm Betroffenen eingreift, bedarf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Dieser Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes (BVerfG, Beschl. vom 9. 5. 1972, BVerfGE 33, 125 ff., 163 = DÖV 1972 S. 748 [BVerfG 25.04.1972 - 1 BvL 14/71]) und ist nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) auch für die Verwaltung der Länder verbindlich. Ihm wird nur dann Rechnung getragen, wenn eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, die den in Frage stehenden Sachverhalt des behördlichen Tätigwerdens nach allgemeinen Grundsätzen der Gesetzesauslegung erfasst und dabei inhaltlich verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet danach auch den Landesgesetzgeber, in grundrechtsrelevanten Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen, wobei es dem Gesetzgeber allerdings nicht von vornherein verwehrt ist, Generalklauseln zu verwenden und Spielräume zu eröffnen (vgl. BVerfG, Urt. vom 24.05.2006 – 2 BvR 669/04 –, BVerfGE 116, 24 ff. = NVwZ 2006 S. 807 ff.). Dies gilt auch für die Grundrechtsrelevanz von Verwaltungsakten, welche in die von Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG erfasste Freiheit der Träger von Privatschulen, die gesetzlich vorgesehene Ausbildung der Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich zu organisieren, eingreifen.

Seitdem die ehemalige Bezirksregierung Hannover der unter dem Namen Schulen G. betriebenen Berufsfachschule für Physiotherapie mit dem Bescheid vom 12. September 1995 die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Schule verliehen hat, ist sowohl im Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten als auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern dieser Schule bestandskräftig geregelt, dass Schülerinnen und Schüler an dieser Schule nach § 9 Satz 2 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie (Masseur- und Physiotherapeutengesetz - MPhG - vom 26.05.1994, BGBl. I S. 1084, zuletzt geändert durch Artikel 45 des Gesetzes vom 06.12.2011, BGBl. I S. 2515) eine Ausbildung mit den in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Physiotherapeuten (- PhysTh-APrV - vom 06.12.1994, BGBl. I S. 3786; zuletzt geändert durch Art. 13 der Verordnung vom 02.08.2013, BGBl. I S. 3005) vorgeschriebenen Inhalten erhalten, so dass ihnen nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Physiotherapeutin“ oder „Physiotherapeut“ erteilt werden kann.

Eine gesetzliche Grundlage für den Erlass eines Verwaltungsakts, mit dem die Beklagte der Klägerin untersagt, die bundesgesetzlich vorgesehene und inhaltlich vorgegebene Berufsausbildung in bestimmten Teilen durchzuführen, gibt es nicht. Demzufolge gibt es auch keine gesetzliche Regelung der Fragen, welche Behörde des Landes Niedersachsen für den Erlass eines solchen Verwaltungsakts zuständig wäre, welchen Inhalt dieser Verwaltungsakt haben dürfte und ob der zuständigen Behörde ein Ermessen für ihr Tätigwerden und die Auswahl und Umfang der behördlichen Maßnahme eingeräumt wäre.

Aus dem MPhG und der PhysTh-APrV lässt sich eine solche gesetzliche Grundlage nicht herleiten. Der Bundesgesetzgeber hat insoweit von seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz (GG) keinen Gebrauch gemacht. Er beschränkt sich in § 14 Abs. 1 und 2 MPhG darauf zu bestimmen, welches Land für die gegenüber den Ausgebildeten bzw. den Schülerinnen und Schülern zu treffenden Entscheidungen nach § 2 Abs. 1 und § 7 Abs. 4 MPhG und nach § 6 Abs. 2 oder § 12 MPhG jeweils zuständig ist. Die Regelung der Zulassung der Physiotherapeutenschulen, der diesbezüglichen Behördenzuständigkeiten sowie der Eingriffsmöglichkeiten der staatlichen Aufsicht (Art. 7 Abs. 1 GG) ist gemäß Art. 72 Abs. 1 GG eine Aufgabe der Gesetzgebung der Länder, die Rechtsnormen nicht nur für die staatliche Anerkennung dieser Schulen, sondern auch für die Fachaufsicht für die Physiotherapeutenschulen schaffen muss (VG Hannover, Urt. vom 28.05.2014 - 6 A 6162/13 -). Die Länder haben in eigener Zuständigkeit die nähere Ausgestaltung der schulischen Ausbildung zu anderen als ärztlichen Heilberufen als Substanz des ihnen obliegenden Ausbildungsrechts zu bestimmen und hierfür die notwendigen Rechtsgrundlagen zu schaffen (vgl. BVerfG, Urt. vom 24.10.2002, BVerfGE 106, S. 62, 131 = NJW 2003, S. 41, 49 [BVerfG 24.10.2002 - 2 BvF 1/01]).

Rechtsgrundlagen für die nach Art. 7 Abs. 1 GG als Institution vorgesehene staatliche Schulaufsicht über Physiotherapeutenschulen und deren Inhalt sind in Niedersachsen nicht geschaffen worden. Dementsprechend existieren auch keine Verwaltungsvorschriften, welche die Art und den Inhalt des Tätigwerdens einer staatlichen Aufsicht im Zusammenhang mit der staatlichen Anerkennung von Physiotherapieschulen und den Gebrauch diesbezüglicher Entscheidungsspielräume lenken könnten. Das Niedersächsische Kultusministerium und die anderen beteiligten obersten Landesbehörden haben in dem gemeinsamen Runderlass „Zuständige Behörden für andere als ärztliche Hilfsberufe“ (vom 23.11.2004, Nds. MBl. S. 866) nur festgelegt, dass die Niedersächsische Landesschulbehörde zuständige Behörde für die in § 14 MPhG genannten Gegenstände der gegenüber den Ausgebildeten bzw. Auszubildenden zu treffenden Erlaubnis-, Verkürzungs- und Anrechnungsentscheidungen und für die Anwendung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Physiotherapeuten ist. In dem Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums „Mindestanforderungen an Schulen für andere als ärztliche Heilberufe“ (vom 13.04.2010, Nds. MBI. S. 553) beschränkt sich die oberste Landesbehörde darauf, für die Ausbildung von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten bestimmte verwaltungsintern bindende Mindeststandards der Anforderungen an Leitungskräfte, an die räumliche und sächliche Ausstattung der Schulen und die Ausgestaltung der Ausbildung vorzuschreiben. Eine Verwaltungsvorschrift, welche die zuständige Behörde übergangsweise bis zur Schaffung der gesetzlichen Grundlagen ermächtigen könnte, die rechtlichen Verhältnisse einer staatlich anerkannten Schule für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten hoheitlich zu gestalten, existiert hingegen nicht. Aus diesem Grund kann die sich an eine entsprechende Verwaltungsvorschrift anknüpfende Frage, ob der regelungslose Zustand im Land Niedersachsen in Anbetracht des bereits verstrichenen Zeitraums von 20 Jahren seit Erlass des MPhG für eine (weitere) Übergangszeit noch hingenommen werden könnte, offen bleiben.

Auf die im Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG) verankerten Regelungen über die von den Schulbehörden wahrgenommene staatliche Schulaufsicht (§§ 120, 167 NSchG) kann als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe der Beklagten in die Berechtigung der Klägerin zur Durchführung der Ausbildung von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten nicht zurückgegriffen werden. Sie sind, soweit das NSchG in seinem Elften Teil bestimmte Anforderungen an die Schulleitungen und den Unterricht an Schulen in freier Trägerschaft stellt, auf die Rechtsverhältnisse von Schulen im Sinne von § 9 Satz 2 MPhG weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Bezüglich der staatlich anerkannten Physiotherapeutenschule Schulen G. in F. besteht zwar die Besonderheit, dass das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Land Niedersachsen durch das den Beteiligten bekannte Urteil des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 28. November 2001 - 13 L 2847/00 - (n. v.) insoweit rechtskräftig geklärt ist, als es sich bei beiden Schulen um Ersatzschulen im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG handelt, für die das Land Niedersachsen rechtswidrig nicht den Zugang zu einem Genehmigungsverfahren nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, 4 Abs. 3 Nds. Verfassung (NV) eröffnet hat. Daraus allein ergibt sich aber noch nicht die Möglichkeit einer analogen Anwendung der Regelungen des NSchG auf die staatliche Schulaufsicht über diese Schule. Denn der Landesgesetzgeber hat in § 1 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 NSchG ausdrücklich festgelegt, dass das NSchG auf die Schulen für andere als ärztliche Heilberufe keine Anwendung findet. Mit der abschließenden Aufzählung der in § 1 Abs. 5 Satz 2 NSchG namentlich genannten Rückausnahmen ist das Gesetz in diesem Punkt auch nicht lückenhaft, denn der Landesgesetzgeber hat sich bei der Einführung der Regelung des § 1 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 NSchG durch das Gesetz zur Verbesserung von Bildungsqualität und zur Sicherung von Schulstandorten (vom 02.07.2003, Nds. GVBl. S. 244) bewusst dafür entschieden, die vorhandenen Schulen für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten nicht in den Geltungsbereich des NSchG einzubeziehen. Er hat die bis zum Erlass jenes Gesetzes geltende Verordnungsermächtigung zur Einbeziehung dieser Schulen in den Geltungsbereich des NSchG aufgehoben, um zu verhindern, dass sich Schulträger „in den Geltungsbereich des NSchG einklagen und damit erhebliche Finanzhilfeansprüche auslösen“ (vgl. Nds. Landtag, Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP vom 10.03.2003, LT-Drs. 15/30 S. 15). Demzufolge lässt sich eine Genehmigungspflicht der verkürzten der Physiotherapeutenausbildung abweichend von der Rechtsauffassung der Beklagten nicht aus dem Genehmigungserfordernis von Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG) herleiten.

Unterstellt, es ließe sich die von der Beklagten ersichtlich in Ausschöpfung eines angenommenen Ermessensspielraums getroffene Untersagungsverfügung auf eine rechtliche Grundlage stützen, wäre sie dennoch rechtswidrig, denn die Entscheidung der Beklagten stützt sich auf eine unzutreffende Grundlage. Entscheidend für das behördliche Einschreiten der Beklagten ist ihre Auffassung, dass die staatliche Anerkennung der Schulen G. nicht zur Durchführung der nach § 12 Abs. 1 MPhG vorgesehenen verkürzten Ausbildung berechtige, dass die Beklagte vielmehr für die Durchführung der diesbezüglichen Lehrgänge bei der Schulbehörde eine gesonderte Genehmigung beantragen müssen (s. Schreiben der Beklagten vom 06.02.2013).

Beides trifft nicht zu. Eine gesetzliche Regelung, die dem Träger einer staatlich anerkannten Physiotherapieschule aufgibt, eine behördliche Genehmigung für die Durchführung von Lehrgängen für Schülerinnen und Schüler, deren Ausbildung durch Bescheid der Beklagten nach § 12 Abs. 1 bis 3 MPhG verkürzt worden ist, einzuholen, existiert nicht. Eine solche Regelung stünde auch im Widerspruch zum Wesen und Inhalt der staatlichen Anerkennung. Wie bereits oben ausgeführt ist mit der am 12. September 1995 verliehenen Eigenschaft der Schulen G. als staatlich anerkannte Schule im Sinne von § 9 Satz 2 MPhG ein Rechtsstatus begründet worden, der Voraussetzung dafür ist, dass die von der Klägerin an dieser Schule ausgebildeten und erfolgreich geprüften Personen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Physiotherapeutin“ und „Physiotherapeut“ haben.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die der Klägerin verliehene staatliche Anerkennung auch das Recht zur Ausbildung von Personen, für die die Beklagte die Verkürzung der Ausbildungszeit gemäß § 12 Abs. 1 MPhG genehmigt hat, umfasst. Der objektive Erklärungswert des Ausspruchs über die Verleihung der staatlichen Anerkennung im Bescheid der ehemaligen Bezirksregierung Hannover vom 12. September 1995 enthält keine inhaltliche Einschränkung der Ausbildung von Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Sie lässt sich insbesondere nicht dem Zitat des § 9 MPhG im Entscheidungsausspruch des Bescheides entnehmen. Dieses Zitat stellt ersichtlich darauf ab, dass einer Schule nach § 9 Satz 2 MPhG die Eigenschaft einer staatlich anerkannten Schule verliehen worden sein muss, wenn die erfolgreiche Ausbildung an dieser Schule zur Erteilung der Erlaubnis des Führens der Berufsbezeichnung „Physiotherapeutin“ oder „Physiotherapeut“ führen soll. Eine nur teilweise oder abschnittsweise Verleihung der Eigenschaft einer staatlich anerkannten Physiotherapeutenschule ist im MPhG nicht vorgesehen. Vielmehr bezieht sich die gegenüber den Schülerinnen und Schülern zu treffenden Verkürzungsentscheidungen der Beklagten nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 MPhG auf „die Ausbildung nach § 9 Satz 1“. Die als „Maßgaben“ bezeichneten Einschränkungen und Nebenbestimmungen des Anerkennungsbescheides vom 12. September 1995 geben ebenfalls nichts für eine inhaltliche Einschränkung der staatlichen Anerkennung der Schulen G. her. Das gilt auch, soweit in dem Anerkennungsbescheid bestimmt worden ist, dass die mit dem Anerkennungsantrag der 15. März 1995 vorgelegten Unterlagen Gegenstand der staatlichen Anerkennung ist. Der hierzu von der Klägerin vorgelegte Lehrplan bezog sich zwar unter Bezugnahme auf Anlage 1 zur PhysTh-APrV (nur) auf die dreijährige Physiotherapeutenausbildung. Allerdings enthielten die vorgelegten und nachgereichten Antragsunterlagen der Klägerin (Bl. 3 ff. Beiakte A zu 6 A 6162/13) keine Erklärung der Klägerin, dass sie die Verleihung der Eigenschaft einer staatlichen Anerkennung ausschließlich und vorbehaltlos für die Durchführung der dreijährigen Ausbildung beantragte.

Zwar ist aus dem Verfahren 6 A 6162/13 bekannt, dass die Beklagte die staatliche Anerkennung vom 12. September 1995 mit einem Bescheid vom 22. Juli 2013 geändert und dabei unter anderem angeordnet hatte, dass die Lehrgänge nach § 1 Abs.1 PhysTh-APrV und dem Stoffverteilungsplan der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV durchzuführen seien, ferner dass der theoretische und praktische Unterricht getrennt nach Lehrgängen durchgeführt werden müsse und Ausnahmen (nur) nach der Zustimmung der Schulbehörde möglich seien. Der Bescheid vom 22. Juli 2013 ist aber in jenem Verfahren von der Klägerin angefochten und mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 28. Mai 2014 - 6 A 6162/13 - aufgehoben worden, weil es in Niedersachsen auch für die nachträgliche Änderung staatlicher Anerkennungen von Schulen nach § 9 Satz 2 MPhG an einer gesetzlichen Grundlage fehlt.