Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.05.2014, Az.: 1 A 222/13

Abwasserbeitrag; Logistikhalle; Vollgeschossmaßstab

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.05.2014
Aktenzeichen
1 A 222/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42508
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Entscheidung eines gemeindlichen Satzungsgebers, für Lager bzw. Logistikhallen auf den beitragsrechtlichen Vollgeschossmaßstab abzustellen, ist rechtlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn die maßgebliche Zahl der Vollgeschosse wegen einer fehlenden planungsrechtlichen Festsetzung anhand der zulässigen Gebäudehöhe fiktiv zu ermitteln ist und es dadurch zu verhältnismäßig hohen Abwasserbeiträgen kommt.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung eines Abwasserbeitrages für Schmutzwasser.

Die Klägerin erwarb von der Beklagten das Grundstück D. … (Gemarkung E., Flur 15, Flurstücke 62/2, 63, 64). Die Klägerin erhielt auf ihren Antrag für dieses Grundstück von der Beklagten eine Baugenehmigung für den „Neubau Logistikhalle VW mit Verwaltungs- und Sozialbereichen sowie einem Pförtnergebäude, Lkw-Warteplatz und Pkw-Stellplätzen“. Die Klägerin errichtete bauantragsgemäß das Logistikzentrum, welches inzwischen auch genutzt wird.

Mit Anhörungsschreiben vom 10.05.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, diese zur Zahlung eines Abwasserbeitrages (Schmutzwasser) in Höhe von 491.282,96 EUR heranziehen zu wollen. Hierbei ging die Beklagte für die Logistikhalle von drei Vollgeschossen bei einem Nutzungsfaktor in Höhe von 220 % aus. Die Klägerin äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 31.07.2012. Sie rügte insbesondere die Höhe der beabsichtigten Inanspruchnahme und stellte zugleich auch einen Antrag auf einen Teilerlass der Forderung der Beklagten aus Billigkeitsgründen. Hierbei schilderte die Klägerin insbesondere den Umfang der ihr bisher zur Nutzbarkeit des im Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebietes entstandenen Aufwendungen. Diese seien mit mehr als 1,3 Mio. EUR zu beziffern.

Mit Bescheid vom 04.12.2012 - zugegangen am 07.12.2012 - erhob die Beklagte schließlich einen Abwasserbeitrag (Schmutzwasser) in Höhe von 625.269,23 EUR. Sie nahm hierbei einen Nutzungsfaktor in Höhe von 280 % an und ging bei der Berechnung des Beitrages von vier Vollgeschossen hinsichtlich der Logistikhalle aus. Entscheidend für die Annahme von vier Vollgeschossen sei, dass die Halle aufgrund einer auf Antrag der Klägerin erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans eine tatsächliche Höhe von bis zu 12,46 m oberhalb der Geländeoberkante bezogen auf die Oberkante der Fahrbahn „F.“ habe. Insofern werde die im Bebauungsplan vorgesehene zulässige Maximalhöhe des Gebäudes von 12 m überschritten. Nach § 4 I Abs. 3 Ziffer 3 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Landeshauptstadt Hannover vom 10.12.2009 (ABAS) sei in diesem Fall von der tatsächlichen Gebäudehöhe bei der Umrechnung auf die Zahl der Vollgeschosse auszugehen. Die nach § 4 I Abs. 3 Ziffer 1 b ABAS durchzuführende Berechnung laute daher: 12,46 m : 3,5 = 3,56 (gerundet: 4). Nach der Satzung ergebe sich vor dem Hintergrund der Annahme von vier Vollgeschossen ein Nutzungsfaktor von 280 % (100 % für das erste Geschoss und jeweils 60 % für drei weitere Geschosse). Für die Berechnung des Beitrages sei die Grundstücksfläche von 71.804,00 qm mit dem Nutzungsfaktor 280 % zu multiplizieren. Hieraus ergebe sich eine Veranlagungsfläche von 201.051,21 qm. Je qm sei ein Betrag von 3,11 EUR zu zahlen. Danach errechne sich ein Betrag in Höhe von 625.269,23 EUR.

Insbesondere sei die Annahme eines Nutzungsfaktors in Höhe von 280 % unter Anwendung des Vollgeschossmaßstabes nicht zu beanstanden. Die Bewertung des ersten Vollgeschosses mit 100 % bzw. des zweiten und jedes weiteren Vollgeschosses mit 60 % sei nicht überhöht, was in der Rechtsprechung und in der Literatur anerkannt sei. Ferner sei auch der bei der Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse benutzte Divisor von 3,5 rechtlich unbedenklich. Die ABAS unterscheide insofern zwischen Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten einerseits (3,5) sowie allen anderen Baugebieten andererseits (2,2). Diese Differenzierung folge aus der Überlegung, dass ein Vollgeschoss in einem „anderen Baugebiet“ üblicherweise niedriger sei, als z.B. in einem Industriegebiet. Würde man den Divisor von 2,2 auf die Logistikhalle anwenden, so wäre (gerundet) von sechs Vollgeschossen auszugehen (12,46 m : 2,2 = 5,66). Es komme für die Wahl des Divisors auch nicht auf die konkrete Art der Bebauung an, sondern nur auf die zulässige Nutzung. Mit dem Beitrag solle der Vorteil für ein Grundstück abgegolten werden, der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserleitung geboten werde. Es liege auch kein unzulässiger „Artzuschlag“ vor, weil grundsätzlich dieselben Kriterien bei der Berechnung des Beitrages anzuwenden seien.

Auch der Antrag auf Teilerlass sei abzulehnen. Es sei unstreitig, dass für die Erschließung des Grundstücks erhebliche Aufwendungen entstanden seien. Allerdings stünden die Kosten nicht im Zusammenhang mit den Kosten für den Bau der öffentlichen Abwasseranlage.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.01.2013 Klage erhoben. Sie trägt zur Begründung vor:

Die Rechtmäßigkeit des Beitragssatzes in Höhe von 3,11 EUR sei fraglich. Maßstab sei insoweit zumindest eine Plausibilisierung dieses Wertes. Das Aufwandsüberschreitungsverbot sei einzuhalten. Es sei aufgrund der Heranziehung für Abwasserbeiträge (Schmutzwasser, Niederschlagswasser und Anschlusskanäle) in einer Größenordnung von 967.612,32 EUR zu vermuten, dass sie - die Klägerin - einen etwa ursprünglich ermittelten umlagefähigen Aufwand über Bagatellgrenzen hinweg überschreite. Es bestünden Zweifel hinsichtlich der Kalkulation. Die eingesehenen Unterlagen der Beklagten ließen keinen Aufschluss zu hinsichtlich des ursprünglichen Abwasserbeseitigungskonzepts und dessen Fortschreibungen, zu etwa erfolgten Globalkalkulationen und auch nicht bezüglich eventueller Doppelbelastungen aufgrund der Finanzierung der Aufwendungen über Gebühren (Verhältnis der verschiedenen Abgaben zueinander). Es sei nicht nachvollziehbar, ob die gezahlten Beiträge durch die tatsächlich anfallenden Kosten gerechtfertigt seien.

Unabhängig davon sei der Beitragsmaßstab unter mehreren Gesichtspunkten rechtswidrig. Der mit der Satzung gewählte nutzungsbezogene Flächenbeitrag bzw. der kombinierte Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab sei wegen unreflektierter Übernahme der Vorgaben des Bauplanungsrechts schon der Höhe nach mit 60 % rechtswidrig. Es sei von einer Unverhältnismäßigkeit auszugehen. Teilweise sei in der Rechtsprechung bereits ein Steigerungssatz von 25 % als ausreichend angesehen worden. Ebenso sei der Ansatz eines linearen Steigerungssatzes je Vollgeschoss - und damit der Ausschluss einer Degression - rechtsfehlerhaft. In der Rechtsprechung (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 26.05.1999 - 2 K 23/97 - juris) sei zutreffend vertreten worden, dass ein linearer Steigerungssatz - gleich welcher Höhe - dem Vorteilsprinzip in der Regel nicht gerecht werde. Es müsse die bauliche Nutzungsintensität berücksichtigt werden, die bei einer eingeschossigen Lagerhalle gering sei.

Es sei systemwidrig, dass sich die Satzung einerseits am planungsrechtlich Zulässigen halten wolle, dann aber andererseits den Abwasserbeitrag entsprechend einer planungsrechtlichen Befreiungsentscheidung bemesse. So habe die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 04.12.2012 ausgeführt, der gewählte Vollgeschossmaßstab würde auf die zulässige Nutzung abstellen und nicht auf die tatsächliche Bebauung. Bei der Berechnung sei hingegen auf die tatsächliche Bebauung abgestellt worden. Die Klägerin sei gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit worden. Insoweit sei eine Überschreitung der grundsätzlich zulässigen Höhe von 12 m um lediglich 46 cm zugelassen worden. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass im Ergebnis ein ganzes weiteres Vollgeschoss bei der Berechnung des Beitrages angenommen werde, obwohl dieses nur „angefangen“ worden sei. Im Übrigen wäre ein weiteres Vollgeschoss mittels Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB tatsächlich nicht zugelassen worden.

Außerdem würden ihrer Natur nach - wie vorliegend - eingeschossige Lagerhallen sachwidrig gleichbehandelt mit einer „kleinteiligen“ gewerblichen Nutzung. In § 4 I ABAS werde für Gewerbegebiete bezogen auf Vollgeschosse keine weitere Differenzierung im Hinblick auf die Gruppe „Lagerhalle“ vorgenommen. Gewerbliche Nutzungen müssten sachgemäß unterschieden werden. Rein tatsächlich handele es sich um eine eingeschossige Logistikhalle, die in ihrer baulichen Substanz eher eine „Hülle“ darstelle. Auch müsse berücksichtigt werden, ob bei dem konkreten Gewerbebetrieb ein höherer oder niedrigerer Abwasseranfall vorhanden sei.

Ferner sei die besondere Gebäudestruktur des Logistikzentrums unberücksichtigt geblieben, obgleich das Logistikzentrum nicht über eine einheitliche Höhe verfüge, sondern die angegliederten Kalthallen deutlich niedriger (um mehr als 5 m) als die übrigen Gebäudeteile seien. Die Traufhöhe der Logistikhalle könne nicht einfach auf die weiteren Gebäudeteile übertragen werden. Dies sei nicht vorteilsgerecht (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 10.10.2007 - 1 L 256/06 - juris). Hier sei eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich gebotene Pauschalierung und Typisierung nicht mehr angezeigt. Unabhängig davon sei nur eine Satzungsregelung zulässig, bei welcher hinsichtlich gewerblich genutzter Grundstücke je vollendeter 3,5 m Höhe der Baulichkeit ein Vollgeschoss angenommen werde. Die „fiktive“ Berechnung von Geschosszahlen durch die Umrechnung sei nur als Auffangtatbestand zulässig. Auch die Rundungsregelungen seien unrechtmäßig. Es sei unzulässig, bereits bei einem „angefangenen“ Vollgeschoss die Beitragspflicht zu erhöhen und ab einem Wert von 0,5 aufzurunden. Damit sei eine enorme Erhöhung des jeweiligen Beitrages verbunden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04.12.2012 aufzuheben, soweit ein Betrag von mehr als 223.310,44 EUR festgesetzt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und vertieft ihre bisherige Begründung. Es bestünden keine Zweifel hinsichtlich der Beitragskalkulation. Der Prozessbevollmächtigte habe die hierzu vorhandenen vollständigen Unterlagen der Beklagten eingesehen. Weitere Unterlagen könnten nicht vorgelegt werden. Die Kalkulation sei unter Einschaltung eines externen Fachbüros erfolgt. Die Beitragssätze würden alle drei Jahre - nach umfassenden Ermittlungen des jeweiligen Gutachters - neu kalkuliert. Die Klägerin habe hierzu keine konkreten Punkte angesprochen, die zweifelhaft seien.

Die Beklagte hebt in ihrem Vortrag insbesondere hervor, der Vollgeschossmaßstab sei ein üblicher, praktikabler und zulässiger Weg, der die typisierenden Unterschiede im Maß der baulichen Nutzung abbilde und regelmäßig keiner weiteren Ausdifferenzierungen bedürfe. Bei Anlegung des Vollgeschossmaßstabes sei davon auszugehen, dass jedes Grundstück für jeden Quadratmeter Grundfläche in gleicher Weise Vorteile von der Entwässerungseinrichtung habe. Auch die Bewertung des ersten Vollgeschosses mit 100 % und jedes weiteren Vollgeschosses mit 60 % sei nicht zu beanstanden. Die höhere Bewertung des ersten Geschosses sei gerechtfertigt, weil damit auch der Vorteil für das mögliche Dachgeschoss, welches nach § 2 Abs. 4 NBauO kein Vollgeschoss sei, abgegolten werde. Es gebe keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach bei großen Flächen der Vorteil nicht auch proportional zur Fläche wachse. Insoweit sei ein degressiver Flächenmaßstab unzulässig. Im Bebauungsplan sei keine zulässige Geschossanzahl, sondern eine zulässige Gebäudehöhe festgesetzt worden. Diesem Umstand sei in der Satzung durch die Bestimmung eines Umrechnungsfaktors Rechnung getragen worden. Der entsprechende Divisor von 3,5 sei - gerade mit Blick auf die Regelung des § 21 Abs. 4 BauNVO - ebenfalls nicht zu beanstanden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Lagerhalle nicht mit anderen Gebäuden in einem Gewerbegebiet vergleichbar sein solle. Es komme nicht auf die Frage der tatsächlichen Nutzbarkeit des Grundstücks an, sondern auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks, die im vorliegenden Fall durch die Festsetzungen des Bebauungsplans eingeräumt werde.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 04.12.2012 über die Erhebung des Abwasserbeitrages für das Grundstück der Klägerin im D. Weg … in Hannover ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat den Abwasserbeitrag zutreffend auf einen Betrag in Höhe von 625.269,23 EUR festgesetzt.

Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 2 II Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 ABAS i.V.m. § 6 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG).

Die von der Beklagten durchgeführte Berechnung des Abwasserbeitrages ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zutreffend einen Nutzungsfaktor von 280 % angenommen, weil sie von vier Vollgeschossen der Logistikhalle der Klägerin ausgegangen ist. Auch der Beitragssatz in Höhe von 3,11 je qm bietet keinen Ansatzpunkt für die Rechtswidrigkeit der Festsetzung.

Die Beklagte durfte im Rahmen der Festsetzung auf den Vollgeschossmaßstab abstellen. Dieser ist in § 4 I Abs. 1 ABAS geregelt. Danach werden zur Ermittlung des nutzungsbezogenen Beitrages für das erste Vollgeschoss 100 % und für jedes weitere Vollgeschoss 60 % der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass gegen den Vollgeschossmaßstab keine durchgreifenden Bedenken bestehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.10.1993 - 9 M 2240/13 - juris), weil er an die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks anknüpft und unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten von dem Erfahrungssatz ausgeht, dass mit zunehmender Zahl der Vollgeschosse auch der Gebrauchs- und Nutzungswert des Grundstücks steigt. § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG, wonach die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen sind, wird durch den Vollgeschossmaßstab entsprochen (vgl. hierzu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1024 mwN; VG Hannover, Beschluss vom 13.02.2009 - 1 B 5675/08 - n.v.).

Für die Anwendung des Vollgeschossmaßstabes ist die Art der baulichen Nutzung nicht relevant (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.03.2014 - OVG 9 N 35.11 - juris). Deshalb muss erst recht nicht die (tatsächliche) bauliche Nutzungsintensität berücksichtigt werden, die bei einer eingeschossigen Lagerhalle gering sein mag. Es ist unerheblich, welcher Abwasseranfall bei der konkreten Nutzung auftreten könnte und dass die Logistikhalle noch über mehrere deutlich kleinere Kalthallen verfügt und aus Sicht der Klägerin nur ein Geschoss hat. Entscheidend ist vielmehr bereits die grundsätzliche Möglichkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks, die der Klägerin durch die Festsetzungen im Bebauungsplan und durch die Befreiung von dessen Festsetzungen eingeräumt wurde. Da der vorliegende Abwasserbeitrag nur einmal erhoben wird, verbietet sich eine Betrachtungsweise, die auf die jederzeit änderbare und mehr oder weniger zufällige tatsächliche Nutzung abstellt. Ein Abstellen auf die tatsächliche Nutzung wäre mit einer Vielzahl von rechtlich kaum lösbaren Problemen verbunden. Dies würde unter praxisbezogenen Gesichtspunkten kaum ermöglichen, eine sachgerechte Finanzierung von Kanalbauprojekten herbeizuführen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 11.06.1996 - 9 L 7116/94 - juris).

Welchen Maßstab der Satzungsgeber für die Steigerung des Nutzungsfaktors nach dem ersten Vollgeschoss wählt (hier 60 %), das heißt, ob der Nutzungsfaktor linear-progressiv oder degressiv ausgestaltet ist und in welchen Stufen, liegt grundsätzlich im Ermessen des Satzungsgebers. Er muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr findet das Ermessen des Satzungsgebers erst dort seine Grenze, wo sich sachliche Gründe für die Abstufung nicht mehr finden lassen oder der gewählte Maßstab ersichtlich unangemessen und deshalb dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitssatz nicht mehr entspricht (vgl. VG Greifswald, Urteil vom 14.11.2013 - 3 A 524/11 - juris). Der Vollgeschossmaßstab zeichnet sich gerade durch seine Praktikabilität und Durchschaubarkeit aus und ist - auch ohne genauere Differenzierungen hinsichtlich des Maßes der Nutzung nach Gebietsarten und mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Beitragsbelastung der einzelnen Grundstücke gerade nicht in dem Verhältnis stehen muss, wie sich deren bauliche oder sonstige Nutzbarkeit verhält - als zulässig erachtet worden (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 26.01.1979 - 4 C 84/75 - juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22.02.2001 - 2 A 149/98 - n.v.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte hier eine weitere differenzierende Regelung bezüglich der Gruppe der „Lagerhallen“ in der Satzung hätte treffen müssen. Der unterschiedliche Anteilssatz für das erste Vollgeschoss mit 100% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 60% findet seine Rechtfertigung letztlich darin, dass beim ersten Vollgeschoss ein ausgebautes Dachgeschoss, das nach § 2 Abs. 4 NBauO (a.F.) kein Vollgeschoß ist, mit zu berücksichtigen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 02.05.1991 - 9 M 4630/91 - juris; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1024 mwN). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die entsprechenden Anteilssätze unverhältnismäßig sind. Deshalb durfte sich die Beklagte auch auf den Vollgeschossmaßstab in der hier vorhandenen Ausprägung stützen, obwohl ein linearer Steigerungssatz genutzt wurde.

Hiervon ausgehend hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass im Rahmen der notwendigen Berechnung des Beitrages von vier Vollgeschossen der Logistikhalle auszugehen ist. Rechtlicher Anknüpfungspunkt ist insoweit § 4 I Abs. 3 Ziffer 3 ABAS, der in Verbindung mit Abs. 1 Ziffer 1 b) eine Regelung zur Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse enthält. Danach gilt als Zahl der Vollgeschosse bei Grundstücken, für die - wie hier - im Bebauungsplan statt der Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt ist, in Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO die durch 3,5 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe. Bei sich hiernach ergebenden Bruchzahlen bis 0,49 wird auf ganze Zahlen abgerundet, bei Bruchzahlen ab 0,50 auf ganze Zahlen aufgerundet. Vorliegend ist die Besonderheit gegeben, dass die Klägerin ausnahmsweise von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB befreit wurde und die grundsätzlich zulässige Gebäudehöhe um 46 cm überschreiten durfte. Diese Höhe wurde von der Klägerin bei der Errichtung der Halle auch ausgeschöpft. Es kommt nicht darauf an, ob die an die „Haupthalle“ angegliederten Kalthallen eine um 5 m niedrigere Höhe haben. Es mag unter Umständen im Einzelfall nicht mehr vorteilsgerecht sein, wenn eine untergeordnete Teilfläche, für die jedoch bauplanungsrechtlich die höchstzulässige Nutzung - vorliegend in Gestalt der Gebäudehöhe - festgelegt ist, die beitragsrechtlich beachtliche Ausnutzbarkeit der Gesamtfläche bestimmen soll (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 10.10.2007 - 1 L 256/06 - juris). Vorliegend ist die Logistikhalle mit der Höhe von 12,46 m als deutlich prägender Gebäudeteil anzusehen. Ausweislich des Lageplans vom 20.07.2011 nehmen die drei vorhandenen Kalthallen - die jeweils schlauchartig an drei Außenseiten der Halle anschließen - selbst nur eine untergeordnete Teilfläche ein.

Hier ergibt sich ein rechnerischer Wert der Zahl der Vollgeschosse von 3,56, wenn man 12,46 durch 3,5 teilt. Es ist nicht zu beanstanden, dass auf diese zulässige Höhe abgestellt wurde, weil im Bebauungsplan keine zulässige Anzahl von Vollgeschossen festgelegt wurde und es auch unbillig wäre, bei sehr großen Gebäuden lediglich von einem Geschoss auszugehen. Im Übrigen stand es der Klägerin auch frei, eine lediglich 12 m hohe Halle zu bauen und keine Ausnahmeregelung in Anspruch zu nehmen. Dann hätte die Beklagte nur von drei Vollgeschossen ausgehen können. Unproblematisch ist hier die Verwendung des Divisors 3,5. Fehlt im Bebauungsplan die Angabe der zulässigen Vollgeschosse, weil nur Gebäudehöhen festgesetzt sind, so muss in der Satzungsregelung eine Umrechnungsformel enthalten sein. In Anbetracht des dem Ortsgesetzgeber zustehenden Bewertungsermessens kann eine vorteilsgerechte Einordnung des betroffenen Grundstücks durchaus so erfolgen, dass bei Gewerbe- und Industriegrundstücken im Hinblick auf die bei diesen Nutzungen übliche Raumhöhe von 3,50 m eine Umrechnung mit dem Divisor 3,5 vorgesehen ist (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1039a).

Auch die in § 4 I Abs. 3 Ziffer 3 ABAS vorgesehene Auf- und Abrundungsregelung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Regelung trägt einerseits dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung und wahrt andererseits noch das Vorteilsprinzip des § 6 Abs. 5 Satz 1 NKAG. Die Rechtfertigung für die Auf- und Abrundung ergibt sich jedoch vor allem aus dem Zweck des Rechenvorganges. Denn damit soll eine fiktive zulässige Zahl der Vollgeschosse bestimmt werden, die nicht als Bruchzahl darstellbar ist. Soweit die Klägerin auf einen Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 12.08.2003 (9 LA 36/03 - juris) verweist, betraf diese Entscheidung eine Bestimmung, die gerade keine kaufmännische Rundung, sondern eine generelle Aufrundung vorsah (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.03.2011 - 4 L 385/08 - juris; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 49. EL, Sept. 2013, § 8 Rn. 1039a). Die hier zur Anwendung kommende Rundungsregelung ist ungeachtet des Umstandes, dass jede derartige Regelung Härten mit sich bringen kann, wenn der jeweilige Grenzwert nur unwesentlich überschritten wird und hieraus eine Aufrundung folgt, nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 04.12.2012 zutreffend den Beitragssatz nach § 5 Nr. 1 ABAS in Höhe von 3,11 EUR angewandt und unter Berücksichtigung der errechneten Veranlagungsfläche den Beitrag in Höhe von 625.269,23 EUR errechnet. Die Beklagte durfte sich hier auch auf den konkreten Beitragssatz in Höhe von 3,11 EUR stützen. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Beitragssatz unverhältnismäßig ist oder fehlerhaft kalkuliert wurde.

Es genügt nicht, wenn die Klägerin lediglich behauptet, der Beitragssatz sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Zwar verlangt der Grundsatz der Amtsermittlung des § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Gericht alle vernünftigerweise zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die ihm geeignet erscheinen, die für seine Entscheidung erforderliche Überzeugung zu gewinnen. Die Amtsermittlungspflicht findet in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten ihre Grenze. Die Klägerin hat hiernach auch die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel nach § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO anzugeben. Solange sie selbst dieser Pflicht nicht nachkommt und überprüfbare sowie einem Beweis zugängliche Tatsachen nicht vorträgt, braucht das Gericht der bloßen Möglichkeit fehlerhaft bestimmter Beitragssätze nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.4.2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188; BayVGH, Beschluss 24.01.2013 - 20 ZB 12.1540 - juris). Dass es für die Klägerin nicht ganz einfach ist, die von der Beklagten ermittelten Beitragssätze auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, entbindet sie nicht davon, sich im Rahmen der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht selbst sachkundig zu machen, notfalls mit Hilfe eines von ihr beauftragten Sachverständigen (vgl. BayVGH, Beschluss 24.01.2013 - 20 ZB 12.1540 - juris).

Für das Gericht besteht vorliegend kein Anlass für eine Fehlersuche von Amts wegen hinsichtlich der Kalkulation. Die Klägerin hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass die in die Gebührenkalkulation eingestellten Werte unrichtig wären. Es reicht aus, dass diese Werte nachvollziehbar sind. Es bedarf keiner detaillierten Begründung jedes Postens in der Gebührenkalkulation (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 04.07.2012 - 5 C 34/09 - juris). Die Beklagte hat mit der Kalkulation des Beitragssatzes ein externes sachverständiges Ingenieur-Büro beauftragt, welches ein umfangreiches Gutachten (29 Seiten zzgl. verschiedener Anlagen) erstellt hat. Darin wird plausibel erläutert, wie kalkuliert wurde. In dem Gutachten wird auf Seite 23 ein umlagefähiger Aufwand von rund 3,9 Mio. EUR festgestellt und hiervon ausgehend ein kostendeckender Beitragssatz in Höhe von 4,14 EUR je qm ermittelt. In der Satzung wurde später dieser Satz auf den Betrag in Höhe von 3,11 EUR reduziert (vgl. hinsichtlich der Verwendung eines nicht kostendeckenden Beitrages: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.01.2011 - OVG 9 B 22.09 - juris, Rn. 36). Insofern erscheint der Beitragssatz nicht unangemessen. Es ist vor diesem Hintergrund auch nicht ersichtlich, dass ein Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot vorliegt. Die Beklagte hätte letztlich auch den höchstzulässigen Beitragssatz in Höhe von 4,14 EUR in der Satzung festlegen können.

Zu dem im Bescheid vom 04.12.2012 abgelehnten Teilerlass muss das Gericht nicht weiter ausführen, da der Klageantrag sich nicht auf die Aufhebung des gesamten Bescheides bezieht, sondern nur auf die über eine Summe von 223.310,44 EUR hinausgehende Festsetzung. Abgesehen davon ist der Erlass des Beitrages im Verfahren 1 A 6026/13 streitgegenständlich.

Der Bescheid vom 04.12.2012 ist damit insgesamt rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.