Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.05.2014, Az.: 1 A 6027/12

Bestattungskosten; Bestattungspflicht; Friedhofsgebühr

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.05.2014
Aktenzeichen
1 A 6027/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42632
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Festsetzung von Friedhofsgebühren durch Leistungsbescheid nach § 8 Abs. 4 Satz 3 Nds. BestattG gegenüber einem nachrangig Bestattungspflichtigen - z. B. einem Kind des Verstorbenen - ist mangels Entstehung der subsidiären gemeindlichen Bestattungspflicht nicht möglich, wenn die Bestattung von einem vorrangig Bestattungspflichtigen - z. B. Ehegatten - veranlasst worden ist, dieser aber vor Entrichtung der Gebühren selbst verstorben ist.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Inanspruchnahme für die anlässlich der Bestattung seiner Mutter entstandenen Kosten.

Der Kläger ist der Sohn der verstorbenen G. und des verstorbenen H.. Nach dem Tod seiner Ehefrau am 23. Juli 2012 stellte Herr H. einen Antrag auf Verleihung eines Grabnutzungsrechts bei der Beklagten. Als Grabstätte sollte ein vorhandenes dreistelliges Wahlgrab I., in dem bereits eine Stelle seit Juni 1986 belegt war, dienen. Mit seiner Unterschrift erklärte er zugleich, dass er „sämtliche Kosten, die für die Beisetzung entstehen, übernehmen und nach Erhalt eines Gebührenbescheides umgehend an die J. überweisen“ werde. Die Bestattung der Mutter des Klägers fand am 27. Juli 2012 statt.

Am 28. Juli 2012 starb Herr H.. Der Kläger unterschrieb daraufhin am 1. August 2012 einen inhaltlich gleichlautenden Antrag auf Verleihung eines Grabnutzungsrechts, mit dem er sich - wie zuvor sein Vater - zur Übernahme der Beisetzungskosten verpflichtete. Sein Vater wurde am 3. August 2012 in der oben bezeichneten Wahlgrabstätte beigesetzt.

Die Beklagte erließ am 20. August 2012 einen Gebührenbescheid über 2.660,00 EUR, mit dem sie dem Kläger die Kosten für die Bestattungen seiner Eltern inklusive einer Verlängerung der Nutzungszeit für das Wahlgrab um 11 Jahre und 2 Monate zur Wahrung der in der Friedhofssatzung der Beklagten festgelegten 25jährigen Ruhezeit auferlegte. Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 25. August 2012. Er habe nur die Beisetzung seines Vaters, nicht dagegen die seiner Mutter in Auftrag gegeben. Erbe seines Vaters sei er nicht geworden und könne damit nicht für dessen Verbindlichkeiten herangezogen werden. Daraufhin hob die Beklagte den zunächst erlassenen Gebührenbescheid auf und nahm den Kläger mit Bescheid vom 29. August 2012 in Höhe von 597,00 EUR lediglich für die Bestattungskosten seines Vaters exklusive der oben benannten Nutzungszeitverlängerung in Anspruch.

Die Erkundigungen der Beklagten beim zuständigen Amtsgericht Alfeld hinsichtlich der zivilrechtlichen Erbfolge nach K. und H. ergaben, dass der Kläger das Erbe für sich und seine Kinder nach testamentarischer und gesetzlicher Erbfolge wirksam ausgeschlagen hatte. Weitere Erben waren dem Amtsgericht nicht bekannt. Wegen des fehlenden Nachlasses stellte dieses auch keine Nachforschungen an.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2012 zog die Beklagte den Kläger erneut für die Kosten der Bestattung seiner Mutter einschließlich der oben bezeichneten Nutzungszeitverlängerung in Höhe von 2.063,00 EUR heran. Sie begründete dies damit, dass der Kläger als nächster unterhaltspflichtiger Angehöriger seiner Mutter gemäß § 1615 Abs. 2 BGB verpflichtet sei, die Bestattungskosten zu tragen.

Der Kläger hat am 24. Oktober 2012 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus:

§ 1615 Abs. 2 BGB sei vorliegend nicht einschlägig, da sich die Vorschrift in erster Linie gegen die Eltern eines verstorbenen Kindes richte. Im Übrigen sei er für seine Mutter nicht unterhaltspflichtig.

Soweit sich die Beklagte auf die Regelung des § 8 Abs. 4 Niedersächsisches Bestattungsgesetz (Nds. BestattG) berufe, lägen die Voraussetzungen nicht vor. Es sei unstreitig, dass die Bestattung der Mutter des Klägers von seinem Vater in Auftrag gegeben worden sei. Im Übrigen würden jedenfalls die Kosten für die Verlängerung der Nutzungszeit der Grabstelle in Höhe von 1.541,00 EUR nicht zu den Bestattungskosten gehören.

Der Kläger beantragt,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2012 in Höhe von 2.063,00 EUR aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor:

Die erbrechtlichen Vorschriften des Zivilrechts seien in dem vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant, da sich die Kostentragungspflicht des Klägers bereits aus Regelungen des öffentlichen Rechts, genauer des Niedersächsischen Bestattungsgesetzes ergebe.

Der Kläger sei Bestattungspflichtiger im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG. Diese Verpflichtung schließe bereits die Kostentragungspflicht für die Bestattungskosten mit ein. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, welches für den Fall der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Bestattungspflichtigen keine Ausnahme von der Bestattungspflicht naher Angehöriger annehme. Auch der Umstand, dass zum Todeszeitpunkt der Mutter des Klägers deren Ehemann noch gelebt habe, stehe der Kostentragungspflicht des Klägers nicht entgegen. Maßgeblich sei insoweit die Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, in dem der Gebührenbescheid erlassen wurde.

Auch die Regelung des § 8 Abs. 4 S. 4 Nds. BestattG setze nicht zwingend voraus, dass die Gemeinde die Bestattung veranlasst habe. Vielmehr sei die Vorschrift, die darauf gerichtet sei, die Gemeinde von Bestattungskosten zu entlasten, weit auszulegen. § 8 Abs. 4 Nds. BestattG regele die Kostentragungspflicht für Bestattungen auch nicht abschließend. Darauf komme es jedoch ohnehin nicht an, da für den vorliegenden Fall allein die Regelung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG entscheidend sei.

Die Kosten für die Verlängerung der Nutzungszeit seien Teil der notwendigen und von dem Bestattungspflichtigen zu tragenden Bestattungskosten, da nur auf diese Weise die Einhaltung der Ruhezeit von 25 Jahren zu gewährleisten sei. Für die Wahlgrabstätte habe die Nutzungszeit insgesamt verlängert werden müssen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Gebührenbescheid vom 4. Oktober 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Die Voraussetzungen für einen Leistungsbescheid nach § 8 Abs. 4 S. 3 Nds. BestattG liegen nicht vor, da hinsichtlich der Bestattung der Mutter des Klägers die subsidiäre Bestattungspflicht der Beklagten nicht entstanden ist. Diese ist in § 8 Abs. 4 S. 1 Nds. BestattG geregelt und entsteht, wenn niemand für die Bestattung sorgt. Dabei ist maßgeblich auf die in § 9 Nds. BestattG genannten Zeitpunkte abzustellen. Nach dem Tod der Mutter des Klägers veranlasste der Vater des Klägers, also der nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 Nds. BestattG vorrangig bestattungspflichtige Ehemann der Verstorbenen, die Bestattung u. a. dadurch, dass er am 23. Juli 2012 einen Antrag auf Verleihung eines Grabnutzungsrechts bei der Beklagten stellte und sich mit seiner Unterschrift verpflichtete, sämtliche Kosten für die Beisetzung zu übernehmen. Am 27. Juli 2012 wurde die Mutter des Klägers bestattet. Diese Bestattung auf Veranlassung des Vaters des Klägers erfolgte innerhalb der von § 9 Nds. BestattG bestimmten Fristen, so dass dieser rechtzeitig für die Bestattung seiner Ehefrau gesorgt hatte. Der Vater des Klägers ist damit allein Gebührenpflichtiger i. S. d. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 6 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) hinsichtlich der verwirklichten Gebührentatbestände der Friedhofsgebührensatzung der Beklagten geworden. Sein Tod am 28. Juli 2012, also einen Tag nach der Beerdigung seiner Frau, ändert daran nichts. Der Kläger war nicht vorrangig Bestattungspflichtiger im Sinne des § 8 Abs. 3 Nds. BestattG und haftet nicht nach § 8 Abs. 4 S. 2 Nds. BestattG. Dies wäre jedoch die Voraussetzung für seine Inanspruchnahme durch Leistungsbescheid, § 8 Abs. 4 S. 3 Nds. BestattG. § 8 Abs. 4 S. 4 Nds. BestattG ist systematisch und inhaltlich mit den Vorschriften über die subsidiäre Bestattungspflicht der Gemeinde und deren Rechtsfolgen (§ 8 Abs. 4 S. 1-3 Nds. BestattG) verknüpft. Eine eigenständige Regelung dergestalt, dass die Gemeinde in jedem Fall durch Leistungsbescheid auf den nächstrangig Bestattungspflichtigen zurückgreifen kann, wenn sie - unabhängig von dem Vorliegen der subsidiären Bestattungspflicht - die für die Bestattung entstandenen Kosten von dem vorrangig Bestattungspflichtigen nicht erlangen kann, lässt sich § 8 Abs. 4 S. 4 Nds. BestattG nach Auffassung des Gerichts nicht entnehmen.

Ob sich die Haftung des Klägers auch nach Erlass des Nds. BestattG weiterhin auf § 66 Nds. Sicherheits- und Ordnungsgesetz (Ersatzvornahme) stützen ließe (in diesem Sinne Nds. OVG, Beschluss vom 21.11.2006 - 8 PA 118/06 -, Barthel, Bestattungsgesetz Niedersachsen, Kommentar, 2. Aufl. 2009, § 8 Anm. 4.3; anders dagegen Horn, Nds. Bestattungsgesetz, Kommentar, § 8 Anm. § 6a)), kann hier dahinstehen, da es bereits an den Voraussetzungen für eine Ersatzvornahme fehlt. Diese kommt nur dann in Betracht, wenn der Bestattungspflichtige seiner Pflicht aus § 8 Abs. 3 Nds. BestattG innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist nicht nachkommt. Dies ist aber vorliegend, wie oben ausgeführt, geschehen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist § 8 Abs. 3 Nds. BestattG keine eigene Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Leistungsbescheids. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, nach der die Bestattungspflicht gemäß § 8 Abs. 3 Nds. BestattG unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen bestehe (Nds. OVG, Beschluss vom 02.09.2010 - 8 PA 211/10 -, Beschluss vom 10.08.2009 - 8 PA 128/09 - m. w. N.), führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich lediglich Folgendes: Wenn ein Bestattungspflichtiger im Sinne von § 8 Abs. 3 Nds. BestattG tätig geworden ist, hat dieser auch die Kosten - unbeschadet eventuell bestehender zivilrechtlicher Regressansprüche - nach öffentlichem Recht zu tragen. Soweit niemand für die Bestattung gesorgt und daher die zuständige Gemeinde nach § 8 Abs. 4 S. 1 Nds. BestattG die Bestattung veranlasst hat, kann der Bestattungspflichtige gegenüber dem Leistungsbescheid, mit dem die Gemeinde die entstandenen Kosten ihm gegenüber geltend macht, die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit nicht erfolgreich einwenden. Übertragen auf die vorliegende Konstellation ergibt sich daraus lediglich, dass der Vater des Klägers, der die Bestattung veranlasst hat, die Kosten zu tragen hatte. Die Kosten sind mit der Beerdigung der Mutter des Klägers am 27. Juli 2012 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt war der Vater des Klägers Gebührenpflichtiger der Beklagten und hätte gegebenenfalls seine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit dieser nicht entgegen halten können.

Auch der Einwand der Beklagten, es sei für die Kostentragungspflicht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Leistungsbescheides abzustellen und zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger nach dem Tod des Herrn H. als dessen Sohn der vorrangig Bestattungspflichtige (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG) gewesen, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Voraussetzung für den Erlass eines Leistungsbescheids nach § 8 Abs. 4 S. 3 Nds. BestattG lagen, wie oben ausgeführt, im Zeitpunkt der Vornahme der Bestattung der Mutter des Klägers und damit der Entstehung der Gebühren nicht vor. Es fehlte bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage. Daran hat sich auch mit dem Tod des Vaters des Klägers nichts geändert.

Die Kostentragungspflicht des Vaters des Klägers ist auch nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, § 1922 BGB, auf den Kläger übergegangen. Die Forderung gegen den Vater, die nach § 11 Abs. 1 Nr. 4b) NKAG i. V. m. § 155 Abs. 1 S. 1 Abgabenordnung (AO) diesem gegenüber durch Bescheid festgesetzt werden konnte, ist mit dem Tod des Vaters eine Nachlassverbindlichkeit geworden. Diese wäre gegen den Erben geltend zu machen (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2b) NKAG i. V. m. § 45 AO). Der Kläger hat das Erbe wirksam ausgeschlagen, ist folglich nicht Erbe geworden und damit nicht in die Stellung seines Vaters als Gebührenpflichtiger eingerückt.

Ob der Beklagten gegen den Kläger ein zivilrechtlicher Erstattungsanspruch, beispielsweise gestützt auf § 1615 Abs. 2 BGB, zusteht, kann hier dahinstehen. Diesen durfte sie jedenfalls nicht im Wege des Leistungsbescheids geltend machen, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. § 8 Abs. 4 S. 3 Nds. BestattG und - soweit anwendbar - § 66 Nds. Sicherheits- und Ordnungsgesetz setzen eine öffentlich-rechtliche Forderung voraus. Zivilrechtliche Forderungen hat die Gemeinde dagegen - nach Aufhebung der §§ 61, 62 Niedersächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz - nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, d.h. durch zivilrechtliches Anspruchsschreiben und gegebenenfalls durch Klage vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.