Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 27.05.2014, Az.: 5 B 634/14
Dublin; systemische Mängel; Ungarn
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 27.05.2014
- Aktenzeichen
- 5 B 634/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 42628
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 34a AsylVfG
- Art 20 Abs 1d EGV 343/2003
- Art 3 MRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn weisen keine systemischen Mängel auf.
2. Der Asylbewerber kann sich nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Fristenregelung in Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II VO berufen.
3. Unter Zugrundelegung eines europarechtlich geprägten, nicht an der Dogmatik der VwGO haftenden Begriffsverständnisses spricht Überwiegendes dafür, dass der Begriff eines Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II VO, nach Inkrafttreten der Neufassung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG auch einen rechtzeitig gestellten einstweiligen Rechtsschutzantrag, der nach § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F. Suspensivwirkung entfaltet, erfasst. Die Frist des Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II VO beginnt dann erst mit der ablehnenden Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu laufen.
Tenor:
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die ungarischen Behörden vor der Durchführung der Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn - unter Berücksichtigung des vorgelegten ärztlichen Attestes vom 31.01.2014 - über die Asthmaerkrankung des Antragstellers informiert werden und dem Antragsteller die erforderliche Menge des Medikaments Symbicort für einen Übergangszeitraum von einem Monat von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt wird.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
Der Antrag des Antragstellers,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23.01.2014 anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist nach § 34a AsylVfG in der seit 06.09.2013 geltenden Fassung zwar zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt worden. Er ist aber nicht begründet.
Nach Art. 16 Abs. 1 c) der Verordnung 343/2003/EG (Dublin II -VO)ist für das Asylverfahren des Antragstellers Ungarn zuständig. Der Antragsteller hatte in Ungarn bereits einen Asylantrag gestellt, über den noch nicht sachlich entschieden ist, weil das Verfahren aufgrund Abwesenheit eingestellt wurde. Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag des Antragstellers ist gem. § 27 a AsylVfG unzulässig. Die nach § 34 a AsylVfG ergangene Abschiebungsanordnung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu beanstanden. Das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt nicht das öffentliche Interesse am Vollzug der Abschiebungsanordnung.
Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Recht hat die Antragsgegnerin einen Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II- VO bzw. eine weitere Prüfung nach Kapitel 3 der Dublin II- VO, welcher andere Mitgliedstaat ggf. einzutreten hätte, abgelehnt. Der Abschiebung nach Ungarn stehen keine außergewöhnlichen rechtlichen oder tatsächlichen Gründe entgegen, die der Annahme, das Asylverfahren sei in Ungarn durchzuführen, entgegenstehen könnten.
Den Zuständigkeitsregelungen der Dublin II- VO liegt die Annahme zugrunde, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta), der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) und der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) steht. Grundsätzlich besteht damit keine Veranlassung, von einer Abschiebung in den zuständigen Mitgliedstaat zur Durchführung des Asylverfahrens abzusehen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann jedoch in Ausnahmefällen die Ausübung des Selbsteintrittsrechts zum Schutz der Rechte des Asylsuchenden angezeigt sein. So geht der EGMR in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Abschiebung eines Asylbewerbers durch einen Konventionsstaat eine Frage nach Art. 3 EMRK aufwerfen und die Verantwortlichkeit des Staates begründen kann, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene im Aufnahmeland tatsächlich Gefahr läuft, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt zu werden. In einem solchen Fall ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die Person nicht in dieses Land abzuschieben (EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - Nr. 30696/09 - M.S. S./Belgien u. Griechenland, NVwZ 2011, 413 m.w.Nachw.). Der EuGH hat zum inhaltsgleichen Art. 4 der EU-GR-Charta entschieden, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte im Hinblick auf den Schutzgehalt dieses Grundrechts obliegt, einen Asylbewerber nicht an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II- VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden (Urt. vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10]).
Eine Situation, die Anlass zu einem Selbsteintritt geben würde, hält das Gericht bezüglich der Bedingungen des Asylverfahrens in Ungarn derzeit nicht für gegeben.
In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestanden zwar - bezogen auf die Jahre 2011 und 2012 - erhebliche Zweifel, ob nach einer Abschiebung im Dublin-Verfahren die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens in Ungarn gewährleistet ist. Diese Zweifel gründeten im Wesentlichen auf einem Bericht des UNHCR zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in Ungarn vom April 2012, wonach Dublin-Rückkehrer inhaftiert worden waren und eine sachliche Prüfung ihres Asylantrages nicht erfolgte. Die Situation für Asylsuchende hat sich in Ungarn jedoch inzwischen geändert. Auf Druck der übrigen EU-Staaten hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet, denen zufolge Asylbewerber nicht ohne sachliche Prüfung des Asylantrages abgeschoben werden dürfen. Eine Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern ist ebenfalls untersagt worden. Dublin-Rückkehrer haben die Möglichkeit erhalten, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu führen. Dementsprechend hat auch der UNHCR seinen Lagebericht im Dezember 2012 aktualisiert. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Angaben von Liaisonmitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beim Ungarischen Amt für Staatsbürgerschaft und Einwanderung, die sowohl vom OVG Magdeburg (Beschluss vom 31.05.2013 - 4 L 169/12, juris) als auch vom VG Augsburg (Beschluss vom 22.04.2013 - Au 6 S 13.2009 - juris) angeführt werden. Ausgehend von der Äußerung des UNHCR ist im konkreten Fall des Antragstellers nicht zu erkennen, dass derart eklatante Missstände vorliegen, die derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass er in Ungarn der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt würde (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.08.2013 - 12 S 675/13 - juris m.w.N.).
Zwar ist zum 01.07.2013 in Ungarn die sog. Asylhaft eingeführt worden. Die Haftgründe stimmen jedoch überwiegend mit denjenigen der EU-Aufnahmerichtlinie überein. Zur veränderten Situation in Ungarn und zur sog. Asylhaft hat das VG Würzburg im Beschluss vom 28.03.2014 (- W 1 S 14.30143 -, juris) ausgeführt wie folgt:
Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems werden in jüngerer Zeit primär auf die im Juli 2013 in Ungarn in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monaten möglich ist (vgl. hierzu etwa VG Frankfurt/Oder, B.v. 24.7.2013 – VG 1 L 213/13.A; VG München, B.v. 4.10.2013 – M 23 S 13.30926). Auch dieser Umstand vermag nach Auffassung des Gerichts - jedenfalls derzeit - systemische Mängel nicht zu begründen. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes findet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts for the purpose of legal harmonisation; abrufbar im Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie (RL) 2013/33/EU, die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Entsprechend den Vorgaben dieser Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. insoweit Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil der Antragsteller einen Asylantrag gestellt hat (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Kritisiert wurde diesbezüglich nur, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2 f.; European Council on Refugees and Exiles in seinem Bericht: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers; zugänglich im Internet in englischer Sprache; UNHCR comments and recommendations, S. 9).
Dass es tatsächlich zu einer systematischen, missbräuchlichen Anwendung der Inhaftierungsvorschriften komme oder bereits gekommen sei, kann diesen Berichten dagegen gerade nicht entnommen werden (vgl. hierzu nur HHC, Brief Information Note, S. 4, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass die zukünftige Umsetzung und Anwendung dieser Gesetzesnovelle beobachtet werden muss). Gegenteiliges ist auch dem angeführten Bericht von bordermonitoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013 nicht zu entnehmen. Auch dort wird insoweit nur kritisiert, dass die entsprechenden Normen weit gefasst seien (vgl. S. 35 des genannten Berichts). Entsprechende Erkenntnismittel, die insoweit bereits bestehende systemische Mängel festgestellt hätten, sind aber bislang weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit und solange sich aber keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417 ff. [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10]) davon auszugehen, dass auch für Ungarn die Vermutung besteht, dass Asylsuchende jedenfalls seit November 2012 (wieder) in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt werden.
Auch die von den Antragstellern angeführte anderslautende Rechtsprechung führt zu keinem anderen Ergebnis, da sie zum einen auf bereits überholten Erkenntnisquellen beruht bzw. die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 u.a. – NVwZ 2012, 417 ff. [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10]) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14) nicht hinreichend berücksichtigt (so VG Frankfurt/Oder, B.v. 24.7.2013 – VG 1 L 213/13.A). Zum anderen vermögen aber auch die derzeit zugänglichen Erkenntnisquellen aus den oben genannten Gründen tatsächlich bestehende systemische Mängel in Ungarn insbesondere im Hinblick auf die im Juli 2013 in Kraft getretene Gesetzesnovelle zur Inhaftierungsmöglichkeit von Asylbewerbern nicht glaubhaft zu machen (a.A. VG München, B.v. 4.10.2013 – M 23 S 13.30926). Denn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn man den ungarischen Behörden im Hinblick auf die genannte Gesetzesnovelle quasi vorab ein unionsgrundrechtswidriges bzw. konventionswidriges Verhalten unterstellte, ohne diesbezüglich tatsächliche Anhaltspunkte anführen zu können. Auch hinsichtlich des im Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 26. November 2013 (Az. M 21 S 13.31198) Bezug genommenen Berichts „Statement upon the conclusion of it`s visit to Hungary (23.9. – 2.10.2013)“ der Working Group on Arbitrary Detention (abrufbar im Internet unter <http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=13816&LangID=Edes>), sind systemische Mängel nicht erkennbar. Denn insoweit wird nur von problematischen Einzelfällen berichtet.
Dieser Einschätzung, die aktuell von fast allen mit Abschiebungsanordnungen nach Ungarn befassten Verwaltungsgerichten geteilt wird (vgl. etwa VG Regensburg, Beschl. v. 02.05.2014, - RN 8 S 14.50079 -, juris; VG Augsburg, Beschl. v. 11.04.2014 - AU 7 S 14.50048 -, juris; VG Hamburg, Beschl. v. 10.02.2014 - 19 AE 5415/13 -, juris; VG Oldenburg, Beschl. v. 16.01.2014 - 5 B 33/14 -, juris) schließt sich die Einzelrichterin nach nochmaliger eigener Prüfung der Auskunftslage ausdrücklich an.
Auch der EuGH hat mit Beschluss vom 10.12.2013 (C-394/12, juris, Rn. 61) in einem Verfahren, das Dublin-Rückkehrer betraf, entschieden, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorliegen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden.
Die vom Antragsteller angeführte Entscheidung des VG München vom 28.10.2013 (M 23 S 13.31082, Inf AuslR 2014,33) lässt die Bewertung der Situation letztlich offen und widerlegt damit - wie das VG Würzburg zutreffend ausführt - nicht die Vermutung eines menschenrechtskonformen Asylverfahrens in Ungarn.
Schließlich ist eine menschenrechtswidrige Behandlung in Ungarn auch unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Antragstellers nicht zu befürchten. Aufgrund der aktuellen Auskunftslage ergibt sich für Dublin-Rückkehrer, wie den Antragsteller, kein konkreter Hinweis auf die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Inhaftierung ohne Einzelfallprüfung.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, die Unterbringung von Asylbewerbern in Ungarn sei für ihn als Asthmatiker gesundheitsgefährdend, wird diese Behauptung vom Antragsteller, der sich bereits in Ungarn aufgehalten hat, in keiner Weise konkretisiert. Asthma gehört zu den häufigsten Krankheiten weltweit (vgl. http://www.lungeninformationsdienst.de /krankheiten/asthma /verbreitung/index.html) und ist gut behandelbar. Dass sich die ärztlich attestierte Erkrankung des Antragstellers allein durch ggf. nicht optimale hygienische Bedingungen in den ungarischen Sammelunterkünften dramatisch verschlechtern könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich dem vorgelegten Attest nicht entnehmen, dass die hygienische Situation, die in allen europäischen Ländern wesentlich besser sein dürfte als im marokkanischen Heimatland des Antragstellers, zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands oder gar zu einer lebensbedrohlichen Situation führen könnte.
Hinsichtlich der Gesundheitsversorgung in Ungarn ist entsprechend der Stellungnahme der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass eine Asthmaerkrankung auch dort behandelbar ist. Das vom Antragsteller benötigte Medikament verfügt auch in Ungarn über eine Zulassung (vgl. https://www.diagnosia. com/at/medikamente/symbicort-turbohaler-160-mikrogramm-4-5-mikrogramm-pro-dosis-pulver-zur-inhalation/), ist also auch dort erhältlich. Der Antragsteller wird nach seiner Rückkehr nach Ungarn auch Zugang zum Gesundheitssystem haben. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Augsburg vom 23. Mai 2013 ist auch für Dublin II-Rückkehrer eine medizinische Notfallversorgung gesichert (VG Augsburg, Beschl. v. 05.12.2013 - Au 7 S 13.30454 -, juris). Zudem sieht der in Ungarn am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Act LXXX of 2007 on Asylum Government Decree 301/2007 (XI.9.) für Asylsuchende einen Zugang zur Gesundheitsversorgung als Teil der materiellen Aufnahmebedingungen vor. Danach sind Asylsuchende berechtigt, kostenlose Gesundheitsversorgung und insbesondere psychologische Betreuung oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch zu nehmen, wenngleich in der Praxis die Kapazitäten eingeschränkt sind und Sprachbarrieren die Behandlung erschweren (VG Oldenburg, Beschl. v. 16.01.2014 - 5 B 33/14 -, juris).
Vorliegend haben die ungarischen Behörden in der Übernahmezusage vom 13.11.2013 um Mitteilung des Gesundheitszustandes, etwaiger Krankheiten und der benötigten Medikation gebeten, was zusätzlich dafür spricht, dass die erforderliche Behandlung des Antragstellers stattfinden wird. Jedenfalls ist eine ausreichende medizinische Versorgung dann gesichert, wenn die deutschen Behörden schon im Vorfeld der Überstellung Kontakt mit den ungarischen Behörden aufnehmen und diese über die individuellen Bedürfnisse des Antragstellers informieren. Insoweit hat das Gericht in Anlehnung an die Praxis des VG Würzburg bei besonders schutzbedürftigen Personen im Sinne von Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU, zu denen der Antragsteller selbst nicht gehört, die verpflichtende Maßgabe in den Tenor aufgenommen, die ungarischen Behörden vor der Durchführung der Abschiebung unter Berücksichtigung des ärztlichen Attests vom 31.01.2014 über die Erkrankung des Antragstellers und die notwendige Medikation zu informieren (vgl. hierzu VG Würzburg, Beschl. v. 05.03.2013 - W 6 S 14.30235). Zur Sicherstellung der medikamentösen Versorgung während der Flugreise und für einen Übergangszeitraum, der hier großzügig auf einen Monat festgesetzt wurde, wurde die weitere Maßgabe in den Tenor aufgenommen, dass der Antragsteller mit dem von ihm benötigten Medikament Symbicort ausgestattet wird. Dabei wurden etwaige Anfangsschwierigkeiten oder Wartezeiten bis zum Beginn einer ärztlichen Behandlung in Ungarn einkalkuliert.
Für die behauptete Reiseunfähigkeit des Antragstellers bestehen dagegen keine Anhaltspunkte. Eine solche ergibt sich zunächst nicht aus dem vorgelegten Attest. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller den Inhalationsapparat nicht während der Flugreise nach Ungarn mit sich führen und eine ggf. erforderliche Behandlung mit dem Inhalator an Bord des Flugzeugs vornehmen könnte.
Im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 21.05.2014 angesprochene Frage des Fristablaufs nach Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO wird noch darauf hingewiesen, dass der Antragsteller, der sich bislang hierauf nicht berufen hat, gegen die Abschiebungsanordnung nicht einwenden könnte, dass seit der Wiederaufnahmezusage der ungarischen Behörden vom 13.11.2013 inzwischen sechs Monate vergangen sind. Die Fristenregelungen in Art. 16 ff. der Dublin II-VO vermitteln keine subjektive Rechtsposition für den betroffenen Asylbewerber, der grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, dass sein Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat der EU durchgeführt wird. Die Fristen können daher nur in Verbindung mit der Rüge einer Grundrechtsverletzung, etwa wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Zielstaat der Überstellung, geltend gemacht werden (vgl. EuGH, Urt. v. 10.12.2013 - Abdullahi gegen Bundesasylamt, - C-394/12 -, juris, VG Osnabrück, Beschl. v. 19.02.2014 - 5 B 12/14 -, juris, zur Frist des Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO: VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26.02.2013 - RN 9 K 11.30445 -, juris).
Abgesehen davon spricht hier Überwiegendes dafür, dass die Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO noch nicht abgelaufen ist. Die Einzelrichterin neigt insoweit der Auffassung zu, dass die 6-monatige Frist des Art. 20 Abs.1 d) Dublin II-VO bei rechtzeitiger Stellung eines einstweiligen Rechtsschutzantrags erst mit der ablehnenden Entscheidung über diesen Antrag zu laufen beginnt (so auch: VG Düsseldorf, Beschl. v. 07.04.2014 - 2 L 55/14 -, juris; VG Regensburg, Beschl. v. 13.12.2013 - RO 9 S 13.30618 -, juris; VG Leipzig, Beschl. v. 28.02.2014, juris; in diese Richtung auch: VG Göttingen, Beschl. v. 28.11.2013 - 2 B 887/13 -, juris).
Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO sieht vor, dass die Überstellung des Antragstellers von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den zuständigen Mitgliedstaat gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des ersteren Mitgliedstaates nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten erfolgt, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat.
Wie der EuGH in der Entscheidung Petrosian u.a. klargestellt hat, ist die Frist angesichts des damit verfolgten Ziels so zu bestimmen, dass die Mitgliedstaaten über eine Frist von sechs Monaten verfügen, die sie in vollem Umfang zur Regelung der technischen Probleme für die Bewerkstelligung der Überstellung nutzen sollen (Urt. v. 29.01.2009 - C -19/08 -, juris). Dies ist nur gewährleistet, wenn die Frist erst dann zu laufen beginnt, wenn kein innerstaatlicher Rechtsbehelf, der Suspensivwirkung entfaltet und damit einer Durchführung der Abschiebung entgegensteht, mehr anhängig ist. Bei der Auslegung der Norm ist zu beachten, dass der unionsrechtliche Begriff der aufschiebenden Wirkung schon wegen der völlig unterschiedlichen Ausgestaltung des nationalen Verfahrensrechts, in das die Vorschrift hinein verweist, nicht deckungsgleich mit dem Begriff der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO ist; vielmehr ist ein Vollstreckungshindernis im weiteren Sinne gemeint (Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27 a AsylVfG, Rn. 228).
Das deutsche Recht sieht nach Änderung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG zum 06.09.2013 die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz gegen die Abschiebungsanordnung nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beantragen, ausdrücklich vor und ordnet in § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG an, dass bei rechtzeitiger Antragstellung eine Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig ist. Insoweit tritt bereits durch die rechtzeitige Antragstellung bei Gericht eine Suspensivwirkung ein, die die Antragsgegnerin hindert, die Abschiebung durchzuführen. Lehnt ein Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab, entfällt die gesetzlich angeordnete Suspensivwirkung.
Für die Einzelrichterin spricht unter Zugrundelegung eines europarechtlich geprägten, nicht an der Dogmatik der VwGO haftenden Begriffsverständnisses Überwiegendes dafür, dass der Begriff eines Rechtsbehelfs mit aufschiebender Wirkung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO, nach Inkrafttreten der Neufassung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG auch einen rechtzeitig gestellten einstweiligen Rechtsschutzantrag, der nach § 34 a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F. Suspensivwirkung entfaltet, erfasst.
Der Antragsteller trägt als Unterlegener die Kosten gem. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylVfG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 80 AsylVfG).