Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 30.05.2006, Az.: 4 A 2/06

Angabe; Ausgleichszahlung; Betriebsleiter; Betrug; Betrugsabsicht; Durchschnittsbetrachter; Fehler; Kulturpflanze; offensichtlicher Fehler

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
30.05.2006
Aktenzeichen
4 A 2/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53193
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Zuwendungen im Rahmen der Agrarförderung für die Jahre 1994 bis 1997 sowie 1999 bis 2001 in Höhe von 3.730,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz sowie gegen die Teilrücknahme der den Zahlungen zu Grunde liegenden Bewilligungsbescheide.

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Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb in D.. In den Jahren 1994 bis 2001 erhielt er auf seinen Antrag hin Ausgleichszahlungen für Getreide nach der Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen - Erzeuger mit Stillegungsverpflichtung - u.a. für eine 0,8663 ha große Fläche. Bis zum Jahr 1996 trug diese Fläche die Bezeichnung Flurstück Nr. 438/294, Flur 1, Gemarkung E.. Im Jahr 1996 wurde das Flurstück Nr. 438/294 mit dem 0,6119 ha großen Flurstück- Nr. 439/294, Flur 1, Gemarkung E. verschmolzen, das nach den Angaben des Klägers in den Gesamtflächen- und Nutzungsverzeichnissen der Jahre 1994 bis 1997 als Mähweide bzw. Grünland genutzt worden war. Die Gesamtfläche wurde im Liegenschaftskataster als Flurstück Nr. 294/1 der Flur 1, Gemarkung E. (Größe 1,4782 ha), fortgeführt. Der Kläger zeigte die Korrektur der Flurstücksbezeichnungen nach einem Abgleich mit dem Liegenschaftsbuch am 30. Juli 1997 bei dem Amt für Agrarstruktur Lüneburg an. Der Anzeige fügte er einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 28. Juli 1997 bei, der für das Flurstück Nr. 294/1, Flur 1, Gemarkung E., insgesamt eine Nutzung als Grünland auswies. In den Gesamtflächen- und Nutzungsnachweisen der nachfolgenden Jahre bis zum Jahr 2001 gab der Kläger jeweils an, dieses Flurstück werde mit einer Größe 0,8663 ha (Teilflurstück A) als Getreidefläche genutzt und im Übrigen (Teilflurstück B) als Mähweide. In dem gesamten umstrittenen Zeitraum erklärte der Kläger in den jeweiligen Antragsformularen u.a., dass die Flächen, für die er Ausgleichszahlungen beantrage, am 31. Dezember 1991 nicht als Dauergrünland genutzt worden seien. Im August 1996 erfolgte eine Kontrolle durch einen Mitarbeiter des Amtes für Agrarstruktur F. vor Ort, die keine Beanstandungen ergab.

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Bei einem Dauergrünlandabgleich im Jahr 2002 stellte das Amt für Agrarstruktur Lüneburg fest, dass es sich bei dem Flurstück Nr. 294/1, Flur 1, Gemarkung E., insgesamt um sog. historisches Dauergrünland handelt. Der Kläger ließ hierzu durch das Niedersächsische Landvolk erklären, er habe die Flurstücke bzw. Teilstücke des Flurstücks Nr. 278/0, Flur 1, einerseits und des Flurstücks Nr. 294/1, Flur 1, andererseits wegen der gleichen Lage und der gleichen Lagebezeichnung „G.“ über Jahre verwechselt. Das Flurstück Nr. 294/1 sei aus den Teilstücken 438/294 und 439/294 entstanden. Das 0,8663 große Flurstück Nr. 438/294 habe er im Jahr 1988 erworben, um Eigentümer der gesamten Fläche zu sein. Das 1,1270 ha große Flurstück Nr. 278/0 sei schon sein Eigentum gewesen. Er habe das 0,6119 ha große Flurstück Nr. 439/294 und das Flurstück Nr. 278/0 als „D-Flächen G. zusammengepackt“ und die 0,8663 ha des früheren Flurstücks Nr. 438/294 als förderfähige Ackerfläche angesehen. Richtig hätte in den Anträgen aber 1,1270 ha Ackerfläche und 1,4782 ha (0,8663 ha + 0,6119 ha) „D - Fläche“ stehen müssen. Dies habe er bei der Prüfung für den Altersrentenantrag und der Verpachtung der Flächen herausgefunden. Er, der Kläger, habe sich selbst geschadet, weil er für eine zu geringe Fläche Förderung beantragt habe.

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Das Amt für Agrarstruktur Lüneburg nahm mit Bescheid vom 27. August 2003 die jeweiligen Zuwendungsbescheide für die Jahre 1994 bis 1997 und 1999 bis 2001 teilweise zurück und forderte den Kläger zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 3.730,10 € auf. Für das Jahr 1998 sah es wegen Geringfügigkeit von einer Teilrücknahme und Rückforderung ab. Zuzüglich zu den Rückforderungsbeträgen für die einzelnen Jahre forderte das Amt für Agrarstruktur Lüneburg den Kläger zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz vom Zeitpunkt der jeweiligen Auszahlung bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung auf.

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Der Kläger erhob am 21. Oktober 2003 Widerspruch. Es sei durch die Verwechslung von Flurstücksbezeichnungen in der Flurlage „G.“ zu dem Versehen gekommen. Durch die gleiche Lagebezeichnung hätten die 0,6119 ha und die 1,1270 ha für ihn eine Fläche, die „D - Fläche“ dargestellt. Die 0,8663 ha seien für ihn die förderfähige Ackerfläche gewesen. Die Teilstücke habe er über Jahre verwechselt. Weil er jahrelang auf Förderung verzichtet habe, die ihm zugestanden habe, sei sein Versehen als „offensichtlichen Fehler“ zu werten. Nach der Arbeitsunterlage der EU - Kommission vom 18. Januar 1999 könnten Anomalien den offensichtlichen Fehlern gleichgestellt werden, die Differenzangaben oder Nummern u.a. von Parzellen beträfen und beim Abgleich des Antrages mit den Datenbanken von Flächenverzeichnissen aufgedeckt würden wie z.B. die Vertauschung von Ziffern. Diese Fehlerart könne auch im Anschluss an eine Kontrolle vor Ort berichtigt werden.

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Mit Bescheid vom 11. November 2004 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch zurück. Das Amt für Agrarstruktur habe zu Recht die Sanktionsvorschrift des Art. 9 der VO (EWG) Nr. 3887/92 angewendet, weil der Kläger nicht alle vorgeschriebenen Bedingungen für die Förderung eingehalten habe. Nach Art. 9 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 3887/92 werde der Beihilfeantrag auf der Grundlage der bei der Kontrolle tatsächlich ermittelten Fläche berechnet, wenn festgestellt werde, dass in einem Beihilfeantrag „Fläche“ die angegebene Fläche über der ermittelten Fläche liege. Außer in Fällen höherer Gewalt werde die tatsächlich ermittelte Fläche jedoch um das Doppelte der festgestellten Differenz gekürzt, wenn die Differenz über 2 % oder über 2 ha liege und bis zu 10 % der ermittelten Fläche betrage, bzw. ab dem Antragsjahr 1996, wenn die Differenz über 3 % oder über 2 ha liege und bis zu 20 % der ermittelten Fläche betrage. Gemäß Art. 9 Abs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 würden für die Anwendung der Absätze 1 und 2 Futterflächen und Anbauflächen der einzelnen Ackerpflanzen, für die ein unterschiedlicher Beihilfeantrag gelte, gesondert berücksichtigt. Hier beziehe sich die mögliche Sanktion auf den Nutzungsblock „Getreide“. Das Amt für Agrarstruktur habe die Kürzung zutreffend berechnet. Es liege kein offensichtlicher Fehler im Sinne des Art. 5a der VO (EWG) Nr. 3887/92 vor. Es handele sich nicht um eine widersprüchliche Antragangabe, die quasi aus sich selbst heraus ohne besondere Mithilfe des Antragstellers zu klären gewesen sei. Zur Auslegung der Frage, was ein offensichtlicher Fehler sei, habe die Kommission eine Dokument mit der Nr. AGR 49533/2002 zur Verfügung gestellt, das die von dem Kläger genannte Unterlage ersetze. Auch mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts könne ein offensichtlicher Fehler nicht anerkannt werden. Danach gelte zwar ein Fehler auch dann als offensichtlich, wenn er bei einer Vor-Ort-Kontrolle ohne weiteres zu ersehen sei, d.h. für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen und aufgeschlossenen und mit den näheren Umständen vertrauten Durchschnittsbetrachter bei einem Abgleich der Angaben im Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis mit den Katasterunterlagen und mit der in der Örtlichkeit vorgefundenen Fläche ohne weiteres erkennbar sei. Dies gelte aber nur dann, wenn der offensichtliche Irrtum und die Falschangabe auf einem zu entschuldigenden Verhalten des Betriebsinhabers beruhe. Ein offensichtlicher Fehler könne nur vorliegen, wenn das Verschulden unter der Schwelle der leichten Fahrlässigkeit liege. Das sei hier nicht der Fall. Spätestens bei dem Abgleich mit dem Liegenschaftsbuch im Jahr 1997 habe dem Kläger auffallen müssen, dass er das Flurstück Nr. 294/1 nicht zweiteilig nutze und dass der Auszug aus dem Liegenschaftskataster von einer Grünlandnutzung ausgehe. Ein offensichtlicher Fehler könne auch nur dann anerkannt werden, wenn er einmalig aufgetreten sei. Es seien keine außergewöhnlichen Umstände zu erkennen. Der Kläger sei seinen Sorgfaltspflichten nicht in dem zu erwartenden Maße nachgekommen. Ein Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis lasse sich nur korrekt ausfüllen, indem man die Örtlichkeit mit der Karte und den Liegenschaftsauszügen vergleiche, daraufhin seine Schläge mit den entsprechenden Katasterbezeichnungen versehe und im Antragsformular eintrage. Dies sei hier nicht geschehen. Der Kläger könne sich nicht auf nach § 48 Abs. 2 VwVfG schutzwürdiges Vertrauen berufen, weil er den Verwaltungsakt durch in wesentlicher Hinsicht unrichtige Angaben erwirkt habe, wobei davon auszugehen sei, das dies nicht bewusst geschehen sei. Verjährung sei nicht eingetreten, weil sich der Fehler über die Jahre 1994 - 2001 fortgesetzt habe.

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Der Kläger hat am 9. Dezember 2004 Klage erhoben. Er habe lediglich irrtümlich in seinem Erstantrag die Flurstücksbezeichnungen der Flurstücke Nr. 278/0 und Nr. 294/1 verwechselt. Diesen Fehler habe er dann unbemerkt in den Folgeanträgen übernommen. Hier liege ein offensichtlicher Fehler vor, bei dem der Betroffene seinen Beihilfeantrag jederzeit berichtigen bzw. anpassen könne. Anwendbar sei Art 5a der VO (EWG) Nr. 3887/92, an dessen Stelle durch die am 1. Januar 2000 in Kraft getretene VO (EG) Nr. 2801/99 der inhaltsgleiche Art. 5b getreten sei. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe bei einer ohne Betrugsabsicht auf einem Irrtum beruhenden Verwechslung zweier Parzellen hinsichtlich ihrer Nutzung einen offensichtlichen Fehler bejaht. Die Erwägungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Anhand des Gesamtflächen- und Nutzungsnachweises und einer Flurkarte habe jeder verständige Durchschnittsbetrachter bei der Kontrolle der Örtlichkeit sofort feststellen können, dass das mit Getreide bebaute Flurstück Nr. 278/0 im Flächennachweis versehentlich als Flurstück Nr. 294/1 deklariert worden sei, während dieses als Dauergrünland genutzt wurde, im Flächennachweis versehentlich aber als Flurstück Nr. 278/0 deklariert worden sei. Angesichts des Umstandes, dass er, der Kläger, unstreitig keine Betrugsabsicht gehabt habe und sich selbst geschädigt habe, verstoße die Teilrücknahme der Bescheide und die Rückforderung gewährter Ausgleichszahlungen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Subventionszweck sei trotz seines Fehlers in vollem Umfang erreicht worden. Wenn er, der Kläger, die ihm materiellrechtlich zustehende Förderleistung jetzt zurückzahlen müsse, werde er unverhältnismäßig in Anspruch genommen. Hilfsweise berufe er sich auf die Einrede der Verjährung.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Lüneburg vom 27. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 11. November 2004 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie wiederholt im Wesentlichen die Gründe des Widerspruchsbescheides.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

15

Der Bescheid des Amtes für Agrarstruktur Lüneburg vom 27. August 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 11. November 2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Rechtsgrundlage für die erfolgte Teilaufhebung der Bewilligungsbescheide für die Jahre 1994 bis 1997 sowie 1999 bis 2001 ist § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen - MOG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 2005 (BGBl. I S. 1847), die die Änderungen des Gesetzes seit der Bekanntmachung vom 20. September 1995 bis zum 1. September 2004 berücksichtigt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 - 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwVfG sind anzuwenden.

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Die Bewilligungsbescheide vom 18. November 1994, 30. November 1995, 21. November 1996, 19. November 1997, 30. November 1999, 30. November 2000 und 30. November 2001 sind teilweise rechtswidrig, soweit dem Kläger hierdurch Ausgleichszahlungen für Getreide nach der Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen für eine 0,8663 ha große Fläche mit der Bezeichnung Flurstück Nr. 438/294, Flur 1, Gemarkung E., bis zum Jahr 1996, danach mit der Bezeichnung Flurstück Nr. 294/1, Flur 1, Gemarkung E. und ohne Kürzungen auf der Grundlage gemeinschaftsrechtlicher Sanktionsregelungen gewährt wurde. Bei der 0,8663 ha großen Fläche handelt es sich unstreitig um sog. historisches Dauergrünland, für das Ausgleichszahlungen nach den maßgebenden rechtlichen Bestimmungen nicht beansprucht werden konnten. Bis zum Wirtschaftsjahr 1999/2000 waren dies §§ 4, 6 der Verordnung über eine Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen - Kulturpflanzenausgleichsverordnung - vom 3. Dezember 1992 (BGBl. I S. 1991) in der jeweils geltenden Fassung i.V. mit der VO (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. EG Nr. L 181/12) - VO (EWG) Nr. 1765/92 - sowie für den nachfolgenden Zeitraum die VO (EG) Nr.1251/99 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (ABl. EG Nr. L 160/1) - VO (EG) Nr. 1251/99 - sowie die Verordnung über eine Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen - Flächenzahlungsverordnung - vom 6. Januar 2000 (BGBl. I S. 15).

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Die im Hinblick auf die fragliche 0,8663 ha große Fläche fehlerhaften Angaben in seinen Anträgen für die Jahre 1994 bis 1997 sowie 1999 bis 2001 konnte der Kläger nach dem Ablauf der jeweiligen Antragsfristen nicht ohne Folgen für seinen Anspruch auf Ausgleichszahlungen korrigieren. Nach Art. 5a der VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl. EG Nr. L 391/36) - VO (EWG) Nr. 3887/92 -, in der Fassung der VO (EG) Nr. 229/95 der Kommission vom 3. Februar 1995 (ABl. EG Nr. L 027/3), sowie ab 1. Januar 2000 nach Art. 5b der VO (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der VO (EG) Nr. 2801/99 der Kommission vom 21. Dezember 1999 (ABl. EG Nr. L 340/29) kann ein Beihilfeantrag unbeschadet der Vorschriften der Art. 4 und Art. 5 (deren Voraussetzungen hier nicht vorlagen) jederzeit angepasst werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Fehler anerkennt. Diese Regelung ist ungeachtet dessen anzuwenden, dass die VO (EWG) Nr. 3887/92 durch Art. 53 Abs. 1 Satz 1 der VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 (ABl. EG Nr. L 327/11) - VO (EG) Nr. 2419/2001 - aufgehoben worden ist. Nach Art. 53 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 gilt die VO (EWG) Nr. 3887/92 weiter für Beihilfeanträge, die sich auf vor dem 1. Januar 2002 auslaufende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen.

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Ein „offensichtlicher Fehler“ liegt dabei immer nur dann vor, wenn von vorneherein ausgeschlossen werden kann, dass der Betriebsleiter mit Betrugsabsicht gehandelt hat. Im Übrigen ist ein Fehler dann offensichtlich, wenn er bei einer Bearbeitung des Antrags auf Gewährung von Ausgleichszahlungen ohne weiteres klar erkennbar ist und sich die Fehlerhaftigkeit der Angaben einem aufmerksamen und verständigen mit den Umständen des Falles vertrauten Durchschnittsbetrachter ohne weiteres aufdrängt, wobei diese Frage nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu beantworten ist (NdsOVG, Urt. v. 16.6.2003 - 10 LB 3464/01 -, Urt. v. 11.6.2003 - 10 LB 34/02 -, Urt. v. 11.6.2003 - 10 LB 27/03 -). Die Kammer orientiert sich dabei an den Leitlinien, die die Europäische Kommission in der Arbeitsunterlage vom 18. Januar 1999 (VI/7103/98 Rev.2-De) niedergelegt hat und zieht ergänzend das Arbeitsdokument der Europäischen Kommission AGR 49533/2002 zu dem Begriff des „offensichtlichen Irrtums“ gemäß Art. 12 der VO (EG) Nr. 2419/2001 heran. „Offensichtliche Fehler“ sind danach beispielsweise einfache Schreibfehler, die bei der Prüfung des Antrags sofort ersichtlich sind, sowie widersprüchliche Angaben wie Rechenfehler, Widersprüche im Antragsformular selbst oder zwischen den Angaben im Antragsformular einerseits und Belegen, die mit dem Antragsformular vorgelegt werden andererseits. Unter bestimmten Umständen kann auch die auf einem Irrtum des Betriebsinhabers beruhende fehlerhafte Angabe der Kulturpflanzen und Verwechselung der Nutzung zweier Parzellen (z.B. Ölsaaten statt Getreide und umgekehrt) einen offensichtlichen Fehler im Sinne des Art. 5a bzw. 5b der VO (EWG) Nr. 3887/92 darstellen.

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Ein „offensichtlicher Fehler“ setzt nicht notwendig voraus, dass er sich aus dem Antrag selbst oder in Verbindung mit den zur Stützung vorgelegten Unterlagen ersehen lässt. Ein solcher kann auch dann vorliegen, wenn die fehlerhafte Angabe bei einem Abgleich mit unabhängigen Datenbanken auffällt, soweit es sich für einen verständigen und objektiven Betrachter aufdrängt, dass es sich um ein offensichtliches Versehen handelt, wie dies z.B. bei Zahlendrehern oder Angaben der Nummer einer benachbarten Parzelle als Folge eines Lesefehlers der Fall ist. Zuletzt ist ein Fehler ist auch dann „offensichtlich“ im Sinne des Art. 5a bzw. 5b der VO (EWG) Nr. 3887/92, wenn er bei einer Vor-Ort-Kontrolle ohne weiteres ersichtlich ist, das heißt für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen, aufgeschlossenen und mit den näheren Umständen vertrauten Durchschnittsbetrachter bei einem Abgleich der Angaben im Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis sowie den Katasterunterlagen (Auszug aus dem Liegenschaftskataster, Flurkarte) mit der in der Örtlichkeit vorgefundenen und bewirtschafteten Fläche ohne weiteres erkennbar ist und wenn dieser Fehler auf einem offensichtlichen Versehen (Irrtum) oder die Falschangabe rechtfertigenden beziehungsweise entschuldigenden Verhalten des Betriebsinhabers beruht (NdsOVG, Urt. v. 16.6.2003 - 10 LB 3464/01 -, Urt. v. 11.6.2003 - 10 LB 34/02 -, Urt. v. 11.6.2003 - 10 LB 27/03 -).

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Insgesamt ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des Art. 5a bzw. 5b der VO (EWG) Nr. 3887/92 vorliegen, zu berücksichtigen, dass der Umstand wirksamer Verwaltungskontrolle nicht dazu führen darf, den Betriebsinhaber von den ihm im Rahmen des Antragsverfahrens obliegenden Überprüfungs- und Sorgfaltspflichten freizustellen, innerhalb dessen er u.a. die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Antrag nebst Anlagen gemachten Angaben zu versichern hat. Dies gilt insbesondere bei Fehlern, die sich nicht aus den Antragsunterlagen selbst oder bei einem Vergleich mit den beigefügten Unterlagen ersehen lassen, sondern die lediglich bei Verwaltungskontrollen unter Heranziehung von weiteren Informationen auffallen, wie z.B. bei einem Vergleich mit den Beständen anderer Datenbanken oder bei einer Vor-Ort-Kontrolle. Unabhängig von der Art, wie sie entdeckt werden, sind Fehler nur dann „offensichtlich“ im Sinne des Art. 5a bzw. 5b VO (EWG) Nr. 3887/92, wenn sie bei einer Kontrolle einfach festzustellen sind und wenn die Sorgfaltspflichtverletzung des Betriebsinhabers an der unteren Grenze der Vorwerfbarkeit liegt. Maßgebend ist dabei, ob ein derartiger Fehler auch einem grundsätzlich ordnungsgemäß und sorgfältig handelnden Betriebsinhaber ausnahmsweise einmal unterlaufen könnte.

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Gemessen an diesen Grundsätzen stellen die fehlerhaften Angaben des Klägers im Hinblick auf das 0,8663 ha große Flurstück Nr. 438/294, Flur 1, Gemarkung E., bzw. das Teilstück A des Flurstückes Nr. 294/1 Flur 1, Gemarkung E., in seinen Anträgen auf Ausgleichsleistungen in den Jahren 1994 - 1997 sowie 1999 - 2001 keine „offensichtlichen Fehler“ im Sinne des Art. 5a bzw. 5b der VO (EWG) Nr. 3887/92 dar.

23

Der Kläger hat seine Sorgfaltspflichten in einem Umfang verletzt, der die untere Grenze der Vorwerfbarkeit übersteigt. Dabei ist die Kammer bereits nicht davon überzeugt, dass der Kläger die 0,8663 ha große Dauergründlandfläche tatsächlich mit dem Flurstück Nr. 278/0, Flur 1, Gemarkung E., verwechselt bzw., dass er - wie er ebenfalls angibt - die Flurstücksnummern vertauscht hat. Er hat keine plausible Erklärung dafür beigebracht, wie es zu einer derartigen Verwechslung kommen konnte. Die Flächen sind unstreitig nicht benachbart gelegen. Soweit der Kläger im Rahmen des Widerspruchsverfahrens angegeben hat, er habe die 0,6119 ha des früheren Flurstücks Nr. 439/294 und die 1,1270 ha große Fläche des Flurstückes Nr. 278/0 wegen der gleichen Lagebezeichnung als eine Fläche angesehen, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn der Kläger hat seinen Angaben zufolge die 0,8663 ha große Fläche, die ebenfalls in „G.“ gelegen ist, gerade im Jahr 1988 erworben, um eine einheitliche Fläche, d.h. zusammen mit dem Flurstück Nr. 439/294 bewirtschaften zu können. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger keine weitere Erklärung für den angegebenen Irrtum beigebracht. Auf die Frage, wie es zu dem Irrtum habe kommen können, hat er angegeben, das wisse er nicht.

24

Im Übrigen stellt es eine nicht unerhebliche Sorgfaltspflichtverletzung dar, dass der Kläger seine Angaben im Hinblick auf die fragliche 0,8663 ha große Fläche über die Dauer von 8 Jahren hinweg nicht überprüft hat, obwohl er zwischenzeitlich Anlass gehabt hätte, ihre Richtigkeit zu kontrollieren. Dieser ergab sich zumindest nach der Verschmelzung der früheren Flurstücke Nr. 438/294 und Nr. 439/294 zum Flurstück Nr. 294/1 und dem Abgleich mit dem Liegenschaftsbuch, den der Kläger bei dem Amt für Agrarstruktur Lüneburg im Juli 1997 angezeigt hat. Eine derartige Überprüfung hätte sich dem Kläger umso mehr aufdrängen müssen, als das Flurstück Nr. 439/294, Flur 1, Gemarkung E., nach seinem Vortrag stets als Mähweide genutzt worden ist und er dieses in den Gesamtflächen - und Nutzungsverzeichnissen als sog. „sonstige Fläche“ bezeichnet hat, für die er Ausgleichszahlungen nicht beantragt hat. Bei sorgfältiger Bearbeitung seiner Anträge hätte dem Kläger auffallen müssen, dass er das Flurstück Nr. 294/1 nicht uneinheitlich nutzt.

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Der Vortrag des Klägers, er hätte höhere Ausgleichsleistungen erhalten können, wenn er diese nicht für die 0,8663 ha große historische Dauergründlandfläche beantragt hätte, sondern für das nach seinen Angaben als Ackerfläche genutzte Flurstück Nr. 278/0, Flur 1, Gemarkung E., führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Der Umstand allein, dass ein Betriebsinhaber bei richtigen Angaben höhere Förderung hätte beanspruchen können, rechtfertigt nicht die Annahme, der Fehler sei „offensichtlich“ im Sinne des Art. 5a bzw. 5b der VO (EWG) Nr. 3887/92. Diese Frage ist vielmehr unabhängig davon zu beantworten, ob der Fehler zu finanziellen Vorteilen oder Nachteilen geführt hat, weil im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Beihilfereglungen auch der Notwendigkeit sorgfältiger und richtiger Angaben des Betriebsinhabers ein eigenständiges Gewicht beizumessen ist. Das folgt aus dem Sinn und Zweck der VO (EWG) Nr. 3887/92, die Durchführungsbestimmungen zur VO (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. EG Nr. L 355/1) - VO (EWG) Nr. 3508/92 - enthält. Dieses Kontrollsystem ist geschaffen worden, um insgesamt das ordnungsgemäße Funktionieren der Beihilferegelungen zu gewährleisten. Für die Anwendung des flächenbezogenen Beihilfesystems kommt dabei der Identifizierung der landwirtschaftlichen Parzellen und auch den Angaben des Betriebsinhabers zur Identifizierung der Flächen, für die er Beihilfe begehrt, eine besondere Bedeutung zu (vgl. hierzu: NdsOVG, Urt. v. 16.6.2003 - 10 LB 3464/01 -, Urt. v. 11.6.2003 - 10 LB 34/02 -, Urt. v. 11.6.2003 - 10 LB 27/03 -).

26

Die Beklagte hat weiter zutreffend Art. 9 Abs. 2 Satz 2 1. Spiegelstrich der VO (EWG) Nr. 3887/92, der ab dem Antragsjahr 1996 durch die VO (EG) Nr. 1648/95 der Kommission (ABl. EG Nr. L 156/27) geändert worden ist, angewandt. Allerdings ist bei den im Falle von Unregelmäßigkeiten anzuwendenden Sanktionsregelungen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 (ABl. EG Nr. 312/1) - VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 - zu beachten. Danach gelten bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenden Bestimmung über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend. Dies betrifft auch die in der VO (EG) Nr. 2419/2001 vorgesehenen Sanktionsregelungen, die deswegen rückwirkend auf Beihilfeanträge anzuwenden sind, die in den zeitlichen Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 3887/92 fallen, wenn sie für den Betriebsinhaber günstiger sind (EuGH, Urt. v. 1.7.2004 - Rs C-295/02 -; Urt. v. 4.5.2006 - Rs C-286/05; NdsOVG, Urt. v. 22.2.2005 - 10 LC 157/03 -). Der Umfang der Sanktion nach festgestellten Unregelmäßigkeiten in einem Beihilfeantrag „Fläche“ wird jedoch in Art. 32 der VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission für den Kläger nicht günstiger geregelt. Die Voraussetzungen der in Art. 44 der VO (EG) Nr. 2419/2001 vorgesehenen Ausnahmen von der Anwendung der Kürzung und Ausschlüsse liegen nicht vor.

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Der Kläger kann sich gegenüber einer Rücknahme der Bewilligungen von Ausgleichszahlungen nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen, weil er die Verwaltungsakte durch in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben erwirkt hat (§ 10 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG).

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Er ist weiter nach Art. 14 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 3887/92, §§ 49a Abs. 1 VwVfG i.V. mit § 1 NdsVwVfG, 14 Abs. 1 MOG zur Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Beträge zuzüglich der Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz verpflichtet, die für den Zeitraum zwischen der Zahlung und der Rückzahlung durch den Begünstigten angefallen sind. Die für den Kläger günstigere Regelung des Art. 49 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2419/2001, wonach die Zinsen für den Zeitraum zwischen der Übermittlung des Rückforderungsbescheids an den Betriebsinhaber und der tatsächlichen Rückzahlung bzw. dem Abzug berechnet werden, greift hier nicht ein. Dies gilt auch mit Rücksicht auf das sog. Günstigkeitsprinzip nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95. Die Pflicht, Zinsen zu zahlen, ist keine Sanktion im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 (so auch VG Stade, Urt. v. 28.9.2005 - 6 A 686/04 -). Dies zeigt die Systematik der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95. Mögliche Sanktionen enthält Art. 5 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95, während die in Art. 4 der Verordnung genannten Maßnahmen, zu denen auch die Erhebung von Zinsen auf den rechtswidrig erlangten Vorteil gehört, nach der ausdrücklichen Regelung des Art. 4 Abs. 4 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 keine Sanktionen darstellen. Art. 14 der VO (EWG) Nr. 3887/92 bietet zuletzt keine Anhaltspunkte dafür, dass Zinsen auf den Betrag nicht erhoben werden könnten, der als Folge der Anwendung der Sanktionsregelung des Art. 9 Abs. 2 Satz 2 1. Spiegelstrich der VO (EWG) Nr. 3887/92 zurückzuzahlen ist.

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Zuletzt greift auch der Einwand der Verjährung nicht durch. Nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EG, Euratom) Nr. 2988/95 beträgt die Verjährungsfrist für die Verfolgung vier Jahre ab Begehung der Unregelmäßigkeit; bei andauernden oder wiederholten Unregelmäßigkeiten beginnt die Verjährungsfrist an dem Tag, an dem die Unregelmäßigkeit beendet wird. Dies war hier erst im Jahr 2002 der Fall, als festgestellt wurde, dass es sich bei der 0,8663 ha großen Fläche um Dauergrünland handelt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.