Verwaltungsgericht Braunschweig
v. 28.05.2009, Az.: 6 B 93/09
Androhung; Gewalt; Körperverletzung; Misshandlung, körperliche; Ordnungsmaßnahme; Pflichtverletzung; Rechtfertigung; Überweisung in eine Parallelklasse; Verhältnismäßigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 28.05.2009
- Aktenzeichen
- 6 B 93/09
- Entscheidungsform
- Entscheidung
- Referenz
- WKRS 2009, 43844
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2009:0528.6B93.09.0A
Rechtsgrundlage
- 61 NSchG
Fundstellen
- NVwZ-RR 2009, 765-768
- NdsVBl 2010, 24-26
- SchuR 2010, 10-12
- SchuR 2014, 59
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein als grobe Verletzung der Schülerpflichten anzusehender Verstoß gegen rechtliche Bestimmungen liegt grundsätzlich vor, wenn ein Schüler oder eine Schülerin einen Mitschüler oder eine Mitschülerin körperlich misshandelt. Die Schule darf sich bei der Feststellung eines solchen Rechtsverstoßes an den Straftatbeständen der Körperverletzung (§§ 223 ff. Strafgesetzbuch) orientieren.
- 2.
Die Schulen sind aufgrund ihres Erziehungs- und Bildungsauftrages dazu verpflichtet, konsequent gegen Gewalttätigkeiten vorzugehen. Sie sind darauf angewiesen, dass die Schülerinnen und Schüler die elementaren Regeln das Schullebens beachten, zu denen auch die durch die Rechtsordnung vorgegebenen Regeln zum gewaltfreien Umgang miteinander gehören.
- 3.
Die Klassenkonferenz darf auch die Überweisung in eine Parallelklasse ohne vorherige Androhung aussprechen, wenn ein schwerwiegender Fall vorliegt, in dem die bloße Androhung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles keine wirksame Antwort auf das Fehlverhalten der Schülerin oder des Schülers ist (Fortführung der Kammerrechtsprechung, Beschlüsse vom 17.12.2002 - 6 B 830/02 -, 21.03.2003 - 6 B 48/03 - und 17.06.2003 - 6 B 229/03 -).
Gründe
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. April 2009 ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz VwGO zulässig, jedoch nicht begründet. Da der Antrag einen sofort vollziehbaren, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht erledigten Verwaltungsakt voraussetzt, kann der Antragsteller hier allenfalls die mit dem angefochtenen Bescheid für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsmaßnahme der Überweisung in eine parallele 4. Klasse inhaltlich überprüfen lassen. Demgegenüber kann er sich mit dem vorliegenden Antrag nicht gegen das zunächst als vorläufige Eilmaßnahme durch den Schulleiter i.S.v. § 43 Abs. 3 Satz 2 NSchG und später durch den Beschluss der Klassenkonferenz angeordnete Erziehungsmittel des Ausschlusses von den freien Pausen wenden. Denn dieses ist nach den Angaben des Vertreters der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 26. Mai 2009 bereits eine Woche nach der Klassenkonferenz, das heißt vor dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom Schulleiter aufgehoben worden und hat sich damit erledigt. Daher kann die Kammer offenlassen, ob es sich bei dieser Maßnahme um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG handelt. Erledigt haben sich auch die vom Schulleiter gemäß § 43 Abs. 3 Satz 2 NSchG angeordneten Maßnahmen des zweitägigen Ausschlusses vom Unterricht an den letzten beiden Tagen vor den Osterferien und der vorläufigen, bis zur Entscheidung der Klassenkonferenz befristeten Überweisung in eine Parallelklasse.
Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung ihres Bescheides formell ordnungsgemäß angeordnet. Insbesondere hat sie in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum sie das besondere Interesse an dem Sofortvollzug der Ordnungsmaßnahme als gegeben erachtet (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Sie hat deutlich gemacht, dass die Ordnungsmaßnahme aus ihrer Sicht wegen der besonderen Umstände des konkreten Falles (nachhaltige Störung des Schulfriedens und unzumutbare Situation für die betroffene Schülerin bei weiterer Beschulung zusammen mit dem Antragsteller) sofort durchgesetzt werden muss.
Auch aus anderen Gründen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Der dahin gehende Antrag hat nur dann Erfolg, wenn die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an einem Aufschub der Ordnungsmaßnahme das von der Antragsgegnerin geltend gemachte öffentliche Interesse am alsbaldigen Vollzug des Bescheides überwiegt. Dies ist nicht der Fall, wenn die Ordnungsmaßnahme voraussichtlich rechtmäßig ist. So ist es hier.
Bei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglicher summarischer Prüfung ist die Ordnungsmaßnahme formell rechtmäßig. Durch die Teilnahme der von den Eltern beauftragten volljährigen Schwester des Antragstellers an der Klassenkonferenz vom 22. April 2009 ist dem Antragsteller und seinen Eltern i.S.v. § 61 Abs. 6 Satz 1 NSchG Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden, die auch wahrgenommen wurde. Eine weiter gehende Anhörungspflicht bestand im Verfahren der Festsetzung einer Ordnungsmaßnahme nicht. § 28 VwVfG gilt gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 NVwVfG nicht für Schulen bei Anwendung des Niedersächsischen Schulgesetzes. Im Übrigen ist der Vater des Antragstellers unmittelbar nach dem Vorfall am 26. März 2009 benachrichtigt und in der Schule informiert worden.
Die Ordnungsmaßnahme ist bei summarischer Prüfung auch inhaltlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage dafür ist die Regelung in § 61 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 NSchG. Danach darf die Klassenkonferenz einen Schüler in eine Parallelklasse überweisen, wenn dieser seine Pflichten grob verletzt, indem er insbesondere gegen rechtliche Bestimmungen verstößt oder den Unterricht nachhaltig stört. Diese Voraussetzung ist erfüllt.
Eine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 61 Abs. 2 NSchG liegt vor, wenn der Schüler seine Pflichten derart weitreichend verletzt, dass die geordnete, zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule erforderliche Unterrichts- und Erziehungsarbeit erheblich beeinträchtigt ist. In einer nicht abschließenden Aufzählung nennt das Gesetz als Regelbeispiel vor allem den Fall eines Verstoßes gegen rechtliche Bestimmungen.
Ein als grobe Verletzung der Schülerpflichten anzusehender Verstoß gegen rechtliche Bestimmungen liegt grundsätzlich vor, wenn ein Schüler einen Mitschüler oder eine Mitschülerin körperlich misshandelt. Die Schule darf sich bei der Feststellung eines solchen Rechtsverstoßes an den Straftatbeständen der Körperverletzung (§§ 223 ff. Strafgesetzbuch - StGB -) orientieren. In der Anwendung physischer Gewalt gegen Mitschüler liegt ausnahmsweise keine grobe Verletzung der Schülerpflichten, wenn der Schüler sich auf einen Rechtfertigungsgrund im strafrechtlichen Sinne (wie z.B. Notwehr oder Nothilfe) berufen und deswegen die Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule nicht beeinträchtigt sein kann. Die Schule hat bei Gewaltakten in der Schule den Sachverhalt unverzüglich selbstständig zu ermitteln und die erforderlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Schulfriedens und der geordneten Unterrichtsarbeit zu ergreifen. Einen Vorrang polizeilicher oder staatsanwaltlicher Ermittlungen, der die Schule dazu verpflichten würde, das Ergebnis eingeleiteter Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden abzuwarten und von eigenen Sanktionen bis zu einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft abzusehen, sieht das Schulgesetz auch bei einem Verdacht auf Verwirklichung eines Straftatbestandes nicht vor. Für die Feststellung einer groben Verletzung von Schülerpflichten ist unerheblich, ob der Schüler seinem Alter nach strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Auch die Gewaltanwendung durch Strafunmündige beeinträchtigt grundsätzlich die Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule und verlangt von dieser daher auch mit Blick auf ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag eine spürbare Reaktion. Nach diesen Maßstäben ist hier eine grobe Pflichtverletzung gegeben.
Der Antragsteller hat nach der nicht bestrittenen Beschreibung des Vorfalls vom 26. März 2009 durch die Klassenlehrerin, welche auf Befragungen von anwesenden Mitschülern beruht, eine Mitschülerin unter Zuhilfenahme eines Buches und durch weitere Tätlichkeiten in so erheblicher Weise verletzt, dass diese vom Notarzt in ein Krankenhaus eingeliefert werden und dort stationär verbleiben musste.
Es gibt gegenwärtig zwar keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller in weiteren Fällen und in ähnlicher Weise Mitschüler oder Mitschülerinnen misshandelt hat. Auch wenn es erst in einem einzigen Fall zur Ausübung körperlicher Gewalt gegen eine Mitschülerin gekommen ist, kann jedoch eine grobe Verletzung der Schülerpflichten anzunehmen sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gewaltausübung nach den Umständen der Tat und den drohenden Folgen derart schwer wiegt, dass die Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule schon durch diesen (bislang einmaligen) Vorfall beeinträchtigt ist. So ist es hier.
Durch sein Verhalten hat der Antragsteller jedenfalls den Straftatbestand der Körperverletzung verwirklicht, ohne dass hier entschieden werden müsste, ob allein der Grundtatbestand erfüllt (s. § 223 Abs. 1 StGB) oder ein Fall der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 StGB) gegeben ist. Der Vorfall wiegt nach den Umständen der Tatbegehung besonders schwer. Nach dem nicht bestrittenen Bericht der Klassenlehrerin hat der Antragsteller die Mitschülerin zunächst in vielfältiger Art und Weise malträtiert (durch Haareziehen, Schubsen und Faustschläge in den Magen). Danach hat er die mittlerweile wehrlos auf dem Sofa Liegende weiter verletzt, indem er ihr ein Buch auf den Kopf geschlagen und mehrfach mit den Ecken in die Rippen gestoßen hat. Aufgrund der Wehrlosigkeit der Mitschülerin bestand die besondere Gefahr einer ernsthaften und dauerhaften Verletzung durch die Verwendung eines härteren und kantigen Gegenstandes. Das Maß bloßer alterstypischer Rangeleien war daher jedenfalls deutlich überschritten.
Dass sich der Antragsteller für seine Tat auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann, ist nicht ersichtlich. Ein solcher kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass der Antragsteller nach dem Vortrag seiner Schwester in der Klassenkonferenz von der Mitschülerin seit geraumer Zeit provoziert und beleidigt und von den Lehrkräften auf sein Bitten nicht eingeschritten worden sein soll. Selbst in diesem Fall wäre eine derartige gewalttätige Reaktion nicht gerechtfertigt. Die nicht bestrittene Ankündigung eines Vorgehens gegen diese bestimmte Mitschülerin spricht auch gegen eine "Kurzschlussreaktion" am 26. März 2009. Im Übrigen soll die Schule die Schüler dazu befähigen, Konflikte vernunftgemäß zu lösen und Konflikte zu ertragen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 NSchG). Dem dient die angeordnete Ordnungsmaßnahme. Ein Gewaltakt dieser Art beeinträchtigt in jedem Fall die Unterrichts- und Erziehungsarbeit an der Schule.
Damit die Schulen ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen können, ist es erforderlich, dass sie gegen die Anwendung körperlicher Gewalt zwischen den Schülerinnen und Schülern konsequent vorgehen. Die Ausübung körperlicher Gewalt in der Schule ist grundsätzlich geeignet, nicht nur die konkret betroffenen, sondern auch alle anderen Schülerinnen und Schüler zu verunsichern und zu verängstigen. Eine angst- und gewaltfreie Atmosphäre ist nicht nur für eine geordnete Unterrichtsarbeit an der Schule notwendig. Eine von Furcht vor Gewalttätigkeiten geprägte Atmosphäre gefährdet auch die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu freien und selbstbestimmten Persönlichkeiten. Die Schulen sind darüber hinaus schon aufgrund ihres Bildungsauftrags (§ 2 Abs. 1 NSchG) dazu verpflichtet, konsequent gegen Gewalttätigkeiten vorzugehen: Die Wertvorstellungen des Grundgesetzes sowie die Grundsätze der Gerechtigkeit und Toleranz lassen sich ebenso wie die Fähigkeit zu vernunftgemäßer Konfliktlösung nur erfolgreich vermitteln, wenn die Schulen durch konsequentes Handeln deutlich machen, dass Gewaltakte in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft nicht hingenommen werden, sondern für den Täter ernstzunehmende Folgen haben. Die Schule ist wegen ihrer Aufsichtspflicht (§ 62 Abs. 1 NSchG) und der nicht lückenlos möglichen Beaufsichtigung durch die Lehrkräfte darauf angewiesen, dass die Schülerinnen und Schüler die elementaren Regeln des Schullebens beachten. Dazu gehört auch der Respekt vor den durch die Rechtsordnung und insbesondere die Strafgesetze vorgegebenen Regeln zum gewaltfreien Umgang miteinander. Die Schülerinnen und Schüler, die sich an diese Regeln halten, haben einen Anspruch darauf, dass die Schule sie durch die entschiedene Ahndung von Übergriffen auf die körperliche Integrität davor schützt, (erneut) zum Opfer von Gewaltakten zu werden.
Ihre Aufgabe, konsequent gegen Gewalttätigkeiten vorzugehen, können die Schulen nur dann effektiv erfüllen, wenn sie jedem einzelnen schwerwiegenden Übergriff auf die körperliche Integrität von Mitschülern entschieden und mit spürbaren Folgen für den Täter entgegentreten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Teile der Schülerschaft - auch bereits in Grundschulen - zunehmend bereit sind, Gewalt auszuüben. Würde bei den Schülerinnen und Schülern der Eindruck entstehen, die Schule tritt der Ausübung von Gewalt nicht entschieden entgegen, so entstünde die Gefahr, dass die Gewalt an der Schule durch Nachahmung oder gruppendynamische Prozesse eskaliert, zu weitreichenden Personen- und Sachschäden führt und damit letztlich ein Klima der Angst entsteht, das es der Schule unmöglich macht, ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen.
Die Antragsgegnerin musste auf der Grundlage dieser Überlegungen zur Sicherung ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Möglichkeit haben, gegen die Tat des Antragstellers spürbar (d.h. durch eine einschneidende Ordnungsmaßnahme) einzuschreiten und damit ein Zeichen für alle Schülerinnen und Schüler zu setzen, dass Übergriffe dieser Schwere an der Schule nicht geduldet werden. Eine grobe Pflichtverletzung ist daher schon wegen der besonders schwerwiegenden Anwendung körperlicher Gewalt gegeben, ohne dass insoweit die weiteren Tatumstände berücksichtigt werden müssten.
Die Klassenkonferenz hat auch das ihr bei der Anordnung und Auswahl der Ordnungsmaßnahme eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Für die Entscheidung, ob eine Ordnungsmaßnahme angeordnet und welche Maßnahme gewählt wird, räumt das Gesetz der Klassenkonferenz einen pädagogischen Bewertungsspielraum ein, den das Gericht nur eingeschränkt überprüfen darf: Rechtswidrig ist die Ermessensentscheidung der Konferenz nur dann, wenn die gesetzlichen Grenzen überschritten sind, weil insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht beachtet wurde, oder wenn die Ermessensausübung dem Zweck des § 61 NSchG widerspricht (vgl. § 114 VwGO). Das ist hier nicht der Fall.
Die angeordnete Ordnungsmaßnahme genügt den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 2 Nds. Verfassung) ergeben.
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die geeignete Ordnungsmaßnahme erforderlich ist, um den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Das ist nur dann der Fall, wenn keine den Schüler weniger belastende, aber gleich wirksame Maßnahme zur Verfügung steht. Außerdem muss sich die Ordnungsmaßnahme unter Berücksichtigung aller Interessen als eine angemessene Reaktion auf das festgestellte Fehlverhalten des Schülers qualifizieren lassen.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei der Anordnung der Ordnungsmaßnahme eine strenge Stufenfolge einzuhalten ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass mit der Überweisung in eine Parallelklasse in der Regel ein Eingriff in den Bildungsweg des Schülers verbunden ist, der für ihn nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles erhebliche Folgen haben kann. Daher wird die Schule vor der Überweisung zu prüfen haben, ob nicht die Androhung dieser Maßnahme ausreicht. Eine vorherige förmliche Androhung ist aber dann entbehrlich, wenn ein schwerwiegender Fall vorliegt, in dem die bloße Androhung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles keine wirksame Antwort auf das Fehlverhalten des Schülers ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Der Antragsteller hat eine Mitschülerin in vielfältiger Weise angegriffen und die zuletzt Wehrlose mit einem Buch verletzt. Bei der Auswahl der Maßnahme waren darüber hinaus die übrigen Umstände der Tatbegehung zu berücksichtigen. Ins Gewicht fällt insoweit, dass der Antragsteller nach einer Rangelei mit der Mitschülerin am Vortag bereits ein gewalttätiges Vorgehen gegen diese für den nächsten Tag angedroht und dieses dann in abgeschwächter Form tatsächlich umgesetzt hat. Dieser Sachverhalt rechtfertigt es, statt der Androhung der Ordnungsmaßnahme sogleich die Überweisung in eine Parallelklasse anzuordnen. Im Übrigen wäre eine bloße Androhung der Überweisung in eine Parallelklasse für den Antragsteller aufgrund der Tatsache, dass dieser die Grundschulzeit ohnehin in wenigen Wochen beenden und an eine andere Schule wechseln wird, nicht spürbar gewesen. Weitere mildere Ordnungsmaßnahmen kamen nach dem grundsätzlich abschließenden Katalog des § 61 Abs. 3 NSchG nicht in Betracht.
In den Medien wird vielfach über die zunehmende Bereitschaft von Schülerinnen und Schülern an den Schulen, auch schon in den Grundschulen berichtet. Es liegt im Interesse an einer geordneten Unterrichts- und Erziehungsarbeit, wenn die Schule gewalttätiges Handeln von Schülern auch unter Berücksichtigung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages nicht toleriert und bereits in Ansätzen durch spürbare Maßnahmen unterbindet.
Vor diesem Hintergrund durfte die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass auf das Fehlverhalten des Antragstellers eine unmittelbar spürbare Reaktion von erheblicher Tragweite wie die Überweisung in eine Parallelklasse erfolgen musste und weniger einschneidende Maßnahmen wie die bloße Androhung der Überweisung oder ein den Antragsteller noch weniger beeinträchtigendes Erziehungsmittel nicht ausreichen.
Im Übrigen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin mit der Maßnahme das Ziel verfolgt, eine weitere gemeinsame Beschulung des Antragstellers und der durch ihn verletzten Mitschülerin in derselben Klasse zu verhindern. Allein die Tatsache, dass sich der Antragsteller und seine Eltern bei der Mitschülerin und deren Eltern (entsprechend der gleichzeitig angeordneten Erziehungsmaßnahme) entschuldigt haben und kein Strafantrag gestellt wurde, lässt nicht zwingend auf ein wieder unbelastetes Verhältnis zwischen den beteiligten Schülern schließen. Vielmehr hat die Klassenlehrerin in der Klassenkonferenz, die vier Wochen nach dem Vorfall stattfand, nachdrücklich betont, dass die betroffene Mitschülerin große Angst vor dem Antragsteller habe und dass eine gemeinsame Beschulung in einer Klasse gegenwärtig völlig ausgeschlossen erscheint.
Die angeordnete Ordnungsmaßnahme ist auch angemessen. Dass der Antragsteller durch die Maßnahme eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner schulischen Laufbahn zu befürchten hat, ist nicht ersichtlich. Denn nach den Angaben des Vertreters der Antragsgegnerin in seinem Schriftsatz vom 26. Mai 2009 sind alle zeugnisrelevanten Klassenarbeiten, die zur Erstellung der Schullaufbahnempfehlung am Ende der 4. Grundschulklasse notwendig sind, bereits vor dem Klassenwechsel durchgeführt worden. Unabhängig davon arbeiten die Parallelklassen nach dem gleichen Lehrplan. Gravierende schulische Nachteile im Hinblick auf das Abschlusszeugnis der Grundschule und die Schullaufbahnempfehlung können daher ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint der nur noch wenige Wochen dauernde Besuch einer Parallelklasse zumutbar. Das Interesse der Schule, die geordnete Unterrichts- und Erziehungsarbeit zu gewährleisten und der betroffenen Mitschülerin einen angstfreien Abschluss ihrer Grundschulzeit zu ermöglichen, sind jedenfalls höher zu bewerten. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Antragsteller tatsächlich nicht - wie vorrangig von der Klassenkonferenz beschlossen - eine Parallelklasse in der Außenstelle E. besucht, sondern eine Parallelklasse in der ihm bekannten Grundschule F., wo er in den Pausen Kontakt zu seinen bisherigen Mitschülern hat. In dieser Hinsicht kann dahinstehen, ob die den Eltern des Antragstellers unter dem 5. Mai 2009 vom Schulleiter mitgeteilte Entscheidung über die Beschulung in einer Parallelklasse an der Grundschule F. ordnungsgemäß von der Klassenkonferenz getroffen wurde. Denn jedenfalls wird der Antragsteller durch diese Entscheidung nicht belastet; vielmehr wurde damit ein milderes Mittel gewählt, bei dem der Antragsteller sich nicht auf eine neue Umgebung und einen neuen Schulweg etc. einstellen muss.
Verstöße gegen andere Vorschriften oder den Zweck des § 61 Abs. 2 und Abs. 3 NSchG sind nicht erkennbar.