Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.05.2009, Az.: 6 B 335/08

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den Neubau einer Entlastungsstraße; Besonderes öffentliches Interesse durch Verkehrsbeeinträchtigung infolge eines überproportional angestiegenen Verkehrsaufkommens; Rechtswidriger Eingriff in Gesundheit und Eigentum durch eine geplante Trassenführung; Überschreitung von Immissionsgrenzwerten durch einen Lärmtrichtereffekt; Rechtliche Einordnung einer kommunalen Entlastungsstraße; Formelle Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses; Anwendbarkeit von § 75 Abs. 1a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
08.05.2009
Aktenzeichen
6 B 335/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 16401
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2009:0508.6B335.08.0A

Verfahrensgegenstand

Planfeststellung
- hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 6. Kammer -
am 8. Mai 2009
beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 27. Oktober 2008 (Az.: 6 A 334/08) wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind jeweils nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000, - Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller begehren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss (PFB) für den Neubau einer Entlastungsstraße (im Folgenden auch: das Vorhaben).

2

Die Antragsteller sind Eigentümer der jeweils von ihnen und ihren Familien bewohnten Grundstücke im G. in Grasleben. Die gegenwärtige verkehrliche Anbindung dieses Ortes stellt sich folgendermaßen dar: Von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Bundesstraße (B) 244, die in etwa drei Kilometern Entfernung westlich an Grasleben vorbeiführt, führen aus zunächst nordwestlicher, später nördlicher Richtung die Kreisstraße (K) 56, aus westlicher Richtung die K 50 und aus zunächst südwestlicher, später südlicher Richtung die Landesstraße (L) 651 in die Ortsmitte von Grasleben. Dabei durchquert die L 651 diesen Ort gleichsam diagonal, bevor sie in nordöstlicher Richtung weiter verläuft und sodann den knapp drei Kilometer entfernten, bereits in Sachsen-Anhalt gelegenen Nachbarort Weferlingen erreicht. Von dort führen mehrere Landesstraßen u.a. nach Calvörde und Haldensleben, wobei in diesem Ort der Anschluss an die B 71 bzw. B 245 hergestellt wird. Die westlich von Grasleben verlaufende B 244 führt an den zur Beigeladenen zu 1. gehörenden Orten Mariental-Horst und Mariental entlang, bevor sie im weiteren Verlauf nach Süden - in einer Entfernung von ca. 10 Kilometern zur Ortschaft Grasleben - über die Anschlussstelle Rennau die Zufahrt auf die Bundesautobahn (BAB) 2 ermöglicht. In nördlicher Richtung führt die B 244 zunächst in den Raum Wolfsburg/Oebisfelde, wobei sie die zunächst nach Gardelegen und dann weiter nach Stendal führende B 188 kreuzt.

3

Die Trasse des geplanten Vorhabens soll - im westlichen Abschnitt ihrer nun festgestellten sog. Vorzugsvariante - in einem Abstand von etwa 50 m zu den Grundstücken der Antragsteller verlaufen. Das Vorhaben umfasst sowohl den eigentlichen Bau der Entlastungsstraße mit einer Gesamtlänge von ca. 3.200 m als auch die dadurch bedingte Anpassung des Straßen- und Wegenetzes. Der Anschluss des Vorhabens soll unmittelbar am östlichen Ortsrand von Grasleben direkt an die Landesstraße L 651, im Norden - per Kreisverkehr - an die K 56 und im Westen zunächst an die Kreisstraße K 50 erfolgen, wobei diese knapp zwei Kilometer weiter westlich die B 244 kreuzt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 126 der Beiakte E verwiesen.

4

Am 20. Mai 2005 beantragte die Beigeladene zu 2. bei dem Antragsgegner die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens. Wegen der Einzelheiten des dort beigefügten Erläuterungsberichts wird auf Blatt 6 ff. der Beiakte A Bezug genommen. Jener wurde als Unterlage 1 mit festgestellt und dient zugleich als Begründung des Planfeststellungsbeschlusses.

5

Das Planfeststellungsverfahren wurde am 11. Juli 2005 formell eingeleitet. Die Pläne lagen nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung während des gesamten Monats August 2005 im Verwaltungsgebäude der Gemeinde Grasleben öffentlich aus, worauf am 22. Juli 2005 durch ortsübliche Bekanntmachung hingewiesen worden war. Aufgrund von Einwendungen wurde der Plan geändert und am 22. Dezember 2006 eine ergänzende Anhörung der Betroffenen durchgeführt. Die so geänderten Pläne und die erhobenen Einwendungen wurden dann erneut ortsüblich bekannt gemacht, bevor am 23. Mai 2007 die Argumente der öffentlichen Einwender, am 24. Mai 2007 diejenigen der privaten Einwender erörtert wurden. Infolge dieser Erörterungen wurden eine weitere Planänderung und am 4. Juli 2007 eine sie ergänzende Anhörung durchgeführt. Die Planfeststellung beruht u.a. auf einer erstmals im Januar 1997 von dem Ingenieurbüro Dipl.-Ing. H., Langenhagen, erstellten und im Januar 2008 aktualisierten Verkehrsuntersuchung zur Entlastung des Ortes Grasleben (festgestellte Planunterlage 1).

6

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 27. Oktober 2008 schloss der Antragsgegner sein Planfeststellungsverfahren für den Neubau der "kommunalen Entlastungsstraße Grasleben" ab. Er stellte darin für dieses Vorhaben gemäß § 38 Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG) i.V.m. §§ 72 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) den aus den aufgeführten Unterlagen (A.I.2. des Beschlusses) bestehenden Plan nach Maßgabe der unter dessen Punkten A und D dokumentierten Veränderungen fest.

7

Zugleich ordnete der Antragsgegner darin gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses mit folgender Begründung an: Ein besonderes öffentliches Interesse daran liege vor, weil aufgrund des sprunghaft gestiegenen und noch weiter steigenden Verkehrsaufkommens die in unmittelbarer Nähe der Ortsdurchfahrt der L 651 wohnenden Bürger Graslebens so schnell wie möglich von den Beeinträchtigungen des Verkehrs entlastet werden sollten. Die überproportional angestiegenen Verkehrsmengen seien auf die in Grasleben bestehenden Ost-West-Verbindungen, insbesondere auf die Erreichbarkeit der BAB 2 (Hannover/Berlin) über den dortigen Abschnitt der B 244 zurückzuführen. Eine Verbesserung der Verhältnisse durch eine andere Verkehrsführung - vor allem auf bereits bestehenden Verkehrswegen - sei nicht möglich. Nur durch eine zeitnahe Realisierung des Vorhabens könnten die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung Graslebens schnellstmöglich und nachhaltig verbessert werden. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass das hohe Verkehrsaufkommen im Kernbereich der Ortschaft Grasleben trotz erheblicher Verkehrsbeschränkungen bereits eine erhöhte Unfallhäufung hervorgerufen habe. Sowohl der Kindergarten als auch die Grundschule befänden sich in unmittelbarer Nähe zur Ortsdurchfahrt. Wegen der engen Kurvenradien wichen LKW teilweise auf die Nebenanlagen - auch auf Fußwege - aus, wodurch Fußgänger gefährdet würden. Teilweise sei im südlichen Abschnitt der Magdeburger Straße (L 651) ohnehin kein Fußweg vorhanden. Das öffentliche Freibad werde über die Ortsdurchfahrt erschlossen; vor allem in den Sommermonaten müssten Radfahrer, darunter auch zahlreiche Kinder, die Fahrbahn der stark frequentierten Ortsdurchfahrt benutzen. Schließlich ergebe sich ein überwiegendes Interesse der Gemeinde Grasleben und ihrer Bürger an der sofortigen Vollziehung daraus, dass mit dem Entschluss, die Straße zu bauen, eine Investitionsentscheidung verbunden sei: Das gesamte Vorhaben müsse bis Ende des Jahres 2010 realisiert sein, um eine finanzielle Förderung zu erhalten. Diese belaufe sich auf - bisher in Aussicht gestellte - 80% der zuwendungsfähigen Baukosten. Die Gemeinde Grasleben sei nicht in der Lage, die Baumaßnahme allein aus Eigenmitteln zu finanzieren. Die erfolglose Einlegung von Rechtsbehelfen durch Dritte dürfe deshalb nicht zu Verzögerungen in der Realisierung der Baumaßnahmen führen, da diese sonst schon wegen wegfallender Fördermittel in Gänze gefährdet seien.

8

Daraufhin haben die Antragsteller am 27. November 2008 vor diesem Gericht Anfechtungsklage erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtschutz nachgesucht. Zur Begründung tragen sie unter Wiederholung und Vertiefung ihrer bereits im Verwaltungsverfahren erhobenen und im Planfeststellungsbeschluss zurückgewiesenen Einwendungen u.a. vor: Die geplante Trassenführung greife jeweils rechtswidrigerweise in ihr Eigentum und in ihre Gesundheit ein. Der angegriffene Beschluss verstoße gegen das planungsrechtliche Abwägungsgebot, weil u.a. ihre privaten Belange nicht angemessen berücksichtigt worden seien. Planungs- und Standortalternativen seien nicht (hinreichend) gegeneinander abgewogen worden. Der westliche Abschnitt der Trasse werde zu nah an ihrem Eigentum verlaufen. Ihre Belange seien auch deshalb nicht hinreichend in die planerische Abwägung einbezogen worden, weil die lärmtechnische Untersuchung keine Entscheidungsgrundlage sein dürfe; die Lärmschutzberechnungen und -prognosen beruhten auf unzutreffenden Rohdaten. Bereits jetzt habe sich das Verkehrsaufkommen dramatisch verändert; der Schwerlastverkehr habe auch wegen der sog. Mautumgehung stark zugenommen. Die schalltechnische Untersuchung sei nur auf einer begrenzten Auswahl von betroffenen Grundstücken durchgeführt worden; die Grundstücke der Antragsteller seien von einer Überschreitung der Immissionswerte betroffen. Die Gesamtbeurteilung der schalltechnischen Situation einschließlich der dortigen Aussagen zum aktiven wie passiven Schallschutz sei unzutreffend. Die für die Schallentwicklung relevante topografische Situation sei überhaupt nicht berücksichtigt worden. Es komme zu einem sog. Lärmtrichtereffekt. Dadurch würden die Immissions(grenz)werte überschritten; sogar die enteignungsrechtlich relevante Schwelle von 70 dB (A) werde nicht eingehalten. Auch wären sie einer erhöhten Schadstoffbelastung ausgesetzt; ihr körperliches Wohlbefinden wäre massiv beeinträchtigt. Die Nutzung ihrer Grundstücke wäre unzumutbar eingeschränkt; diese erlitten einen erheblichen Wertverlust. Die nun geplante Vorzugsvariante führe zur Zerstörung von Biotopen. Als längste aller Varianten sei sie auch dauerhaft die teuerste. Eine hinreichende Verkehrssicherheit sei dort nicht herstellbar, weil der westliche Abschnitt aufgrund seines starken Kurvenverlaufs - noch verstärkt durch eine eingeschränkte Sicht im Waldgebiet - unfallträchtig sein werde. Alle entsprechenden Einwendungen seien bereits im Planfeststellungsverfahren erhoben worden.

9

Die Antragsteller beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. November 2008 gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 27. Oktober 2008 (Planfeststellungsverfahren für den Neubau der kommunalen Entlastungsstraße Grasleben) wiederherzustellen.

10

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

11

Zur Begründung verweist er auf die angegriffene Entscheidung und führt ergänzend aus: Alle Planungsvarianten seien im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) geprüft und abgewogen worden, um die konfliktärmste Variante zu bestimmen. Zudem wurde unstreitig bereits während des Planfeststellungsverfahrens eine Umtrassierung des westlichen Abschnitts vorgenommen, um den Belangen privater Einwender Rechnung zu tragen. Dadurch seien auch die Antragsteller begünstigt worden. Der Verkehrssicherheit könne trassenunabhängig durch Geschwindigkeitsbegrenzungen und Überholverbote Genüge getan werden. Die lärmtechnische Untersuchung sei mängelfrei und insbesondere hinreichend aktuell; das entsprechende Gutachten berücksichtige sowohl die geänderte Trassenführung im westlichen Abschnitt als auch die im Januar 2008 aktualisierte Verkehrsuntersuchung. Die Grundstücke sämtlicher Antragsteller seien in der Zusammenstellung der Beurteilungspegel berücksichtigt, die Schallauswirkungen der Topografie seien berechnet worden. Eine Ergänzung der schalltechnischen Untersuchungen bleibe für den Fall der Bebauung weiterer Grundstücke ohnehin vorbehalten. Bei einer erst geplanten Straße seien Schallmessungen weder möglich noch vorgesehen. Der Fernverkehr betrage nicht einmal 5% des Verkehrsaufkommens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages wird auf den Schriftsatz vom 13. März 2009 (Bl. 186 ff. der GA) verwiesen.

12

Die Beigeladenen zu 1. und 2. haben jeweils keinen Antrag gestellt; inhaltlich schließt sich die Beigeladene zu 1. den Ausführungen des Antragsgegners an.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.

14

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nach § 80 Abs. 5 i.V.m. den §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Nr. 1 VwGO und 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat Erfolg.

15

Der Antrag ist zulässig. Er ist statthaft, weil das Begehren der Antragsteller im Hauptsacheverfahren auf die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses und damit eines Verwaltungsaktes gerichtet ist (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Für diese Anfechtungsklage ist das angerufene Verwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache örtlich und sachlich zuständig. Die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis der Antragsteller ergibt sich zum einen aus deren Grundeigentum. Da dieses sich jeweils in einer Entfernung von ca. 50 m zu dem geplanten Trassenverlauf befindet, besteht die Möglichkeit, dass die Antragsteller - wie in ihren Einwendungen dargelegt - durch die Realisierung des Vorhabens eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Nutzbarkeit und/oder des wirtschaftlichen Wertes ihres Eigentums erfahren würden. Die Antragsbefugnis folgt zum anderen aus dem Grundrecht der Antragsteller auf körperliche Unversehrtheit. Denn in Anbetracht der räumlichen Nähe der geplanten Trasse ist die Möglichkeit erheblicher Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht auszuschließen.

16

Der Antrag ist auch begründet. Die aufschiebende Wirkung der Klage (6 A 334/08) war wiederherzustellen. Die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO verlangt eine Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten. In Anlehnung an die in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO normierte Wertung ist maßgeblich, ob das private Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Für das Interesse der Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von besonderer Bedeutung. Ein überwiegendes Interesse der Antragsteller an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt voraussichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann ein öffentliches Vollziehungsinteresse nicht bestehen (Nds. OVG, B. v. 11.01.2006, 7 ME 288/04, [...], Rn. 11; vgl. ferner Nds. OVG, B. v. 17.03. 2005, 13 ME 523/04). Bei Anwendung dieses Maßstabes überwiegt das Interesse der Antragsteller, von den Folgen der sofortigen Vollziehung zunächst verschont zu bleiben. Denn der Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 27.10.2008 erweist sich bei summarischer Betrachtung als voraussichtlich rechtswidrig und verletzt die Antragsteller in ihren Rechten. Die Anfechtungsklage wird daher voraussichtlich begründet sein.

17

Der Planfeststellungsbeschluss hat seine Rechtsgrundlage in § 38 Abs. 1 NStrG. Nach dessen Satz 1 dürfen Landes- und Kreisstraßen nur gebaut oder verändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt worden ist. Sein Satz 2 ordnet ferner an, dass der Bau oder die Änderung von Gemeindestraßen ebenfalls eine vorherige Planfeststellung erfordert, wenn - wie hier der Fall - für ein solches Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Dabei sind gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 NStrG die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Nach § 38 Abs. 5 Satz 1 NStrG nehmen die Landkreise die Aufgaben als Planfeststellungsbehörde für Kreisstraßen und (feststellungspflichtige) Gemeindestraßen als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises, die Planfeststellung für Bundes- und Landesstraßen dagegen als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises wahr.

18

Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss ist bereits formell rechtswidrig.

19

Die Planfeststellung ist - unter Beteiligung der Beigeladenen zu 1. - von der Beigeladenen zu 2. als objektiv nicht zuständigem Vorhabenträger beantragt und von dem Antragsgegner mit dem hier angegriffenen Verwaltungsakt beschlossen worden. Die Beigeladene zu 2. ist nach § 48 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 NStrG lediglich für den Bau von Gemeindestraßen zuständig. Zu diesen gehören nach der Aufzählung in § 47 NStrG die Ortsstraßen, dort definiert als Straßen in Baugebieten und, soweit solche nicht ausgewiesen sind, in Ortsteilen, die im Zusammenhang bebaut sind, allerdings mit Ausnahme der (Ortsdurchfahrten von) Bundes-, Landes- und Kreisstraßen (Nr. 1), ferner die Gemeindeverbindungsstraßen, d.h. diejenigen Straßen im Außenbereich, welche vorwiegend den nachbarlichen Verkehr der Gemeinden oder Ortsteile untereinander oder den Verkehr mit anderen öffentlichen Verkehrswegen vermitteln (Nr. 2), sowie alle anderen Straßen im Außenbereich, die eine Gemeinde für den öffentlichen Verkehr gewidmet hat (Nr. 3). Dabei erfüllen nach § 72 Abs. 1 Nr. 5 NGO die Samtgemeinden, hier die Beigeladene zu 1., die Aufgabe des Baus und der Unterhaltung der Gemeindeverbindungsstraßen für ihre Mitgliedsgemeinden, hier demnach für die Beigeladene zu 2.

20

Bei der planfestgestellten so bezeichneten kommunalen Entlastungsstraße handelt es sich bei objektiver Betrachtung um keine Gemeindestraße im dargestellten Sinne. Der Antragsgegner hat daher zu Unrecht die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2. als Vorhabenträger angenommen. Daher ist das zu dem Erlass dieses Planfeststellungsbeschlusses führende Verfahren fehlerhaft.

21

Maßgeblich für die Klassifizierung einer Straße ist gemäß § 3 Abs. 1 NStrG deren (objektive) Verkehrsbedeutung. Gemäß Nr. 1 dieser Norm sind Landesstraßen solche, die innerhalb des Landesgebiets untereinander oder zusammen mit den Bundesfernstraßen ein Verkehrsnetz bilden und zudem überwiegend einem über das Gebiet benachbarter Landkreise und kreisfreier Städte hinausgehenden Verkehr, insbesondere dem Durchgangsverkehr, dienen oder zu dienen bestimmt sind. Kreisstraßen sind nach der gesetzlichen Definition in Nr. 2 dieser Vorschrift Straßen, die überwiegend dem Verkehr zwischen benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten, dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Landkreises oder dem unentbehrlichen Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege dienen oder zu dienen bestimmt sind. Demgegenüber ist für Gemeindestraßen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 NStrG charakteristisch, dass sie überwiegend dem Verkehr innerhalb einer Gemeinde oder zwischen benachbarten Gemeinden dienen oder zu dienen bestimmt sind. Das Gesetz knüpft mit dem Begriff "dienen" in erster Linie an die von einer Straße tatsächlich vermittelten räumlichen Verkehrsbeziehungen an. Es kommt darauf an, welchen Charakter der Verkehr aufweist, der eine Straße überwiegend nutzt bzw. im Fall einer neu zu bauenden Straße bei prognostischer Betrachtung nutzen wird (vgl. Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 4. Aufl., § 3 Rn. 2). Wie die Anfügung der Worte "zu dienen bestimmt sind" weiter erkennen lässt, ist daneben auch die Zweckbestimmung der Straße nach funktionalen Zielsetzungen für ihre Einstufung maßgeblich (Nds. OVG, B. v. 12.01.2005, 7 LA 108/04). Insofern kommt es auf die Funktion der Straße im Verkehrsnetz an. Für die Einstufung maßgeblich sind stets objektive Kriterien. Die subjektive Zielsetzung der planenden Behörde ist - entgegen der Ansicht des Antragsgegners und der Beigeladenen - nur dann entscheidend, wenn sie im Einklang mit den objektiv vorliegenden Gegebenheiten steht. Eine andere Betrachtung hätte zur Folge, dass die planende Behörde mit der Einstufung unabhängig vom Charakter der Straße selbst über ihre Kompetenz zur Planung sowie über die aus der Einstufung folgende Straßenbaulast (§§ 43, 48 NStrG) disponieren könnte. Das wäre mit dem Erfordernis, die Kompetenzbereiche und die Finanzierungsverantwortung klar abzugrenzen, nicht zu vereinbaren (vgl. Nds. OVG, B. v. 11. 01. 2006, 7 ME 288/04, [...], Rn. 16, unter Hinweis auf B. v. 16.12.1993, 7 M 2914/93 ).

22

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die planfestgestellte Entlastungsstraße nicht als Gemeindestraße im Sinne des § 47 NStrG, sondern als eine Landesstraße gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 NStrG zu bewerten. Dieses Ergebnis folgt sowohl aus der Qualität des die Entlastungsstraße voraussichtlich nutzenden Verkehrs als auch aus ihrer Funktion im Verkehrsnetz.

23

Hinsichtlich des die Straße voraussichtlich nutzenden Verkehrs nimmt der Planfeststellungsbeschluss (dort Blatt 18 f.) in erster Linie Bezug auf die vom Ingenieurbüro H. in Langenhagen durchgeführte Verkehrsuntersuchung vom Januar 1997 und deren im Januar 2008 vorgenommene Aktualisierung durch dasselbe Büro. Der Beschluss betont dort die starke Belastung des Ortskerns durch den Durchgangsverkehr. Explizit genannt wird ein starker (gewerblicher) Schwerlastverkehr, der gegenwärtig auf der L 651 den Ortskern durchquert. Dieser Verkehr soll aus dem innerörtlichen Bereich von Grasleben herausgehalten werden. Dabei wird - bezogen auf den Prognosehorizont 2020 - eine Entlastung der (gegenwärtigen Ortsdurchfahrt der) L 651 um ca. die Hälfte des sonst zu erwartenden Verkehrsaufkommens, d.h. um täglich rund 3.100 KFZ genannt, wobei diese Entlastung erklärtermaßen durch eine Verkehrsverlagerung auf die Entlastungsstraße angestrebt wird. Die Ergebnisse der eingangs erwähnten gutachtlichen Verkehrsuntersuchung (S. 6 f. der Aktualisierung), welche ihrerseits auf Querschnittszählungen von Ende 2007 beruhen, lassen erkennbar werden, dass sich auf den innerörtlichen Abschnitten der L 651 die Verkehrsmengen - gegenüber 1996 - um ca. 1.100 KFZ täglich auf nunmehr ca. 8.100 KFZ täglich erhöht haben. Dabei beläuft sich die Zunahme speziell des LKW-Verkehrs sogar auf 24%. Als Ursache hierfür wird ausdrücklich der "zunehmende Ost-West-Verkehr im Zuge der L 651 / Weferlingen und Flechtingen" genannt. Des Weiteren wird dort (S. 11) festgehalten, dass bezogen auf den östlichen Ortsausgang (= Zählstelle 2) die L 651 Zielverkehranteile von lediglich 28% für PKW/Motorräder und gar nur 15% für LKW aufweise, während die Anteile des Durchgangsverkehrs entsprechend 72% für PKW/Motorräder und 85% für LKW betragen. Die für die L 651 am südlichen Ortsausgang (= Zählstelle 3) ermittelten Werte lassen lediglich den Schluss auf ein etwa gleichmäßig verteiltes Verkehrsaufkommen zu: Hier betragen die Zielverkehranteile 53% für PKW/Motorräder und 51% für LKW, woraus sich Anteile am Durchgangsverkehr von 47% für PKW/Motorräder und 49% für LKW ergeben.

24

Die von dem Antragsgegner im Parallelverfahren (6 A 328/08) vorgelegten Berechnungen (Schriftsatz vom 13. März 2009; dort S. 3) vermögen das gutachtliche Zahlenwerk nicht zu erschüttern. Denn der Antragsgegner stellt mit seiner Differenzierung ("Nahbereich, bis 10 km Radius um Grasleben; Mittelbereich, bis 30 km Radius um Grasleben, und Fernbereich) allein und daher maßgeblich auf die Länge der Fahrten ab. Dieses Kriterium ist allerdings für die Beantwortung der hier entscheidenden Frage, ob - bezogen auf Grasleben - Zielverkehr oder Durchgangsverkehr vorliegt, unerheblich/ungeeignet. Im Übrigen sei insoweit angemerkt, dass selbst in den Fällen einer "Vermischung" von örtlichem und überörtlichem Verkehr im Zweifel die übergeordnete Straßenklasse Vorrang haben muss, da der übergeordnete Vorhabenträger regelmäßig der leistungsfähigere ist und deshalb die Pflicht zur Straßenunterhaltung übernehmen sollte (so VG Hannover, U. v. 28. 01. 1987, 5 VG A 6/84, unveröffentlicht, S. 8). Insoweit zusammenfassend vermag die Kammer die Entlastungsstraße nicht als eine "kommunale" zu klassifizieren.

25

Einer Einstufung als Landesstraße entsprechen ebenfalls die Ausführungen im Erläuterungsbericht der Beigeladenen zu 2. gegenüber dem Antragsgegner (Planunterlage 1). Dort (S. 1; planerische Beschreibung) heißt es u.a.: "Westlich von Grasleben verläuft die Bundesstraße B 244. Diese ist die Hauptverbindungsstraße von Helmstedt nach Velpke und kreuzt sich dort mit der Bundesstraße B 188 Wolfsburg - Stendal. Sie weist seit der Wiedervereinigung ein hohes Verkehrsaufkommen auf. Durch Grasleben führen wichtige Querverbindungen von der Bundesstraße B 244 in Richtung Sachsen-Anhalt. Im Süden besteht über die Bundesstraße B 244 Anschluss an die Autobahn A 2 Ruhrgebiet - Hannover - Berlin. Grasleben ist über die Landesstraße L 651 und die Kreisstraßen K 50 und K 56 an die Bundesstraße B 244 bzw. das überörtliche Straßenverkehrsnetz angebunden." Weiter wird dort (S. 2; straßenbauliche Beschreibung) ausgeführt: "Die kommunale Entlastungsstraße Grasleben ist der Straßenkategorie A II (überregionale / regionale Straße) nach RAS-N zuzuordnen, da sie u.a. für die Nachbargemeinden in Sachsen-Anhalt ein wichtiger Zubringer nach Helmstedt, Wolfsburg bzw. der BAB A 2 ist. Die Entwurfsgeschwindigkeit wird entsprechend ihrer Funktion mit Ve = 100 km/h festgelegt." Schließlich wird in den dortigen raumordnerischen Entwicklungszielen (S. 4) hervorgehoben: "Die Kreisstraße K 56 und die Landesstraße L 651 sind als Hauptverkehrsstraßen regionaler Bedeutung dargestellt. Für die Verbindung von der K 56 zur L 651 Richtung Weferlingen ist im Regionalen Raumordnungsprogramm eine Bedarfsstrecke eingetragen, die in etwa dem östlichen Teilstück der nun geplanten Trasse der kommunalen Entlastungsstraße entspricht. Mit diesem Teilstück soll die Ortslage vom Durchgangsverkehr entlastet werden. Im weiteren Verlauf ist weiterhin eine Verbesserung der Anbindung an die Bundesautobahn A 2 gegeben." Bedingt durch diese Verbindungsfunktion weise die Ortsdurchfahrt stetig zunehmende Verkehrsbelastungen auf.

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Schon dieses mehrfache explizite Abheben auf die Verbindungsfunktion der geplanten Entlastungsstraße hinsichtlich verschiedener überörtlicher Straßen sowie der hohe Anteil des Durchgangsverkehrs und die daran erkennbare Zielsetzung, die ausdrücklich den momentan auf der L 651 durch Grasleben fließenden Schwerlastverkehr sowie den sonstigen Durchgangsverkehr in den Blick nimmt, widersprechen der Einstufung der Straße als Gemeindestraße. Dieser Verkehr weist - wie die Orientierung auf die Bundesautobahn A 2 und die Bundesstraße B 244 belegt - überörtlichen und auch überregionalen Charakter auf und deutet auf eine Landesstraße hin. Demgegenüber tritt die von dem Antragsgegner nunmehr hervorgehobene Erschließungsfunktion der geplanten Straße in den Hintergrund, weil sich diese schon aufgrund ihrer Trassenführung nur auf geringe Bereiche am nordwestlichen Ortsrand der Beigeladenen zu 2. bezieht und daher eine großräumige Ortsumgehung von mehr als drei Kilometern Länge nicht rechtfertigen könnte. Zudem soll nach den erklärten Zielsetzungen die bisherige innerörtliche Trasse der L 651 nach einer Realisierung des Vorhabens primär den innerörtlichen Verkehr aufnehmen, d.h. insoweit eine primäre Funktion als Erschließungsstraße beibehalten. Auch dieser Umstand spricht dagegen, dass der kommunalen Entlastungsstraße eine mehr als allenfalls untergeordnete Erschließungsfunktion zukommen könnte.

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Bezieht man die Funktion der Entlastungsstraße im Verkehrsnetz in die Betrachtung ein, ist gleichfalls die im Planfeststellungsbeschluss angesprochene Verbindungsfunktion im überregionalen Netz der Landes- und Bundesstraßen festzustellen. Erweitert man die Betrachtung auf die überörtliche Einbindung der Entlastungsstraße, so liegt diese im Verlauf einer durch die L 651 selbst gebildeten Achse zwischen dem sachsen-anhaltinischen Raum Weferlingen/Calvörde/Haldensleben im Osten mit der B 244 im Westen, welcher ihrerseits eine Achsenfunktion zwischen dem Raum Wolfsburg/Oebisfelde im Norden und der Stadt Helmstedt im Süden, vor allem aber auch mit der dortigen Anschlussstelle Rennau der BAB 2 zukommt. Auch diese Lage zeigt die Einbindung der Entlastungsstraße in die überörtlichen und überregionalen Verkehrsbeziehungen auf. Zwar ist anerkannt, dass es den Charakter einer (kommunalen) Straße nicht verändert, wenn diese Landes- und Kreisstraßen kreuzt (so ausdrücklich Nds. OVG, B. v. 11.01.2006, 7 ME 288/04, [...], Rn. 22; vgl. auch Nds. OVG, B. v. 12.01.2005, 7 LA 108/04, [...]). Das gilt jedoch nur, wenn nicht dieser Straße selbst eine maßgebliche Verbindungs- bzw. Netzfunktion im Hinblick auf die übergeordneten Straßen zukommt und sie damit den Charakter - sowie dann zwangsläufig auch die Klassifizierung - der überörtlichen Straße(-n) teilt. Die Netzfunktion verlangt demnach nicht eine (durchgängig) unmittelbare Anknüpfung von/an Landes- und/oder Bundesstraßen. Entscheidend ist, dass der Verkehr objektiv-tatsächlich die sogenannte Entlastungsstraße nutzen soll und wird. Genau davon geht schon der Planfeststellungsbeschluss selbst - in seiner Planrechtfertigung wie auch in seiner Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung - ausdrücklich aus. Dass die Verbindung zwischen der geplanten Entlastungsstraße und der B 244 über ein nur wenige hundert Meter langes Teilstück der K 50 erfolgen soll, ist bei Anlegung dieses objektiven Maßstabes nicht ausreichend, um die beschriebene Netzfunktion ernsthaft in Frage zu stellen. Gerade den Durchgangsverkehr soll die geplante Entlastungsstraße möglichst weitgehend aufnehmen. Die Verminderung des Durchgangsverkehrs im Ortskern soll also erreicht werden, indem Verkehr, der nicht den Ortsbereich der Beigeladenen zu 2. zum Ziel hat, abgeleitet wird.

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Die fehlerhafte Klassifizierung führt zur Unzuständigkeit der Beigeladenen zu 2. als Vorhabenträger, damit zur formellen Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses und verletzt die Antragsteller in ihren Rechten. Die richtige Klassifizierung der Straße gehört zu den zwingenden rechtlichen Rahmenbedingungen der Planung und des Baus einer Straße, deren Einhaltung die Antragsteller als unmittelbar (benachbarte) Betroffene verlangen können.

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Mit der Rüge dieser Unzuständigkeit der Beigeladenen zu 2. sind die Antragsteller nicht gemäß § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG präkludiert. Gemäß § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG sind mit Ablauf der Einwendungsfrist im Planfeststellungsverfahren alle dort nicht erhobenen Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Es fehlt in einem solchen Fall an einer klagefähigen Rechtsposition. Die Antragsteller haben sich im Planfeststellungsverfahren form- und fristgerecht insbesondere gegen die aus ihrer Sicht zu erwartende Beeinträchtigung ihrer Gesundheit und ihres Eigentums gewandt. Diese Rügen genügen den Anforderungen an eine Einwendung, weil sie zumindest in groben Zügen erkennen lassen, welche Rechtsgüter als gefährdet angesehen und welche Beeinträchtigungen befürchtet werden (vgl. Nds. OVG, B. v. 21.10.1986, 7 D 2/86, NVwZ 1987, 341). Demgegenüber haben die Antragsteller weder die fehlerhafte Klassifizierung der Straße noch die fehlende Zuständigkeit des Vorhabenträgers gerügt. Ein derartiger Vortrag findet sich zudem weder in der Klage- noch in der Antragsbegründung, ist allerdings auch entbehrlich. Denn die fehlerhafte Klassifizierung einer Straße und die daraus folgende Unzuständigkeit des Vorhabenträgers begründet nicht eine gesondert zu kennzeichnende Einwendung im Sinne des § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG; dies hat zur Folge, dass jene Umstände insoweit nicht der Präklusion unterliegen (Nds. OVG, B. v. 11.01.2006, 7 ME 288/04, [...], Rn 25). Das Oberverwaltungsgericht hat dazu ferner ausgeführt (a.a.O., Rn. 25 f.):

"Das Einwendungsverfahren verfolgt unter anderem den Zweck, der Behörde Kenntnis von den privaten Belangen zu verschaffen, die gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 NStrG in die Abwägung einzustellen sind. Nur wenn die in ihren Rechten möglicherweise Betroffenen gehalten sind, ihre Belange bereits im Planfeststellungsverfahren vorzubringen, ist gewährleistet, dass die Planfeststellungsbehörde die Sachverhalte zureichend ermitteln und rechtlich würdigen kann, auf die sich die Einwendungen beziehen. Zugleich verstärkt das Einwendungsverfahren die Wirksamkeit des Rechtsschutzes für die möglicherweise in ihren Rechten Betroffenen. Zwar ist ihnen eine Mitwirkungslast auferlegt; sie müssen ihre Einwendungen form- und fristgerecht vorbringen. Genügen sie dieser Last indes, bleiben ihnen nicht nur die von der Ausschlusswirkung bedrohten Rechtspositionen erhalten, sondern sie veranlassen die Planfeststellungsbehörde auch zu einer Erörterung und Prüfung gerade ihrer individuellen konkreten Rechtsstellung und der zu ihrer Behauptung vorgebrachten Einwendungen.

Diese Sachlage, die die Präklusionsregeln im Hinblick auf die dadurch betroffenen Grundrechte verfassungsrechtlich gerechtfertigt erscheinen lässt (vgl. BVerfG, B. v. 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80 -, BVerfGE 61, 82 - "Sasbach"), hat Folgen für den Begriff der Einwendung. Zumutbar ist den Betroffenen die Mitwirkung insoweit, als es um eigene materielle Belange, also um eigene abwägungserhebliche und schutzwürdige Rechte und Interessen wirtschaftlicher oder ideeller Art, geht. Von diesen Rechten und Interessen haben die Betroffenen eine bessere Kenntnis als die Behörde. Nicht erforderlich ist eine Mitwirkung hingegen in Bezug auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die unabhängig von den konkreten Rechten und Interessen der Betroffenen den rechtlichen Rahmen des Planfeststellungsverfahrens bilden. Hier besteht kein besonderer eigenständiger Bezug zu den Betroffenen. Dies gilt insbesondere für die Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde, die sie in eigener Verantwortung zu wahren hat".

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Dieser Rechtsauffassung schließt sich diese Kammer an. Eine Präklusion scheidet daher in dem eingangs beschriebenen Umfang aus.

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Ferner wird der im Hauptsacheverfahren voraussichtlich anzuerkennende Aufhebungsanspruch der Antragsteller durch eine möglicherweise anderweitig begründbare Zuständigkeit des Landkreises nicht ausgeschlossen.

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Auf den hier gegebenen Fall der sachlichen Unzuständigkeit des Vorhabenträgers ist § 46 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG nicht anwendbar. Denn jene Vorschrift - in ihrer 3. Alt. - gilt allein für die fehlende, hier jedoch nicht anzuzweifelnde, örtliche Zuständigkeit (Nds. OVG, B. v. 11.01. 2006, 7 ME 288/04, [...], Rn. 29). Zudem entspricht es allgemeiner Ansicht, dass bei Ermessens-, Beurteilungs- und Planungsentscheidungen - eben wegen des ihnen immanenten Entscheidungsspielraums - die von § 46 VwVfG vorausgesetzte Alternativlosigkeit der Sachentscheidung in der Regel nicht gegeben ist (BVerwG, B. v. 06.05.2008, 9 B 64/09, [...], Rn. 10).

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Ein Ausschluss des Aufhebungsanspruchs folgt hier auch nicht aus dem Grundsatz, dass ein berechtigtes Interesse an der Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht besteht, wenn dieselbe Behörde alsbald eine inhaltsgleiche Verfügung neu erlassen müsste (vgl. Nds. OVG, B. v. 11.01. 2006, 7 ME 288/04, [...], Rn. 30 m.w.N.). Zwar wäre in einem derartigen Fall kein rechtlich geschütztes Interesse gegeben, weil durch die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses im Hauptsacheverfahren die Rechtsposition der Kläger letztlich doch nicht verbessert werden würde. Davon kann aber nur ausgegangen werden, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass ein inhaltsgleicher Verwaltungsakt innerhalb kurzer Zeit erneut ergehen wird (Nds. OVG, B. v. 11.01.2006, 7 ME 288/04, [...], Rn. 30). Entsprechend formuliert das Bundesverwaltungsgericht (B. v. 06.05.2008, 9 B 64/09, [...], Rn. 7), "dass Vorschriften über das Verwaltungsverfahren, zu denen im weiteren Sinne auch Zuständigkeitsregelungen zu zählen sind, nicht um ihrer selbst Willen drittschützend sind, sondern nur im Hinblick auf eine dem Verfahrensrecht zugrunde liegende materiellrechtliche Rechtsposition des Betroffenen (vgl. die Nachweise bei Schütz, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrechts, 2004, Rn. 866).... Erforderlich ist .. (daher) weiter, dass der gerügte Verfahrensfehler die Sachentscheidung beeinflusst haben kann. Der danach erforderliche Kausalzusammenhang besteht nur dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles nicht nur die abstrakte, sondern die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsentscheidung ohne den Verfahrensfehler anders, d.h. für den Kläger günstiger ausgefallen wäre (vgl. Urteile v. 30.05.1984, BVerwG 4 C 58.81, BVerwGE 69, 256, 270 und vom 05.12.1986, BVerwG 4 C 13.85, BVerwGE 75, 214, 228)."

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Diese Feststellung lässt sich im vorliegenden Fall treffen. In Anlehnung an die soeben skizzierte Rechtsprechung ist festzuhalten: Bei dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss handelt es sich nicht um eine gebundene, sondern um eine Planungsentscheidung. Charakteristisch für eine solche Entscheidung ist regelmäßig die planerische Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde. Schon aufgrund des Zeitablaufs ist nicht ansatzweise absehbar, ob der Antragsgegner als auch für Landesstraßen zuständige Planfeststellungsbehörde einen inhaltsgleichen Planfeststellungsbeschluss erneut erlassen oder aber bestimmte Belange anders gewichten und/oder möglicherweise veränderten Umständen Rechnung tragen würde. Zudem unterscheidet sich der gesetzliche Rahmen für den Bau einer Landesstraße von den für eine Gemeindestraße geltenden Vorschriften in entscheidenden Punkten (vgl. Nds. OVG, B. v. 11.01.2006, 7 ME 288/04, [...], Rn. 30 f.): Die Aufgaben der Anhörungs- und der Planfeststellungsbehörde nehmen die Landkreise für Gemeindestraßen als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises, für Landesstraßen hingegen im übertragenen Wirkungskreis wahr (§ 38 Abs. 5 Satz 1 NStrG). Träger der Straßenbaulast für eine Landesstraße ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 NStrG das Land, für eine Gemeindestraße hingegen die Gemeinde (§ 48 Satz 1 NStrG). Überaus fraglich ist daher, ob der Planfeststellungsbeschluss erneut mit gleichem Inhalt erlassen werden würde, wenn nunmehr das Land die finanzielle Verantwortung tragen müsste. Ferner obliegt bei einer Landesstraße gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 NStrG dem zuständigen Minister - und damit nicht dem Antragsgegner - die Planung und Linienführung, wobei die Grundsätze und Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu beachten sind (§ 37 Abs. 1 Satz 2 NStrG). Gravierende Unterschiede bestehen schließlich auch hinsichtlich der Errichtung von Zufahrten der Straßenanlieger (§ 20 Abs. 2 NStrG) sowie im Hinblick auf die Errichtung baulicher Anlagen (§ 24 Abs. 1 NStrG).

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Schließlich wird die voraussichtliche Aufhebung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses auch nicht an § 75 Abs. 1a VwVfG scheitern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 06.05.2008, 9 B 64/09, [...], Rn. 12) stellt § 75 Abs. 1 a VwVfG eine Ausprägung des Grundsatzes der Planerhaltung dar. Dessen Anwendbarkeit ist danach jedoch ausgeschlossen, "wenn einer der Planerhaltung dienenden Vorschrift der gesetzgeberische Wille zu entnehmen ist, einen Komplex abschließend zu regeln und Mängel bestimmter Art von einer solchen Heilungsmöglichkeit auszunehmen. Dies hat der Gesetzgeber bei der Einfügung von § 75 Abs. 1 a VwVfG in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, als er auf eine Regelung der Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften (zu denen auch Zuständigkeitsregelungen gehören) ...verzichtete, weil dafür im Hinblick auf die §§ 45 und 46 VwVfG kein Bedarf bestehe (vgl. BTDrucks 13/3995 S. 10). Danach ist eine (unmittelbare oder auch nur ergänzende) Anwendung von § 75 Abs. 1 a VwVfG zur Behebung eines Mangels der Zuständigkeit ausgeschlossen". Dieser Rechtsauffassung schließt sich die Kammer an.

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Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass es in Anbetracht der schon formellen Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses für ihre Entscheidung nicht darauf ankommt, ob die von den Antragstellern geltend gemachten materiellen Planungsfehler vorliegen oder nicht.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, hinsichtlich der beiden Beigeladenen aus § 162 Abs. 3 VwGO. Diese sind mangels eigenen Antrages jeweils kein Kostenrisiko eingegangen (§ 154 Abs. 3, 1. HS VwGO).

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 GKG. Dabei legt die Kammer unter Berücksichtigung der Angaben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller für deren drei Hausgrundstücke einen Gesamtwert von 500.000,- Euro sowie eine potenzielle Wertminderung von 10% zugrunde. Der danach ermittelte Betrag von 50.000,- Euro war für dieses Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes um/auf die Hälfte zu reduzieren (vgl. BayVGH, B. v. 05. 10. 2007, 22 CS 07.2073, [...], Rn. 21; ebenso Sächs. OVG, B. v. 08. 12. 2005, 5 BS 184/05, [...], Rn. 63).

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Rechtsmittelbelehrung:

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Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Die

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Dr. Baumgarten
Drinhaus
Dr. Nagler