Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 07.05.2009, Az.: 3 A 75/08

Ergänzungskraft; Erstattung; Erstattungsanspruch; Erzieherin; Finanzhilfe; Frühdienst; Kindergärtnerin; Kinderpflegerin; Kindertagesstätte; Rückforderung; Schicht; Schichtdienst; Spätdienst

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
07.05.2009
Aktenzeichen
3 A 75/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50650
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Bescheid vom 11.03.2008 wird aufgehoben, soweit darin eine Erstattung von Finanzhilfe für Wochenarbeitsstunden der Mitarbeiterinnen Frau C., Frau D., Frau E. und Frau F. verlangt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Beteiligte kann die Vollstreckung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige andere Beteiligte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

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Die Klägerin wendet sich gegen die Forderung der Beklagten, für das Kindergartenjahr 2002/2003 gewährte Finanzhilfe nach dem niedersächsischen Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) teilweise zu erstatten.

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Sie ist Trägerin der Kindertagesstätte Am Krankenhaus in Wolfsburg. Die Einrichtung wurde im hier betroffenen Zeitraum mit 9 Gruppen betrieben (vier Ganztags-Krippengruppen, zwei Ganztags-Kindergartengruppen, eine Dreivierteltags-Hortgruppe und eine Halbtags-Hortgruppe). Das Angebot umfasste einen Frühdienst von 6:45 bis 8:00 Uhr und einen Spätdienst von 16:00 bis 19:00 Uhr. In der Kindertagesstätte wurden 28 Mitarbeiterinnen (Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen etc.) beschäftigt.

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Auf Antrag der Klägerin bewilligte die Bezirksregierung Hannover mit Bescheid vom 10.02.2002 gem. § 16 KiTaG Finanzhilfe für den Zeitraum vom 01.08.2002 bis zum 31.07.2003 in Höhe von 163.738,05 EUR. Der Bescheid wies u. a. darauf hin, die Finanzhilfe sei auf der Grundlage der in dem Antrag unter "Nr. 6" angegebenen Wochenarbeitsstunden für die beschäftigten Fachkräfte sowie der von der Klägerin zu den Voraussetzungen des Finanzhilfeanspruchs unter den Nummern 1 - 14 des Antrags abgegebenen Erklärungen bewilligt worden. Werde zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt, dass die in Nr. 6 des Finanzhilfeantrags angegebenen Wochenarbeitsstunden der beschäftigten Fachkräfte - entgegen der die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des § 16 KiTaG bestätigenden Erklärungen - nicht hätten von der Klägerin angegeben werden dürfen, entfalle der Finanzhilfebetrag, der sich aus den dann nicht zu berücksichtigenden Wochenarbeitsstunden multipliziert mit der jeweils in Bezug genommenen Finanzhilfepauschale ergebe (auflösende Bedingung gem. § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X). Dieser Betrag sei dann gem. § 50 Abs. 2 SGB X zu erstatten.

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Am 12.12.2002 erhielt die Bezirksregierung Hannover eine Personal- und Platzzahlmeldung (PPM), erstellt nach § 47 Satz 2 SGB VIII, und eine korrigierte Fassung dieser PPM mit Mail vom 14.01.2003. Anfang 2008 stellte eine Mitarbeiterin der Beklagten - Frau G. t - fest, dass ihrer Ansicht nach für das Kindergartenjahr 2002/2003 aus verschiedenen Gründen eine überhöhte Finanzhilfe gewährt worden sei. Sie gab der Klägerin Gelegenheit, sich zu einer der Beklagten zustehenden Erstattungsforderung über insgesamt 21.041,75 EUR zu äußern.

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Nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, eine Rückzahlung komme nicht in Betracht, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 11.03.2008 eine Erstattung in der genannten Höhe nach § 50 SGB X fest. Zur Begründung führte sie u. a. an, für die Erzieherin Frau H. seien 5,5 Wochenarbeitsstunden abzuziehen, da für die Leitung der Einrichtung nur insgesamt 44 statt der erforderlichen 45 Stunden beantragt worden seien. Für Frau H. seien also die Mindestfreistellungszeiten nicht eingehalten worden. Frau C. könne nicht gleichzeitig Gruppenleiterin und zweite Kraft in derselben Gruppe sein, so dass für sie 3,25 Stunden abzurechnen seien. Damit werde bei Gruppe 9 die Mindestbetreuungszeit nicht erreicht (Frau C. 20,00 Std., Frau D. 16,75 Std.), weshalb die gesamte Gruppe nicht gefördert werden könne. Ferner seien Frau I. und Frau J. nur Kinderpflegerinnen, die keine Gruppenleitung übernehmen dürften. Insoweit seien weitere 5,25 Std. sowie 13,75 Std. abzuziehen. Schließlich seien die Wochenarbeitsstunden von Frau E. (19,25 Std) und Frau F. (19,25 Std) nicht zu berücksichtigen, da diese ausschließlich im Früh- und Spätdienst, also in den Sonderöffnungszeiten, beschäftigt worden seien. Sie seien damit keine Betreuungskräfte im Sinne des § 4 KiTaG, auf die § 16 KiTaG Bezug nehme. Sonderöffnungszeiten zählten nicht zur Betreuungszeit.

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Am 14.04.2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beruft sich darauf, § 50 SGB X sei keine geeignete Anspruchsgrundlage. Jedenfalls sei die Jahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht eingehalten worden. Sie lehne eine Erstattung aber auch deshalb ab, weil ein Anspruch auf Finanzhilfe im beantragten Umfang bestehe. So habe für Frau H. über die tarifvertragliche Arbeitszeit hinaus keine weitere Leitungsstunde beantragt werden können. Eine Übertragung der Leitung auf eine andere Mitarbeiterin sei nachträglich nicht mehr möglich. Das Urteil der erkennenden Kammer vom 19.07.2007 (3 A 20/07) sei bei Antragstellung noch nicht ergangen. Frau C. habe eine Betreuungszeit von 20 Stunden und eine Verfügungszeit von 7 Stunden geleistet; Frau D. habe 20 Betreuungsstunden als Zweitkraft und nur 0,5 Verfügungsstunden gehabt. Die Stundendarstellung in der PPM sei unrichtig. Ferner seien Früh- und Spätdienste in § 8 Abs. 1 Satz 2 KiTaG vorgesehen. Das in § 4 KiTaG bezeichnete Personal - wie hier Frau E. und Frau F. - übernehme auch die Betreuung der Kinder im Früh- und Spätdienst. Diese habe sich zudem in der Einrichtung Am Krankenhaus inhaltlich nicht von den Hauptöffnungszeiten unterschieden.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid vom 11.03.2008 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist ebenfalls der Auffassung, § 50 SGB X könne nicht herangezogen werden. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei jedoch eingehalten worden, da diese erst im Januar 2008 in Lauf gesetzt worden sei. Dann erst habe die zuständige Sachbearbeiterin Frau K. die maßgeblichen Zahlen für das Kindergartenjahr 2002/2003 überprüft und festgestellt, dass ein Erstattungsanspruch bestehe. Die Rechtslage bezüglich der Leitungsstunden für Frau H. hänge nicht von einem später sich später dazu verhaltenden Urteil ab. Die Gruppe 9 (Frau C., Frau D.) könne insgesamt nicht gefördert werden, da die auflösende Bedingung des Bewilligungsbescheides vom 10.02.2002 insoweit eingetreten sei. Die erst im Klageverfahren vorgetragene Stundenverteilung sei von Anfang an bekannt gewesen. Sie sei von der Beklagten aber weder auf den telefonischen Hinweis vom 20.12.2002 noch im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum Erstattungsbescheid geltend gemacht worden. Jetzt sei es dafür zu spät. Sonderöffnungszeiten für Früh- und Spätdienst seien von den Betreuungszeiten in der Gruppe zu unterscheiden, denn in dieser Zeit finde keine pädagogische Arbeit mit Kindern statt. Eine Kraft, die nur in den Sonderöffnungszeiten beschäftigt sei, könne nicht als Betreuungskraft im Sinne des § 4 KiTaG gewertet werden.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

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Die Erstattungsforderung der Beklagten für das Kindergartenjahr 2002/2003 hinsichtlich der Kindertagesstätte Am Krankenhaus in Wolfsburg besteht nur in Höhe von 4.301,40 EUR (Mitarbeiterinnen I., J., H.). Insoweit ist der Bescheid vom 11.03.2008 rechtmäßig, im Übrigen (Mitarbeiterinnen C., D., E., F.) ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die von der Beklagten geforderte Erstattung ist der als Rechtsinstitut anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl. BSG, Urt. v. 22.01.1981 - 8/8a RK 12/79 - BSGE 51, 112), da - wovon auch die Beteiligten nunmehr übereinstimmend ausgehen - § 50 SGB X nur das Rechtsverhältnis zwischen einem Sozialleistungsträger und dem Leistungsempfänger regelt und nur ausnahmsweise, etwa bei einer Abzweigung nach § 48 SGB I, gegenüber einer öffentlichen Stelle greift (Klattenhoff, in: Hauck, SGB X, Komm., Loseblatts., Stand: Nachlfg. 3/08, §§ 102 - 114, Rn. 6, 8). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt eine Vermögensverschiebung ohne Rechtsgrund voraus.

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Vorliegend entfällt der Rechtsgrund, soweit die auflösende Bedingung des Bewilligungsbescheides vom 10.02.2002 eingetreten ist. Die Nebenbestimmung durfte nach § 32 Abs. 1 SGB X dem Bewilligungsbescheid beigefügt werden, um die gesetzlichen Voraussetzungen der Finanzhilfe zu sichern. Ihr Eintritt lässt den Rechtsgrund für das Behalten-Dürfen der Finanzhilfe, den Bewilligungsbescheid, (teilweise) entfallen.

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Die Klägerin hat die Finanzhilfe danach im Bewilligungszeitraum 01.08.2002 bis 31.07.2003 insoweit ohne Rechtsgrund erhalten, als für die Kinderpflegerinnen 5,25 Std. (Frau I.) und 13,75 Std. (Frau J.) als Zeit für die Gruppenleitung berücksichtigt wurden. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 KiTaG gewährt das Land eine Finanzhilfe in Höhe von 20 vom Hundert der Personalausgaben für die in § 4 vorgesehenen Kräfte in Kindertagesstätten. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 KiTaG darf die Gruppenleitung nur einer sozialpädagogischen Fachkraft übertragen werden. Andere staatlich anerkannte pädagogische Abschlüsse oder gleichwertige Ausbildungen müssen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AG KJHG anerkannt werden. Letzteres gilt nicht für Kinderpflegerinnen, die nach § 4 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz KiTaG nur als zweite Fach- oder Betreuungskraft eingesetzt werden können. Die Leitungsstunden von Frau I. und Frau J. waren mithin nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 KiTaG zu fördern.

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Ferner besteht ein Erstattungsanspruch, soweit der Bewilligungsbescheid auch die Leitungsstunden von Frau H. umfasste. Denn Frau L. und Frau H. erreichten zusammen 44 Stunden für die Leitung der Einrichtung. Notwendig waren gem. § 5 Abs. 1 Satz 1und 2 KiTaG 55 Stunden (9 x 5 Std. zzgl. 10 Std.). Bei der Bemessung der Finanzhilfe sind nach der ausdrücklichen Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KiTaG nur die Kräfte im Sinne des § 4 KiTaG zu berücksichtigen, denen Freistellungszeiten nach § 5 Abs. 1 KitaG ordnungsgemäß eingeräumt sind. Das war für Frau H. als zweiter Leitungskraft im Jahr 2002/2003 nicht ausreichend geschehen, so dass die Förderung hierfür entfallen musste. Frau L. wurde im Umfang der tariflichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden freigestellt. Ihre Wochenarbeitsstunden durften nicht gestrichen werden (s. VG Braunschweig, Urt. v. 19.07.2007 - 3 A 20/07 -). Die Klägerin kann aus dem Umstand, dass womöglich eine weiter gehende Freistellung von Frau H. oder einer anderen Mitarbeiterin bei früherer Kenntnis der in dem Urteil vom 19.07.2007 dargelegten Rechtslage (dort "mindestens" 6,5 Ltg.-Std. für Fr. H.) erfolgt wäre, im vorliegenden Fall nichts herleiten.

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Die beantragten Wochenarbeitsstunden von Frau C. und Frau D. mussten hingegen berücksichtigt werden. Insofern ist die auflösende Bedingung des Bewilligungsbescheides nicht eingetreten. Die auflösende Bedingung bezieht sich auf die in Nr. 6 des Finanzhilfeantrags angegebenen Wochenarbeitsstunden. In Nr. 6 des Antrags vom 07.10.2002 wurden für Frau C. 30 Wochenarbeitsstunden als sozialpädagogische Fachkraft angeben. Davon hat sie 27 Stunden in Gruppe 9 und 3 Stunden in Sonderöffnungszeiten gearbeitet. Insoweit besteht ein Anspruch auf Finanzhilfe, ebenso wie für die in Nr. 6 des Antrags für Frau D. eingetragenen 20,5 Wochenarbeitsstunden als sozialpädagogische Fachkraft. Insgesamt waren 40 Stunden Betreuung in Gruppe 9 gewährleistet. Der Umstand, dass die Beklagte später mit der PPM falsche Eintragungen hinsichtlich der Zuordnung der Stunden zu Gruppenleitung und Zweiter Kraft sowie Betreuungs- und Verfügungsstunden erhalten hat, lässt den Anspruch nicht entfallen. Die Angaben in der PPM gaben zusammen mit Verwaltungsverfahren zu weiteren Finanzhilfeanträgen der Beklagten lediglich 5 Jahre später Anlass, die Finanzhilfe für das Jahr 2002/2003 zu überprüfen.

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Die auflösende Bedingung bezieht sich im Übrigen nicht auf die PPM, sondern neben der Stundenaufstellung in Nr. 6 auf die Erklärung, die Leistungsvoraussetzungen des § 16 KiTaG erfüllt zu haben (s. Nr. 7 bis 14 des Antragsvordrucks). Mit der Angabe von 30 bzw. 20,5 Wochenarbeitsstunden und mit der Unterschrift unter den Antrag hat die Klägerin keine falsche Erklärung abgeben. Ihre Angaben im Antrag waren richtig; falsch war die später vorliegende PPM. Dass die Klägerin diese Erklärung vor Klageerhebung nicht richtig stellte, ließ die auflösende Bedingung nicht eintreten. Bei sorgfältiger Prüfung nach dem telefonischen Hinweise vom 20.12.2002 (s. Vermerk Bl. 180 BA B) und spätestens nach dem Anhörungsschreiben vom 17.01.2008 hätte die Klägerin die tatsächliche Stundenverteilung in Gruppe 9 zwar darlegen müssen. Sie hat sich auf ein kurzes allgemein gehaltenes Schreiben vom 07.02.2008 beschränkt und stattdessen - auch insoweit - Klage erhoben. Durch diesen Verfahrensgang ist der Anspruch auf Finanzhilfe zu keinem Zeitpunkt entfallen (vgl. zu einer vorhandenen, aber noch nicht durch Ausnahmeentscheidung nachgewiesenen gleichwertigen Qualifikation NdsOVG, Urt. v. 27.05.1998 - 4 L 4439/97 - NdsVBl. 1999, 66 sowie juris). Auch ist es der Klägerin nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB analog verwehrt, sich gegenüber dem Erstattungsbescheid auf den Finanzhilfeanspruch zu berufen. Widersprüchlich oder sonst treuwidrig hat sich die Klägerin wegen der nachlässigen Sachbehandlung nicht verhalten (s. a. unten zu § 155 Abs 4 VwGO).

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Die von den Kinderpflegerinnen Frau E. und Frau F. in den Sonderöffnungszeiten (Früh- und Spätdienst) geleisteten Wochenarbeitsstunden waren in vollem Umfang zu berücksichtigen. Diesbezüglich besteht ein Anspruch auf Finanzhilfe. § 16 Abs. 1 Nr. 1 KiTaG gewährt - wie ausgeführt - eine Finanzhilfe nur für die in § 4 KiTaG vorgesehenen Kräfte in Kindertagesstätten. Die Mitarbeiterinnen Frau E. und Frau F. gehören zu den in § 4 KiTaG vorgesehenen Kräften. Denn Frau E. ist Erzieherin, die als sozialpädagogische Fachkraft gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 KiTaG sogar für eine Gruppenleitung eingesetzt werden kann. Frau F. ist Kinderpflegerin, die nach § 4 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz KiTaG als zweite Betreuungskraft in einer Gruppe tätig sein darf.

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Dass die beiden Kinderpflegerinnen tatsächlich nicht in einer Gruppe, sondern nur in den Sonderöffnungszeiten tätig gewesen, steht dem Anspruch auf Finanzhilfe nicht entgegen, da beide die notwendige Qualifikation besitzen. § 16 Abs. 1 Nr. 1 KiTaG knüpft hinsichtlich der Finanzhilfe für die Sonderdienste (SD) an die Qualifikation und nicht an die Funktion in der Kindertagesstätte an. Die Vorschrift stellt darauf ab, ob eine hinreichend ausgebildete Kraft tätig geworden ist. Öffentliche Mittel sollen nicht auch für Kräfte aufgewendet werden, die nach dem Gesetz nicht tätig werden dürfen (Nds.OVG, Urt. v. 27.05.1998, a.a.O.). Die Finanzhilfe nach § 16 KiTaG soll die Träger der Kindertagesstätten von einem Teil der Personalkosten entlasten, um den Anspruch auf einen Platz in einer Kindertagesstätte nach § 12 Abs. 1 KiTaG zu realisieren (NdsOVG, Urt. v. 27.05.1998, a.a.O.). Deshalb beteiligt sich das Land an den Ausgaben für das Personal, das zu der in § 4 KiTaG vorgegebenen Personalausstattung gehört (Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 16 KiTaG in LT-Drs. 12/3280, S. 31). Die Kosten für erzieherisch qualifizierte Mitarbeiter ("Fachkräfte", Begründung Gesetzesentwurf, a.a.O. "Fachkräfte/Betreuungskräfte", de Wall, KiTaG, Komm., 8. Aufl., § 16, Anm. 4) werden pauschal mit 20 Prozent übernommen. Für das "sonstige Personal", etwa Helfer, Vorpraktikanten, Küchen- und Reinigungspersonal soll keine Finanzhilfe geleistet werden (Begründung des Gesetzesentwurfs, a.a.O.). Heilpädagogische Fachkräfte werden ggf. über die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII finanziert (de Wall, a.a.O., § 16 Anm. 4).

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Dass davon ausgehend der Umfang des Einsatzes in der Gruppe einerseits und in Früh- und Spätdiensten anderseits nicht ausschlaggebend ist, er erkennt die Beklagte bei den Mitarbeitern, die teilweise in SD-Zeiten und teilweise in Gruppenzeiten arbeiten, bereits an. Für 2002/2003 wurde Finanzhilfe für Frau M., Frau C., Frau I. und Frau N. ohne Abzug der auf die Sonderöffnungszeiten entfallenden Stunden bewilligt. Frau N. leistete beispielsweise lediglich 2 Stunden als zweite Kraft in Gruppe 1 und 17,25 Stunden in der SD-Zeit. Diese Kinderpflegerin wurde wegen der beiden Gruppenstunden als Betreuungskraft im Sinne des § 4 KiTaG gewertet. Bei Frau E. und Frau F. lehnt die Beklagte diese Bewertung ab, weil sie trotz vorhandener Qualifikation nicht einmal eine Stunde in der Gruppe eingesetzt wurde. Hierin liegt für die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 KiTaG ein Wertungswiderspruch, der nicht durch eine Kürzung der SD-Stunden für die "Mischkräfte", sondern durch eine Ausdehnung der Finanzhilfe auch auf die "Nur-SD-Kräfte" aufzulösen ist. Denn finanzhilfefähige Ausgaben sind auch die Kosten für Mitarbeiter in Früh- und Spätdiensten (Klügel/Reckmann, KiTaG, Komm., 4. Aufl., § 16, Anm. 6). Vertretungen (sog. Springer), die nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erfasst werden (Begründung Gesetzesentwurf a. a. O.) bilden in diesem Zusammenhang eine besondere Personengruppe, die sich von den "Nur-SD-Kräften" durch ihre nur zeitweise und nicht planbare Beschäftigung im erzieherischen Bereich unterscheiden.

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Für eine Finanzhilfe der Mitarbeiterinnen E. und F. spricht ferner: Der Gesetzgeber will zwar keine ausdrücklich nicht-pädagogischen Tätigkeiten mit Finanzhilfe fördern (z.B. Küchenpersonal, s.o.). Er verlangt indessen eine Ausdehnung der Öffnungszeiten auf Früh- und Spätdienst. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KiTaG haben die Öffnungs- und Betreuungszeiten dem Wohl der Kinder und den Belangen der Erziehungsberechtigten Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck sollen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 KiTaG Früh- und Spätdienste eingerichtet werden. Dort kann aber nicht Hilfspersonal eingesetzt werden, dass keine oder nur sehr geringe erzieherische Fähigkeiten aufweist und dass der Gesetzgeber gerade nicht finanziell unterstützen will (s.o.). In den Früh- und Spätdiensten findet nicht eine bloße "Bewachung" der vor bzw. nach der Gruppenzeit anwesenden Kinder statt. Vielmehr sind hier verschiedene Aufgaben zu übernehmen, die auch in der Gruppenarbeit verlangt werden. So finden Gespräche mit Eltern statt, Trennungsprobleme von Kindern müssen bewältigt und Konflikte unter Kindern gelöst werden. Weiterhin erfordert auch das freie Spiel Organisation, Anleitung und Überwachung. Die in §§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 Abs. 2 KiTaG genannten Ziele und Vorgaben für Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder gelten auch für die Früh- und Spätdienste der Kindertagesstätten. Die folglich mit der Gruppenarbeit vergleichbare Tätigkeit verlangt die Erstreckung der Finanzhilfe auf die Sonderdienste. Ob vorliegend auch im Früh- und im Spätdienst umfassende pädagogische Konzepte umgesetzt werden oder einzelne Aktivitäten bereits nach Öffnung der Einrichtung beginnen und bis zu deren Schließung fortdauern, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Belang. Weitere Ermittlungen zu den Früh- und Spätdiensten der Kindertagesstätte Am Krankenhaus waren daher nicht geboten.

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Auf die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X kommt es für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht an. Jedenfalls wäre diese Frist gewahrt, worauf das Gericht mit Verfügung vom 01.08.2008 bereits hingewiesen hat.