Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 25.10.2012, Az.: 10 WF 310/12
Konkrete Bezeichnung der Wohnung bei Vorliegen eines strafbewehrten Abstandsgebots von "der Wohnung" i.R.e. einstweiligen Anordnung; Vorliegen von materiellen und formellen Voraussetzungen einer Gewaltschutzanordnung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 25.10.2012
- Aktenzeichen
- 10 WF 310/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 26003
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:1025.10WF310.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 31.08.2012 - AZ: 619 F 2871/12
Rechtsgrundlagen
- § 54 Abs. 1 FamFG
- § 54 Abs. 2 FamFG
- § 1 Abs. 1 GewSchG
- § 1 Abs. 2 GewSchG
Fundstellen
- FPR 2012, 5-6
- FamFR 2012, 567
- FamRZ 2013, 569
- JurBüro 2013, 389
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Vor Neuentscheidung nach mündlicher Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG fehlt einem Antrag auf Aufhebung oder Änderung der ohne mündliche Verhandlung ergangenen einstweiligen Anordnung gemäß § 54 Abs. 1 FamFG das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
- 2.
Wendet sich der Beteiligte, gegen den das Amtsgericht ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs und ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz erlassen und darin zutreffend darauf hingewiesen hat, daß der einzig statthafte Rechtsbehelf ein Antrag auf Neuentscheidung nach mündlicher Verhandlung ist, mit einem als "Widerspruch" bezeichneten Schreiben gegen den ergangenen Beschluß, beruft sich dabei ausdrücklich auf die bislang nicht erfolgte eigene Anhörung und nimmt darin das Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Gewaltschutzanordnung in Abrede, kommt eine "Auslegung" dieses Begehrens als - erneut ohne mündliche Verhandlung zu bescheidender - Antrag auf Aufhebung oder Änderung der einstweiligen Anordnung gemäߧ 54 Abs. 1 FamFG nicht in Betracht.
- 3.
Eine einstweilige Anordnung, mit der der Antragsgegner ein strafbewehrtes Abstandsgebot von "der Wohnung" der Antragstellerin aufgebeben wird, muß eine konkrete Bezeichnung der fraglichen Wohnung enthalten.
- 4.
Eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz dient nicht der Durchsetzung beliebiger anderweitig gesetzlich angeordneter oder sonst wünschenswerter Verhaltensweisen im persönlichen Nahbereich, sondern ist beschränkt auf eben die in den §§ 1 und 2 GewSchG genannten qualifizierten Fälle, deren Vorliegen im Einzelfall positiv festgestellt werden muß. Insofern können insbesondere behauptete Sachbeschädigungen oder Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerhalb der von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG erfaßten Fälle eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz in keinem Fall begründen (Bekräftigung und Fortführung von Senatsbeschluß vom 19. März 2012 - 10 UF 9/12 - [...] = BeckRS 2012, 07601).
In der Familiensache
X,
Antragsgegner und Beschwerdeführer,
gegen
Y., c/o ...,
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
S. R. mbH,
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 31. August 2012 durch die Richter am Oberlandesgericht H. und G. und die Richterin am Amtsgericht W. am 25. Oktober 2012
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 31. August 2012 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Entscheidung über das tatsächlich gestellte Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragsgegners für das einstweilige Anordnungsverfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Radiomoderatorin und hat - unter Angabe ausschließlich der Anschrift ihres Arbeitgebers - den Antragsgegner im vorliegenden Verfahren auf Unterlassung nach dem Gewaltschutzgesetz in Anspruch genommen. Dazu werden - abgesehen von allgemeinen Hinweisen auf im Internetüber den Antragsgegner auffindbare Aussagen (unbekannter) Dritter - von ihr vorgetragen:
vom Antragsgegner ausschließlich zwischen dem 16. und 20. April 2012 an eine - von ihrem Sender ausdrücklich insofern eröffnete - eMail-Anschrift gerichtete mehrfache eMail-Sendungen,
zwei- bzw. einmaliges nächtliches Klingeln an ihrer Wohnungstür in den Nächten vom 19. auf den 20, vom 20. auf den 21. und vom 21. auf den 22. April 2012, bei dem allerdings ein irgend gearteter tatsächlicher Zusammenhang mit dem Antragsgegner - ungeachtet der gewählten Formulierung "offenbar" - nicht dargetan ist ,
ein dem Antragsgegner zugeschriebener einmaliger Aufenthalt gegenüber der Wohnung der Antragstellerin am 24. Mai 2012 gegen 19:00 Uhr, bei der es nach den ausdrücklichen eigenen Angaben der Antragstellerin allerdings zu keinerlei Versuch einer Kontaktaufnahme mit ihr gekommen ist,
eine in der Nacht vom 24. auf den 25. Mai 2012 erfolgte Sachbeschädigung am Pkw der Antragstellerin, für den ein konkreter Zusammenhang mit dem Antragsgegner nicht dargetan wird,
eine Ende Mai 2012 eingegangene anonyme Briefsendung an die Antragstellerin über die Anschrift ihres Arbeitgebers, für die ebenfalls ein konkreter Zusammenhang mit dem Antragsgegner nicht dargetan wird,
die zeitweilige Einstellung der von der Antragstellerin inkriminierten genannten eMails sowie von zwei Antworten durch den "Hörerservice" ihres Arbeitgebers in seinem blog im Rahmen der Zurückweisung des gegen ihn erhobenen "Stalking"-Vorwurfes.
Das Amtsgericht hat die beantragte Anordnung, die auch ein Annäherungsverbot auf 300 m (!) an die Antragstellerin und deren "Wohnung" beinhaltet, ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners und ohne mündliche Verhandlung mit einer sechsmonatigen Befristung erlassen. In dem Beschluß ist - zutreffend - darauf hingewiesen, daß gemäß § 54 Abs. 2 FamFG durch das Amtsgericht auf Antrag aufgrund mündlicher Verhandlung neu zu entscheiden und die Entscheidung im übrigen nicht anfechtbar sei.
Diesem Anordnungsbeschluß ist der Antragsgegner beim Amtsgericht in Schreiben vom 19. Juni 2012 sowie vom 1. August 2012, für die aus der Akte jeweils kein Eingangsdatum ersichtlich ist, mit einem "Widerspruch" entgegengetreten. Dabei rügt der Antragsgegner ausdrücklich, daß bislang "ohne Anhörung meiner Person" entschieden worden sei, bestreitet substantiiert eine Anwesenheit auch nur in der Nähe der - ihm bislang unbekannten - Wohnung der Antragstellerin, namentlich auch am 24./25. Mai 2012, und nimmt in Abrede, daß die allein von ihm eingeräumten eMails über den Sender der Antragstellerin die erlassene Unterlassungsanordnung rechtfertige. Das Amtsgericht hat dies - ohne Rückfrage beim Antragsgegner - mit Vermerk vom 10. August 2012 als Aufhebungsantrag nach § 54Abs. 1 FamFG ausgelegt und - nach Hinweis ihrer Auslegung allein an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin - mit wiederum ohne mündliche Verhandlung ergangenem Beschluß vom 31. August 2012 "die Anträge des Antragsgegners vom 19. Juni 2012 und 1. August 2012 auf Aufhebung des Beschlusses vom 31. Mai 2012 ... zurückgewiesen".
Mit parallelem Beschluß vom 31. August 2012 hat das Amtsgericht das unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie eines aktuellen SGB II-Bescheides versehene Gesuch des Antragsgegners vom 2. Juli 2012, ihm für das Verfahren Verfahrenskostenhilfe (VKH) zu bewilligen, zurückgewiesen. Es hat dabei darauf abgestellt, daß es an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht für eine erstrebte Aufhebung des Beschlusses fehle; bereits die eingeräumten eMails rechtfertigten die erlassene Unterlassungsverfügung.
Gegen diese ihm am 6. September 2012 zugestellte Versagung der VKH richtet sich die am 1. Oktober 2012 beim Oberlandesgericht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der sich weiterhin gegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die erlassene Einstweilige Anordnung wendet. Das Amtsgericht hat - nach entsprechender Vorlage durch den Senat - mit Beschluß vom 17. Oktober 2012 "aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses" nicht abgeholfen.
Der Einzelrichter hat das Verfahren zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
II.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft und auch im übrigen zulässig.§ 57 Satz 2 Nr. 4 FamFG eröffnet für nach mündlicher Erörterung ergangene Entscheidungen über einen Antrag nach §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) ausnahmsweise - die grundsätzlich gegen Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familienverfahren ausgeschlossene - Beschwerde. Daher ist auch gegen den vorliegend eine Bewilligung von VKH für ein solches Verfahren nicht ausschließlich aufgrund Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen versagenden Beschluß (§ 127 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 76 Abs. 1 FamFG) die sofortige Beschwerde eröffnet (vgl. OLG Frankfurt a. M. - Beschluß vom 15.05.2012 - 4 WF 115/12 - [...] = BeckRS 2012, 18680), zumal durch den Antragsgegner bereits ausdrücklich (dazu näher nachfolgend II. 2. a.) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt ist (vgl. dagegen zur Unzulässigkeit der entsprechenden VKH-Beschwerde für den Fall, daß eine Entscheidung nach mündlicher Verhandlung tatsächlich nicht mehr erstrebt wird, Senatsbeschluß vom 6. Dezember 2010 -10 WF 375/10 - FuR 2011, 340 f. = BeckRS 2010, 29609 = [...] = FamRZ 2011, 918 f. [Ls]).
2. Die Beschwerde muß auch in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Erfolg haben.
a. Dies beruht bereits durchgreifend darauf, daß das Amtsgericht aufgrund seiner unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbaren "Auslegung" des Begehrens des Antragsgegners ausdrücklich nicht über das vom Antragsgegner angebrachte VKH-Gesuch für das Verfahren der Neubescheidung des Verfügungsantrages aufgrund mündlicher Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG, sondern über ein vermeintliches, tatsächlich aber gar nicht angebrachtes VKH-Gesuch für ein auf Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung nach § 54 Abs. 1 FamFG gerichtetes Verfahren entschieden hat.
Die vom Amtsgericht vorgenommene "Auslegung" des ausdrücklich so bezeichneten "Widerspruchs" des Antragsgegners gegen die ohne mündliche Verhandlung und ohne Gewährung rechtlichen Gehörs erlassene Gewaltschutzanordnung als Antrag gem. § 54 Abs.1FamFG auf Aufhebung oder Abänderung des Beschlusses, über den erneut ohne mündliche Verhandlung befunden wurde, ist in keiner Weise nachvollziehbar und schlicht abwegig.
Der - anwaltlich nicht vertretene - Antragsgegner hat im Rahmen seines Widerspruchs völlig unzweifelhaft und klar zum Ausdruck gebracht, daß er die Voraussetzungen für den Erlaß der Gewaltschutzanordnung für als zu keinem Zeitpunkt gegeben erachtet, und hat wesentliche Teile des zugrundeliegenden Vortrags des Antragstellerin in Abrede genommen. Zudem hat er sich sogar ausdrücklich dagegen gewandt, daß der Beschluß "ohne eine Anhörung meiner Person erfolgt" ist. Nicht zuletzt im Hinblick auf die - zutreffende - Rechtsbehelfsbelehrung des amtsgerichtlichen Beschlusses, nach der einzige Verteidigungsmöglichkeit für den Antragsteller ein Antrag auf Neuentscheidung nach mündlicher Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2FamFG ist, war damit jede andere Auslegung seines Begehrens als ein solcher Antrag auf mündliche Verhandlung ausgeschlossen. Selbst aber wenn insoweit auch nur irgendwelche Zweifel vorhanden gewesen sein sollten, hätte es in jedem Fall dem Amtsgericht oblegen, diese durch - sachgerechte - Rückfrage beim Antragsgegner zu beseitigen und seiner Verpflichtung aus § 28 Abs. 3 FamFG nachzukommen, nämlich auf die Stellung sachdienlicher Anträge, hinzuwirken - was vorliegend allein ein Antrag nach § 54 Abs. 2 FamFG sein konnte.
Dies gilt um so mehr, als vor Bestätigung der einstweiligen Anordnung aufgrund mündlicher Verhandlung ein Antrag nach § 54 Abs. 1 FamFG mangels des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses sogar unzulässig war (vgl. Zöller29-Feskorn, FamFG § 54 Rz. 8 m.w.N. auch zum Streitstand im Schrifttum; Zöller29-Lorenz, FamFG § 214 Rz. 15 und § 246 Rz. 29), so daß selbst ein ausdrücklicher Antrag nach § 54 Abs. 1 FamFG regelmäßig als Antrag nach § 54 Abs. 2 FamFG auszulegen ist (vgl. Zöller29-Lorenz, FamFG § 246 Rz. 29 m.w.N.).
Schließlich war auch ein Vortrag, der erfolgreich Grundlage für das vom Amtsgericht durch "Auslegung" ermittelte Begehren einer Aufhebung oder Änderung der Entscheidung gemäß § 54 Abs. 1 FamFG hätte sein können, in der Begründung der Schreiben des Antragsgegners offenkundig nicht enthalten. Voraussetzung für eine Aufhebung oder Änderung einer - wie vorliegend der Fall - nur auf Antrag zu erlassenden Entscheidung ist nämlich, daß dieser auf bislang noch nicht berücksichtigte Tatsachen oder eine Rechtsänderung gestützt wird (vgl. nur Zöller29-Feskorn, FamFG § 54 Rz. 5 m.w.N.) - Derartiges hat der Antragsgegner jedoch nicht ansatzweise geltend gemacht, sondern vielmehr die Berechtigung der Gewaltschutzanordnung von vornherein in Abrede genommen. Dementsprechend hat das Amtsgericht die - falsch ausgelegten - "Aufhebungs- bzw. Änderungsanträge" auch ohne weitergehende inhaltliche Begründung zurückgewiesen.
Insofern wird das Amtsgericht auf den nach wie vor nicht erledigten Antrag des Antragsgegners hin umgehend die noch ausstehende mündliche Verhandlung über den - auch noch weiterhin in Kraft befindlichen - Beschluß vom 31. Mai 2012 nachzuholen haben.
b. Zudem hat das Amtsgericht aber auch materiell-rechtlich zu.U.nrecht die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Antragsgegners verneint.
aa. Dies gilt bereits in jedem Fall insofern, als das Amtsgericht dem Antragsgegner die Einhaltung eines Abstandes von der Wohnung der Antragstellerin aufgegeben hat, ohne daß diese Wohnung in dem Titel (einschließlich des Rubrums und der Begründung des Beschlusses) in irgendeiner Weise angegeben ist. Die Antragstellerin selbst hat das vorliegende Verfahren ausdrücklich unter der Anschrift ihres Arbeitgebers (...) geführt. Demzufolge enthält der Beschluß des Amtsgerichtes vom 31. Mai 2012 im Rubrum zu ihr sogar die - objektiv unzutreffende - Angabe "wohnhaft [Anschrift des Abeitgebers]". Insofern fehlt es für ein Verbot, sich einer - unbekannt bleibenden - Wohnung der Antragstellerin auf weniger als 300 m zu nähern, bereits an einem vom Antragsgegner nachvollziehbaren und zugleich an jeglichem vollstreckungsfähigen Inhalt. Ein derartiges unhaltbares Verbot hätte zu keinem Zeitpunkt erlassen werden dürfen, bedarf der Aufhebung und muß nicht zuletzt kostenrechtliche Konsequenzen haben.
Allein dies führt dazu, daß die Rechtsverteidigung des Antragsgegners Erfolgsaussicht hat.
bb. Der Senat hat weiter bereits mit Beschluß vom 19. März 2012 (10 UF 9/12 - [...] = BeckRS 2012, 07601; vgl. auch OLG Report Nord 16/2012 Anm. 8) ausführlich darauf hingewiesen, daß eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz nicht der Durchsetzung beliebiger anderweitig gesetzlich angeordneter oder sonst wünschenswerter Verhaltensweisen im persönlichen Nahbereich dient, sondern abschließend beschränkt ist auf eben die in den§§ 1 und 2 GewSchG genannten qualifizierten Fälle, deren Vorliegen im Einzelfall positiv festgestellt werden muß.
Zugleich bedarf es nicht zuletzt bei der Ausfüllung der zahlreichen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffe des§ 1 GewSchG ("unzumutbare Belästigung", "wiederholtes Nachstellen", "zur Abwendung weiterer Verletzung erforderliche Maßnahmen", "Wahrnehmung berechtigter Interessen") stets der sorgfältigen Abwägung der verschiedenen, jeweils grundrechtlich geschützten Rechtsgüter beider Beteiligter.
Selbst auf der Grundlage des von der Antragstellerin behaupteten und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemachten Sachverhaltes liegen im Streitfall jedoch in diesem Sinne die Voraussetzungen für eine Gewaltschutzanordnung nicht vor. Dies beruht hinsichtlich der einzelnen Elemente ihres Vortrages auf folgenden Erwägungen:
-Für die Sachbeschädigung am Pkw der Antragstellerin wird eine Täterschaft oder Beteiligung gerade des Antragsgegner nicht einmal ausdrücklich konkret behauptet, geschweige denn in irgendeiner Weise glaubhaft gemacht. Selbst aus einer - behaupteten und glaubhaft gemachten - Anwesenheit des Antragsgegners am 24. Mai 2012 gegen 19:00 Uhr gegenüber der Wohnung der Antragstellerin ergibt sich keine tragfähige Grundlage für die Annahme, gerade der Antragsgegner sei für die am 25. Mai 2012 gegen 3:00 Uhr festgestellten Beschädigungen verantwortlich. Dies wird noch unterstrichen durch die Tatsache, daß ausweislich des von der Antragsgegnerin selbst vorgelegten Protokolls (Bl. 18 VKH II) bei der alsbaldig erfolgten Anzeige der Sachbeschädigung bei der Polizei ausdrücklich Täterhinweise nicht gegeben werden konnten; weiter wurde danach bei Anzeigeerstattung angegeben, "daß [die Antragstellerin] ... hin und wieder von Personen (Zuhörern) an ihrer Wohnanschrift ungebeten aufgesucht wird. Teilweise würden fremde Personen klingeln und rufen".
Schließlich gehört das durch den gegebenenfalls verwirklichten Tatbestand einer Sachbeschädigung geschützte Eigentum ohnehin nicht zu den in § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG genannten Rechtsgütern. Es kommt schließlich auch nicht in Betracht, eine etwaige - zudem in Abwesenheit und ohne Wahrnehmung der Antragstellerin erfolgte - Sachbeschädigung als eine Handlung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GewSchG verstehen zu wollen.
-Für ein dreimaliges nächtliches Klingeln an der Wohnungstür der Antragstellerin wird ein konkreter Zusammenhang mit dem Antragsgegner ebenfalls nicht dargetan. Auch insofern ist zudem auf die bereits zuvor angesprochenen Angaben im Rahmen der Anzeige hinzuweisen.
Hinsichtlich der einmaligen anonymen Briefsendung vom Ende Mai 2012 ist ein Bezug zum Antragsgegner wiederum weder konkret behauptet, noch glaubhaft gemacht.
Auch die vom Antragsgegner zwischen dem 16. und 20. April 2012 an die Antragstellerin über von ihrem Arbeitgeber ausdrücklich zur grundsätzlichen Kontaktaufnahme (auf dessen Internetseite heißt es - am 24. Oktober 2012 - etwa unter der Rubrik "Kontakt" ausdrücklich "Kontakt zu den Moderatoren ... erreicht ihr direkt im Studio über ..." wobei die dabei - wenn auch derzeit nicht bezüglich der Antragstellerin - angegebene Adresse jeweils nach dem Prinzip <vom Sender verwendeter Vornamen>@<Sendername> aufgebaut ist) eröffnete eMail-Konten gerichteten eMails stellen eine Tathandlung gemäߧ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. b GewSchG nicht dar.
Voraussetzung danach wäre nämlich bereits eine Handlung "gegen den ausdrücklich erklärten Willen". An einer derartigen - jedenfalls unter den konkreten dargelegten Umständen der erfolgten Eröffnung des eMail-Verkehrs im Zusammenhang mit der konkreten beruflichen, bewußt an eine breite Öffentlichkeit gerichteten Tätigkeit der Antragstellerin erforderlichen - ausdrücklichen Erklärung fehlte es ohne jeden Zweifel für die Zeit bis zum 16. April 2012.
Erst am 16. April 2012 um 7:27 Uhr sandte dann der "Hörerservice" des Arbeitgebers der Antragstellerin an den Antragsgegner eine eMail mit dem Inhalt "Hallo Stephan, bitte schreibe keine eMails mehr an [Vorname der Antragstellerin]. Sie fühlt sich durch Deine Worte und Inhalte belästigt. Solltest Du Dich nicht daran halten, müssen wir überlegen, ob wir andere Maßnahmen wählen als diese eMail." Damit war - zunächst - in ausdrücklicher Weise der Wille der Antragstellerin erklärt, überhaupt keine Zusendungen des Antragsgegners mehr zu wünschen.
Diese eigentlich klare Situation wurde jedoch alsbald vom besagten "Hörerservice" selbst wieder beseitigt. Auf die - ausdrücklich an den Hörerservice, also nicht etwa an die Antragstellerin - gerichtet eMail des Antragsgegners von 7:56 Uhr - "... müssen wir überlegen, ob wir andere Maßnahmen wählen ... - Wollt Ihr mir dann die XXXbombe schicken?" erfolgte um 8:01 Uhr die Antwort: "Lieber ..., nein, das natürlich nicht, aber wir müßten zum Beispiel Deine eMail Adresse als Spam blockieren und dann kannst Du uns gar keine Mails mehr schreiben. Nicht mal mehr, wenn du nur eine Frage zu einem Musiktitel hast. Das wäre doch doof und muß ja nicht sein.Also, schick uns ernstgemeinte eMails und Du bekommst jedes Mal eine Antwort. Auf anzügliche Mails an [Vorname der Antragstellerin] reagieren wir jetzt nicht mehr."
Abgesehen von der hier nicht weiter zu vertiefenden Frage, ob angesichts dieses Schreibens tatsächlich noch davon auszugehen war, daß die den Namen der Antragstellerin tragenden eMail-Anschriften beim Arbeitgeber überhaupt der Antragstellerin persönlich und nicht vielmehr allgemein dem Sendeunternehmen ("wir") zuzuordnen sind, wurde der Antragsgegner ausdrücklich zu weiteren "ernstgemeinten" eMails aufgefordert und war danach - anders als nach der eMail von 7:27 Uhr - allenfalls noch von einer gewünschten Unterlassung von "anzüglichen eMails an [Vorname der Antragstellerin]" auszugehen, wenn man denn eine solche Unterlassungsaufforderung aus der ausdrücklichen Ankündigung der Nichtreaktion überhaupt entnehmen will.
Die Bestimmung des Umfangs der nunmehr vom Antragsgegner zu unterlassenden Zusendungen war danach allerdings auch inhaltlich kaum möglich. Insbesondere wird eine Abgrenzung zwischen - nach dem Verständnis der Antragstellerin - "ernsthaften" bzw. "anzüglichen" Inhalten auch durch ihre eigenen Veröffentlichungen zumindest wesentlich erschwert. So wird in dem von ihr - als "Person des öffentlichen Lebens" unter Hervorhebung ihrer Tätigkeit als Moderatorin beim Sender ihres Arbeitgebers - allgemein zugänglich gemachten blog bei facebook etwa unter dem 7. Oktober 2012 mit entsprechendem Lichtbild die rosa Unterwäsche eines Kollegen thematisiert oder unter dem 6. Oktober 2012 zur Diskussion über den "Stock im Arsch" von Karl Lagerfeld aufgefordert.
Schon aufgrund dessen kann auch für die nachfolgenden vier eMails vom 16. April ("Hiermit möchte ich mich in aller Form für meine Anzüglichkeiten entschuldigen ..."), vom 17. April ("Hab doch Erbarmen mit mir und verzeih mir doch - Bitte") vom 19. und 20. April ("Bin ich Spam? Liest Du die eMail? Bitte") keine "widerrechtliche und vorsätzliche unzumutbare Belästigung" angenommen werden, selbst soweit darin teilweise auch der Wunsch nach einem persönlichen Kontakt zum Ausdruck gebracht wird.
Für die Zeit nach dem 20. April 2012 werden weitere eMail-Sendungen des Antragsgegners nicht einmal mehr behauptet, dies gilt erst recht für die Zeit nach der mit Anwaltsschreiben vom 23. April 2012 dem Antragsgegner übermittelten Aufforderung zur Unterlassung weiterer Zusendungen überhaupt.
-Ein - ausdrücklich einmalig und dabei auch nicht über einen längeren Zeitraum - behaupteter Aufenthalt des Antragsgegners am 24. Mai 2012 gegen 19:00 Uhr auf der gegenüberliegenden Straßenseite zur Wohnung der Antragstellerin, für den insbesondere irgendwelche Versuche der räumlichen Annäherung an die Antragstellerin oder deren Wohnung oder der Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin nicht einmal behauptet werden, stellt offenkundig weder ein "wiederholtes Nachstellen" noch gar eine "unzumutbare Belästigung" im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit, b GewSchG dar. Der Tatbestand des wiederholten Nachstellens erfaßt allein die Fälle der hartnäckigen Belästigung einer Person etwa durch deren wiederholte Überwachung, die ständige demonstrative Anwesenheit des Täters in der Nähe des Opfers, dessen Verfolgung, Kontaktversuche zum Opfer etc (vgl. OLG Koblenz - Beschluß vom 29. Dezember 2009 - 13 WF 1002/09 - FamRZ 2010, 1284 = NJW-RR 2010 = [...] m.w.N.). Dies wird auch durch das von ihr selbst vorgetragene eigene Verhalten der Antragstellerin und ihres Freundes deutlich, die weder im weiteren Verlaufes des 24. Mai 2012 Anlaß zu irgendwelchen Maßnahmen sahen, noch bei Feststellung von Schäden an ihrem Pkw am nächsten Morgen zeitnah gegenüber der Polizei einen Zusammenhang mit der behaupteten Anwesenheit des Antragsgegners geltend machten.
-Eine - zeitweilige - Einstellung der an die Antragstellerin gerichteten eigenen eMails durch den Antragsgegner im Rahmen seines blogs mag möglicherweise deren allgemeines Persönlichkeitsrecht tangieren. Dieses wird jedoch außerhalb der speziellen, in § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. a und b GewSchG beschriebenen Tathandlungen nicht durch § 1 GewSchG geschützt (jurisPK-BGB6, GewSchG § 1 Rz. 20; Palandt71-Brudermüller, GewSchG § 1 Rz. 5 a.E.; vgl. zum ebenso nicht umfaßten Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit OLG Frankfurt a. M. - Beschluß vom15.05.2012 - 4 WF 115/12 - [...] = BeckRS 2012, 18680).
Angesichts des ausdrücklichen Zusammenhangs der besagten Einstellung mit der Verwahrung gegen den von der Antragstellerin - nicht zuletzt im Rahmen einer erstatteten Strafanzeige - insofern erhobenen Vorwurf des stalking kann dies schließlich auch nicht ein (neuerlicher) Versuch der Kontaktaufnahme gedeutet werden.
Etwaige Ansprüche im Hinblick auf vom Antragsteller im Rahmen seines blogs eingestellte eMails des Hörerservices des Arbeitgebers können schließlich jedenfalls nicht durch die Antragstellerin geltend gemacht werden.
III.
Der Senat weist an dieser Stelle für das weitere Verfahren und die weitere Sachbehandlung durch das Amtsgericht noch auf Folgendes hin:
1. Unter den Umständen des vorliegenden Streitfalles könnte es bislang am erforderlichen Rechtsschutzinteresse des Antragsgegners an der nachgesuchten VKH-Bewilligung fehlen; darauf wird der Antragsteller durch das Amtsgericht ggf. noch hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sein. Der Antragsgegner hat für das vorliegende Anordnungsverfahren bislang nämlich ausschließlich um VKH selbst, nicht auch für die Beiordnung eines - bislang auch gar nicht benannten - Rechtsanwaltes nachgesucht.
Eine VKH-Bewilligung soll den Beteiligten aber lediglich von den für ein Verfahren vorzuschießenden Kosten befreien, um ihm die Verfahrensführung und damit seine Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung zu ermöglichen; sie dient dagegen nicht der vorsorglichen Freistellung von einer späteren Inanspruchnahme als Entscheidungsschuldner. Im vorliegenden Verfahren kann der Antragsgegner jedoch - schon aufgrund seiner Verfahrensstellung - weder auf Vorschüsse für die Verfahrenskosten in Anspruch genommen werden, noch hat er - mangels Vertretung durch einen Rechtsanwalt - bislang Gebührenvorschüsse an einen solchen zu entrichten.
Da unter den Umständen des vorliegenden Falles allerdings wohl unzweifelhaft die Voraussetzungen gemäß § 78 Abs. 2 FamFG dafür vorliegen dürften, dem Antragsgegner auf seinen Antrag hin einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen, wird jedenfalls im Falle einer Erweiterung des VKH-Gesuches auch auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes diesem zu entsprechen sein, da das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen glaubhaft gemacht ist.
2. Soweit das Amtsgericht die einstweilige Anordnung bis zum Ablauf ihrer erfolgten Befristung nicht bereits aufgehoben haben und nach Erledigung durch Zeitablauf lediglich noch eine Kostenentscheidung erfolgen sollte, wird im Hinblick auf § 61 Abs. 2 FamFG der Wert des Beschwerdegegenstandes einer etwaigen Beschwerde gegen die isolierte Kostenentscheidung zu prüfen sein. Soweit einer solchen isolierten Kostenentscheidung eine von den oben unter II. dargelegten Beurteilung abweichende Bewertung durch das Amtsgericht zugrunde liegen sollte, wäre nämlich bei einem ermittelten Wert von nicht mehr als 600 EUR eine Beschwerdezulassung gemäß § 61 Abs. 3 FamFG geboten.