Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.10.2012, Az.: 2 W 255/12
Voraussetzungen einer Gerichtskostenermäßigung nach Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich erst nach Aufhebung des Ersturteils und Zurückverweisung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.10.2012
- Aktenzeichen
- 2 W 255/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 25358
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:1009.2W255.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 21 GKG
- Nr. 1211 KV GKG
Fundstelle
- NJW 2012, 8
Amtlicher Leitsatz
Eine Gerichtskostenermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG tritt regelmäßig nicht ein, wenn der Rechtsstreit erst durch Vergleich beendet wird, nachdem das Revisionsgericht ein Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat. Werden die Kosten für das Verfahren bis zur Verkündung des Berufungsurteils jedoch wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG nicht erhoben, liegen die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der im weiteren Verfahren angefallenen Gerichtskosten vor.
Tenor:
Die am 4. September 2012 vorab per Telefax beim Oberlandesgericht eingegangene Erinnerung des Kostenschuldners vom 5. September 2012 gegen den Kostenansatz der Schlusskostenrechnung der Kostenbeamtin des Oberlandesgerichts Celle vom 31. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässige Erinnerung ist unbegründet.
I.
Zu Recht hat die Kostenbeamtin eine Gebührenermäßigung gemäß Nr. 1211 KV- GKG abgelehnt, weil die Voraussetzungen des Ermäßigungstatbestandes nicht vorliegen.
1.
Die Verfahrensgebühr nach Nr. 1210 KV-GKG ermäßigt sich bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach dem eindeutigen Wortlaut des Gebührentatbestandes Nr. 1211 S. 1, 2. Hs. KV-GKG nur dann, wenn noch kein anderes als eines der in Nr. 1211 Nr. 2 KV-GKG genannten Urteile vorausgegangen ist.
Nr. 1211 KV-GKG differenziert dabei nicht nach der Art und dem Gegenstand des Urteils, also nicht danach, ob das vorausgegangene Urteil den Streitgegenstand ganz erledigte oder es sich nur um ein Teilurteil handelte (OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 1535, [OLG Frankfurt am Main 19.07.1995 - 6 W 61/95] Rn. 16 f.; OLG Koblenz MDR 2005, 119 [OLG Koblenz 20.07.2004 - 14 W 470/04]), und es ist nicht einmal von Bedeutung, ob das Urteil überhaupt den Streitgegenstand der Hauptsache betraf (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1231, [OLG Düsseldorf 09.03.1999 - 10 W 19/99] Rn. 5).
Auch die Motive (Bundestags-Drucksache 12/6962 S. 70) lassen erkennen, dass Voraussetzung für eine gebührenermäßigende Beendigung des Verfahrens in jedem Fall das Fehlen eines vorausgegangenen Urteils sein soll. Damit ist etwa dann kein Raum für eine Ermäßigung, wenn ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO erlassen worden ist und in dem nach Einspruch angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung die Klage zurückgenommen wird (OLG München MDR 1996, 968, Ls. 1). Nichts anderes gilt für den Fall, dass das Versäumnisurteil nur den zunächst eingeklagten Anspruch betraf und darin nicht eine spätere Klageerweiterung einbezogen war, die dann ebenfalls Gegenstand der umfassenden gütlichen Einigung der Parteien wird (OLG Hamburg MDR 1998, 623, Ls. 2).
2.
Etwas anderes gilt auch nicht im Falle der Aufhebung eines Urteils im Revisionsverfahren und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das zweitinstanzliche Gericht bei dann nachfolgendem gerichtlichem Vergleich (Meyer GKG/ FamGKG, 13. Auflage, § 38, Rn. 2; OLG Nürnberg MDR 2003, 416, Rn. 6 und Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann-Zimmermann, 2. Auflage, § 37 GKG, Rn. 2 jeweils für die Klagerücknahme bei Aufhebung im Berufungsverfahren). Es handelt sich bei den beiden Verfahrensabschnitten des ersten Rechtszuges vor und nach dem Berufungsverfahren um dieselbe gebührenrechtliche Instanz (Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann-Zimmermann, 2. Auflage, § 37 GKG, Rn. 1).
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, die Aufhebung des Urteils im Revisionsverfahren führe dazu, dass ein vorausgegangenes Urteil i. S. d. Nr. 1211 S. 1, 2. Hs. KV-GKG nicht mehr vorliege und somit der Ermäßigungstatbestand Anwendung finde. Die Ermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG hängt nicht davon ab, ob das vorausgehende Urteil Bestand hatte oder nicht (OLG Nürnberg a. a. O. Rn. 7). So ist auch in den Fällen der Klagerücknahme oder des Vergleichsschlusses ein vorausgegangenes Hauptsacheurteil wirkungslos. Daher kann der - soweit ersichtlich nur von Hartmann (Kostengesetze, 42. Auflage, § 37 GKG, Rn. 2) ohne nähere Begründung und entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 1211 KV- GKG vertretenen - Auffassung nicht gefolgt werden, nach einer Zurückverweisung kämen noch die Ermäßigungstatbestände der Nr. 1211 KV-GKG zum Zuge.
Für die Nichtanwendung des Ermäßigungstatbestandes der Nr. 1211 KV-GKG spricht auch, dass die Regelung der Prozesswirtschaftlichkeit dienen soll, indem sie dem Gericht die Auseinandersetzung mit dem Sachstand und der Rechtslage erspart und im Gegenzug das entsprechende Verhalten der Prozessparteien durch eine Gebührenermäßigung honoriert (BVerfG NJW 1999, 3550, [BVerfG 27.08.1999 - 1 BvL 7/96] Rn. 19, Hartmann a. a. O., Nr. 1211 KV-GKG, Rn. 2). Dies muss bei der Auslegung mit beachtet werden, wobei sich auf Grund des Ausnahmecharakters des Ermäßigungstatbestands eine weite Auslegung verbietet (OLG Koblenz MDR 2005, 119 [OLG Koblenz 20.07.2004 - 14 W 470/04]; OLG Oldenburg NJW-RR 1999, 942, Rn. 8). Mit Erlass des später aufgehobenen Urteils ist der Arbeitsaufwand des Erstrichters (oder wie vorliegend Zweitrichters) bereits angefallen. Hieran ändert sich durch Aufhebung und Zurückverweisung sowie spätere Verfahrensbeendigung durch Klagerücknahme oder Vergleich nichts. Es daher nur konsequent, ein im Rechtsmittelverfahren aufgehobenes Urteil zu den allgemein einer Ermäßigung entgegenstehenden Urteilen i. S. d. Nr. 1211 S. 1 , 2. Hs. KV-GKG zu zählen. Ein solches Urteil entfaltete genau wie ein bereits in erster Instanz durch nachfolgenden Vergleichsschluss oder durch Klagerücknahme wirkungslos gewordenes Urteil eine Sperrwirkung hinsichtlich der Gebührenermäßigung (vgl. OLG Nürnberg a. a. O).
II.
In der Erinnerung des Kostenschuldners ist jedoch zu gleich eine Anregung zu sehen, über die Nichterhebung der Kosten auf Grund unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG zu entscheiden. Dies ist keine Frage des vorliegenden Erinnerungsverfahrens, weil für die Entscheidung nach § 21 GKG das Instanzgericht (Hartmann, a.a.O., § 21 GKG, Rn. 54) und somit der 9. Zivilsenat des hiesigen Oberlandesgerichts zuständig ist. Die Kostenbeamtin wird daher das Verfahren dem im Berufungsverfahren erkennenden Senat zur Prüfung vorzulegen haben, ob eine Entscheidung nach § 21 GKG zu treffen ist.
Für den Fall, dass das Instanzgericht im Rahmen des § 21 GKG zu einer Kostenniederschlagung kommt, würde der Ermäßigungstatbestand der Nr. 1211 KV-GKG allerdings Anwendung finden. Durch die Niederschlagung würden die in zweiter Instanz bis einschließlich der Urteilsverkündung am 9. Januar 2008 (Bl. 267 Bd. II d. A.) angefallenen Gebühren entfallen. Die für das Verfahren nach der Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht entstandenen Verfahrensgebühren unterliegen dem Ermäßigungstatbestand der Nr. 1211 KV-GKG, weil der Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit dem nicht mehr entgegenstehen würde. Zwar ist der Arbeitsaufwand für das Berufungsurteil nach wie vor angefallen, jedoch könnten auf Grund der Niederschlagung nach § 21 GKG Gebühren für das Verfahren bis zur Verkündung dieses Urteils nicht mehr erhoben werden. Können für den Arbeitsaufwand aber keine Gebühren geltend gemacht werden, kann dieser auch nicht der Ermäßigung im Sinne der Nr. 1211 KV-GKG entgegenstehen.
In diesem Fall würde für die Kostenbeamtin Veranlassung bestehen, die Kostenrechnung zu korrigieren.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 66 Abs. 8 GKG.