Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.04.2001, Az.: L 3/5 KA 64/00

Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe; Qualitätsnachweis der Leistungserbringer ("entsprechende Qualifikation"); Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde; Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung; Anerkennung zum Führen der Bezeichnung "Stimm- und Sprachstörungen" sowie für die Zusatzbezeichnung "plastische Operationen"; Teilnahme an einen fünftägigen 30 Zeitstunden umfassenden Kurs "Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe gemäß 3.2 der NUB-Richtlinien"; Gesetzeskonforme Auslegung der Richtlinien des Bundesausschusses; Keine vergleichbare Qualifikation mit einem Lungenfacharzt bzw einem Internisten mit der Teilgebietsbezeichnung Pneumologie; Keine Konkretisierung des Begriffs "entsprechende Qualifikation" durch Auslegung möglich; Unzulässige Ermächtigungsweitergabe an die Kassenärztlichen Vereinigungen; Fehlende hinreichende Bestimmtheit einer Norm

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
25.04.2001
Aktenzeichen
L 3/5 KA 64/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 15935
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:0425.L3.5KA64.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 22.12.1999 - AZ: S 16 KA 863/96

Prozessführer

Dr. B.

Prozessgegner

Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, E.,

Sonstige Beteiligte

1. F.,

2. G.,

hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 2001

durch

den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht H. -,

die Richterin am Landessozialgericht I.,

den Richter am Landessozialgericht J. und

die ehrenamtlichen Richter K. und L.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Dezember 1999 geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 1996 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beigeladene zu 1) trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beklagten aus beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das Sozialgericht sie mit seinem angefochtenen Urteil zur Neubescheidung des Antrags des Klägers auf Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe verurteilt hat.

2

Gestützt auf die Ermächtigungsgrundlage des § 135 Abs 1 Sozialgesetzbuch Buch V gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 4. Dezember 1990 Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) erlassen. In deren Anlage 3 waren auch Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe aufgenommen worden. Bezüglich der Qualifikation der durchführenden Ärzte regelte diese Anlage Folgendes:

"3.1

Die Durchführung und Abrechnung der Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe setzt eine Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung voraus. Zur Erlangung dieser Genehmigung haben die Leistungserbringer eine entsprechende Qualifikation nachzuweisen. Die Qualifikation wird unterstellt bei Lungenfachärzten, bei Internisten mit der Teilgebietsbezeichnung Lungen- und Bronchialheilkunde (Pneumologie) oder bei Ärzten mit vergleichbaren Qualifikationen.

3.2

Zusätzlich ist der Kassenärztlichen Vereinigung die Teilnahme an einem von ihr anerkannten Kurs von mindestens 5 Tagen Dauer nachzuweisen. In diesem Kurs sollen eingehende Kenntnisse zur Differenzialdiagnose von Hypersomnien vermittelt werden. Für das Krankheitsbild der Schlafapnoe sind die Indikationen zu weitergehenden Untersuchungen mittels Registrierung der klinisch relevanten Parameter und deren Beurteilung sowie die Stufentherapie anhand typischer Fälle zu erarbeiten. Der sachgerechte Umgang mit den Registriergeräten ist durch praktische Übungen - auch im Hinblick auf die notwendigen Anweisungen an die Patienten - zu gewährleisten."

3

An die Stelle der NUB-Richtlinien sind inzwischen die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V (BUB-Richtlinien) vom 10. Dezember 1999 getreten. Diese umfassen in ihrer Anlage 3 ebenfalls Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe. Die Anforderungen an die Qualifikation der durchführenden Ärzte entsprechen denen der früheren NUB-Richtlinien.

4

Die Anforderungen an den Nachweis der nach Ziffer 3.1 Satz 2 erforderlichen "entsprechenden Qualifikation" werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Bundesgebiet sehr unterschiedlich interpretiert. So verlangt beispielsweise die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein eine Ausbildung, die der eines Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde entspricht. Die Kassenärztliche Vereinigung Bremen fordert eine zweijährige Tätigkeit in einem Schlaflabor; die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe begnügt sich hingegen mit einem individuellen Kolloquium.

5

Der Kläger ist als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung in M. zugelassen. Er verfügt über die Anerkennung zum Führen der Bezeichnung "Stimm- und Sprachstörungen" sowie für die Zusatzbezeichnung "plastische Operationen". Im Mai 1995 nahm er an einem fünftägigen 30 Zeitstunden umfassenden Kurs "Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe gemäß 3.2 der NUB-Richtlinien" der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung teil. Hierauf gestützt suchte er bei der Beklagten um eine Genehmigung zur Abrechnung der Behandlung von Schlafapnoepatienten nach.

6

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 1995 in der Fassung des dem Kläger am 30. September 1996 zugestellten Widerspruchsbescheides vom 25. September 1996 mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht hinreichend fachlich qualifiziert sei. An den Begriff "vergleichbare Qualifikationen" im Sinne der Ziffer 3.1 der NUB-Richtlinien zur Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe werde von ihr dahingehend interpretiert, dass folgende Qualifikationsnachweise zu erbringen seien:

1.

"Eine mindestens einjährige berufsbegleitende Tätigkeit in einem von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin akkreditierten Schlaflabor.

2.

Während dieser Zeit sind mindestens 10 Behandlungsfälle aufzuzeichnen, in denen die Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe im engen Kontakt mit dem Schlaflabor erfolgt. Der Nachweis über die berufsbegleitende Tätigkeit in dem Schlaflabor sowie über die in kooperativer Zusammenarbeit dort in diesem Zeitraum behandelten Patienten ist durch eine entsprechende Bescheinigung des Schlaflabors zu erbringen.

3.

Darüber hinaus ist die Teilnahme an einem Kurs von mindestens 5 Tagen Dauer gemäß Nr 3.2 der NUB-Richtlinien sowie der Besuch von mindestens 2 Fortbildungsveranstaltungen oder wissenschaftlichen Kongressen zum Thema "Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe" weitere Voraussetzung. Die Kurse bzw wissenschaftlichen Kongresse sind ebenfalls zu belegen."

7

Die vorstehend genannten Kriterien habe der Kläger jedoch bislang nicht erfüllt.

8

Mit seiner am 16. Oktober 1996 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, dass er aufgrund seiner langjährigen praktischen Tätigkeit und aufgrund seiner Fortbildung die geforderten Qualifikationen für die Durchführung und Abrechnung der Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe habe. Davon sei um so mehr auszugehen, als die im Bereich der Schlafapnoe auftretenden Krankheitsbilder historisch gesehen eine Domäne der HNO-Heilkunde gewesen seien. So seien 90 % aller kindlichen Schnarch-Apnoen und 50 bis 70 % aller Ronchopathien in erster Linie HNO-ärztlich diagnostiziert und behandelt worden.

9

Die Diagnose und Therapie von Nase, Nasennebenhöhlen, Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf und Luftröhre fielen fraglos in den HNO-Bereich. Schnarchen als Leitsymptom der Schlafapnoe entstehe aber nach Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie im HNO-Gebiet. Die Qualifikation des HNO-Arztes für die Differenzialdiagnose von Hypersomnien und damit für die grundlegenden Methoden der Diagnostik und Therapie schlafbezogener Atem­regulations­störungen sei daher zwingend zu unterstellen, soweit diese durch hals-nasen-ohrenärztliche Krankheitssymptome induziert werde. Dies habe auch die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie noch einmal in einer Stellungnahme vom 28. Juli 1998 zum Ausdruck gebracht.

10

Dementsprechend habe er Anspruch auf die begehrte Genehmigung. Dass er die von der Beklagten aufgestellten Qualifikationsanforderungen nicht erfülle, stehe dem nicht entgegen, weil die Beklagte überhaupt nicht rechtlich befugt sei, derartige Kriterien vorzugeben. Zwar sehe § 135 Abs 1 Ziffer 2 SGB V vor, dass der Bundesausschuss unter anderem auch Empfehlungen über die notwendige Qualifikation der Ärzte geben dürfe. Bei der Bestimmung der für die jeweilige Therapie erforderlichen Qualifikation komme diesem Ausschuss auch ein Beurteilungsspielraum zu, der Gesetzgeber habe ihm die Funktion eines Sachverständigengremiums zugedacht. Jedoch sei eine Verlagerung oder Weitergabe seiner gesetzlichen Entscheidungsbefugnis auf die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen nach dem klaren Gesetzeswortlaut unzulässig.

11

Soweit zur Ausfüllung des dem Bundesausschuss zukommenden Beurteilungsspielraums im vorliegenden Fall Ansatzpunkte darin zu sehen seien, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen vorgeschlagen habe, die Qualifikationsvoraussetzungen im Rahmen eines Kolloquiums zu überprüfen, sei die Beklagte unverständlicherweise dieser Anregung nicht nachgekommen.

12

Mit Urteil vom 22. Dezember 1999, der Beklagten zugestellt am 12. Mai 2000, hat das Sozialgericht Hannover – sinngemäß: unter Abweisung der Klage im Übrigen – die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung des Antrags des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Nach Nr. 3.1 der NUB-Richtlinien werde die Qualifikation für eine Behandlung der Schlafapnoe unterstellt bei Lungenfachärzten und Internisten mit der Teilgebietsbezeichnung Lungen- und Bronchialheilkunde sowie bei Ärzten mit vergleichbaren Qualifikationen. Welche Voraussetzungen für die Annahme einer vergleichbaren Qualifikation zu erfüllen seien, habe der Bundesausschuss nicht geregelt, sondern den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen überlassen. Diese Vorgaben seien von den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen in sehr unterschiedlicher Weise umgesetzt worden. Das Sozialgericht sei der Auffassung, dass diese Regelungen, insbesondere die außerordentlich starken Abweichungen, auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Weiterbildungsordnungen im Bereich der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen nicht vertretbar seien. Mit der gesetzlichen Regelung sei eine Übertragung des Rechts, allgemeine Regelungen für den Begriff "vergleichbare Qualifikationen" zu normieren, auf die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen nicht zu vereinbaren. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt, an Stelle des zu 1. beigeladenen Bundesausschusses allgemeine Regelungen über die erforderliche Qualifikation zu treffen. Vielmehr müsse die Beklagte bei jedem Antragsteller individuell prüfen, ob seine Qualifikation derjenigen der in Nr. 3.1 NUB-Richtlinien genannten Ärzte gleichkomme. Auch soweit ein Arzt die von der Beklagten aufgestellten Qualifikationserfordernisse nicht erfülle, sei eine individuelle Prüfung seiner Qualifikation erforderlich. Dies geschehe zweckmäßigerweise dadurch, dass der Arzt seine Dokumentationen über bisher von ihm erbrachte Diagnostik und Behandlung im Bereich der Schlafapnoe vorlegen und sich einem Kolloquium unterziehen müsse.

13

Mit ihrer am 24. Mai 2000 eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, dass die Qualifikationsanforderungen in Ziffer 3.1 der NUB-Richtlinien entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes rechtswirksam seien. Der Bundesausschuss als Normgeber habe sich mit dem Begriff der "vergleichbaren Qualifikationen" eines unbestimmten Rechtsbegriffes bedient. Dies habe zur Folge, dass der Ausschuss die Entscheidung darüber, ob es sich um eine "vergleichbare Qualifikation" handele, im Einzelfall auf die für die Erteilung der Genehmigungen zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen übertragen habe. Diese sei nach der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 25.08.1999 – B 6 KA 39/98 R – SozR 3-2500 § 135 SGB V Nr 11) jedenfalls in engen Grenzen zulässig.

14

Schon wegen der Benennung der Fachgebiete, bei denen eine Qualifikation aufgrund der Weiterbildung unterstellt werde, werde der Spielraum der Kassenärztlichen Vereinigung bei der Ausfüllung des Begriffes der "vergleichbaren Qualifikation" erheblich eingeengt. Da die Weiterbildungsinhalte überdies in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich geregelt seien, sei es nur folgerichtig, die Anforderungen an eine "entsprechende Qualifikation" für Ärzte anderer Fachrichtungen nicht in einer bundeseinheitlichen Richtlinie zu regeln.

15

Die von ihr in Ausübung des ihr damit übertragenen Regelungsspielraums aufgestellten Kriterien seien sachgerecht und verhältnismäßig. Dies gelte um so mehr, als Internisten mit dem Schwerpunkt Pneumologie nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 1. Oktober 1996 im Rahmen ihrer Weiterbildung unter anderem bei 30 Patienten die selbständige Durchführung und Befundung der Behandlung schlafbezogener Atemregulationsstörungen vornehmen müssten.

16

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. Dezember 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

17

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Beklagte nicht befugt sei, im Rahmen allgemeiner Verwaltungsrichtlinien die Anforderungen an die Qualifikation der Ärzte nach Ziffer 3.1 der NUB-Richtlinien zu konkretisieren. Eine Verlagerung oder Weitergabe der diesbezüglich dem Bundesausschuss zukommenden Regelungskompetenz auf die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen sei nach dem klaren Gesetzeswortlaut unzulässig. Es sei auch weiterhin als unverständlich zu beurteilen, dass sich die Beklagte nicht mit einem Kolloquium zur Überprüfung der erforderlichen Qualifikation begnüge. Eine solche Vorgehensweise stelle eine angemessene und zuverlässige Möglichkeit der Überprüfung der erforderlichen Qualifikation dar und werde auch von den Kassenärztlichen Vereinigungen in Hamburg, Koblenz, Südbaden, Trier und Westfalen-Lippe praktiziert.

19

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

20

Der zu 1. beigeladene Bundesausschuss N. hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert, jedoch im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass es sich bei der sogenannten Schlafmedizin um ein Querschnittsfach handele, das nach den Regelungen der ärztlichen Berufsausübung grundsätzlich den Gebieten der Allgemeinmedizin, der HNO-Heilkunde, der Neurologie sowie der inneren Medizin zugeordnet werden könne.

21

Im Rahmen der Einführung der Schlafapnoe als ärztliche Behandlungsmethode nach § 135 Abs 1 SGB V im Jahre 1991 sei es nicht möglich gewesen, eine abschließende wissenschaftliche Bewertung darüber vorzunehmen, welchen weiteren Fachgebieten die Schlafmedizin zuzuordnen sei. Daher habe er den Erlass von Durchführungsbestimmungen, wann im Einzelnen die in Ziffer 3.1 der Richtlinien geforderte "vergleichbare Qualifikation" vorliege, den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen überlassen dürfen.

22

Im Rahmen einer zur Zeit anhängigen Überarbeitung der Richtlinien sei allerdings zu erwarten, dass die Qualifikationsvoraussetzungen konkretisiert würden.

23

Die zu 2. beigeladene O. hat sich ebenfalls im vorliegenden Berufungsverfahren nicht geäußert.

24

Vorprozessual hat sie sich allerdings mit Schreiben vom 26. November 1991 und 24. April 1992 dahingehend geäußert, dass bei der Aufstellung der NUB-Richtlinien beschlossen worden sei, die Entscheidung über die erforderliche Qualifikation der behandelnden Ärzte den Kassenärztlichen Vereinigungen zu überlassen, zumal der Kreis der außerhalb der in Ziffer 3.1 ausdrücklich aufgeführten (Teil-)Gebietsbezeichnung um eine Qualifikationsbestätigung nachsuchenden Ärzte relativ klein sein würde. Inwieweit HNO-Ärzte über diese "vergleichbare Qualifikation" verfügten, könne nur unter kritischer Würdigung der bisherigen Weiterbildung im Einzelfall entschieden werden.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur insofern Erfolg, als die auch nach Auffassung des Senates erforderliche Neubescheidung des klägerischen Antrages nach anderen Kriterien als den vom Sozialgericht befürworteten zu erfolgen hat. Es obliegt zunächst dem zu 1. beigeladenen Bundesausschuss der P., im Rahmen einer Neufassung der nunmehrigen BUB-Richtlinien die Qualifikationsanforderungen an die eine Schlafapnoe behandelnden Ärzte zu konkretisieren. Da die Beklagte die dem Bundesausschuss obliegende Regelung nicht durch eine eigene ersetzen darf, hat sie vor der erforderlichen Neubescheidung des klägerischen Antrages zunächst die dem Beigeladenen zu 1. obliegende Neufassung der BUB-Richtlinien abzuwarten und sodann auf der Grundlage der geänderten BUB-Richtlinien das klägerische Begehren erneut zu prüfen.

27

Nach § 135 Abs 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auf Antrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über (Nr 1) die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachter Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung und (Nr 2) über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern. In Ausübung dieser Ermächtigungsgrundlage hat der Bundesausschuss die bereits im Tatbestand dargelegten Richtlinien zur Qualifikation der durchführenden Ärzte bei der Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe in Ziffer 3.1 der Anlage zu den NUB- bzw heute BUB-Richtlinien erlassen. Dabei sind diese Richtlinien in gesetzeskonformer Auslegung dahingehend zu interpretieren, dass sie nur die Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe mittels einer kontinuierlichen simultanen Registrierung der Atmung, des Sauerstoffgehaltes des Blutes, der Herzfrequenz und der Körperlage im Sinne der Ziffern 728, 729 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in der Fassung vom 10. Oktober 1994 bzw im Sinne der Ziffer 728 EBM in der heute geltenden Fassung der EBM erfassen sollen. Nur insoweit handelt es sich um eine "neue Methode", das heißt um eine auf einem eigenen theoretisch-wissenschaftlichen Konzept beruhende medizinische Vorgehensweise (vgl BSG, Urteil vom 25.08.1999 aaO), wohingegen mit dem Begriff "Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe" im Übrigen nicht auf eine Methode, sondern auf ein Krankheitsbild abgestellt wird.

28

Die damit grundsätzlich dem Bundesausschuss zukommende Befugnis, die notwendige Qualifikation der solche Maßnahmen durchführenden Ärzte in Form von – die Beteiligten an der vertragsärztlichen Versorgung bindenden – Empfehlungen nach § 135 Abs 1 Satz 1 Ziffer 2 in Verbindung mit § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V vorzugeben, ist in Ziffer 3.1 der Anlage zu den NUB- bzw heute BUB-Richtlinien wie folgt umgesetzt worden: Grundtatbestand ist die Regelung des Satzes 2 der Ziffer 3.1. Ihr zufolge wird die nach Satz 1 erforderliche Genehmigung erteilt, wenn die Leistungserbringer "eine entsprechende Qualifikation" nachweisen. Diese Grundregel wird durch die Ausnahmeregelung des Satzes 3 ergänzt, wonach die erforderliche Qualifikation bei Lungenfachärzten, bei Internisten mit der Teilgebietsbezeichnung Lungen- und Bronchialheilkunde (Pneumologie) oder bei Ärzten mit vergleichbaren Qualifikationen "unterstellt" wird.

29

Im vorliegenden Fall erfüllt der Kläger nicht die Anforderungen der ergänzenden Bestimmung des Satzes 3 der Ziffer 3.1. Er weist keine einem Lungenfacharzt oder einem Internisten mit der Teilgebietsbezeichnung Lungen- und Bronchialheilkunde (Pneumologie) vergleichbaren Qualifikationen auf. Die Zulassung als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Pneumologie setzt nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen vom 1. Oktober 1997 unter anderem eine zweijährige Weiterbildungszeit an einer zur Weiterbildung im Schwerpunkt Pneumologie ermächtigten Weiterbildungsstätte voraus, wovon mindestens 1 Jahr im Stationsdienst geleistet werden muss. Im Rahmen dieser Ausbildung sollten nach der Weiterbildungsordnung umfängliche Kenntnisse und Erfahrungen in Ätiologie, Pathogonese, Pathophysiologie, Symptomatologie, Diagnostik und Therapie der Krankheiten der Lunge, der Bronchien, des Mediastinums und der Pleura einschließlich der Röntgendiagnostik des Schwerpunktes, der schwerpunktbezogenen endoskopischen Verfahren und der Biopsie sowie der Indikationsstellung zur weiterführenden Diagnostik, zur operativen und Strahlenbehandlung vermittelt werden (vgl Ziffer 15.C.7 der Weiterbildungsordnung). Es wird weder vom Kläger geltend gemacht noch ist es sonst ersichtlich, dass dieser über entsprechende Spezialkenntnisse im Hinblick auf Lungenerkrankungen wie ein Pneumologe verfügt. Namentlich hat der Kläger nicht im Stationsdienst einer pneumologischen Klinik gearbeitet. Als Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde hat er auch nicht Lungenerkrankungen, sondern Behandlungen im Bereich des Kopfes und des Halses in den unter Ziffer 10. der Weiterbildungsordnung genannten Ausprägungen zu behandeln.

30

Auch wenn der Kläger damit nicht über eine einem Lungenfacharzt bzw einem Internisten mit der Teilgebietsbezeichnung Pneumologie vergleichbare Qualifikation verfügt, ergibt sich daraus noch nicht, dass sein Antrag erfolglos bleiben muss. Hieraus folgt nur, dass sich der Kläger nicht auf den ergänzenden Ausnahmetatbestand des Satzes 3 der Ziffer 3.1 der Richtlinien berufen kann. Zu klären bleibt dessen ungeachtet die Frage, ob der Kläger die Voraussetzungen des Grundtatbestandes des Satzes 2 der Ziffer 3.1 erfüllt, ob er also eine "entsprechende Qualifikation" nachgewiesen hat.

31

Mit der von ihm gewählten Systematik der Regelungen in Ziffer 3.1 hat der beigeladene Bundesausschuss zum Ausdruck gebracht, dass auch solche Ärzte die erforderliche Genehmigung zur Abrechnung der Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe erhalten können, die zwar nicht als Lungenfacharzt bzw als Internist mit der Teilgebietsbezeichnung Lungen- und Bronchialheilkunde (Pneumologie) zugelassen sind und auch nicht über die einem solchen Arzt vergleichbaren Qualifikationen verfügen, die aber gleichwohl die zur Durchführung und Abrechnung der Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe "entsprechende Qualifikation" aufweisen. Dieser der Regelung zugrunde liegende Ansatz ist auch naheliegend vor dem Hintergrund, dass es sich bei der sogenannten Schlafmedizin um ein Querschnittsfach handelt.

32

Allerdings durfte sich der Bundesausschuss nicht allein mit der Regelung begnügen, dass solche Ärzte eine "entsprechende Qualifikation" aufweisen müssen. Mit dieser Regelung wird letztlich nur in einer anderen Formulierung das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der "notwendigen Qualifikation" wiedergegeben. Der Bundesausschuss hat es aber gerade versäumt, entsprechend dem gesetzlichen Regelungsauftrag die Anforderungen an die notwendige bzw entsprechende Qualifikation der Ärzte näher zu konkretisieren.

33

Im vorliegenden Zusammenhang ist es auch nicht möglich, den unbestimmten Rechtsbegriff der "entsprechenden Qualifikation" im Wege der Auslegung näher zu konkretisieren. Die Regelung des Satzes 3 der Ziffer 3.1 hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter, weil es sich dabei nur um eine Ausnahmebestimmung handelt, die vorsieht, dass es in den von ihr erfassten Fällen keines weiteren Qualifikationsnachweises bedarf. Es wird mit dieser Ausnahmebestimmung jedoch gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass auch alle übrigen Ärzte nur dann über die erforderliche Qualifikation verfügen, wenn sie über eine einem Lungenfacharzt (bzw einem Internisten mit der Teilgebietsbezeichnung Pneumologie) vergleichbare Qualifikationen verfügen.

34

Ein greifbarer Inhalt kann dem Begriff der "entsprechenden Qualifikation" schon deshalb nicht im Wege der Auslegung beigemessen werden, weil die Ausgestaltung der Anforderungen im Einzelnen einen Wertungsakt voraussetzt und spezifische ärztliche Fachkenntnisse erfordert. Letztlich wären nahezu alle der sehr unterschiedlichen von den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen entwickelten Konkretisierungen im Grundsatz (vorbehaltlich teilweise erforderlicher Konkretisierungen) als vertretbar zu werten, sofern sich der zuständige Ausschuss von der Einschätzung leiten lassen würde, dass derartige Qualifikationsanforderungen hinreichend und notwendig zur Sicherstellung einer fachgerechten ärztlichen Versorgung der Schlafapnoe sind. Gerade vor diesem Hintergrund eines sehr weiten Bewertungsspielraumes hat der Gesetzgeber in § 135 Abs 1 Satz 1 Ziffer 2 SGB V die erforderliche Konkretisierung der notwendigen Qualifikation dem Bundesausschuss als einem paritätisch und fachkundig besetzten Gremium zugewiesen.

35

Bezeichnenderweise gehen auch alle Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreites, namentlich auch der beigeladene Bundesausschuss selbst, davon aus, dass der Begriff der "entsprechenden Qualifikation" nicht im Wege der Auslegung konkretisiert werden kann, sondern dass mit dieser Regelung die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der zu stellenden Qualifikationsanforderungen vom Bundesausschuss auf die einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen übertragen werden sollte. Eine derartige Ermächtigungsweitergabe ist jedoch unzulässig. Auch wenn die Normierung unbestimmter Rechtsbegriffe so lange als unbedenklich anzusehen ist, wie ihr Inhalt noch bestimmbar ist, darf mit ihr keine unzulässige Delegation der Rechtsetzungskompetenz an den Rechtsanwender erfolgen. Der Gebrauch eines unbestimmten Rechtsbegriffes darf nicht dazu führen, dass der Rechtsanwender einen Entscheidungsspielraum erhält, wie ihn Normsetzer haben. Dies gilt in besonderem Maße im Verhältnis vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu den Kassenärztlichen Vereinigungen, da sich sonst die Regelungskompetenz von einem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung, das paritätisch mit Vertretern der Ärzte und Krankenkassen besetzt ist, an die ärztliche Selbstverwaltung ergäbe (vgl ebenfalls BSG, Urteil vom 25.08.1999 - B 6 KA 39/98 R -).

36

Die Regelung in Satz 2 der Ziffer 3.1 der NUB- bzw heute BUB-Richtlinien ist daher mangels hinreichender Bestimmtheit als nichtig anzusehen. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass jeder Vertragsarzt Anspruch auf Erteilung der in Satz 1 der Ziffer 3.1 vorgesehenen Genehmigung hat. Der Bundesausschuss hat ungeachtet der mangelnden Bestimmtheit des konkreten Regelungsinhaltes mit der Bestimmung des Satzes 2 klar zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner von Gesetzes wegen nicht zu beanstandenden Auffassung es zusätzlich zu dem in Ziffer 3.2 vorgesehenen Kurs einer weiteren Qualifikation bedarf, um Diagnostik und Therapie der Schlafapnoe durchführen zu dürfen. Die bislang fehlende hinreichende Bestimmtheit dieser Qualifikationsanforderungen hat lediglich zur Folge, dass es dem beigeladenen Bundesausschuss obliegt, in Ausübung der ihm durch § 135 Abs 1 Satz 1 Ziffer 2 SGB V verliehenen Ermächtigung im Rahmen einer Neufassung der BUB-Richtlinien diese Anforderungen zu konkretisieren. Dabei kommt ihm, wie bereits angesprochen, ein weiter Regelungs- und Einschätzungsspielraum zu.

37

Dieser Verpflichtung kann sich der Bundesausschuss auch nicht dadurch entziehen, dass er auf Schwierigkeiten verweist, die sich aus den unterschiedlichen Fassungen der ärztlichen Weiterbildungsordnungen ergeben. Abgesehen davon, dass der Bundesausschuss selbst eine Konkretisierung der Qualifikationsanforderungen angekündigt hat, ist es ihm unbenommen, die erforderliche Qualifikation unabhängig von der jeweiligen Facharztrichtung an materiellen Kriterien, wie etwa an einer näher zu konkretisierenden vorausgegangenen Tätigkeit in einem Schlaflabor, festzumachen.

38

Die dem Bundesausschuss obliegende Konkretisierung der Qualifikationsanforderungen kann weder von der Beklagten noch vom Senat ersetzt werden. Für das vorliegende Verfahren bedeutet dies (vgl dazu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.03.1972 – 1 BvR 674/70– E 32, 365, 372), dass die auf der bisherigen, mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrigen, Fassung des Satzes 2 der Ziffer 3.1 der NUB-Richtlinien beruhenden angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben sind. Die Beklagte ist dann verpflichtet, zunächst die dem Beigeladenen zu 1. obliegende Neufassung der BUB-Richtlinien abzuwarten und nach deren Vorliegen erneut über das klägerische Begehren nach Maßgabe der geänderten BUB-Richtlinien zu entscheiden.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 Satz 2 SGG.