Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.07.2009, Az.: 6 W 106/09

Prüfungsmaßstab im Beschwerdeverfahren über den Streitwert des Berufungsverfahrens und Berücksichtigung von Nebenforderungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
23.07.2009
Aktenzeichen
6 W 106/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 20802
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:0723.6W106.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 08.05.2009 - AZ: 7 S 27/09

Fundstellen

  • AGS 2010, 36-37
  • NJW-Spezial 2010, 60
  • OLGR Celle 2009, 834-835

Amtlicher Leitsatz

1. Bei einer Beschwerde gegen den Beschluss über den Streitwert des Berufungsverfahrens kann das Beschwerdegericht zugleich den Streitwert der ersten Instanz von Amts wegen ändernden Beschluss des Berufungsgerichts überprüfen und von Amts wegen ändern.

2. Der Wert des mit der Vollstreckungsabwehrklage neben dem Urteil zugleich angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses ist bei der Höhe des Streitwerts als Nebenforderung nicht zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 ZPO).

Tenor:

Die Streitwertfestsetzung wird geändert.

Der Streitwert für die erste Instanz und für das Berufungsverfahren wird auf jeweils 3.650, EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig.

2

Der Senat schließt sich der überwiegenden Rechtsprechung und Literaturmeinung an, dass eine Streitwertfestsetzung des Landgerichts als Berufungsgericht mit der Beschwerde zum Oberlandesgericht anfechtbar ist, obgleich der Rechtszug in der Hauptsache zum Bundesgerichtshof führt, und das auch nur bei Zulassung der Revision (so auch: OLG Koblenz, MDR 2008, 405. OLG Celle (3. Zivilsenat), 17. November 2005, 3 W 142 /05. OLG Celle (2. Zivilsenat) OLGR 2007, 198. OLG Zweibrücken (4. Zivilsenat ), 10. April 2007, 4 W 25/07. OLG Düsseldorf, OLGR 2007, 127. Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 66 Rz. 89. Meyer, GKG, § 68 Rz. 1. nunmehr auch: Hartmann, GKG, § 66 GKG Rz. 42. a.A.: OLG Celle (11. Zivilsenat), OLGR, 2006, 191). Aus der amtlichen Begründung zu § 66 GKG auf den § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG verweist - ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Zuständigkeit für die Beschwerde nicht an den Instanzenzug in der Hauptsache binden wollte. Vielmehr sollte für die Beschwerde das allgemein dem erkennenden Gericht übergeordnete Gericht - hier das Oberlandesgericht - zuständig sein, unabhängig vom Rechtsmittelzug in der Hauptsache (BTDrucks. 15/1971, S. 158).

3

Es kann dahin gestellt bleiben, ob eine selbständige Beschwerde gegen den ebenfalls im Urteil enthaltenen Änderungsbeschluss zulässig ist. Jedenfalls unterliegt der vom Oberlandesgericht als Rechtsmittelgericht vorzunehmenden Überprüfung nicht nur der mit der Beschwerde angegriffene Beschluss des Landgerichts über den Streitwert des Berufungsverfahrens, sondern auch der den Streitwert erster Instanz von Amts wegen ändernde Beschluss des Landgerichts. Dies ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Danach kann das Rechtsmittelgericht die Streitwertfestsetzung von Amts wegen ändern, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder über den Streitwert sich in der Rechtsmittelinstanz befindet. Diese Änderungsbefugnis umfasst alle Streitwertentscheidungen der vorausgegangenen Instanzen, also sowohl der ersten Instanz als auch des Berufungsgerichts (vgl. BGH VersR 1989, 817 zitiert nach juris: Rz. 3), gleichgültig ob es sich dabei um eine Streitwertfestsetzung für die jeweilige Instanz oder um einen die Festsetzung der ersten Instanz auf Beschwerde oder von Amts wegen ändernden Beschluss des Berufungsgerichts handelt. § 63 Abs. 3 GKG enthält keine Beschränkung dahin, dass das mit der Hauptsache oder dem Streitwert befasste Rechtsmittelgericht eine den Streitwert von Amts wegen ändernde Entscheidung der unteren Instanz nicht ändern dürfte. Die Änderungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts kann nicht davon abhängig sein, ob das Berufungsgericht den Streitwertbeschluss der ersten Instanz von Amts wegen geändert hat oder nicht. Nur durch eine umfassende Überprüfungs- und Änderungsmöglichkeit des Rechtsmittelgerichts kann erreicht werden, dass - bei gleich bleibendem Streitgegenstand - ein gleich hoher Streitwert für alle Instanzen festgesetzt werden kann.

4

II.

Die Beschwerde ist begründet.

5

Der Streitwert für die von der Klägerin erhobene Vollstreckungsabwehrklage beträgt 3.650, EUR. Er entspricht dem Betrag, zu dessen Zahlung die Klägerin durch die von ihm angegriffenen Urteile (erster und zweiter Instanz) verurteilt worden war. Die aufgrund dieser Urteile durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. Januar 2008 festgesetzten Kosten in Höhe von 3.203,04 EUR sind gem. § 4 Abs. 1 ZPO als Nebenforderung nicht hinzuzurechnen (vgl. Zöller/Herget § 3 Rz. 16 "Vollstreckungsabwehrklage" und § 4 Rz. 12 (bei Klage zu § 826 BGB). Stein/Jonas/Pohle, ZPO, § 4 Rz. 25. Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 3 Anhang Stichwort "Vollstreckungsabwehrklage" Rz. 133. BGH NJW 1968, 1275 zitiert nach Juris Rz. 1. BGH WM 1956, 144. OLG Karlsruhe, MDR 1991, 353 [OLG Karlsruhe 07.11.1990 - 1 W 53/90]. MüKo/Wöstmann, ZPO, § 3 Rz. 130 und § 4 Rz. 24). Es kommt insoweit nicht darauf an, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss ein eigenständiger Vollstreckungstitel und die Vollstreckungsabwehrklage auch separat gegen diesen hätte erhoben werden können. Soweit die Vollstreckungsabwehrklage zugleich gegen den Hauptsachetitel und den Kostenfestsetzungsbeschluss erhoben wird, handelt es sich bei Letzterem um eine dem Streitwert nicht hinzuzurechnende Nebenforderung, nämlich die Kosten des Vorprozesses.