Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.07.2009, Az.: 13 U 18/09
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.07.2009
- Aktenzeichen
- 13 U 18/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 41670
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0709.13U18.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 01.12.2008 - AZ: 20 O 148/08
Fundstellen
- OLGR Celle 2009, 702-703
- ZIP 2009, 1531-1532
In dem Rechtsstreit
...
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., den Richter am Oberlandesgericht B. und die Richterin am Oberlandesgericht Z. auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2009 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 1. Dezember 2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover (20 O 148/08) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
- 1.
an den Kläger zu 1) 5 000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2006;
- 2.
an den Kläger zu 2) 5 000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2006;
- 3.
an den Kläger zu 3) 5 000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2006;
- 4.
an den Kläger zu 4) 5 000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2006
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 20 000 €.
Gründe
I.
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
II.
Die zulässige Berufung der Kläger hat Erfolg. Ihnen steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückgewähr der streitgegenständlichen Parteispenden nach den §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO zu. Die Spenden wurden in anfechtbarer Weise an die Beklagte überwiesen; die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf Entreicherung (§ 143 Abs. 2 InsO) berufen.
Im Einzelnen:
1. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte die Parteispenden in anfechtbarer Weise erhalten hat. Auf die betreffenden Darlegungen im angefochtenen Urteil (LGU S. 5 und 6 oben, Bl. 90, 91 d.A.) wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen. Ob Parteispenden gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke im Sinne von § 134 Abs. 2 InsO sein können, lässt der Senat allerdings offen. Jedenfalls waren sie im vorliegenden Fall nicht "geringen Werts".
2. Ergänzend - insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 8. Mai 2009 (Bl. 139 ff.d.A.) - gilt Folgendes:
a) Anlass für die von der Beklagten postulierte "verfassungskonforme Extension des § 134 Abs. 2 InsO" besteht nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nach § 134 Abs. 2 InsO auch bei Parteispenden auf die Geringwertigkeit der Zuwendungen an. Den von der Beklagten für ihre abweichende Auffassung angeführten Zitaten aus der Literatur ist - soweit ersichtlich - nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Soweit dort vertreten wird, dass es sich bei einer Parteispende um ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk im Sinne des § 134 Abs. 2 InsO handelt, wird dadurch nicht zugleich die gesetzliche Beschränkung auf geringwertige Geschenke negiert, die im Interesse der Insolvenzgläubiger geboten ist (vgl.z.B. MünchKommInsO-Kirchhof, 2. Aufl., § 134 Rdz. 46 a.E.). Rechtsprechung, die die Auffassung der Beklagten belegen soll, ist ebenfalls nicht ersichtlich und wird von ihr auch nicht zitiert.
b) Der Senat sieht im Übrigen auch sonst keine Veranlassung für die von der Beklagten geforderte "erweiterte" Auslegung des § 134 Abs. 2 InsO.
Der Gesetzgeber hat die notwendige Abwägung zwischen den Interessen der Gläubiger und den Interessen des Empfängers einer unentgeltlichen Zuwendung in der Weise getroffen, dass er die Anfechtungsmöglichkeit auf einen - wenn auch mit vier Jahren nicht unerheblichen - bestimmten Zeitraum begrenzt hat. Dem Empfänger einer unentgeltlichen Leistung steht es in Kenntnis dieser gesetzlichen Regelung frei, entweder Rückstellungen zu bilden oder - im Hinblick auf eine etwaige Entreicherung - zumindest eine entsprechende Dokumentation anzulegen. Dies gilt auch für Parteispenden.
Die von der Beklagten beschriebene Gefahr, dass Spenden juristischer Personen nunmehr stets aus Vorsichtsgründen nicht mehr zweckentsprechend verwandt werden könnten, besteht nach Überzeugung des Senats vor diesem Hintergrund nicht. Im Übrigen handelt es sich nach allgemeiner Lebenserfahrung ohnehin nur um den geringsten Teil erfolgter unentgeltlicher Zuwendungen, die im Rahmen einer Insolvenzanfechtung zurückgefordert werden (können).
3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie hinsichtlich der streitgegenständlichen Spenden entreichert ist (§ 143 Abs. 2 Satz 1 InsO).
Zwar hat sie in der Klageerwiderung unter Vorlage ihrer Einnahmen- und Ausgabenrechnungen, des Haushaltsplans und der Vermögensbilanz für das Jahr 2003 nachvollziehbar ausgeführt, dass ihre Mittel zum Zeitpunkt kurz vor der Landtagswahl ausgeschöpft waren und sogar eine Unterdeckung vorlag (Bl. 52 ff.d.A.).
Zu ihren Gunsten mag auch angenommen werden, dass die Ankündigung der Spendenzuwendungen seitens der Gemeinschuldnerinnen in ihre Entscheidung, kurz vor der Wahl noch eine ca. 250 000 € teure Anzeigenkampagne zu starten, mitbestimmend eingeflossen ist.
Auch auf den Hinweis des Senats vom 3. April 2009 konnte die Beklagte aber nicht konkret darlegen, in welcher Höhe sie im Vorfeld der Wahl und im Hinblick auf die geplante Anzeigenkampagne überhaupt Spenden gesammelt hatte ("über 200 000 €"). Zudem ergeben die von ihr vorgelegten Rechnungen der Verlagsgesellschaft und Werbeagenturen lediglich einen Gesamtrechnungsbetrag in Höhe von rund 205 000 €, so dass die von ihr behauptete Größenordnung der Kosten der Kampagne in Höhe von ("ca.") 250 000 € nicht hinreichend konkret dargestellt und belegt ist. Ob und in welchem Umfang die gesammelten Spenden - einschließlich der streitgegenständlichen - mithin tatsächlich für die Anzeigenkampagne verwendet worden sind, ist daher nach wie vor unklar. Denkbar ist insoweit sowohl, dass das Spendenaufkommen höher war als die tatsächlich für die Kampagne entstandenen Kosten, als auch, dass die Spenden nicht ausreichten, um die betreffenden Kosten vollständig auszugleichen. In beiden Fällen wäre keine Entreicherung eingetreten, weil entweder ein - vom Senat nicht bezifferbarer - Überschuss erwirtschaftet oder das bestehende Haushaltsdefizit gleichsam "sehenden Auges" vergrößert worden wäre, es mithin an einer "Luxusausgabe" gefehlt hätte.
Der Senat sieht zwar die Schwierigkeiten der Beklagten, angesichts des Zeitablaufs eine genaue Dokumentation vorzulegen. Dennoch können diese - selbst zu verantwortenden - Dokumentationsmängel prozessual nicht dazu führen, dass die Beklagte ihrer Substantiierungspflicht enthoben wäre.
4. Zinsen können - wie beantragt - ab dem Tag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt werden (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 BGB). Der zugesprochene Zinssatz ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.