Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.07.2009, Az.: 2 W 193/09
Notwendigkeit einer hinreichenden Begründung eines Nichtabhilfebeschlusses; Vorliegen eines sofortigen Anerkenntnisses aufgrund eines fehlenden Sachvortrags in der Verteidigungsanzeige
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.07.2009
- Aktenzeichen
- 2 W 193/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 35433
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0716.2W193.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 28.05.2009 - AZ: 19 O 294/08
Rechtsgrundlagen
- § 93 ZPO
- § 572 ZPO
Fundstellen
- PA 2009, 211
- ZInsO 2009, 1819-1820
In der Beschwerdesache
...
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Landwehr
am 16. Juli 2009
beschlossen:
Tenor:
Die am 2. Juli 2009 beim Landgericht Hannover eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin vom 1. Juli 2009 gegen die Kostenentscheidung in dem am 28. Mai 2009 verkündeten und der Klägerin am 25. Juni 2009 zugestellten Anerkenntnisurteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 4.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. § 99 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1 und 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
I.
Zwar leidet das Verfahren erster Instanz an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler. Denn nach § 572 ZPO hat das Ausgangsgericht einer begründeten Beschwerde abzuhelfen, weshalb es nach Einlegung einer Beschwerde einer Überprüfung der angefochtenen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bedarf. Es ist insoweit eine Amtspflicht des erkennenden Gerichts (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1986, 48), den Inhalt der Beschwerdeschrift daraufhin zu überprüfen, ob die angefochtene Entscheidung ohne Vorlage an das Beschwerdegericht zu ändern ist. Dies erfordert, dass der Richter das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Kenntnis nimmt und sich damit auseinandersetzt (vgl. OLG Nürnberg MDR 2004, 169; OLG Rostock NJOZ 2006, 159). Dieser Amtspflicht ist die Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts jedoch ersichtlich nicht nachgekommen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Nichtabhilfebeschluss außer dem pauschalen und nichtssagenden Satz, dass der Beschwerde nicht abgeholfen werde, keine Begründung enthält, was grundsätzlich und insbesondere mit Rücksicht auf das Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend ist. Ein Nichtabhilfebeschluss muss die Befassung des Richters mit den in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Argumenten erkennen lassen. Enthält der Beschluss keine Begründung, ist er allein schon deshalb aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzugeben (vgl. OLG Rostock OLGR 2006, 193, OLG Celle OLGR 2006, 848), Der Senat sieht allerdings ausnahmsweise von einer Aufhebung und Zurückverweisung ab und entscheidet sogleich in der Sache.
II.
#Das Landgericht hat zwar mit unzureichender Begründung, aber im Ergebnis zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Kosten des Rechtsstreits im Hinblick auf ein sofortiges Anerkenntnis des Beklagten i. S. von § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen waren. Der Beklagte hat nicht durch sein Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
1.
Die Frage, ob im Falle des vorläufigen Bestreitens einer Forderung durch einen Insolvenzverwalter von einer Veranlassung zur Klageerhebung auszugehen ist, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach den zu § 93 ZPO entwickelten Grundsätzen zu beantworten (vgl. BGH NJW-RR 2006, 773, 774 [BGH 09.02.2006 - IX ZB 160/04]; OLG München BB 2005, 2323, 2324). Hierbei kommt dem Umstand, ob der Insolvenzverwalter die ihm zuzubilligende angemessene Überlegungsfrist überschritten hat, entscheidende Bedeutung zu (vgl. BGH, a.a.O.; OLG München a. ?. ?.). Der Senat folgt insoweit der überzeugenden Rechtsprechung des Oberlandesgericht München, wonach mit Rücksicht auf § 29 Abs. 1 Ziff. 2 InsO grundsätzlich von einer Überlegungsfrist von bis zu zwei Monaten nach dem Prüfungstermin auszugehen ist (OLG München, a.a.O.), bei umfangreichen Insolvenzverfahren oder bei Forderungen, deren Klärung in tatsächlicher Hinsicht besonders aufwendig ist, jedoch von längere Fristen auszugehen ist. Soweit die anwaltlich vertretene Klägerin die Auffassung vertritt, das Oberlandesgericht München vertrete die Auffassung, die angemessene Überlegungsfrist betrage maximal einen Monat, beruht dies auf einer verkürzten und sinnentstellenden Wiedergabe der vorgenannten Entscheidung.
Dies zu Grunde gelegt, sieht der Senat die dem Insolvenzverwalter zuzubilligende Überlegungsfrist noch nicht als überschritten an. Die Klägerin hat ausweislich des beglaubigten Auszugs aus der Insolvenztabelle als Rechtsnachfolgerin der Delikatessbackwaren ihre Forderungen am 3. September 2008 zur Insolvenztabelle angemeldet. Unter dem 17. Oktober 2008 erteilte das Amtsgericht Hannover - Insolvenzgericht - einen Auszug aus der Insolvenztabelle, wonach die Forderung der Klägerin vom Insolvenzverwalter als Ergebnis der Prüfungsverhandlungen am 15. Oktober 2008 vorläufig bestritten worden war (Anlage K 2, Bl. 21 d.A.). Zum Zeitpunkt der Klageerhebung war somit die weiter abzuwartende Frist von zwei Monaten noch nicht abgelaufen.
Unter diesen Umständen kann daher dahingestellt bleiben, ob die Anwendung des § 93 ZPO schon deshalb gerechtfertigt war, weil es die Klägerin unterlassen hat, den Insolvenzverwalter vor Klageerhebung binnen einer angemessenen Frist zu einer abschließenden Erklärung über die Berechtigung der angemeldeten Forderung aufzufordern.
2.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch ein sofortiges Anerkenntnis i. S. von § 93 ZPO vor. Auch insoweit verkennt die Klägerin die hierzu ergangene Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 30. Mai 2006 (BGHZ 168, 57 ff. = NJW 2006, 226 f.) ausgeführt, dass im Falle der Anordnung eines schriftlichen Vorverfahrens, der Beklagte den geltend gemachten Anspruch innerhalb der Klageerwiderungsfrist jedenfalls dann "sofort" anerkennen kann, wenn die Verteidigungsanzeige keinen Sachantrag enthält, der auf die Abweisung der Klage gerichtet ¡st (BGH a.a.O., zitiert nach [...] Rdz. 20 ff.). Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. September 2006 (NJW-RR 2007, 397 f.) steht dem nicht entgegen. In der vorgenannten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof lediglich klargestellt, dass der Insolvenzverwalter nicht "sofort" anerkennen könne, wenn bereits der nachmalige Insolvenzschuldner das Kostenprivileg des § 93 ZPO verloren hat, nachdem er in der Klageerwiderung einen Klagabweisungsantrag gestellt hatte (BGH ?. ?. O.). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Der beklagte Insolvenzverwalter hat den Klaganspruch innerhalb der im vom Gericht eingeräumten Klagerwiderungsfrist anerkannt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.