Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.07.2009, Az.: 14 U 166/08
Voraussetzungen des Mehrvergütungsanspruchs wegen Bauzeitverzögerung; Rechtsfolgen der Akzeptanz bauzeitverlängernder Anordnungen durch den Auftragnehmer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.07.2009
- Aktenzeichen
- 14 U 166/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 20255
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0722.14U166.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 10.12.2008 - AZ: 6 O 232/07
Rechtsgrundlage
- § 2 Nr. 5 VOB/B
Fundstellen
- BauR 2009, 1591-1595
- IBR 2009, 505
- MDR 2010, 254
- NJW-Spezial 2009, 541
- OLGR Celle 2009, 797-801
Amtlicher Leitsatz
1. Bei Bauzeitverzögerungen kann dem Unternehmer ein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B zustehen, sofern die Verzögerung auf Umständen beruht, die weder er noch allein ein Vorunternehmer zu vertreten hat.
2. Akzeptiert ein Auftragnehmer bauzeitverlängernde Anordnungen seines Auftraggebers und führt sie aus, kann sich hieraus im Einzelfall eine einvernehmliche Änderung ergeben, die eine vertragswidrige Anordnung des Auftraggebers ausschließt.
3. Einem Auftragnehmer kann im Rahmen des § 2 Nr. 5 VOB/B ein Mehrvergütungsanspruch auch für Leistungen zustehen, die nicht Gegenstand seiner Urkalkulation waren, wenn diese Leistungen erst durch die Verzögerung notwendig wurden oder durch sie entstanden sind.
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 10. Dezember 2008 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 1.128.176,56 EUR.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Mehrvergütungsansprüche der Klägerin infolge einer Bauzeitverlängerung.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin nach vorangegangener öffentlicher Ausschreibung im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus der Bundesautobahn A 7 mit der Erneuerung des Brückenbauwerks Nr. 3173 in H.A. Die Brücke überführt die Bundesautobahn über den Mittellandkanal. Im Rahmen des Bauvorhabens sollte dabei zunächst die vorhandene Brücke abgebrochen und dann eine neue errichtet werden. Nach dem Ausschreibungsentwurf der Beklagten war die Brücke als dreifeldriges Bauwerk mit einem Stahlverbundüberbau auf ergänzten Pfeilern der alten Brücke und neuen Widerlagern zu errichten. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Ausschreibung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, erteilte die Beklagte ihr am 22. Februar 2002 den Zuschlag. Die Parteien schlossen einen Einheitspreisvertrag auf der Grundlage der VOB/B 2000. Für die Ausführung der Arbeiten waren zwei Bauabschnitte vorgesehen. Der erste Bauabschnitt umfasste den Abbruch und den Neubau des Brückenbauwerks auf der Westhälfte (Richtungsfahrbahn K.). der zweite Bauabschnitt umfasste den Abbruch und den Neubau des Brückenbauwerks auf der Ostseite (Fahrtrichtung H.). Gemäß Ziffer 2 der Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten vereinbarten die Parteien als spätesten Baubeginn für den ersten Bauabschnitt den 18. März 2002. Fertigstellungstermin des ersten Bauabschnitts sollte der 30. November 2002 sein. Die zweite Bauphase sollte dann nach der erforderlichen Verkehrsumstellung und einer Winterpause ab dem 1. Februar 2003 beginnen. Der Fertigstellungstermin für die Gesamtbaumaßnahme war für den 30. November 2003 geplant. Zwischen dem ersten und zweiten Abschnitt sollte eine Winterpause in den Monaten Dezember 2002 und Januar 2003 liegen.
Der Beginn der Bauarbeiten verzögerte sich jedoch, weil die von der Beklagten der Firma T. übertragene Verkehrsumstellung nicht bis zum 18. März 2002 abgeschlossen war und darüber hinaus das Bundesministerium für Verkehr der Beklagten bzw. der Firma T. untersagte, die Verkehrsumstellung in der Zeit vom 25. März bis zum 15. April 2002 vorzunehmen. Mit der Bauausführung wurde deshalb erst - einen Monat später als geplant - am 18. April 2002 begonnen. Die Beklagte gewährte der Klägerin eine Verlängerung der Baufrist für die Fertigstellung der Bauwerkswesthälfte (Richtungsfahrbahn K.) mit Schreiben vom 22. April 2002 bis zum 28. Dezember 2002.
Es ergab sich jedoch eine weitere Verzögerung im Bauablauf aufgrund einer Umplanung der Widerlager. Denn am 13. Juni 2002 wurde seitens eines Prüfingenieurs die Bewehrung der alten Gründung, die nicht abgebrochen werden sollte, als für die Aufnahme der erforderlichen Lastansätze nicht ausreichend gerügt. Die Beklagte ordnete deshalb an, dass nach den vorliegenden Plänen nicht weitergebaut werden dürfte. Am 19. Juni 2002 einigten sich die Parteien auf die Errichtung zusätzlicher Großbohrpfähle zwischen den Fundamenten der alten, aufgelösten Widerlager. Nachdem die Klägerin die von ihr überarbeiteten Pläne am 2. Juli 2002 bei der Beklagten eingereicht hatte, wurden diese am 10. September 2002 freigegeben, sodass die Klägerin die Arbeiten an den Widerlagern am 11. September 2002 fortsetzen konnte.
Obwohl die Arbeiten entgegen der ursprünglichen Vereinbarung auch in den Wintermonaten Dezember 2002 und Januar 2003 durchgeführt wurden, konnte der zweite Bauabschnitt erst am 30. Juni 2004 fertiggestellt werden, nicht wie vorgesehen am 30. November 2003. Die Abnahme dieses Bauabschnitts erfolgte am 17. Dezember 2004.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe die Bauzeitverzögerungen zu vertreten. Sie behauptet, zwischen den Parteien sei über eine Haftung der Beklagten dem Grund nach Einigkeit erzielt worden. Die Bauzeitverzögerungen hätten zu Mehraufwendungen der Klägerin in Höhe von - so der erstinstanzliche Vortrag - netto 913.964,62 EUR geführt, wovon 883.591,23 EUR auf einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B entfielen (Bl. 48 d. A.) und darüber hinaus 58.640,34 EUR für die Vorfinanzierung (Bl. 49 d. A.). Abzüglich eines Nachlasses von 3 % in Höhe von 28.266,95 EUR (Bl. 49 d. A.) ergebe sich ein Nettovergütungsanspruch für die Mehraufwendungen in Höhe von 913.964,62 EUR. Zuzüglich einer 16 %igen Mehrwertsteuer in Höhe von 146.234,34 EUR summiere sich daraus Mehrvergütungsanspruch von 1.060.198,96 EUR (Bl. 50 d. A.), der nicht Bestandteil der Nachträge 1 bis 5 gewesen und deshalb von der Beklagten noch auszugleichen sei.
Die Klägerin hat dementsprechend vor dem Landgericht die Verurteilung der Beklagten beantragt (vgl. Protokoll vom 30. Oktober 2008, Bl. 273 d. A.).
Mit nicht nachgelassenem (Bl. 274 d. A.) Schriftsatz vom 14. November 2008 hat die Klägerin die Klage erweitert und gegenüber der Beklagten eine Verurteilung zur Zahlung von 1.128.176,56 EUR geltend gemacht (Bl. 297 f. d. A.).
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 2 Nr. 5 VOB/B. Sie habe schon die Anspruchsvoraussetzungen nicht hinreichend vorgetragen. die Klage sei nicht schlüssig. Denn die Klägerin habe die von ihr behaupteten Folgen der Verzögerungen lediglich kalkulatorisch und abstrakt berechnet und nicht in Bezug auf die vereinbarten Einheitspreise konkret vorgetragen, wie sich welcher Einheitspreis, d. h. der Preis der jeweils betroffenen Position, durch die Verzögerungen geändert habe. Die Klägerin habe auch die Preisermittlungsgrundlagen nicht angegeben. Da jedoch bei Einheitspreisverträgen die Neufestsetzung des Preises für jede einzelne durch die angegebene Änderung betroffene Position zu erfolgen habe, genüge der Vortrag der Klägerin nicht. Das gelte auch im Hinblick auf die zwischen den Parteien vereinbarten Nachträge. Da die Beklagte vorgetragen habe, die verzögerungsbedingten Mehrkosten seien bereits von den (abgegoltenen) Nachträgen Nr. 2, 3 und 5 umfasst, hätte die Klägerin auch insoweit vortragen müssen. Allein die wiederholte schlichte Behauptung, die Nachträge hätten nichts mit den weiteren geltend gemachten Mehrkosten zu tun, reiche hier nicht aus.
Der Klägerin sei auch kein Schriftsatznachlass zu gewähren gewesen. Denn in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer sei kein Hinweis - insbesondere zur Abrechnung - erteilt worden. Vielmehr sei die Sach- und Rechtslage auch unter Berücksichtigung der fehlenden Darlegungen der Klägerin unter Bezugnahme auf die durch die Beklagte erfolgten Hinweise erörtert worden. Ein konkreter Hinweis gegenüber der Klägerin sei nicht erteilt worden. Im Hinblick "auf den bereits erteilten Hinweis durch die Beklagte" sei ein weiterer gerichtlicher Hinweis darauf, dass die Abrechnung nicht den Anforderungen des § 2 Nr. 5 VOB/B entsprochen habe, entbehrlich gewesen (LGU 6). Da es sich bei der Klägerin um ein bundesweit tätiges und renommiertes mittelständisches Bauunternehmen handele, welches sich auf die Errichtung komplexer Ingenieurbauwerke spezialisiert habe, sei von ihr zu erwarten gewesen, sich auch im vorliegenden Fall mit den erforderlichen Kenntnissen und Regelungen der VOB/B auseinander zu setzen und die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu umzusetzen. Bei der Frage, wie Ansprüche aus § 2 Nr. 5 VOB/B abzurechnen seien, handele es sich um eine klare und einfache Rechtsfrage. Bereits aus dem schlichten Wortlaut des § 2 Nr. 5 VOB/B ergebe sich ohne weiteres, dass ein neuer Preis zu bilden sei. insoweit verstehe sich "von selbst", dass bei einem Einheitspreisvertrag der jeweils vereinbarte Preis für die vereinbarten einzelnen Leistungen anzupassen sei. Der Klägerin hätte es deshalb nach dem eindeutigen Hinweis der Beklagten oblegen, sich mit der einschlägigen Rechtsprechung des BGH zu befassen und ihren Sachvortag darauf einzustellen. Der Hinweis der Beklagten sei ausreichend und unmissverständlich gewesen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin diesen Hinweis falsch aufgenommen habe. Da sie jedoch an ihrer Abrechnungsweise festgehalten habe, könne dies nur bedeuten, dass sie die abweichende und eindeutige Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs bewusst nicht habe zur Kenntnis nehmen wollen. Da der Hinweis durch die Beklagte "kaum ausführlicher und genauer" hätte sein können, sei eine Wiederholung des Hinweises durch das Gericht nicht erforderlich gewesen, da es sich insoweit lediglich um die Wiederholung des ursprünglichen, unmissverständlichen Hinweises gehandelt hätte (LGU 8). Die Kammer hat überdies auch einen Anspruch der Klägerin aus § 642 BGB verneint, weil es an dem dazu erforderlichen Vortrag zu ersparten Aufwendungen der Klägerin gemäß § 642 Abs. 2 BGB gefehlt habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Über die erstinstanzlich beantragte Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 1.060.198,96 EUR hinaus begehrt sie weitere 67.977,60 EUR. Sie behauptet, die Beklagte habe - nach Ansicht der Klägerin unstreitig - die Verantwortung für die Änderung des Bauablaufs übernommen. Zunächst habe die Klägerin aufgrund der Bauzeitverschiebung einen Schadensersatzanspruch geltend machen wollen, man habe sich dann jedoch geeinigt, dass gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B abgerechnet werden solle. Der Haftungsgrund als solcher sei zwischen den Parteien nicht im Streit (Bl. 379 d. A.), sodass es lediglich um die Problematik der Abrechnung, also die Höhe der Klageforderung gehe. Hierzu beruft sich die Klägerin auf das baubetriebliche Gutachten Dr. A. vom 1. Juni 2007 (Anlage K 27 im Anlagenordner der Klägerin). Sie vertritt dazu die Auffassung, ein Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B rechtfertige sich schon aus der bloßen Verschiebung der Bauzeit. Auch insoweit handele es sich um eine "andere Anordnung" im Sinne des § 2 Nr. 5 VOB/B. Die Klägerin behauptet, ihre Forderungen seien nicht bereits in den vorangehenden Nachträgen berechnet und seitens der Beklagten ausgeglichen worden.
Klageerweiternd begehrt sie Ausgleich der gesamten Vorfinanzierungskosten für die infolge der Bauablaufstörung entstandenen zusätzlichen Kosten von netto 102.638,61 EUR. Darüber hinaus nimmt sie eine Korrektur in der Nachtragsposition 1.03 vor (vgl. Bl. 297 f. und Bl. 372 f. d. A.). Überdies rügt die Klägerin eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung durch das Landgericht. Die Kammer habe bis zum Erlass des Urteils in keiner Weise darauf hingewiesen, dass die vorgelegte Abrechnung unzureichend sei. Der - streitige - Vortrag der Beklagten könne einen richterlichen Hinweis nicht ersetzen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.060.198,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. August 2005 abzüglich einer bereits geleisteten Zahlung von 109.223,57 EUR zu zahlen.
klageerweiternd darüber hinaus die Beklagte zu verurteilen,
an sie weitere 67.977,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung (6. Januar 2009, Bl. 344 d. A.) zu zahlen.
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Zudem regt die Klägerin an, die Revision zuzulassen (Bl. 369 d. A.).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Nr. 5 VOB/B seien ihrer Auffassung nach nicht erfüllt. Sie bestreitet den Vortrag der Klägerin zum Haftungsgrund. insoweit habe es keine Einigung gegeben. Die Klägerin habe außerdem einen Teil der Forderungen schon in vorangehenden Nachträgen abgerechnet. Im Übrigen stütze sich die Abrechnung der Klägerin weitgehend auf Annahmen und Vermutungen des Gutachters und dessen theoretische Kalkulation. Die Abrechnung der Klägerin sei auch im Einzelnen unzutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 30. Oktober 2008 (Bl. 273 f. d. A.), das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 16. Juni 2009 nebst den darin enthaltenen Hinweisen (Bl. 421 f. d. A.) sowie den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die Berufungsbegründung der Klägerin vom 16. Februar 2009 (Bl. 369 f. d. A.) sowie die Berufungserwiderung der Beklagten vom 6. Mai 2009 (Bl. 407 f. d. A.).
II.
Das Urteil des Landgerichts war mit dem zugrundeliegenden Verfahren gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, weil das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme erforderlich ist.
1. Das Landgericht hat seiner Hinweispflicht nicht genügt und damit den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in erheblicher Weise verletzt. Ein Gericht muss die Parteien auf fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen und ihnen die Möglichkeit eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen. Es muss darauf hinwirken, dass sich die Parteien über erhebliche Tatsachen vollständig erklären und ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - VII ZR 68/05, NJWRR 2006, 1455, juris-Rdnr. 13. entsprechend auch Senat , Urteil vom 6. Februar 2008 - 14 U 133/07, OLGR Celle, 2008, 338, juris-Rdnr. 13). Vortrag einer Prozesspartei kann einen derartigen Hinweis grundsätzlich nicht ersetzen, weil für die betroffene andere Partei erkennbar sein muss, ob das Gericht der Auffassung der Gegenpartei folgt. Auf prozessuales Verschulden (Erkennenkönnen) kommt es dabei nicht an (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 139, Rdnr. 6). Ein richterlicher Hinweis ist umso mehr geboten, wenn - wie hier - komplizierte und höchstrichterlich nur teilweise geklärte Rechtsfragen bei der Entscheidung des Rechtsstreits zu beantworten sind (dazu unten Ziffer III). Er kann seine Zwecke nur dann erfüllen, wenn der Partei anschließend die Möglichkeit gegeben wird, ihren Sachvortrag unter Berücksichtigung des Hinweises zu ergänzen (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - VII ZR 103/05, NJWRR 2007, 17, juris-Rdnr. 4 m. w. N.). erstmalige Hinweise im Urteil genügen dafür nicht. Wenn ein Gericht den Klagevortrag (teilweise) für unschlüssig hält, ist der gebotene richterliche Hinweis so zu erteilen, dass die Klägerin nachvollziehen kann, welche konkrete Darlegung fehlt. allgemeine und pauschale Hinweise genügen nicht (BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 225/03, BauR 2005, 861, juris-Rdnr. 36 f.).
Diesen Anforderungen wird das erstinstanzliche Verfahren nicht gerecht, wie sich schon aus dem Urteil selbst ergibt. Die Kammer führt dort aus (LGU 5), dass in der mündlichen Verhandlung kein Hinweis - insbesondere nicht zur Frage der Abrechnung - erteilt worden sei. Das wird bestätigt durch einen handschriftlichen Vermerk des erkennenden Einzelrichters erster Instanz auf der Urschrift des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2008, wonach es in der mündlichen Verhandlung keine "konkreten Hinweise" gegeben habe (Bl. 273 d. A.). Allerdings ist in das Protokoll der Antrag der Klägerin aufgenommen worden, auf die "erteilten Hinweise, insbesondere zur Frage der Abrechnung" einen Schriftsatznachlass zu erhalten (ebd.). Ob die Kammer tatsächlich einen entsprechenden Hinweis erteilt hat, kann indes dahinstehen, weil sie den begehrten Schriftsatznachlass nicht gewährt hat (Bl. 274 d. A. und LGU 5 f.). Auch im Übrigen enthält die Akte keinen Hinweis des Gerichts, dass die Abrechnung der Klägerin oder auch ihr sonstiger Vortrag nicht ausreichend ist. Der im Urteil wiederholt in Bezug genommene Vortrag der Beklagten ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Denn der Umstand, dass die Beklagte von Anfang an (S. 7 f. der Klageerwiderung, Bl. 70 f. d. A.) Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage geltend gemacht hat, befreit das Gericht nicht von seiner Pflicht zu einem Hinweis, wenn der Prozessbevollmächtigte der Partei die Bedenken des Prozessgegners offenkundig nicht zutreffend aufgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1999 - VII ZR 269/97, BauR 1999, 510. Urteil vom 7. Dezember 2000 - I ZR 179/98, NJW 2001, 2548. Urteil vom 17. Juni 2004 - VII ZR 25/03, BauR 2004, 1477). Das Landgericht hat aber deutlich erkannt - wie im Urteil dargestellt (LGU 6 f.) , dass die Klägerin der Ansicht der Beklagten zur Abrechungsart nicht folgen wollte oder die Anforderungen an die Schlüssigkeit des Klagevortrags insoweit anders beurteilte. Das ergab sich auch unmissverständlich aus dem Vortrag der Klägerin (z. B. S. 6 des Schriftsatzes vom 25. Januar 2008, Bl. 172 d. A.: "Die Beklagte rügt zu Unrecht, die Klägerin habe den geltend gemachten Mehrvergütungsanspruch nicht hinreichend dargelegt". S. 5 f. des Schriftsatzes vom 20. Oktober 2008, Bl. 261 f. d. A.). Darüber hinaus scheint das Landgericht zu verkennen, dass die Klägerin von Rechts wegen nicht gezwungen war, die - angenommene - eindeutige und unumstrittene Rechtsprechung des BGH zu den streitbefangenen Abrechnungsfragen anzuwenden, wenn sie die Anforderungen an die Schlüssigkeit des Vortrags anders (als der BGH) beurteilte. Mangels anderer Hinweise durch die Kammer durfte die Klägerin jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung darauf vertrauen, dass das Gericht nicht ohne weiteres von der Unschlüssigkeit der Klage ausgeht.
Die Kammer hätte der Klägerin deshalb entweder den begehrten Schriftsatznachlass gewähren oder die im Urteil erstmals dargelegte Ansicht zu den Anforderungen an die Darlegung der Klägerin in einem konkreten Hinweis mitteilen müssen. Dass das Landgericht die Klage ohne weiteres abgewiesen hat, war verfahrensrechtswidrig und verstieß gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - VII ZR 103/05, NJWRR 2007, 17, juris-Rdnr. 5). Der weitere Vortrag der Klägerin insbesondere in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14. November 2008 (Bl. 296 d. A.) ist damit nicht präkludiert gewesen.
Schließlich genügten auch die pauschalen und allgemeinen Hinweise im angefochtenen Urteil nicht, der Klägerin mit hinreichender Deutlichkeit (vgl. BGH Urteil vom 24. Februar 2005 - VII ZR 225/03, BauR 2005, 861, juris-Rdnr. 36 m. w. N.) aufzuzeigen, welcher Vortrag von ihr noch zu halten war.
2. Das Landgericht hat sich aufgrund der verfahrensfehlerhaften Vorgehensweise eine umfangreiche und schwierige Beweisaufnahme erspart, die nun nach Maßgabe der folgenden (III.) Hinweise nachzuholen sein wird.
III.
Im Hinblick auf das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Zum Haftungsgrund
Entgegen der wiederholt vorgetragenen Ansicht der Klägerin (vgl. insbesondere Bl. 9, 171, 177, 259, 300, 301, 303, 374 und 379 f. d. A.) kann dem weiteren Rechtsstreit nicht zugrundegelegt werden, dass die Haftung der Beklagten dem Grund nach unstreitig ist. Die Klägerin beruft sich hier vor allem auf die Anlagen K 10 und K 11 (im Anlagenordner zur Klage) und darüber hinaus die Anlagen K 33 (Bl. 204 d. A.) und K 34 (Bl. 270 d. A.). Daraus ergibt sich jedoch nicht eine Einigung zum Haftungsgrund. Im Gegenteil: Im Schreiben K 10 weist die Beklagte ausdrücklich zurück, für die Verzögerungen verantwortlich zu sein. Hierfür sei der Vorunternehmer des Auftraggebers, die Firma T., verantwortlich. Im Übrigen handelt es sich um Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin oder der Klägerin selbst. Das Protokoll der 4. Baubesprechung vom 9. Juli 2002 (K 34) gibt für die Ansicht der Klägerin ebenfalls nichts her. Tatsächlich hat die Beklagte lediglich unstreitig gestellt - wie sich im Übrigen aus der Korrespondenz auch ergibt , dass die Bauzeiten verschoben werden mussten (vgl. insbesondere Bl. 225 d. A.) und dass hierfür jedenfalls nicht die Klägerin verantwortlich war. Damit lässt sich indes noch keine Einigung dem Grund nach zu Lasten der Beklagten rechtfertigen. Wenn die Verzögerung allein auf Leistungen eines Vorunternehmers beruht, fällt dies nach der Rechtsprechung des BGH nicht in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers (vgl. schon BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 - VII ZR 23/84, BGHZ 95, 128 = BauR 1985, 561. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil, Rdnr. 86 m. w. N.). Insoweit ist allerdings umstritten, wie weit derartige Bauzeitverzögerungen dem Auftraggeber anspruchsbegründend zugerechnet werden können (vgl. im Einzelnen Kniffka a. a. O., Rdnr. 86 m. w. N.). Dies ist jedoch im Rahmen der Prüfung der jeweiligen Anspruchsgrundlage zu erörtern.
2. Anspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B
a) Ein Anspruch der Klägerin aus § 2 Nr. 5 VOB/B setzte voraus - da keine Änderung des Bauentwurfs vorliegt , dass sich die Grundlagen des Preises für im Vertrag vorgesehene Leistungen durch eine Anordnung der Beklagten geändert haben.
aa) Ob zu derartigen "anderen Anordnungen" (als die Änderung des Bauentwurfs) auch solche gehören, die die Bauzeit und hier insbesondere den Beginn der Ausführung betreffen, ist umstritten (dies ablehnend insbesondere Thode, ZfBR 2004, 214 [C]. OLG Hamm, BauR 2005, 1480 [OLG Hamm 14.04.2005 - 21 U 133/04], juris-Rdnr. 38. vgl. im Einzelnen die Nachweise bei Kniffka a. a. O., Rdnr. 83 f.). Der BGH hat diese Frage bislang noch nicht eindeutig entschieden, wenngleich zwei ältere Entscheidungen (BGH, Urteil vom 21. März 1968 - VII ZR 84/67, BGHZ 50, 25 = NJW 1968, 1234. BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 - VII ZR 23/84, BGHZ 95, 128 = BauR 1985, 561, insb. juris-Rdnr. 24. bestätigend auch BGH, Urteil vom 21. Dezember 1970 VII ZR 184/69, BauR 1971, 202, juris-Rdnr. 43) dahin interpretiert werden (Nachweise bei Thode a. a. O.), dass diese Fälle einen Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B auslösen. Der BGH hat jedoch in jenen Entscheidungen einen Anspruch davon abhängig gemacht, dass es sich um eine die Grundlagen des Preises ändernde einseitige Maßnahme des Auftraggebers gehandelt haben muss, die ihren Ausgangspunkt in dessen Verantwortungsbereich hat. Die Änderung der Ausführung muss durch Umstände ausgelöst worden sein, die zum Verantwortungsbereich des Auftraggebers gehören, ihm also zuzurechnen sind (BGH, Urteil vom 27. Juni 1985 a. a. O., juris-Rdnr. 26). Ob der Bundesgerichtshof mit dieser Rechtsprechung hat zum Ausdruck bringen wollen, dass Voraussetzung für einen Mehrvergütungsanspruch gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B ein Verschulden (Vertretenmüssen) des Auftraggebers ist, lässt sich weder den erwähnten Urteilen noch der folgenden Rechtsprechung des BGH entnehmen.
Der Senat ist allerdings der Ansicht, dass die allein durch einen Vorunternehmer zu vertretende Verzögerung nicht in den Verantwortungsbereich des Auftraggebers fällt (so auch Kniffka a. a. O., Rdnr. 86). Um diesen Fall geht es hier indes nicht, weil die Verzögerung des Baubeginns jedenfalls auch auf Umständen beruhte, die nicht einem Vorunternehmer anzulasten waren (Untersagung der Verkehrsumstellung für die Zeit vom 25. März bis zum 15. April 2002 durch das Bundesministerium für Verkehr. Anordnung der Beklagten im Zuge der Umplanung der Widerlager. Überprüfung der von der Klägerin überarbeiteten Pläne bei der Beklagten. planwidrige Bauausführung während der Wintermonate). Mangels einer aktuellen Entscheidung des BGH ist auch nicht feststellbar, ob er angesichts der deutlichen und anhaltenden Kritik an seiner Rechtsprechung (vgl. nur Keldungs in Ingenstau/Korbion/, VOB, 16. Aufl., § 2 Nr. 5 VOB/B, Rdnr. 26 f. m. w. N. sowie Kniffka a. a. O.) und zwischenzeitlich ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Jena, Urteil vom 11. Oktober 2005 - 8 U 849/04, NZBau 2006, 510, insb. juris-Rdnr. 69 f.) an seiner früheren Rechtsprechung festhalten will (das OLG Jena hat - a. a. O., juris-Rdnr. 77 - die Revision zugelassen, der Bundesgerichtshof hat sich jedoch in seinem folgenden Urteil vom 28. September 2006 - VII ZR 247/05, BGHZ 169, 153 = NJW 2007, 82 - mit der hier entscheidenden Rechtsfrage, die Anlass der Revisionszulassung war, nicht auseinander gesetzt).
bb) Der Senat ist für den vorliegenden Fall der Ansicht, dass die Bauzeitverzögerungen insgesamt dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzuordnen sind. Das ist im Rahmen eines Anspruchs aus § 2 Nr. 5 VOB/B ausreichend, weil es hier nicht darauf ankommt, ob die Beklagte die Verzögerung allein verschuldet hat (ebenso auch OLG Jena a. a. O., juris-Rdnr. 69). Die Bauzeitverzögerung beruhte in ihrem Ursprung auf Umständen, auf die die Klägerin keinen Einfluss nehmen konnte (Verkehrsumstellung). bei der Umplanung der Widerlager lag eine Anordnung der Beklagten vor, nach den ursprünglichen Plänen nicht weiterzubauen. auf die Zeitdauer der Überprüfung der überarbeiteten Pläne bei der Beklagten hatte die Klägerin keinen Einfluss. Die Klägerin war somit von Anfang an nicht in der Lage, die die Bauzeitverzögerung auslösenden Umstände in ihre Kalkulation hinein bzw. das entsprechende Verzögerungsrisiko in Kauf zu nehmen. Die vorliegende Konstellation ist auch nicht mit einer allein durch einen Vorunternehmer zu vertretenen Verzögerung - für die der Auftraggeber nicht verantwortlich gemacht werden kann - zu vergleichen. Denn unstreitig beruhte der verzögerte Baubeginn nicht allein auf der nicht rechtzeitig bis zum 18. März 2002 abgeschlossenen Verkehrsumstellung durch die Firma T. Der Baubeginn verzögerte sich schon aufgrund der Anordnung des Bundesministeriums für Verkehr um gut weitere drei Wochen (von insgesamt einem Monat). Das gilt entsprechend für die Umplanung der Widerlager und die Prüfung der überarbeiteten Pläne. Insoweit hat die Beklagte in den Bauablauf eingegriffen, jedenfalls nicht die Klägerin.
Der Senat rechnet dabei auch die Verzögerung innerhalb der ersten Woche - vom 18. bis zum 24. März 2002 - der Beklagten zu. Die Verkehrsumstellung war Voraussetzung, dass die Klägerin mit ihren Arbeiten beginnen konnte. Der Beklagten oblag, das Baugelände aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen. diese Obliegenheit wird nicht dadurch gemindert, dass noch andere Unternehmer Vorarbeiten zu erbringen haben (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 - VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32 = BauR 2000, 722, juris-Rdnr. 28. Urteil vom 19. Dezember 2002 VII ZR 440/01, BauR 2003, 531, juris-Rdnr. 8. Stickler in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, § 642 BGB, Rdnr. 13 m. w. N.).
Die Bauzeitverzögerung beruhte damit insgesamt auf Umständen, die in der Sphäre der Beklagten ihren Ursprung hatten und für deren Vermeidung sie jedenfalls tatsächlich verantwortlich war. Das hat die Beklagte anfänglich ebenso gesehen. In ihrem Schreiben vom 22. April 2002 gewährte sie der Klägerin eine Verlängerung der Baufrist aufgrund "der Verzögerungen bei der Verkehrsumstellung, die der Auftraggeber zu vertreten hat" (Anlage K 15 im Anlagenordner zur Klage).
cc) Die Frage, ob nur vertragsgemäße - oder auch vertragswidrige - Anordnungen den vertraglichen Mehrvergütungsanspruch des § 2 Nr. 5 VOB/B begründen können (dies ablehnend vor allem Thode a. a. O., dem folgend Kniffka a. a. O., Rdnr. 84, ebenso OLG Hamm, BauR 2005, 1480 [OLG Hamm 14.04.2005 - 21 U 133/04], juris-Rdnr. 36 f. m. w. N.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Klägerin hat die Anordnungen der Beklagten, auch soweit sie sich auf die Bauzeit auswirkten, akzeptiert und ihre Leistungen in dem geänderten Rahmen erbracht. Die Parteien haben einvernehmlich die geänderten Umstände hingenommen (vgl. Bl. 7 d. A.). Dementsprechend hat die Klägerin auch die Anordnung der Beklagten zur Verschiebung des Baubeginns der Bauausführung zugrunde gelegt. Die Klägerin lastet der Beklagten deshalb kein vertragswidriges Verhalten an, sondern hat im Rechtsstreit stets darauf hingewiesen (wie erwähnt, oben III.1), dass über die Einstandspflicht der Beklagten an sich Einigkeit bestanden habe. Außerhalb des Rechtsstreits hat die Beklagte zunächst auch tatsächlich die Verantwortung für den verzögerten Baubeginn übernommen (Anlage K 15). Während der Bauphase war man sich also allem Anschein nach einig, die Baumaßnahmen zu verschieben und die Bauzeiten den geänderten Umständen anzupassen. Die entsprechenden Anordnungen der Beklagten waren damit nicht vertragswidrig. Dass die Beklagte später die Einstandspflicht für die entstandenen Mehrkosten verneinte (vgl. Anlagen K 10 f.), macht die vorhergehenden Anordnungen nicht rückwirkend vertragswidrig. Da die Bauzeitverlängerung - wie dargelegt - auf Umständen beruhte, die in ihrer Gesamtheit dem Verantwortungsbereich der Beklagten entstammten, berechtigen die zugehörigen Anordnungen der Beklagten die Klägerin dem Grund nach, einen Anspruch auf Mehrvergütung aus § 2 Nr. 5 VOB/B geltend zu machen.
b) Die Höhe des sich danach möglicherweise zugunsten der Klägerin ergebenden Mehrvergütungsanspruches kann zur Zeit nicht abschließend beurteilt werden. der Rechtsstreit ist insoweit nicht entscheidungsreif.
Die der Klägerin gegebenenfalls zustehende neue Vergütung ist auf der Grundlage des vereinbarten Preises unter Fortschreibung der ursprünglichen Kalkulation zu bilden. Die Klägerin hat demnach die geänderte Vergütung unter Ansatz der Vertragspreise auch für die Einzelleistungen sowie der kalkulierten allgemeinen Geschäftskosten, Baustellengemeinkosten, Finanzierungskosten und auch des kalkulierten Gewinns darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Einzubeziehen sind in den neuen Preis somit sämtliche durch die Änderungsanordnung entstandenen Mehr und Minderkosten (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 - VII ZR 233/94, BGHZ 131, 392 = BauR 1996, 378, juris-Rdnr. 46. OLG Brandenburg, Urteil vom 3. Juli 2008 - 12 U 209/07, juris-Rdnr. 9. OLG Nürnberg, BauR 2001, 409 [OLG Nürnberg 13.10.1999 - 4 U 1683/99], juris-Rdnr. 37. Kniffka a. a. O., Rdnr. 91. Keldungs a. a. O., Rdnr. 29, 34).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Beklagten ist die Darlegung des Mehrvergütungsanspruchs unter Bezug auf das Gutachten Dr. A. nicht von vornherein unschlüssig. Denn die Klägerin begehrt nicht bloß einen von ihr für angemessen gehaltenen Preis oder eine pauschale Mehrvergütung, sondern legt ihrem Anspruch eine detaillierte Kostenberechung zugrunde, die zu einem an sich nachvollziehbaren Ergebnis gelangt. Sie hat dazu die Urkalkulation vom 20. Dezember 2001 vorgelegt (Anlage B zum Gutachten Dr. A. vom 1. Juni 2007, Anlage K 27 im Anlagenordner Klage). Auch unter Ansatz des Gutachtens stellen sich allerdings eine Reihe von Fragen, die jedoch nicht die Klage von vornherein unschlüssig machen, sondern im Wege der Beweisaufnahme zu klären sind:
aa) Das betrifft zunächst die Frage, ob überhaupt eine Nachforderung der Klägerin ausgeschlossen ist, weil die betroffenen Positionen bereits - wie die Beklagte behauptet - in den Nachträgen Nr. 2 (Bl. 89 f. d. A.), 3 (Bl. 91 f. d. A.) und 5 (Bl. 110 f. d. A.) abgerechnet worden sein sollen. Ein angenommenes Nachtragsangebot schlösse weitere Nachforderungen wegen der insoweit abgegoltenen Positionen aus (s. nur Kniffka a. a. O., Rdnr. 89 m. w. N.). Auffällig ist hier, dass im Leistungsverzeichnis zum Nachtrag Nr. 2 der Vorsatz:
"Die zeitlichen Auswirkungen der nachfolgend benannten Nachtragsleistungen und die entsprechenden Bauzeitverschiebungen sind nicht berücksichtigt. Eventuell daraus entstehende Kosten behalten wir uns vor, gesondert in Rechnung zu stellen. Ebenso wurden keine Leistungen aus der Verschiebung der Bauzeit in die Wintermonate berücksichtigt. Die Berechnung dieser Leistungen behalten wir uns vor." (Bl. 98 d. A.).
durchgestrichen wurde, nicht aber beim Leistungsverzeichnis zu Nachtrag Nr. 3 (Bl. 106 d. A.). Nachtrag Nr. 5 enthält nach den vorliegenden Unterlagen einen entsprechenden Vorsatz nicht (Bl. 111 f. d. A.). Hierzu haben sich die Parteien zu erklären.
bb) Darüber hinaus kann ohne eingehende Prüfung des vollständigen Leistungsverzeichnisses nicht festgestellt werden, ob es bei der Aufstellung der Nach und Mehrforderungen zu Doppelberechnungen gekommen ist. Der Klägerin wird deshalb aufzugeben sein, das vollständige Leistungsverzeichnis einzureichen.
cc) Danach wird eine Überprüfung der streitbefangenen Leistungen bzw. der geltend gemachten Überschneidungen und Doppelberechnungen in den Nachträgen 2, 3, 5 und 8 (der im Wesentlichen streitbefangen ist, Bl. 7 d. A.) mit sachverständiger Hilfe erforderlich sein. Die Beklagte hat zwar die Nachträge 2, 3 und 5 angenommen (Bl. 89 f. d. A.). Das betrifft aber allem Anschein nach nicht sämtliche streitbefangenen Positionen. Allerdings hat die Klägerin in Nachtrag 3 Kolonnenstunden für Stillstand infolge nicht zeitig freigegebener Ausführungsunterlagen und Wartezeiten in Höhe von 27.011,84 EUR angesetzt, in Nachtrag 5 für zusätzlichen Aufwand wegen der Verschiebung von Leistungen in die ungünstige Jahreszeit weitere (insgesamt) 92.409,80 EUR (Bl. 94 d. A.) und für die Widerlagerkosten weitere 30.899,61 EUR (Bl. 95 d. A.). Für den zusätzlichen Aufwand der Überarbeitung von Ausführungsunterlagen für die Tieferlegung der Pfahlkopfplatten der Pfeiler 1 und 2 West hat sie überdies 2.550,14 EUR angesetzt (Bl. 95 d. A.). Diese Positionen zusammen ergeben schon mehr als 150.000 EUR. Die Klägerin ist jedoch der Behauptung der Beklagten, mit diesen Nachträgen seien im Wesentlichen die bauzeitbedingten Nachforderungen abgegolten worden (Bl. 69 f. d. A.), entgegengetreten (Bl. 176 f. d. A.). Insbesondere hinsichtlich der Positionen des Nachtrags 3 hat die Klägerin dabei vorgetragen, hier handele es sich lediglich um Personal eines Nachunternehmers und nicht um eigenes Personal von ihr. insoweit hat sich die Klägerin auf Zeugen berufen (Bl. 177 f. d. A.). Ebenso hat die Klägerin hinsichtlich des Nachtrags 5 behauptet, dieser betreffe lediglich Leistungen von Nachunternehmern. Die eigenen bauzeitbedingten Mehrkosten seien noch nicht abgegolten (Bl. 178 f. d. A.). Diesem Vortrag wird nachzugehen sein.
dd) In jedem Fall sind in der Klageforderung aber auch Positionen enthalten, die nicht Gegenstand der Nachträge 2, 3 und 5 sind. Das betrifft vor allem die Gutachterkosten (vgl. S. 2 des Vergabevermerks zu Position 4.03 des Nachtrags 8 - Anlage K 9 im Ordner Klage). Hier ist allerdings nicht nachvollziehbar, warum die Gutachterkosten von zusammen mindestens - die Klägerin hat sich ausdrücklich die Geltendmachung weiterer Kosten in diesem Bereich vorbehalten - 102.040,00 EUR (S. 69 von Anlage K 27 im Anlagenordner) Kosten der Bauzeitverschiebung sein sollen. Die Beklagte hat hier unwidersprochen vorgetragen, der Gutachter habe insgesamt fünf Gutachten erstellt (vom 15. Oktober und 25. November 2004, 7. April und 6. September 2005 sowie vom 1. Juni 2007 - s. Bl. 244 d. A.). Vorbehaltlich weiterer Darlegung durch die Klägerin ist nicht einsichtig, dass alle Gutachten dem Mehrvergütungsanspruch zuzurechnen sein sollen. Hier kommt es darauf an, welche baubetrieblichen Gutachten unumgänglich eingeholt werden mussten, um die Nachtragsforderung zu berechnen. Soweit das der Fall war, hätte die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B. Soweit die Klägerin die Kosten mit Hilfe eigener Mitarbeiter ohne weiteres hätte feststellen können, handelte es sich indes um Allgemeine Geschäftskosten (vgl. Keldungs a. a. O., Rdnr. 41 m. w. N.).
Der Senat tendiert dahin, dass Berechnungen, wie sie hier im Streit stehen, kaum ohne Unterstützung externer Gutachter überzeugend berechenbar sein dürften. Die Höhe der Gutachterkosten wird aber in jedem Fall aufzuklären sein.
ee) Aufklärungsbedürftig erscheint ferner der Einsatz von Arbeitnehmern der Klägerin während der geltend gemachten Vakanzzeiten. Im Ansatz zu Recht rügt die Beklagte hier zwar, dass die Berechnungen im Gutachten theoretischer Art seien. Dadurch wird jedoch - wie erwähnt - die Klage nicht unschlüssig, sondern eine Beweiserhebung erforderlich. Die Klägerin hat im Einzelnen vorgetragen und unter Beweis gestellt, an welchen Tagen und in welcher Höhe es bei ihr infolge der Bauzeitverschiebung zu Mehrkosten gekommen sein soll. Die Beklagte hat diese Angaben und Berechnung bestritten.
Zur weiteren Aufklärung käme zunächst eine weitere Beauftragung des Sachverständigen A. in Betracht. möglich wäre jedoch auch die Einholung eines ganz neuen Gutachtens.
ff) Hinsichtlich der Avalkosten für die Vertragserfüllungsbürgschaft kann ein Anspruch der Klägerin bestehen, auch wenn diese Kosten in der Urkalkulation so nicht vorhanden waren, weil sich die Preisgrundlagen geändert haben.
3. Anspruch aus § 642 BGB:
a) Die Klägerin stützt ihren Anspruch hilfsweise auch auf § 642 BGB (Bl. 170, 260 d. A.). Für einen derartigen - verschuldensunabhängigen - Anspruch kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21. Oktober 1999 - VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32 = BauR 2000, 722, insb. juris-Rdnr. 26) auf eine Auslegung der Vertragsbestimmungen an, ob und inwieweit z. B. Fristüberschreitungen als Obliegenheitsverletzung der Beklagten zu werten sind. Wie ausgeführt (III. 2 a. bb) ist der Senat der Ansicht, dass der Beklagten oblag, das Baugelände aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen. diese Obliegenheit hat sie verletzt, so dass dem Grund nach ein Anspruch aus § 642 BGB möglich erscheint. Inwieweit der Beklagten aber für die fehlerhafte Vorplanung der Widerlager eine Obliegenheitsverletzung anzulasten ist, wird sich erst nach Einsichtnahme in das Leistungsverzeichnis klären lassen. Auch hierzu haben die Parteien ggf. noch vorzutragen.
b) Die Höhe der Entschädigung ist gemäß § 642 Abs. 2 BGB nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung zu bemessen, wobei ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen sind. Sie umfasst nicht entgangenen Gewinn und Wagnis, weil sie nicht die Verletzung einer Schuldnerpflicht ausgleichen soll (BGH a. a. O.. Stickler in Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, § 642 BGB, Rdnr. 41 m. w. N.). Bei der Berechnung des Entschädigungsanspruchs ist von den kalkulierten Aufwendungen des Unternehmers, die Grundlage der vereinbarten Vergütung wurden, auszugehen. Auf die tatsächlich entstandenen Kosten kommt es nach § 642 Abs. 2 BGB ebenso wenig wie auf die Angemessenheit der kalkulierten Preise an (vgl. Stickler a. a. O.). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist allerdings die Klage auch insoweit nicht unschlüssig. Denn die Klägerin hat ihre Kalkulation offengelegt und davon ausgehend ihren Anspruch auch der Höhe nach berechnet. Die Berechtigung der konkreten Forderung ist in einer Beweisaufnahme zu klären.
4. Inwieweit der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gemäß § 6 Nr. 6 VOB/B zustehen könnte, kann dahinstehen, weil die Klägerin einen solchen Anspruch ausdrücklich nicht geltend macht (vgl. Bl. 69, 179 und 182 d. A.).
5. Für die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Beträge gilt nichts anderes als für die Klage im Übrigen. Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist grundsätzlich zulässig auch ohne Einwilligung des Gegners (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 531 Rdnr. 24). Da das Landgericht verfahrensfehlerhaft der Klägerin keinen Schriftsatznachlass gewährt hat, kommt eine Zurückweisung gemäß § 531 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.
6. Lediglich vorsorglich weist der Senat außerdem darauf hin, dass der Klageantrag in seiner letzten Fassung einen nicht vollstreckungsfähigen Inhalt hat, solange nicht der Zeitpunkt der Zahlung von 109.223,57 EUR ergänzt wird. dies wird die Klägerin noch nachzuholen haben.
IV.
1. Über die Kosten des Berufungsverfahrens hat das Landgericht im Rahmen seiner abschließenden Entscheidung zu befinden. Die Verteilung ist vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängig.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO und erfolgt im Hinblick darauf, dass die Kostenentscheidung des Landgerichts durch die Aufhebung des angefochtenen Urteils gegenstandslos geworden ist (§ 775 Nr. 1 ZPO). Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist entbehrlich (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 775 Rdnr. 5 i. V. m. § 717 Abs. 1 ZPO).
2. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen. Der Senat weicht nicht von der überkommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab (s. o. III. 2 a), da er die Bauzeitverzögerung letztlich dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuordnet. Damit ist die Beklagte dem Grund nach für die Mehrkosten einstandspflichtig, ohne dass es auf die weitere im Urteil des OLG Jena vom 11. Oktober 2005 aufgeworfenen Rechtsfrage (juris-Rdnr. 66 f.), über die der BGH bislang nicht entschieden hat, ankommt.