Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.07.2009, Az.: 11 U 57/09
Verkehrssicherungspflicht eines Reiseveranstalters hinsichtlich einer Verletzungsgefahr für Babys oder Kleinkinder durch Tontöpfe mit Bougainvillea-Pflanzen an Stützpfeilern auf der Außenterrasse eines Hotels
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.07.2009
- Aktenzeichen
- 11 U 57/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 35548
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0730.11U57.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 25.02.2009 - AZ: 11 O 280/08
In dem Rechtsstreit
...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie
die Richterin am Landgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 25. Februar 2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die im Verfahren zweiter Instanz entstandenen Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen die Beklagte als Reiseveranstalterin aufgrund einer behaupteten Verkehrssicherungspflichtverletzung in Anspruch. Bei dem streitigen Vorfall am 14. Juli 2008 zog sich der Kläger zu 1, der zum damaligen Zeitpunkt ein Jahr und acht Monate alt war, eine Augenverletzung zu. Auf der Außenterrasse des Hotels befanden sich an Stützpfeilern Tontöpfe mit Bougainvillea-Pflanzen. Die Äste dieser Pflanze waren unregelmäßig mit langen, spitz zulaufenden Dornen versehen. Der Kläger zu 1 ging gegen 20:20 Uhr an der Hand seiner Mutter, der Klägerin zu 3, an den Bougainvillea-Pflanzen vorbei. Er riss sich dann plötzlich los und lief in eine Bougainvillea-Pflanze hinein. Ein Dorn verletzte das Auge des Klägers zu 1.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagten keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorzuwerfen sei. Von der Beklagten sei weder zu verlangen, auf die Aufstellung der bepflanzten Blumenkübel gänzlich zu verzichten oder auf deren Entfernen hinzuwirken noch auf den Rückschnitt der leicht überhängenden Triebe hinzuwirken. Bei bestimmungsgemäßer und üblicher Benutzung der Terrasse sei von den Blumenkübeln eine besondere Gefährdung nicht ausgegangen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Beklagte das Hotel als besonders kinderfreundlich beworben habe, hätten die Kläger nicht erwarten können, dass das Hotel in sämtlichen Einrichtungen und Örtlichkeiten so beschaffen gewesen sei, dass jegliche Gefährdung von Babys oder Kleinkindern ausgeschlossen gewesen sei.
Gegen dieses Urteil, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 75 ff. d.A.) richtet sich die Berufung der Kläger.
Die Kläger wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen erster Instanz. Sie sind der Ansicht, dass der Beklagten eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorzuwerfen sei. Ein Mitverschulden der Kläger zu 2 und 3 sei nicht erkennbar.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des am 25. Februar 2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Hannover, Az. 11 O 280/08,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1 für den Zeitraum vom 14. Juni 2008 bis zum 21. Juli 2008 ein angemessenes Schmerzens-geld in Höhe von mindestens 3.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 29. August 2008 zu zahlen;
- 2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1 sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach dem 21. Juli 2008 entstanden sind - aus dem Unfall vom 14. Juni 2008 in der Hotelanlage X./Mallorca zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2 einen Betrag von 464,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 29. August 2008 zu zahlen;
- 4.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 3 einen Betrag von 154,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem 29. August 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und ist insbesondere der Ansicht, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung ihr nicht vorzuwerfen sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Ebenso wie das Landgericht lässt sich nach der Ansicht des Senats eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht erkennen. Die Beklagte als Reiseveranstalterin war verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ein Mangel im Sinne des Reiserechts liegt vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistung von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart haben und dadurch der Wert der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird. Aufgrund seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten schuldet der Reiseveranstalter dabei auch Abwehrmaßnahmen gegen solche mit Reiseleistungen verbundenen Gefahren, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht, insbesondere bei Sicherheitsdefiziten aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Die Beklagte hat dabei bei Ausübung ihres Gewerbes die Sicherheitsvorkehrung zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren und die ihm nach den Umständen zuzumuten sind. Zu dieser Beurteilung sind die vertraglichen Pflichten des jeweiligen Reiseveranstalters heranzuziehen (BGH NJW 2007, 2549 ff. m.w.N.). Dabei hat ein Reiseveranstalter, der mit einer kindgerechten Ausstattung für eine Urlaubsunterkunft wirbt, Gefahren, die sich auch beispielsweise aus der baulichen Ausstattung für Kinder ergeben können, im Rahmen seiner Versicherungspflicht gering zu halten und nach Möglichkeit zu beseitigen (BGH, NJW 2006, 2918 m.w.N.).
In ihrem Reiseprospekt stellt die Beklagte das Hotel, in dem die Kläger ihre Ferien verbrachten, auch als geeignet für Kleinstkinder dar. Auf der Seite 25 des Reiseprospektes befindet sich eine eigene Rubrik "für Babys (0 - 2)". Dort sind besondere Angebote des Hotels aufgeführt, die die Betreuung und Versorgung von Kleinst-kindern im Alter von 0 - 2 Jahren darstellen. Weiter lässt sich aus der Rubrik "... Gästezufriedenheit", wonach das Hotel als zu 100% kinderfreundlich bewertet worden ist, eine besondere Geeignetheit der Hotelanlage für Reisende mit Kleinstkindern entnehmen.
Allerdings zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Kläger nicht erwarten konnten, dass das Hotel in sämtlichen Einrichtungen und Örtlichkeiten so beschaffen war, dass jegliche Gefährdung von Babys und Kleinkindern ausgeschlossen war. Aus den Lichtbildern, die in der mündlichen Verhandlung in Augen-schein genommen worden sind (Bl. 33 ff. d.A.), ergibt sich, dass die Gefahr, die sich aus den Dornen der vorhandenden Bougainvillea-Pflanzen ergibt, minimal war. Die Pflanzen waren sehr weit zurückgeschnitten, sodass die Äste allenfalls wenige Zentimeter über die Pflanztöpfe hinausragten. Die Pflanztöpfe selbst befanden sich am Rande der Terrasse, wobei die Pflanzen jeweils noch an Stützpfeilern aufgestellt waren. Ebenso wie ein verständiger Reisender auch bei einem als kinderfreundlich beschriebenen Hotel, Schutz gegen die Gefahr, dass sich Kleinkinder an Stühlen, Tischen oder Mauerecken stoßen, nicht erwartet, kann ein durchschnittlicher Reisender nicht erwarten, dass - jedenfalls in allgemein zugänglichen Bereichen - Pflanzen, die den Durchgang nicht behindern, so beschaffen sind, dass von ihnen keinerlei Gefahren für Kleinkinder ausgehen.
Der bedauerliche Unfall des Klägers zu 1 beruht daher nicht auf einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein eventuelles geringes Verschulden der Beklagten hinter dem ganz überwiegenden Mitverschulden der Klägerin zu 3, das sich der Kläger zu 1 als eigenes zurechnen lassen muss, zurückzutreten hat. Der Kläger zu 1, der zum Unfallzeitpunkt knapp zwei Jahre alt war, hat sich von der Hand seiner Mutter, der Klägerin zu 3, plötzlich losgerissen und ist in die Bougainvillea-Pflanze hineingelaufen. Ein derartiges Losreißen ist jedoch nicht möglich, wenn das Kind fest genug an der Hand geführt wird.
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 708 Ziffer 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Parteien haben nichts aufgezeigt, was zur Zulassung der Revision Anlass geben könnte; auch der Senat hat nicht gemeint, dass die Zulassung aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder wegen grundsätzlicher Bedeutung geboten erschiene. Vielmehr stellt sich der Sachverhalt als solcher dar, dem die Vermutung der Einmaligkeit innewohnt.