Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 06.07.2006, Az.: 6 U 53/06
Auskunftsansprüche des von Hause aus enterbten pflichtteilsberechtigten Nichterben; Unterscheidung zwischen pflichtteilsberechtigtem Nichterben und pflichtteilsberechtigtem Miterben
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 06.07.2006
- Aktenzeichen
- 6 U 53/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 19107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2006:0706.6U53.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 15.02.2006 - AZ: 12 O 309/05
Rechtsgrundlagen
- § 242 BGB
- § 1953 BGB
- § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB
Fundstellen
- EE 2006, 152
- ErbBstg 2007, 72
- FamRZ 2006, 1877-1878 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB 2006, 2745 (Kurzinformation)
- OLGReport Gerichtsort 2007, 21-22
- ZEV 2006, 557
- ZEV 2006, 556-558 (Volltext mit amtl. LS)
- ZErb 2007, 21 (Volltext mit amtl. LS)
- ZFE 2006, 478 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Amtlicher Leitsatz
Die Vorschrift des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gebietet ihre einschränkende Auslegung, dass sie Auskunftsrechte nur einräumt dem von Hause aus enterbten pflichtteilsberechtigten Nichterben, nicht aber dem Miterben, der durch Ausschlagung die Stellung eines pflichtteilsergänzungsberechtigten Nichtmehr-Erben wählt.
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxx,
die Richterin am Oberlandesgericht xxxxx und
den Richter am Amtsgericht xxxxx
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Februar 2006 verkündete Teilurteil des Einzelrichters des 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Auskunftserteilung über den fiktiven Nachlass der am 4. April 2004 verstorbenen V. (im folgenden: Erblasserin).
1.
Sie kann von dem Beklagten als (Allein)Erben der Erblasserin Auskunft über den Bestand des Nachlasses nicht gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen. Dieser Anspruch setzt voraus, dass die Klägerin nicht Erbin der Erblasserin ist, woran es fehlt. Auf die Ausschlagung des Erbes durch die Klägerin kommt es nicht an. Diese verhalf ihr nicht zu einem Pflichtteilsanspruch, weil sie nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen war, § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB, und demzufolge ebenso wenig zur Geltendmachung von Hilfsansprüchen zur Durchsetzung des Pflichtteils berechtigt war.
Die Vorschrift des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ihrem Sinn und Zweck nach nicht auf Personen anzuwenden, die erst infolge Ausschlagung des Erbes nicht als Erben einzusehen sind. Die Ausschlagung des Erbes darf nicht dazu dienen, die Stellung der Klägerin im Auskunftsverfahren gegenüber dem Erben zu verbessern und ihr Rechte einzuräumen, die ihr in ihrer Stellung als Miterbin nicht zustehen. Die Unterscheidung zwischen dem pflichtteilsberechtigten Nichterben und dem pflichtteilsberechtigten Miterben, welche das Gesetz vornimmt, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass der nur unter eingeschränkten Voraussetzungen mit Auskunftsansprüchen ausgestattete Miterbe (§§ 2027, 2028, 2057, 666, 681 BGB) die Erbschaft ausschlägt, um sich einen von weiteren Voraussetzungen unabhängigen Auskunftsanspruch gegen den (Mit)Erben zu verschaffen. Insoweit gebietet § 2314 BGB seine einschränkende Auslegung, dass er Auskunftsrechte nur einräumt dem von Hause aus enterbten pflichtteilsberechtigten Nichterben, nicht aber dem Miterben, der durch Ausschlagung die Stellung eines pflichtteilsergänzungsberechtigten Nichtmehr-Erben wählt.
2.
Ferner kann die Klägerin den Beklagten als Beschenkten nicht auf Auskunft über unentgeltliche Zuwendungen seitens der Erblasserin an ihn in Anspruch nehmen. Sie steht auch hier trotz der Ausschlagung nicht anders da als ein zur Ergänzung des Pflichtteils berechtigter Miterbe, welchem der Anspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur zusteht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Schenkung vorliegen, der Beschenkte die Auskunft unschwer geben kann und der Pflichtteilsergänzungsberechtigte sich die erforderliche Kenntnis nicht auf andere ihm zumutbare Weise zu verschaffen vermag (vgl. grundlegend BGHZ 61, 180, 184 [BGH 27.06.1973 - IV ZR 50/72]; Palandt-Edenhofer, BGB, 65. Aufl., § 2314 Rn. 4).
Hieran fehlt es. Hinsichtlich der Veräußerung der Grundstücke X.weg in N. vom 12. Oktober 1995, dem einzigen Rechtsgeschäft, das Anhalt für eine gemischte Schenkung bietet, kann die Klägerin sich durch Einsicht in den Übertragungsvertrag, der sich bei den Grundakten des Amtsgerichts N. befinden muss, in ihr zumutbarer Weise die erforderliche Kenntnis verschaffen. Einen Erkenntnisvorsprung hat der Beklagte für die Berechnung möglicher Pflichtteilsergänzungsansprüche hier nicht.
II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Zulassung nicht vorliegen.