Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 13.12.2005, Az.: 1 B 58/05

Abänderungsantrag; Anordnung; Begründung; Dynamisierung; Ehefrau; geschiedene Ehefrau; Interessenabwägung; Kürzung der Versorgung; Rentenanwartschaft; Rentenbezug; Sofortvollzug; Versorgung; Versorgungsausgleich; Vollziehbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
13.12.2005
Aktenzeichen
1 B 58/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50874
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

Der am 17. Mai 1938 geborene Antragsteller ist seit dem 1. Januar 1993 Ruhestandbeamter der Beklagten. Seine mit Frau B. geschlossene Ehe wurde am 18. Mai 1994 durch Urteil des Amtsgericht W. - Familiengericht - (Az.) geschieden und zugleich im Rahmen des Versorgungsausgleichs eine Rentenanwartschaft zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau in Höhe von 1.597,14 DM begründet. Mit Bescheid vom 6. September 2005 hat die Antragsgegnerin die Versorgungsbezüge des Antragstellers mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2005 auf der Grundlage der Entscheidung des Familiengerichts und der Dynamisierung der Rentenanwartschaften in Höhe von 974,24 EUR gekürzt, nachdem sie erfahren hatte, dass die geschiedene Ehefrau eine eigene Rente seit dem 1. August 2003 erhält. Hiergegen hat der Antragsteller am 15. September 2005 Widerspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden ist. Zudem hat der Antragsteller beim Amtsgericht W. mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 einen Antrag auf Abänderung einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich gestellt, über den ebenfalls bisher noch nicht entscheiden ist.

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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Oktober 2005, mit dem diese die sofortige Vollziehung des von ihr am 6. September 2005 erlassenen Kürzungsbescheides angeordnet hat.

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Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet.

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Die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, die an die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu stellen sind, sind erfüllt. Um den Erfordernissen dieser Vorschrift zu genügen, hat die Behörde die wesentlichen Gründe darzulegen, aus denen sich im konkreten Fall das Interesse an einer sofortigen Vollziehung ergibt und die zu ihrer Entscheidung geführt haben, von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO Gebrauch zu machen. Dies hat die Antragsgegnerin in dem Bescheid vom 19. Oktober 2005 in ausreichendem Umfang getan. Die Antragsgegnerin hat zur Begründung ausgeführt, dass eine Kürzung der Versorgungsbezüge nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG vorgesehen sei, um die Belastung des Bundeshaushalts mit dem bestehenden Erstattungsanspruch des Versorgungsträgers der geschiedenen Ehefrau gegenüber der Antragsgegnerin nach § 225 SGB VI ausgleichen zu können. Zur Vermeidung einer doppelten Belastung einerseits durch den Erstattungsanspruch und andererseits durch die Zahlung ungekürzter Versorgungsbezüge sei die sofortige Vollziehung anzuordnen. Dadurch werde auch vermieden, dass weitere Rückforderungsansprüche der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller infolge des mit der Einlegung des Widerspruchs verbundenen Suspensiveffektes entstünden.

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Auch materiell ist die sofortige Vollziehung der verfügten Kürzung gerechtfertigt. Die gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht - unter Berücksichtigung von Art. 19 Abs. 4 GG - auf Grund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, also - hier - dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung der behördlichen Verfügung einerseits und dem Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung über den erhobenen Rechtsbehelf hiervon verschont zu bleiben, andererseits. Dabei fallen die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfes entscheidend mit ins Gewicht. Ist er nach summarischer Prüfung offensichtlich erfolgversprechend, d.h. ist der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig oder bestehen ernsthafte Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit, so überwiegt das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Ergibt die summarische Einschätzung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos bleiben wird, was insbesondere der Fall ist, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist, besteht im Regelfall ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes.

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So liegt es hier. Der von dem Antragsteller eingelegte Widerspruch wird nach der gegenwärtig zu erkennenden Sach- und Rechtslage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Es ist davon auszugehen, dass die Kürzung der Versorgungsbezüge des Antragstellers durch den angefochtenen Bescheid vom 6. September 2005 um 974,24 EUR zu Recht erfolgt.

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Die Kürzung der Versorgungsbezüge beruht auf § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG. Hiernach wird das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente gewährt wird. Diese Voraussetzungen liegen seit dem Rentenbezug der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers ab dem 1. August 2003 vor. Der Umfang der Kürzung richtet sich nach dem Wert der zugunsten der geschiedenen Ehefrau in der wirksamen Entscheidung des Amtsgericht W. vom 18. Mai 1994 begründeten Rentenanwartschaften sowie der nach § 57 Abs. 2 BeamtVG zu berechnenden Dynamisierung der Rentenanwartschaften und beträgt im hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 1. Oktober 2005 monatlich 974,24 EUR.

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An diesem Ergebnis ändert der mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 beim Amtsgericht W. gestellte Abänderungsantrag nichts. Zwar hätte die Antragsgegnerin die durch erneute wirksame Entscheidung des Amtsgerichts W. festgestellte Abänderung der familiengerichtlichen Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich auch im Rahmen der Kürzung der Versorgungsbezüge und damit auch bei ihrer Entscheidung über den eingelegten Widerspruch zu berücksichtigen. Zweifel an dem Kürzungsbescheid vom 6. September 2005 bestehen dennoch nicht, da zum einen die Abänderung nach § 10a Abs. 7 Satz 1 VAHRG frühestens zum 1. November 2005 wirken kann, also sich auf die in dem Monat Oktober 2005 vorgenommen Kürzung ohnehin nicht auswirken kann, und zum anderen die von dem Antragsteller zur Begründung seines Antrags nach § 10a VAHRG angeführten Änderungen (Absenkung des Versorgungsniveaus; Kürzung der Sonderzuwendung) voraussichtlich nur in geringem Umfang zu einer Minderung der bisherigen Kürzung führen können - sofern überhaupt die Voraussetzungen einer wesentlichen Änderung im Sinne von § 10a Abs. 2 Satz 2 VAHRG vorliegen.

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Vor diesem Hintergrund ist die Kammer der Auffassung, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Kürzungsbescheides vom 6. September 2005 das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Kürzung überwiegt.

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Die Antragsgegnerin hat sich zutreffend darauf gestützt, dass - wie bereits aufgezeigt - die Voraussetzungen für eine Kürzung auf der Grundlage der familiengerichtlichen Entscheidung vom 18. Mai 1994 vorliegen. Für das Vollzugsinteresse spricht auch, dass eine vorübergehende Aussetzung der Kürzung aufgrund des Suspensiveffekts des Widerspruchs zu einer Erhöhung des Rückforderungsanspruchs der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller führen würde, sollte der Widerspruch erfolglos bleiben. Demgegenüber ist ein gravierendes Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Kürzung nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller sich darauf beruft, dass auf seiner Seite ein Bedürfnis bestehe, dass keine überhöhten Versorgungsbezüge an seine geschiedene Ehefrau bzw. deren Versicherungsanstalt ausgezahlt würden, vermag das Gericht ein Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Kürzung nicht erkennen, zumal der Antragsteller selbst mit einem Einbehalt der Kürzungsbeträge durch die Antragsgegnerin einverstanden wäre. Sollten im Verhältnis der Antragsgegnerin zum Versorgungsträger der geschiedenen Ehefrau auf der Grundlage des in § 225 SGB VI normierten Erstattungsanspruchs überhöhte Zahlungen geleistet werden, berührt die Überzahlung nicht das Verhältnis des Antragstellers zur Antragsgegnerin.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG, wobei die Kammer ¼ des 24-fachen Kürzungsbetrages von 974,24 EUR zugrunde legt (vgl. Ziffer 10.4 i. V. m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2004).