Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 13.12.2005, Az.: 5 A 68/05

Bemessungsgröße; Freistellungsmöglichkeit; Gewerbeertrag; Gewerbesteuerpflicht; Gewinn; Gleichheitsgrundsatz; Gleichheitssatz; GmbH; Handelsgesellschaft; IHK; Kammerzugehöriger; Sonnenstudio; unbillige Härte; Verwaltungsakt; Äquivalenzprinzip

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
13.12.2005
Aktenzeichen
5 A 68/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51094
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die nach § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG fehlende Möglichkeit der Freistellung von der Beitragspflicht für Handelsregistergesellschaften ist rechtmäßig.

Tatbestand:

1

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt in {G.} ein Sonnenstudio sowie münzbetätigte Automaten für ein Sonnenstudio und wird von der Beklagten zu IHK-Beiträgen herangezogen. Mit Bescheid vom 4. Februar 2005 setzte die Beklagte den Grundbeitrag für das Jahr 2005 vorläufig auf 150 EUR fest, wobei es von einem Gewerbeertrag für das Jahr 2002 von 0,00 EUR ausging. Zugleich führte sie die noch offenen Beträge aus früheren Bescheiden in Höhe von 756,78 EUR an, sodass insgesamt 906,78 EUR zu zahlen seien.

2

Hiergegen hat die Klägerin am 7. März 2005 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie an, ihre Heranziehung zu Beiträgen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Im Gegensatz zu den nicht im Handelsregister eingetragenen sog. Kleinstgewerbetreibenden, die gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 und 4 IHKG eine Freistellung von der Beitragspflicht wegen eines schlechten Betriebsergebnisses erhalten und sich zudem durch Tilgung aus dem Handelsregister von ihrer Beitragspflicht befreien könnten, sei derartiges bei ihr allein aufgrund ihrer Rechtsform als GmbH ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht möglich. Hierbei werde in gleichheitswidriger Weise allein auf ein formales Kriterium abgestellt, auf das sie zudem keinen Einfluss habe. Da sie in den Jahren ab 1999 einen unter der Grenze von 5.112,92 EUR liegenden Gewinn erwirtschaftet habe und auch voraussichtlich im laufenden Jahr erwirtschaften werde, sei sie einem Kleinstgewerbetreibenden gleichzustellen mit der Folge, dass sie keine Beiträge zu leisten habe.

3

Die Klägerin beantragt,

4

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 4. Februar 2005 aufzuheben.

5

Die Beklagte beantragt,

6

die Klage abzuweisen.

7

Sie trägt vor: Die Klägerin sei als GmbH Handelsgesellschaft i. S. d. § 13 Abs. 3 GmbHG und juristische Person des Privatrechts, die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG zur Gewerbesteuer veranlagt werde. Sie unterhalte in ihrem IHK-Bezirk auch eine Betriebsstätte und sei daher nach § 2 Abs. 1 IHKG Mitglied und als solches beitragspflichtig. Die im Gesetz vorgesehene unterschiedliche Behandlung von Kleingewerbetreibenden und Handelsregisterunternehmen verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. In § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG werde bei der Staffelung der Grundbeiträge den Unterschieden zwischen kaufmännischen Geschäftsbetrieben und Kleingewerbetreibenden Rechnung getragen. Dadurch sei klargestellt, dass die Leistungskraft nur ein Staffelungskriterium darstelle. Daneben sei u. a. ausdrücklich die Art des Gewerbebetriebes erwähnt und damit auch die Anknüpfung an die Handelsregistereintragung als zusätzliches Staffelkriterium. Im Übrigen könnten nach § 19 Abs. 2 ihrer Beitragsordnung Beiträge auf Antrag im Falle einer unbilligen Härte ganz oder teilweise erlassen werden, wobei im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller IHK-Zugehörigen an den Begriff der unbilligen Härte ein strenger Maßstab anzulegen sei. Der IHK-Beitrag für das Jahr 2005 sei auch der Höhe nach gerechtfertigt.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage, über die der Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

10

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2005, mit dem diese für das Jahr 2005 vorläufig einen Grundbeitrag festgesetzt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

11

Streitgegenstand ist im vorliegenden Klageverfahren allein die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2005. Für die zurückliegenden Jahre hat die Beklagte die Beiträge bereits mit offensichtlich bestandskräftigen Bescheiden festgesetzt. Einwendungen hiergegen kann die Klägerin nicht mehr erheben. Die erneute Aufstellung dieser Beträge in dem angefochtenen Bescheid vom 4. Februar 2005 eröffnet keinen neuen Rechtsweg, sondern stellt nur eine Wiederholung der ursprünglichen Verwaltungsakte dar, die selbst keine Verwaltungsaktqualität hat.

12

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu IHK-Beiträgen ist § 3 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 IHKG, der Beitragsordnung der Beklagten sowie ihrer Haushaltssatzung für das hier streitige Rechnungsjahr. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Wer Mitglied der Industrie- und Handelskammer ist, bestimmt sich nach § 2 IHKG. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift gehören zur Industrie- und Handelskammer, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, unter anderem Handelsgesellschaften, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammern entweder eine gewerbliche Niederlassung, eine Betriebsstätte oder eine Verkaufsstelle unterhalten.

13

Hiernach ist die Klägerin Kammerangehörige der Beklagten. Sie ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Handelsgesellschaft (§ 13 Abs. 3 GmbHG) und betreibt im Gebiet der Beklagten eine Betriebsstelle. Im hier streitigen Jahr 2005 ist sie auch zur Gewerbesteuer veranlagt worden. Unerheblich ist, ob sie im Beitragszeitraum tatsächlich Gewerbesteuern gezahlt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass die in § 2 Abs. 1 IHKG genannten Kammerzugehörigen der Gewerbesteuerpflicht nach §§ 2, 14 GewStG unterliegen, ohne zugleich gemäß § 3 GewStG von Gesetzes wegen von der Gewerbesteuer befreit zu sein, mag im Einzelfall eine Steuerforderung auch nicht bestehen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften, sodass die Klägerin allein durch ihre Gesellschaftsform zur Gewerbesteuer veranlagt wird.

14

Die auf dem Gesetz beruhende Pflichtmitgliedschaft der Klägerin ist verfassungsgemäß. Sie verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 7.12.2001 - 1 BvR 1806/98 -, GewArch 2002, 111). Die Erhebung des streitigen Beitrages verstößt auch nicht gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz. Danach darf die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den sie abgelten sollen, und einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig belastet werden. Beides ist hier nicht der Fall. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin im Beitragsjahr tatsächlich Leistungen der Beklagten in Anspruch nimmt oder sonst einen messbaren Nutzen aus der Mitgliedschaft zieht. Der Beitrag ist vielmehr Gegenleistung für den Vorteil, den das Mitglied aus der Mitgliedschaft ziehen kann, nämlich dass die Kammer die ihr vom Gesetz übertragenen Aufgaben erfüllt, und dabei vor allem branchen- und betriebsübergreifend das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder wahrnimmt und allgemein für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft wirkt.

15

Gegen die Staffelung des Grundbeitrages nach § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG ist ebenfalls nichts einzuwenden, nachdem die zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene Fassung des § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG klarstellt, dass bei der Staffelung des Grundbeitrages nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch Art und Umfang des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden können. Aus diesem Grund greift der Einwand der Klägerin, die in § 3 Abs. 3 Satz 3 IHKG vorgesehene Freistellung derjenigen Kammerzugehörigen, die nicht im Handelsregister oder im Genossenschaftsregister eingetragen sind und deren Gewerbeertrag oder ermittelter Gewinn 5.200 EUR nicht übersteigt, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, nicht durch. Diese im Gesetz vorgesehene Ungleichbehandlung zwischen Handelsgesellschaften und den übrigen Kammerangehörigen ist gerechtfertigt. Denn die Handelsregisterpflicht des vollkaufmännischen Kammerzugehörigen bildet - zusammen mit dem Gewerbeertrag oder dem Gewinn aus Gewerbebetrieb - eine Bemessungsgröße, die Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kammerzugehörigen erlaubt (Nds. OVG, Urt. v. 12.11.1998 - 8 L 3941/98 -, GewArch 1999, 75). Es ist nicht sachwidrig und noch vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, dass er die registerpflichtigen Kammerzugehörigen wie hier die Klägerin als GmbH von der Freistellungsmöglichkeit ausnimmt, während er den nicht registerpflichtigen Kammerzugehörigen diese Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen einräumt. Die Handelsregisterfähigkeit eines Betriebes lässt bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise durchaus Rückschlüsse auf eine höhere Leistungskraft zu. Außergewöhnlichen unbilligen Härten kann bei den erstgenannten Kammerzugehörigen mit der Möglichkeit eines teilweisen oder gänzlichen Erlasses nach § 19 Abs. 2 der Beitragsordnung der Beklagten begegnet werden. Hierbei handelt es sich aber um ein gesondertes, nicht streitgegenständliches Verfahren. Außerdem ist nicht dargelegt und auch sonst nicht erkennbar, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sein könnten.

16

Rechtsfehler hinsichtlich der Höhe des für das Jahr 2005 vorläufig festgesetzten Grundbeitrages sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

18

Gründe für die Zulassung der Berufung nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.