Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.01.2005, Az.: 13 LA 532/04

Begründung der Besorgnis der Befangenheit eines (ehrenamtlichen) Richters; Voraussetzungen des Verlustes des Ablehnungsrechts eines Prozessbeteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit eines (ehrenamtlichen) Richters; Umfang der Begründungspflicht nach§ 124a Abs. 4 S. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bei Geltendmachung von Besorgnis der Befangenheit; Umfang der Zurechenbarkeit gegenüber einem Prozessbeteiligten von Kenntnissen seines Prozessbevollmächtigten; Voraussetzungen für die Erfüllung der Schulpflicht aus § 63 Abs. 1 des Niedersächsichen Schulgesetzes (NSchG) bei Besuch einer Schule im Ausland

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.01.2005
Aktenzeichen
13 LA 532/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 32178
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2005:0103.13LA532.04.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 14.01.2004 - AZ: 3 A 10/02

Fundstelle

  • SchuR 2005, 166 (Kurzinformation)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein nach § 54 Abs. 3 VwGO im Verwaltungsprozess wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnungsberechtigter Beteiligter verliert sein Ablehnungsrecht, soweit er einen ihm bekannten Ablehnungsgrund erst geltend macht, nachdem er sich in die Verhandlung einlässt oder Anträge stellt. Er muss sich dabei auch die Kenntnisse seines Bevollmächtigten analog § 85 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

  2. 2.

    Eine erst nach Erlass des Urteils geltend gemachte Ablehnung ist grundsätzlich unbeachtlich.

  3. 3.

    Ein auf § 63 NSchG gestützter Antrag auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten ist abzulehnen, wenn die Erstattung der Aufwendungen für den Transfer zu einer in den Niederlanden gelegenen Waldorfschule verlangt wird. Der Schulpflicht nach § 63 NSchG kann nur durch den Besuch einer inlanddeutschen öffentlichen Schule, Ersatzschule, Ergänzungsschule oder nach § 160 NSchG durch den Besuch einer Bildungseinrichtung zur Durchführung von Privatunterricht genügt werden.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 13. Senat -
am 3. Januar 2005
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 14. Januar 2004, berichtigt am 17. Februar 2004, wird auf ihre Kosten abgelehnt.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.926,- DM (2.518,61 Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

2

1.

Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ist nicht dargelegt.

3

Die Kläger haben geltend gemacht, dass bei der angefochtenen Entscheidung die ehrenamtliche Richterin C. mitgewirkt habe, die Mitglied des Kreistages des Beklagten sei. Zwar ist nach § 54 Abs. 3 VwGO die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozessordnung stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. In seiner Antragserwiderung vom 11. Mai 2004 hat der Beklagte dies nicht in Abrede gestellt. Es ist daher davon auszugehen, dass den Klägern aus dem genannten Grund ein Ablehnungsrecht zugestanden hat. Der ablehnungsberechtigte Beteiligte verliert das Ablehnungsrecht jedoch, wenn er einen ihm bekannten Ablehnungsgrund nicht rechtzeitig geltend macht, d.h. bevor er sich in die Verhandlung einlässt oder Anträge stellt (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 54 RdNr. 14a m.w.N.). Dabei muss sich der Beteiligte auch die Kenntnisse seines Bevollmächtigten analog § 85 Abs. 1 ZPO, § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen (Kopp/Schenke a.a.O. m.w.N). Mit dem Zulassungsbegehren haben die Kläger nicht geltend gemacht, dass ihnen oder ihren Verfahrensbevollmächtigten im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die Zugehörigkeit der Frau C. zum Kreistag des Beklagten noch nicht bekannt gewesen sei. Die anwaltlich vertretenen Kläger hätten dies aber im Rahmen ihrer Begründungspflicht nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vortragen müssen, um dem Zulassungsgrund zum Erfolg zu verhelfen. Eine erst nach Erlass des Urteils geltend gemachte Ablehnung ist grundsätzlich unbeachtlich (Kopp/Schenke, a.a.O.., § 138 Anm. 8 m.w.N.).

4

2.

Es bestehen auch nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist dann gegeben, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infragegestellt wird, und sich ohne nähere Prüfung die Frage nicht beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grunde richtig ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren zu verneinen.

5

Gegenstand des Verfahrens ist die Erstattung von Schülerbeförderungskosten zu einer in den Niederlanden gelegenen Waldorfschule. Die von den Klägern geltend gemachten Erstattungsansprüche müssen scheitern, weil der Besuch dieser Schule nicht gestattet worden ist (§ 63 NSchG). Das von den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Rechtsgutachten des Prof. Dr. D. erörtert nicht die entscheidungserhebliche Frage, ob den Klägern ungeachtet des Fehlens einer Gestattung ein Erstattungsanspruch zustehen könnte, sondern befasst sich ausschließlich damit, ob ein Anspruch auf Gestattung des Besuches der ausländischen Schule besteht. Diese Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Zu Recht weist der Beklagte in seiner Antragserwiderung vom 11. Mai 2004 darauf hin, dass die Kläger fortgesetzt ordnungswidrig i.S. der §§ 176 Abs. 1 Nr. 2, 71 Abs. 1 NSchG handeln, weil ihr Kind die Schule ohne Genehmigung besucht, womit die Schulpflicht aus § 63 Abs. 1 NSchG nicht erfüllt wird. Bei einem derartigen Sachverhalt kann ein Anspruch auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden.

6

Im Übrigen ist hinsichtlich des Besuches ausländischer Schulen durch in Niedersachsen wohnende Schüler auf die Ergänzenden Bestimmungen zur Schulpflicht und zum Rechtsverhältnis zur Schule (Erlass des MK vom 29.8.1995, SVBl. S. 223, i.d.F. v. 26.6.2003, SVBl. S. 227) hinzuweisen. Dort heißt es zu § 63 NSchG unter 3.1.3, dass der Schulpflicht (nur) genügt werden kann durch den Besuch einer inlanddeutschen öffentlichen Schule, einer Ersatzschule, einer Ergänzungsschule unter den Voraussetzungen des § 160 NSchG oder durch Privatunterricht. Seine Ermessensentscheidung nach § 63 Abs. 3 Satz 4 Nrn. 1 oder 2 NSchG müsste der Beklagte an dieser Vorschrift orientieren. Die Gestattung des Besuches einer ausländischen Waldorfschule ist damit aber ausgeschlossen.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

8

[...].

9

Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist nicht gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.926,- DM (2.518,61 Euro) festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG a.F..

Ballhausen
Dr. Uffhausen
Schiller