Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 16.02.1999, Az.: 5 U 180/98

Entstehung einer Schleimhautschädigung durch einen vorgenommenen Allergietest

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
16.02.1999
Aktenzeichen
5 U 180/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29119
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:0216.5U180.98.0A

Fundstellen

  • MedR 1999, 269
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 117-118

Amtlicher Leitsatz

Kein Zusammenhang zwischen Allergietest und Schleimhautschädigung.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Ersatz materieller und immaterieller Schäden sowie Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche Zukunftsschäden, die sie aus einem von dem Beklagten, Facharzt für Allergologie und Lungenerkrankungen, nach ihrer Ansicht fehlerhaft durchgeführten Allergietest ableitet.

2

Ein Epicutan-Test, den die 1940 geborene Klägerin wegen seit Mitte 1995 an ihrem Arbeitsplatz zunehmend aufgetretener allergischer Reaktionen durch Reizzustände der Atmungswege, im Gesicht und des Magen bei dem Hautarzt Dr. A... vornehmen ließ, ergab eine positive Reaktion auf Benzoylperoxid (BPO). Der über ihren Hausarzt zur Prüfung, ob die Überempfindlichkeit auf BPO für die Reizzustände ursächlich sein könnte, aufgesuchte Beklagte führte am 13.03.1996 einen sogenannten inhalativen Provokationstest durch.

3

Die Klägerin hat behauptet, der ohne jeden Hinweis auf gesundheitliche Risiken erfolgte Test habe sofort brennende Schmerzen des ganzen Körpers ausgelöst und vergiftungsleich zu einer dauerhaften Übersensibilisierung sämtlicher Schleimhäute geführt. Sie sei seitdem arbeitsunfähig, habe nachhaltige Schlafstörungen, könne sich nur noch von Haferschleim, Zwieback und Tee ernähren und insgesamt kein normales Leben mehr führen.

4

Der für ihre Beschwerden ursächliche Test sei in Anbetracht des positiven Hauttests und des damals noch nicht festgestellten Zusammenhangs zwischen den Arbeitsplatzbeschwerden und BPO nicht indiziert gewesen. Außerdem habe ein solcher Test nur im Krankenhaus und nicht von einer Arzthelferin durchgeführt werden dürfen und umfangreicher Nachuntersuchungen bedurft.

5

Die Klägerin hat ihre Schmerzensgeldvorstellung mit 60.000,00 DM angegeben und ihren Verdienstausfall von April 1996 bis Januar 1997 mit 6.293,15 DM beziffert.

6

Das Landgericht hat sachverständig beraten (Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und Anhörung des Gutachters) die Klage abgewiesen, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Provokationstest und den vorgetragenen Beeinträchtigungen nicht bestehe.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

8

Ersatzansprüche der Klägerin - deliktische wie vertragliche (§§ 823 Abs. 1, 847, positive Vertragsverletzung des Behandlungsvertrages) - im Zusammenhang mit der von ihr beanstandeten Behandlung durch den Beklagten scheiden aus. Das Landgericht hat behandlungsfehlerfrei auf der Grundlage der überzeugenden Sachverständigenberatung festgestellt, dass - unabhängig von der Indikation und dem diagnostischen Wert eines solchen Inhalationstests - ein Zusammenhang zwischen den Provokationstests und den von der Klägerin darauf zurückgeführten Beschwerdebild nicht besteht. Dabei hat es zu Recht als entscheidend angesehen, dass bei der zugrundezulegenden BPO-Konzentration von allenfalls einem Prozent gesundheitliche Auswirkungen der von der Klägerin beschriebenen Art nicht denkbar sind. Insoweit kann gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die überzeugenden Ausführungen in den Gründen der angefochtenen Entscheidung (LGU 5 - LGU 6 2. Abs.), die sich der Senat zu Eigen macht, verwiesen und von einer rein wiederholenden Darstellung abgesehen werden.

9

Dem vermag die Klägerin auch in ihrer Berufung nichts Erhebliches entgegenzusetzen.

10

Die Klägerin will nach wie vor nicht wahr haben, dass die von ihr angesprochenen möglichen Reaktionen auf BPO sich auf andere sehr viel höhere Konzentrationen, als sie bei ihr zur Anwendung gekommen sind, und auch auf andere Körperkontakte beziehen. Diesbezüglich sind die Ausführungen des Gerichtssachverständigen in sich stimmig, klar und eindeutig und insgesamt völlig überzeugend: Eine körperliche schädigende Wirkung durch den Inhalationstest ist ausgeschlossen und zwar auch, wenn von einer Übersensibilität gegenüber BPO ausgegangen wird. Somatoforme Störungen, die von der Klägerin selbst stets bestritten worden sind, könnten dem Beklagten haftungsrechtlich nicht angelastet werden.

11

Nach der Behandlungsdokumentation (Eintragung in der Krankenkartei unter dem 13.03.96 und Protokoll vom 13.03.1996) ist die von der Klägerin unstreitig von ihrem Hautarzt selbst mitgebrachte Testsubstanz von 1 % BPO auf 0,1 % Konzentration in Vaseline verdünnt worden. Abgesehen davon, dass die Klägerin für ihre Behauptung, diese Verdünnung habe nicht stattgefunden, beweispflichtig geblieben ist, scheiden negative Auswirkungen auch aus, wenn - was das Landgericht zu ihren Gunsten unterstellt hat - von einer 1 %igen Lösung ausgegangen wird, zumal ein direkter Körperkontakt mit der Testsubstanz nicht stattgefunden hat und die Aufnahme über die Atemwege durch die Einbindung des BPO in Vaseline noch abgeschwächt wird.

12

Der Sachverständige hat bei dieser Beurteilung ausweislich des Gutachtens die gesamte von der Klägerin vorgetragene Krankengeschichte zugrundegelegt und ausgewertet. Die Literaturliste belegt, dass er veröffentlichte wissenschaftliche Ergebnisse bis 1997 berücksichtigt hat. Ebenso ausführlich hat er sich mit den von der Klägerin beigebrachten Unterlagen auseinandergesetzt, wie seine Anhörung zeigt, und nachvollziehbar deutlich gemacht, dass sich daraus gerade keine Risiken des angewandten Tests ableiten ließen. Die von der ABDA Frankfurt jetzt vorgelegte Produktbeschreibung weist erkennbar nichts anderes aus. Der Provokationstest des Beklagten wird insbesondere nicht von den beschriebenen Kontraindikationen erfasst.

13

Die Klägerin verschließt sich der Erkenntnis, dass es nicht um ganz allgemeine Risiken geht, die mit dem Grundstoff BPO zusammenhängen können, sondern auf die vorgenommene konkrete Anwendung und die schließt einen Zusammenhang mit den von ihr beklagten Auswirkungen aus.

14

Der Test ist auch nach der vorstehend genannten Dokumentation ausreichend festgehalten worden. Einer weitergehenden Dokumentation bedarf es aus der dafür allein maßgeblichen Behandlungssicht nicht. Ausweislich dieser Dokumentation ist die Klägerin auch umfangreich über den Test unter Beantwortung ihrer Zusatzfragen aufgeklärt worden. Über allgemeine Risiken von BPO, die mit diesem Test in seiner speziellen Durchführung nicht verbunden sein können, braucht ein Arzt seine Patienten nicht zu unterrichten, da diese mit seiner Behandlung nicht zusammenhängen. Es war dann auch die Klägerin selbst, die diesen Test veranlasst hatte; der geringe diagnostische Erkenntniswert vermag einen haftungsbegründenden Vorwurf insoweit nicht zu stützen.

15

Schließlich fehlt es an jedem Anhaltspunkt, die den von ihr erhobenen Vorwurf grob fehlerhaften Vorgehens in dem Sinne, dass dies einem Arzt schlechterdings nicht passieren darf, stützen könnte. Das gilt für physische wie psychische Behandlungsfolgen gleichermaßen. Dem Sachverständigengutachten ist dafür nichts zu entnehmen. Angesichts der darin bestätigten Harmlosigkeit der Testsubstanz scheidet ein solcher Vorwurf von vornherein aus.

16

Für eine weitergehende sachverständige Aufklärung besteht kein Anlass. Insbesondere lässt das Vorbringen der Klägerin zu ihrer Folgebehandlung im Reinhard-Nieter-Krankenhaus und die dort dokumentierte Behandlung und Zustandsbeschreibung eine Grundlage für eine erneute Anhörung dieses Sachverständigen oder die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erkennen.