Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 19.02.1999, Az.: 5 W 29/99
Verbot der Vorteilsannahme des Trägers eines Altenheims; Erteilung eines Erbscheins
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 19.02.1999
- Aktenzeichen
- 5 W 29/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 29309
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0219.5W29.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 1 HeimG
- § 15 Abs. 3 Nr. 4 HeimG
- § 38 GewO
- § 6 Abs. 1 S. 2 HeimG
- § 17 Abs. 1 Nr. 3 HeimG
Fundstellen
- EWiR 1999, 1113
- FGPrax 1999, 111
- FamRZ 1999, 1312-1313 (Volltext mit amtl. LS)
- IPRax 1999, 469-470
- IPRspr 1999, 94
- MDR 1999, 746-747 (Volltext mit amtl. LS)
- MittRhNotK 1999, 284-285
- NJW 1999, 2448 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1999, 120-122
- ZEV 1999, 311
- ZEV 1999, 502-503
Amtlicher Leitsatz
§ 14 Abs. 1 HeimG findet auf letztwillige Verfügungen einer deutschen Staatsangehörigen zu Gunsten des Trägers eines nicht in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Heims keine Anwendung.
Gründe
I.
Am 27.5.1994 verstarb die deutsche Staatsangehörige J in ... Der Beteiligte zu 2) beantragt die Erteilung eines Erbscheins und macht geltend, er sei auf Grund privatschriftlicher letztwilliger Verfügung mit Datum vom 2.5.1992 Alleinerbe. Er ist der Träger eines Altenheims in ..., in dem die Erblasserin bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, die mit Wissen des Beteiligten zu 2) erfolgte, lebte. Die Beteiligte zu 1), die Schwester der Erblasserin, hält die Verfügung vom 2.5.1992 insbesondere wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 HeimG sowie mangels Testierfähigkeit für unwirksam.
Das Amtsgericht hat den Erbschein antragsgemäß erteilt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht das Nachlassgericht angewiesen, den Erbschein einzuziehen, weil die letztwillige Verfügung vom 2.5.1992 jedenfalls gemäß § 14 Abs. 1 HeimG i.V.m. § 134 BGB nichtig sei. Mit der hiergegen eingelegten weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 2) seinen Erbscheinsantrag weiter.
II.
Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Landgericht. Denn die letztwillige Verfügung vom 2.5.1992 verstößt nicht gegen § 14 Abs. 1 HeimG.
Nach § 14 Abs. 1 HeimG ist es dem Träger eines Heims im Sinne dieses Gesetzes grundsätzlich untersagt, sich von oder zu Gunsten von Bewohnern Geld- oder geldwerte Leistungen über das nach § 4 HeimG vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Diese - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende (BVerfG, NJW 1998, 2964 ) - Regelung erfasst auch einseitige letztwillige Verfügungen, sofern sie mit Kenntnis des Heimträgers getroffen werden (BayOblG, NJW 1992, 55 ff.; 1993, 1143 ff. [BayObLG 09.12.1992 - 2 Z BR 98/92]).
Ob § 14 Abs. 1 HeimG für letztwillige Verfügungen einer deutschen Staatsangehörigen zu Gunsten des Trägers eines nicht in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Heims gilt, ist streitig. Während Birk in: MüKo-BGB, 3. Aufl., Art. 25 EGBG, Rdn. 208 dies Art. 25 Abs.1 EGBGB mit der Begründung entnimmt, die primäre Funktion von § 14 Abs. 1 HeimG sei der Schutz des Erblassers bzw. der Erben und nicht des lediglich reflexhaft betroffenen Heimwesens, vertritt Staudinger/Dörner, BGB, 13. Bearbeitung, Art. 25 EGBGB, Rdn. 127 die Auffassung, § 14 Abs. 1 HeimG sei von vornherein nicht erbrechtlich zu qualifizieren, sondern erfasse lediglich Heime in Deutschland, allerdings auch deren ausländische Bewohner. Weitere ausdrückliche Stellungnahmen zu dieser Rechtsfrage liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass § 14 Abs. 1 HeimG auf letztwillige Verfügungen einer deutschen Staatsangehörigen zu Gunsten des Trägers eines nicht in der Bundesrepublik Deutschland belegenen Heims keine Anwendung findet.
Das am 1.1.1975 in Kraft getretene, seitdem mehrfach geänderte Heimgesetz will bundeseinheitliche, gesetzliche Mindeststandards für alle Heimträger mit dem vorrangigen Ziel des Schutzes volljähriger Heimbewohner schaffen. Bis dahin ermächtigte § 38 GewO die Landesregierungen, Rechtsverordnungen lediglich für gewerbliche Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime zu erlassen (vgl. Kunz/Ruf/Wiedemann, HeimG, 7. Aufl., Einführung; Gössling/Knopp, HeimG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 1 ff.). Seit In Kraft treten des Heimgesetzes bedarf der Betreiber eines Heims, das insoweit nicht durch § 6 Abs. 1 Satz 2 HeimG privilegiert wird, der Erlaubnis der von der Landesregierung bestimmten Behörde, der auch die Überwachung der Heime obliegt (§§ 6, 9, 18 Abs. 1 HeimG). Das Gesetz enthält neben weiteren öffentlich-rechtlichen Regelungen in § 4 HeimG Bestimmungen über den privatrechtlichen Vertrag mit den Heimbewohnern und in § 14 HeimG das hier entscheidungserhebliche Verbot der Vorteilsannahme über das nach § 4 HeimG vereinbarte Entgelt hinaus. Von diesem Verbot kann die zuständige Behörde nach § 14 Abs. 6 HeimG Ausnahmen zulassen, wenn es im Einzelfall zum Schutz der Bewohner nicht erforderlich ist. Die Zuwiderhandlung gegen § 14 Abs. 1 HeimG ist gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 3 HeimG eine Ordnungswidrigkeit und kann nach § 15 Abs. 3 Nr. 4 HeimG zum Widerruf der Erlaubnis bzw. nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 HeimG zur Betriebsuntersagung führen.
Bereits dieser primär öffentlich-rechtliche Regelungszusammenhang spricht dafür, dass § 14 Abs. 1 HeimG nur für Heime in der Bundesrepublik Deutschland Geltung beanspruch, dass insbesondere die Staatsangehörigkeit, an die Art. 25 Abs. 1 EGBGB anknüpft, ein ungeeignetes Prüfkriterium für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist, zumal auch § 4 HeimG nach Art. 27 ff. EGBGB in aller Regel nur für Verträge mit deutschen Heimen gilt. Würde der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 1 HeimG von der Staatsangehörigkeit der Heimbewohner abhängen, so wäre zwar die Testierfreiheit deutscher Staatsangehöriger auch in anderen Ländern geschützt und eine nochmalige oder überhöhte Abgeltung von Pflegeleistungen durch sie verhindert. Dies hätte jedoch zur Folge, dass ein weiteres wesentliches Ziel der gesetzlichen Regelung, nämlich die Verhinderung einer den Heimfrieden und möglicherweise auch das Wohl einzelner Bewohner gefährdenden, unterschiedlichen (privilegierenden oder benachteiligenden) Behandlung auf Grund finanzieller Zusatzleistungen oder Zusatzversprechen (BT-Dr 7/180, S. 12, 15; 11/5120, S. 17 f.) verfehlt wird. Danach erscheint es angezeigt, das nur gegen den Heimträger gerichtete (BGHZ 110, 235, 240) [BGH 09.02.1990 - V ZR 139/88], zugleich aber die Privatautonomie beschränkende Verbot der Vorteilsannahme gemäß § 14 HeimG auf alle Heime anzuwenden, die der Aufsicht nach §§ 6 ff. HeimG unterliegen (vgl. BVerfGE, a.a.O., zu Zif. 2). Eine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende, unterschiedliche Behandlung der Bewohner desselben Heims rechtfertigt § 14 HeimG demgegenüber nicht.
Das Landgericht hat auf Grund seiner gegenteiligen Rechtsauffassung nicht geprüft, ob die Verfügung mit Datum vom 2.5.1992 aus anderen Gründen, insbesondere mangels Testierfähigkeit unwirksam ist. Da dies im Verfahren der Rechtsbeschwerde nicht nachgeholt werden kann, wird das Verfahren zur weiteren Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Beteiligten sollten prüfen, ob die bereits früher von ihnen erwogene vergleichsweise Beendigung des Verfahrens, der möglicherweise die bisherige Ungewissheit über die Anwendbarkeit von § 14 Abs. 1 HeimG entgegenstand, in Betracht kommt.