Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 16.02.1999, Az.: 5 U 133/98
Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Belassen eines Venenteilstücks vom oberen Unterschenkel bis zum Knie bei einer Operation und dem Auftreten von Spannungsblasen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.02.1999
- Aktenzeichen
- 5 U 133/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 29171
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0216.5U133.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- NULL
Fundstellen
- OLGReport Gerichtsort 1999, 138-140
- VersR 2000, 61 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Keine Aufklärungspflicht über Risiken einer gleichzeitigen im Gegensatz zur zweizeiligen Krampfaderoperation beider Beine. Postoperative Spannungsblasen kein Hinweis auf Behandlungsfehler
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldner Ersatz materiellen und immateriellen Schadens sowie die Feststellung künftiger Ersatzpflicht im Zusammenhang mit einer am 21.4.1994 im ... Krankenhaus in ... durchgeführten Krampfaderoperation.
Unmittelbar nach der Operation klagte die Klägerin über Beschwerden und Sensibilitätsstörungen. Die behandelnden Ärzte führten diese auf eine allergische Reaktion bei der Klägerin zurück. Am 24.1.1994 wurde bei der Klägerin auf beiden Fußrücken Spannungsblasen festgestellt.
Die Klägerin hat behauptet, in dem vor der Operation geführten Aufklärungsgespräch am 18.11.1993 nicht gesondert auf die Risiken einer gleichzeitigen Operation beider Beine hingewiesen worden zu sein. Ferner hat sie den Beklagten vorgeworfen, dass in der nachoperativen Phase die Kompressionsverbände zu fest angelegt und nicht ordnungsgemäß geprüft worden seien.
Nachdem der Senat das Urteil des Landgerichts vom 10.1.1997, durch das die Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,- DM verurteilt und die Klage auf Ersatz des Haushaltshilfeschadens abgewiesen worden war, auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin durch Urteil vom 1.7.1997 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen hatte, hat das Landgericht gemäß Beweisbeschluss vom 10.9.1997 durch Einholung eines gefäßchirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. C... vom 5.2.1998 Beweis erhoben, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 3.7.1998 erläutert und ergänzt hat. Sodann hat es die Klage abgewiesen, weil eine Aufklärungspflicht nicht verletzt worden sei und eine Fehlbehandlung in der postoperativen Phase nicht vorliege.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Sie beanstandet zunächst, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, die gleichzeitige Behandlung beider Beine sei mit ihr abgesprochen gewesen; tatsächlich habe eine Besprechung über die damit verbundenen Gefahren und Risiken nicht stattgefunden. Ferner rügt sie, dass sich das Landgericht mit ihrer Behauptung, die Operation sei im Hinblick auf eine unvollständige Entfernung der Vene fehlerhaft durchgeführt worden, nicht auseinander gesetzt habe. Schließlich greift sie die Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil an, dass bei der postoperativen Behandlung, insbesondere bei der Anlegung der Kompressionsverbände, weder Versäumnisse noch Behandlungsfehler vorgelegen hätten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche zu.
1.
Aufgrund des unstreitigen Sachvortrags steht fest, dass die Klägerin in ausreichendem Umfang über die mit der Krampfaderoperation verbundenen Risiken und Gefahren aufgeklärt worden ist. Die Klägerin hat nicht bestritten, dass mit ihr ein Aufklärungsgespräch geführt worden ist, in dem sie über die möglichen Komplikationen einer Krampfaderoperation ins Bild gesetzt worden ist. Die Klägerin hat zudem ein vom 20.1.1994 datiertes Aufklärungsformular unterzeichnet, in dem der aufklärende Arzt handschriftlich als Risiken "Wundheilungsstörungen, Blutungen, Nervenverletzungen, Thrombose, Embolie, Rezidivneigung" eingetragen hat, so dass mangels anders lautendem substantiierten Vortrages der Klägerin auch davon auszugehen ist, dass die Klägerin über diese wesentlichen Gefahren mündlich informiert worden ist. Eine weiter gehende Aufklärung war von den behandelnden Ärzten nicht geschuldet, insbesondere waren sie nicht verpflichtet, auch auf die besonderen Risiken und Gefahren einer gleichzeitigen Operation beider Beine im Gegensatz zu einer zweizeitigen operativen Behandlung hinzuweisen, da es sich bei diesen unterschiedlichen Vorgehen um gleichwertige Behandlungsmethoden handelt. Im Gegensatz hierzu ist über Behandlungsalternativen dann aufzuklären, wenn die Methode des Arztes nicht die der Wahl ist oder konkret eine echte Alternative mit gleichwertigen Chancen, aber andersartigen Risiken besteht. Ob eine Behandlungsalternative oder nur die Wahl der Behandlungsmethode vorliegt, ist dabei nach der jeweiligen Sachlage von Fall zu Fall zu entscheiden. Für das Bestehen einer Behandlungsalternative kann eine unterschiedliche Qualität des Eingriffs bedeutsam sein (so bei abweichenden Eingriffsmethoden, wie etwa bei der Pericardektomie, vgl. OLG Köln VersR 1990, 1010; oder bei der Zystektomie, vgl. OLG Köln VersR 1990, 856 [OLG Köln 20.04.1989 - 7 U 20/88]); bei gleichartig schwerwiegenden Eingriffen wie im vorliegenden Fall kann es in eingeschränktem Maße auch darauf ankommen, ob ein signifikanter Unterschied zwischen den mit den verschiedenen Eingriffsarten verbundenen Risiken besteht, der eine besondere und spezielle Aufklärung über die unterschiedlichen Risiken erforderlich macht, etwa dann, wenn das Risiko durch die Wahl optimalerer Behandlungsbedingungen signifikant geringer gehalten werden kann (BGHZ 72, 132; 88, 248) [BGH 22.09.1983 - VII ZR 43/83].
Dies ist hier jedoch nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht der Fall. Danach ist die gleichzeitige Operation gegenüber der zweizeitigen operativen Behandlung auch im vorliegenden Fall nicht mit einem größeren Risiko behaftet. Wesentlich ist hierbei aber vor allem, dass die eine Behandlungsmethode keine anderen Risiken in sich birgt als die andere, sondern dass sich die beiden Behandlungsarten gemeinsamen Risiken nur unterschiedlich ausgeprägt darstellen. Da die Klägerin über die unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten einer gleichzeitigen oder einer konsekutiven operativen Behandlung der Krampfadern an beiden Beinen informiert war, oblag es den Ärzten nicht, auf die einzelnen Unterschiede zwischen den mit den verschiedenen Behandlungsarten verbundenen Gefahren hinzuweisen, die nicht einmal im Gerichtsgutachten detailliert dargestellt worden sind, da dies den Rahmen dessen überschreiten würde, in dem der Patient im Großen und Ganzen über die Risiken eines Eingriffs aufzuklären ist.
2.
Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht fallen gelassene und in der Berufungsinstanz erneuerte Vorwurf einer unzulänglichen Stripping- Operation ist auf Grund der -insoweit mit der Einschätzung des Schlichungsgutachters Dr. M... übereinstimmenden gutachtlichen Äußerung des Sachverständigen Prof. Dr. C... nachvollziehbar widerlegt. Hiernach geben die Behandlungsunterlagen keinen Anhalt für eine Bestätigung dieser Behauptung. Soweit die Klägerin das Sachverständigengutachten mit der Beanstandung angreift, der Sachverständige habe diese Frage ohne persönliche Untersuchung der Klägerin nur auf Grund einer Auswertung der Krankenunterlagen beantwortet, wird dadurch die Überzeugungskraft der angegriffenen sachverständigen Beurteilung nicht erschüttert, denn die Klägerin hat nicht vorgetragen, in welcher Hinsicht eine Untersuchung der Klägerin näheren Aufschluss über die konkrete Ausführung der Operation hätte geben können.
Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die erlittenen Spannungsblasen mit dem behaupteten Vorgang, bei der Operation sei ein Venenteilstück vom oberen Unterschenkel bis zum Knie belassen worden, in einem Zusammenhang stehen. Ein solcher ursächlicher Zusammenhang ist sowohl vom Schlichtungsgutachter Dr. M... als auch vom Sachverständigen Prof. Dr. C... sicher ausgeschlossen worden, die beide - mit allerdings unterschiedlicher Bewertung - die Spannungsblasen ausschließlich auf die Kompressionsbehandlung zurückgeführt haben. Die Klägerin hat hierzu weder in der Klageschrift noch in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass die Spannungsblasen durch den behaupteten Behandlungsfehler verursacht worden sein können, sondern dies in der Klageschrift als weiteren Behandlungsfehler dargestellt, ohne dass ersichtlich ist, dass darin eine (weitere) Ursache der Spannungsblasen liegt.
3.
Schließlich ist auch nicht bewiesen, dass bei der postoperativen Versorgung der Beine der Klägerin Versäumnisse oder Fehler begangen worden sind. Ausweislich der Krankenunterlagen sind die Beine am 22., 23. und 24.01.1994 jeweils zwei Mal neu gewickelt worden, wobei am Morgen des 24.01.1994 erstmals die Spannungsblasen über der Vorderseite beider oberer Sprunggelenke festgestellt wurden. Die Behauptung der Klägerin, die Kompressionsverbände seien zu fest gewickelt worden, ist nicht bewiesen. Allein die Tatsache, dass es überhaupt zu einer Blasenbildung gekommen ist, belegt eine unsachgemäße Anlegung der Kompressionsverbände nicht, denn der Umstand, dass die Spannungsblasen sich an beiden Beinen gleichzeitig gebildet haben, spricht nach den Ausführungen des Sachverständigen eher dafür, dass eine besondere Disposition der Klägerin insbesondere im Zusammenhang mit der Einnahme des Ovulationshemmers "Lovelle" schadensursächlich geworden sein könnte. Damit ist zugleich die gegenteilige Bewertung des Schlichtungsgutachters Dr. M... überzeugend widerlegt worden, wonach eine fehlerhafte Anlegung der Kompressionsverbände ausschließliche Ursache der Spannungsblasen gewesen sein soll.
Auch findet die von der Klägerin nicht in zulässiger Weise unter Beweis gestellte Behauptung, die Spannungsblasen seien nicht innerhalb einer Nacht aufgetreten, weil dies auf Grund mangelnder Kontrolle gar nicht habe festgestellt werden können, in den Behandlungsunterlagen keine Bestätigung.
Soweit sich die Klägerin zum Beweis von Behandlungsfehlern auf das Zeugnis der nachbehandelnden Ärzte Dr. O... und Dr. B... berufen hat, ist dem Vortrag der Klägerin im Übrigen nicht zu entnehmen, welche Tatsachen diese Zeugen bekunden sollen, die einer sachverständigen Bewertung eine andere Grundlage verschaffen könnten.