Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 10.02.1999, Az.: 2 U 248/98

"Sicherheitenpool" als Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung an die Mitglieder des Sicherheitenpools als Forderung der Gesamthand; Klagebefugnis eines einzelnen Gesellschafters für Gesamthandansprüche gegen Dritte; Gemeinschaftliche Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter als Grund der nur gemeinschaftlichen Einzugsbefugnis und Klagebefugnis der Gesellschafter; Klage gegen die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung gegen den Gesellschaftsschuldner; Inanspruchnahme des Gesellschaftsschulnders in einem zweiten Rechtsstreit; Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung bei Versprechen von über die gesetzlichen Pflichten des Konkursverwalters hinausgehenden Tätigkeiten vor Beendigung des Konkursverfahrens

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
10.02.1999
Aktenzeichen
2 U 248/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29168
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:0210.2U248.98.0A

Fundstellen

  • NZI 2000, 21-23
  • NZI 2001, 69

Amtlicher Leitsatz

Sicherheitenpool als BGB-Gesellschaft. Keine Klagebefugnis eines einzelnen Gesellschafters für Gesamthandansprüche gegen Dritte.

Gründe

1

Ein Sicherheitenpool - wie er hier unter Beteiligung der Klägerin gebildet worden ist - stellt sich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB) dar (BGH WM 1998, 1784; Smid, Grundzüge des neuen Insolvenzrechts, 3. Aufl., S. 42; Burgermeister, Der Sicherheitenpool im Insolvenzrecht, § 1 I). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung an die Mitglieder des Sicherheitenpools handelt es sich um eine Forderung der Gesamthand. Abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall der so genannten actio pro socio, also der Verfolgung von Ansprüchen der Gesamthand der Gesellschafter gegenüber einzelnen Gesellschaftern, kann ein Gesamthandsanspruch gegenüber einem Dritten nur von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich eingezogen und eingeklagt werden, wenn die Gesellschafter - was hier nicht der Fall ist - nichts anderes vereinbart haben. Dies folgt aus § 709 Abs. 1 BGB, wonach die Geschäftsführung den Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und ganz herrschender Auffassung in der Literatur braucht folglich grundsätzlich kein Gesellschafter zu dulden, dass ein anderer Gesellschafter ohne seine Mitwirkung eine Forderung einklagt (BGHZ 12, 309 [BGH 24.02.1954 - II ZR 3/53]; BGHZ 17, 340, 346 [BGH 06.06.1955 - II ZR 233/53]; BGHZ 39, 14; BGHZ 102, 152; Palandt-Sprau, BGB, 58. Aufl., § 709 Rn. 2; Staudinger-Keßler, BGB, 12. Aufl., § 705 Rn. 70; Münchner Kommentar-Ulmer, BGB, 3. Aufl., § 719 Rn. 8; zum Teil abweichend Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 21 IV, 3). Ob eine Forderung gegen einen Gesellschaftsschuldner besteht und ob die anderen Gesellschafter zur Mitwirkung bei der Einziehung dieser Forderung verpflichtet sind, kann grundsätzlich nicht in ein und demselben Prozess geklärt werden. Der einzelne Gesellschafter, der gegen den Willen seiner Mitgesellschafter eine Forderung einklagen will, muss vielmehr zwei Prozesse führen.

2

Im ersten Rechtsstreit muss er die anderen Gesellschafter verklagen, an der Geltendmachung der Forderung mitzuwirken; hat er ein entsprechendes Urteil erwirkt, dann kann der Gesellschaftsschuldner in einem zweiten Rechtsstreit in Anspruch genommen werden (BGHZ 39, 14, 18) [BGH 10.01.1963 - II ZR 95/61]. Der Grund für die Notwendigkeit dieses in der Regel umständlichen Wegs liegt darin, dass im Prozess mit dem Gesellschaftsschuldner die Frage, ob ein berechtigtes Interesse der Mitgesellschafter an der Nichtdurchsetzung der Forderung besteht, regelmäßig nicht zuverlässig geklärt werden kann. Die klagende Partei hat nur ein Interesse daran, einen Sachverhalt vorzutragen, aus dem sich ihre Prozessführungsbefugnis ausnahmsweise ergeben könnte; der Gesellschaftsschuldner kann selbst Gegenteiliges in der Regel nicht darstellen, da er mit den internen Angelegenheiten der Gesellschaft nicht vertraut ist (BGH a.a.O.).

3

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen gilt nur in besonders gelagerten Fällen. Voraussetzung dafür ist in der Regel, dass die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist (BGHZ 39, 14, 16 [BGH 10.01.1963 - II ZR 95/61]; BGHZ 102, 152, 155) [BGH 30.10.1987 - V ZR 174/86].

4

Die Voraussetzungen für einen derartigen Ausnahmefall sind von der Klägerin nicht dargelegt. Der wesentliche Tatsachenvortrag der Klägerin, aus dem ein gesellschaftswidriges Verhalten der anderen Gesellschafter geschlossen werden könnte, erschöpft sich darin, dass sie darlegt, dass die Vergütungsvereinbarung zwischen dem Sicherheitenpool und dem Beklagten nichtig sei und die Mitgesellschafter die Mitwirkung an der Rückforderung ohne sachlichen Grund verweigerten.

5

Zutreffend ist allerdings die Rechtsauffassung der Klägerin zur Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung gemäß §§ 85 KO, 134 BGB. Insbesondere sind entgegen der Ansicht des Beklagten derartige Vergütungsvereinbarungen auch dann nichtig, wenn sie für Tätigkeiten versprochen werden, die über die gesetzlichen Pflichten des Konkursverwalters hinausgehen, solange - wie dies vorliegend der Fall ist - im Zeitpunkt der Vereinbarung das Konkursverfahren noch nicht beendet ist (BGH NJW 1982, 185; Kuhn/Uhlenbrock, Konkursordnung, 11. Aufl., § 85 Rn. 15; Eickmann, Vergütungsverordnung, vor § 1 Rn. 46). Das Landgericht hat dies im einzelnen und zutreffend ausgeführt, § 543 Abs. 1 ZPO.

6

Die bloße Versagung der Mitwirkung der anderen Gesellschafter an der Geltendmachung einer schlüssig dargelegten - und nach bisheriger Aktenlage wohl auch begründeten - Forderung, reicht jedoch nicht aus, um die Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Gesellschafters ausnahmsweise begründen zu können (so ausdrücklich BGHZ 39, 14, 16, 17) [BGH 10.01.1963 - II ZR 95/61]. Welche möglicherweise gesellschaftskonformen Gründe zur Verweigerung der Mitwirkung seitens der Mitgesellschafter geführt haben, ist unklar. L, G, A und H scheinen ausweislich ihrer Stellungnahmen im Protokoll zur Poolbeiratssitzung vom 30.07.1997 die Rechtsauffassung zu vertreten, § 85 KO führe hier nicht zur Nichtigkeit der getroffenen Vergütungsvereinbarung. Warum B und K das Vorgehen der Klägerin nicht unterstützen, gleichwohl diesem jedoch - wie die Klägerin behauptet - "interessiert gegenüberstehen" ist in keiner Weise erkennbar.

7

Zu berücksichtigen ist dabei ferner, dass die in der angefochtenen Entscheidung dargelegte Vermutung, dass der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 814 oder 817 S. 2 BGB unbegründet sein könnte (§ 543 Abs. 1 ZPO), zumindest keineswegs abwegig ist. Wäre sie aber richtig und würde auch nur einer der Mitgesellschafter aus diesem Grund seine Mitwirkung an der Klage gegen den Beklagten verweigern, wäre ein solches Verhalten nicht gesellschaftswidrig; denn bestünde die Forderung nicht, entspräche es dem Gesellschaftszweck, sie nicht einzuklagen.

8

Zwar trägt die Klägerin Tatsachen vor, die eine Verneinung des geltend gemachten Anspruchs gemäß § 814 oder § 817 S. 2 BGB nicht rechtfertigen würden. Sie behauptet insbesondere, dass sämtliche Gesellschafter und auch der Poolverwalter bei Abschluss der Vergütungsvereinbarung und auch noch im Zeitpunkt der der Zahlung an den Beklagten unmittelbar vorausgegangenen Besprechung vom 30.07.1997 davon ausgegangen seien, dass der Anspruch des Beklagten begründet sei. Auf diesen Vortrag kommt es indes nicht an, da die Klärung der berechtigten Gesellschafterinteressen aus den oben bereits dargelegten Gründen im Regelfall wie auch hier einem gesonderten Vorprozess vorbehalten ist. Im Übrigen sprechen die Darlegungen der Klägerin insoweit auch gegen ein kollusives Zusammenwirken zwischen den anderen Mitgesellschaftern und dem Beklagten zu Lasten der Gesellschaft bzw. der Klägerin.