Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.02.1999, Az.: 14 UF 135/98
Anforderungen an die Übertragung des alleinigen Rechtes der elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 18.02.1999
- Aktenzeichen
- 14 UF 135/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 29136
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0218.14UF135.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Wildeshausen - 06.10.1998 - AZ: 2 F 73/98
Rechtsgrundlagen
- § 1696 BGB
- § 1671 BGB
- § 1672 BGB
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2003, 435-437
Verfahrensgegenstand
Recht der elterlichen Sorge für das Kind P... P... , geboren am ...
Prozessführer
Kindesvater Maler G... P... , ... , .... G...
Prozessgegner
Kindesmutter Hausfrau M... P... , ... , ... W...
Sonstige Beteiligte
Landkreis Oldenburg - Jugendamt -...
In der Familiernsache
hat der 14. Zivilsenat - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 18. Februar 1999
durch
die unterzeichneten Richter
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird das am 6. Oktober 1998 verkündete Ehescheidungsverbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Wildeshausen in seinem Ausspruch über das Recht der elterlichen Sorge (Ziffer II des Tenors) geändert.
Die Kindeseltern üben das Recht der elterlichen Sorge über das Kind P... P... , geboren am ... gemeinsam aus.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
I)
Die Parteien streiten in der Beschwerdeinstanz noch um das Recht der elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind P... , das am ... geboren und mithin jetzt ... Jahre alt ist.
Die beteiligten Eltern haben am 17.8.1992 die Ehe miteinander geschlossen. Am 17.6.1996 haben sie sich getrennt, dann jedoch noch einen Versöhnungsversuch unternommen. Am 22.3.1997 erfolgte schließlich die endgültige Trennung.
Am 18.6.1996 beantragte die Antragsgegnerin die Übertragung des Rechts der elterlichen Sorge für die Dauer des Getrenntlebens auf sich. In einem am selben Tage gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung trug sie vor, der Antragsteller habe das Kind misshandelt. Er habe den Jungen so geschlagen, dass dieser erhebliche Verletzungen am Bein erlitten habe. Durch Beschluss vom 20.8.1996 hat das Amtsgericht das Recht der elterlichen Sorge für die Zeit der Trennung der Eltern auf die Antragsgegnerin übertragen, nachdem auch der Antragsteller sich zuvor mit einer derartigen Regelung einverstanden erklärt hatte.
Der Antragsteller übt seit der Trennung der Parteien das Umgangsrecht regelmäßig aus. Zunächst bekam er das Kind alle 3 Wochen jeweils von freitags 15.00 Uhr bis sonntags 15.00 Uhr. Seit Mai 1998 hält sich das Kind alle 2 Wochen zu denselben Zeiten bei ihm auf. Außerdem trafen die Parteien eine Regelung für die Ferien und die jeweils zweiten Feiertage der hohen Festtage.
Im Verbund mit der Ehescheidung hat die Antragsgegnerin gleichfalls die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich begehrt und dazu vorgetragen, das Kind lebe seit der Trennung bei ihr und werde von ihr betreut. Zwischen den Parteien fänden Gespräche praktisch nicht statt und sie sehe sich nicht in der Lage, sich mit dem Antragsteller über Fragen der Kindeserziehung auseinander zu setzen oder gar Einigungen zu erzielen. Es fehle ihm an jeder Kooperationsbereitschaft. So sei er in den Sommerferien mit dem Kind nach Mallorca geflogen, ohne ihr vorher davon zu berichten. Er habe sie gar in dem Glauben gelassen, er werde die Ferien mit dem Jungen auf einem Campingplatz verbringen. Auch zu dem Jugendamt habe der Antragsteller keinen Kontakt aufgenommen. Die Besuchswochenenden verbringe das Kind weitgehend bei der Großmutter, während der Antragsteller sich darauf beschränke, mit dem Kind Videofilme anzusehen. Dies und die Tatsache, dass sich der Antragsteller bislang nicht von Gewaltanwendungen an Kindern distanziert habe, belege, dass das Kindeswohl gefährdet würde, würde auch er Inhaber der elterlichen Sorge sein.
Der Antragsteller ist dem entgegengetreten und hat behauptet, die Verletzungen, die das Kind 1996 erlitten habe, hätten von einem Sturz gerührt. Keineswegs habe er den Jungen geschlagen. Das Kind werde während der Besuchswochenenden auch nicht von seiner, des Antragstellers, Mutter betreut. An insgesamt 4 Sonnabenden habe er allerdings vormittags von 8 bis 12 Uhr arbeiten müssen. In dieser Zeit sei der Junge bei der Großmutter gewesen.
Es sei nicht richtig, dass es seinerseits keine Kooperationsbereitschaft mit der Kindesmutter gebe. Immerhin sei man sich auch hinsichtlich des Umgangsrechts einig geworden.
Es sei zu befürchten, dass die Kindesmutter das Kind nicht ordnungsgemäß versorge, sich insbesondere der Asthmaerkrankung nicht ausreichend widme.
Das Amtsgericht hat das Kind P... angehört und dem Jugendamt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit seinem hiermit in Bezug genommenen Verbundurteil vom 6.10.1998 hat es sodann die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und das Recht der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kindesmutter sei ihrer Verantwortung in der Vergangenheit stets gerecht geworden, sodass das Kind dort gut aufgehoben sei. Eine gemeinsame elterliche Sorge komme vorliegend nicht in Betracht, weil die Kindeseltern offenbar nicht in der Lage seien, im Sinne einer gleichberechtigten Partnerschaft miteinander über die Probleme des Kindes zu kommunizieren. Der Antragsteller habe ausgeführt, er wolle eine Kontrollfunktion behalten und habe es im Scheidungsverfahren gar abgelehnt, sich mit dem Jugendamt über die Frage der elterlichen Sorge zu unterhalten. Im Interesse des Kindes scheine es deshalb geboten, das Sorgerecht der Mutter allein zu geben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er wiederholt und ergänzt seinen erstinstanzlichen Vortrag und meint, das Amtsgericht habe nicht festgestellt, dass die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge sich für das Kind als die bessere Alternative darstelle. Tatsächlich beständen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung auch keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen, den Eltern, was schon daraus folge, dass das Umgangsrecht problemlos funktioniere. Weitere wesentliche Angelegenheiten seien zurzeit nicht klärungsbedürftig. Es sei nicht richtig, dass er nicht bereit gewesen sei, mit dem Jugendamt zu sprechen.
Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist auf die im Jahre 1996 getroffene Sorgerechtsregelung. Sie meint, angesichts der zum 1.7.1998 erfolgten Gesetzesänderung wirke die seinerzeit getroffene Sorgerechtsentscheidung fort, weshalb der Antragsteller in der Sache jetzt eine Änderung im Sinne des § 1696 BGB beanspruche.
Im Übrigen sei das Sorgerecht einem Elternteil allein zu übertragen, wenn die Meinungsverschiedenheiten der Eltern der Ausübung der gemeinsamen Sorge entgegenständen. Der Antragsteller selbst habe aber zu verstehen gegeben, dass er mit der Kindesmutter keine Verständigung suche, weil er mit ihr nicht reden wolle. Die mangelnde Kooperationsbereitschaft zeige sich auch in der Reise nach Mallorca, die er vorgenommen habe, ohne sie zu informieren.
II)
Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e ZPO zulässige Beschwerde ist in der Hauptsache begründet. Denn es besteht kein Anlass, der Antragsgegnerin das alleinige Recht der elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind einzuräumen.
1.)
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin handelt es sich bei der im vorliegenden Fall zu treffenden Entscheidung um eine originäre Sorgerechtsentscheidung im Sinne des § 1671 BGB, nicht um eine Änderungsentscheidung nach § 1696 BGB. Zwar setzt die gerichtliche Regelung der elterlichen Sorge nach § 1671 BGB in der seit dem 1.7.1998 geltenden Fassung voraus, dass die Eltern die elterliche Sorge bis zum Zeitpunkt der Entscheidung gemeinsam ausgeübt haben. Das ist hier nicht der Fall, weil das Sorgerecht für die Zeit des Getrenntlebens nach § 1672 BGB in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung durch Beschluss des Amtsgerichts vom 20.8.1996 auf die Kindesmutter übertragen worden ist.
Der Senat schließt sich jedoch der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm an, die dieses in seiner Entscheidung vom 31.8.1998 (FamRZ 1998, 1315) geäußert hat. Danach ist in den Fällen , in denen einem Elternteil durch eine Entscheidung nach § 1672 BGB alter Fassung die elterliche Sorge für die Dauer des Getrenntlebens übertragen worden ist, auf das Erfordernis der bisher gemeinsam ausgeübten elterlichen Sorge jedenfalls dann zu verzichten, wenn das Sorgerechtsverfahren noch als ein von Amts wegen zu führendes nach § 1671 BGB alter Fassung eingeleitet worden ist.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Entscheidung vom 20.8.1996 angesichts ihres Wortlautes, der eine ausdrückliche Beschränkung auf die Dauer des Getrenntlebens enthält, auch noch nach der Rechtskraft der Ehescheidung fortwirkt. Denn zumindest war die Regelung in der Erwartung einer nachfolgenden endgültigen Regelung im Verbund mit der Ehescheidung getroffen worden. Insoweit kam ihr von vornherein nur ein vorläufiger Charakter zu. Würde man das hier zur Entscheidung anstehende Verfahren als ein Abänderungsverfahren nach § 1696 BGB ansehen, so würde man diesem Charakter der getroffenen Entscheidung nicht gerecht werden. Die Regelung würde entgegen den Annahmen aller am früheren Verfahren beteiligten zu einer endgültigen aufgewertet, was weder den Vorstellungen der Parteien noch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, weshalb der Senat meint, die Vorläufigkeit der früheren Regelung respektieren und auf das Erfordernis der bislang gemeinsamen elterlichen Sorge in diesem Fall verzichten zu müssen (OLG Hamm a.a.O.).
2.)
Danach beurteilt sich die Rechtslage auch hier nach § 1671 BGB n.F., wonach die elterliche Sorge nur noch dann einem Elternteil allein übertragen werden kann, wenn die Alleinsorge dem Kindeswohl am ehesten entspricht und der die alleinige elterliche Sorge beanspruchende Ehegatte sich gegenüber dem anderen als die bessere Alternative erweist (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Vorliegend vermag der Senat schon nicht festzustellen, dass es den beteiligten Eltern an der für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge erforderlichen Kooperationsfähigkeit und -willigkeit fehlt. Zwar bestätigte sich nach der Anhörung der Eltern der Eindruck, dass eine Kommunikation zwischen ihnen nur in geringem Umfang stattfindet. Dieser Zustand hat nach den Ausführungen der Parteien auch schon während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft geherrscht. Die auf den Philippinen geborene Antragsgegnerin beherrscht die deutsche Sprache noch nicht vollständig , während der Antragsteller nicht in der Lage ist, sich in einer von der Antragsgegnerin erlernten Sprache mit dieser zu unterhalten. Dieser Umstand lässt aber nicht auf die generelle Unfähigkeit schließen, in solchen Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind eine Einigung zu erzielen. Denn in der Vergangenheit haben sich die Eltern ohne Beteiligung des Gerichts auf Art und Umfang des Umgangsrechts verständigen können. Dieses Umgangsrecht wird auch seit der Trennung praktiziert und beide Elternteile haben übereinstimmend angegeben, dass es insoweit zwischen ihnen keine Probleme gibt und gegeben hat.
Der Antragsteller hat anlässlich seiner Anhörung im Übrigen auch eingeräumt, geäußert zu haben, dass er nicht mit der Antragstellerin sprechen wolle. Er hat aber glaubhaft versichert, dass diese Äußerung nicht ernst gemeint gewesen sei und seiner seinerzeitigen Verärgerung entsprungen sei.
Zwar hat der Antragsteller in den Sommerferien 1998 mit dem Kind eine Urlaubsreise nach Mallorca unternommen, ohne die Kindesmutter darüber zu informieren. Er hat aber auch insoweit eingeräumt eingesehen zu haben, dass sein Verhalten nicht richtig gewesen sei, was darauf schließen lässt, dass sich Derartiges nicht wiederholen wird. Es lässt nicht darauf schließen, dass er sich über die Belange der Kindesmutter ohne weiteres hinwegsetzt und zu einer Kooperation mit ihr nicht bereit ist.
Ein derartiger Schluss kann auch nicht daraus gezogen werden, dass der Antragsteller immer noch keinen Kontakt zum Jugendamt aufgenommen hat. Er hat insoweit angegeben, zu dieser Behörde kein Vertrauen zu haben und sich missverstanden zu fühlen, dass er diese Auffassung jetzt aber überdenken werde.
Der Vorfall, der am 18.6.1996 Anlass für die Einleitung eines Sorgerechtsverfahrens gegeben hat, hatte für die Entscheidung der Sorgerechtsfrage keine entscheidende Bedeutung mehr. Selbst dann, wenn der Kindesvater das Kind seinerzeit geschlagen haben sollte, hat die Antragsgegnerin heute offenbar selbst keine Bedenken mehr, das Kind während der Wochenenden und für einen längeren Zeitraum in den Ferien zum Vater zu geben. Dass sich in diesen Zeiträumen entsprechendes wiederholt hat, wird auch von der Antragsgegnerin nicht behauptet.
Unter diesen Umständen ist kein Grund dafür ersichtlich, von der gemeinsamen elterlichen Sorge abzusehen. Hierfür bedürfte es an sich nur der Zurückweisung des Sorgerechtsantrages der Antragsgegnerin. Unter Berücksichtigung der zuletzt während des Getrenntlebens bestehenden alleinigen elterlichen Sorge der Antragsgegnerin schien es dem Senat jedoch geboten, das Bestehen der gemeinsamen Sorge im Beschlusstenor ausdrücklich zum Ausdruck zu bringen.
III)
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 131 Abs. 3 KostO, 93 a ZPO.