Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.09.2007, Az.: 2 A 569/06

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
20.09.2007
Aktenzeichen
2 A 569/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 62167
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2007:0920.2A569.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 16.12.2009 - AZ: 4 LC 730/07
OVG Niedersachsen - 16.12.2009 - AZ: 7 LC 730/07

Fundstelle

  • NuR 2007, 839-841 (Volltext mit red. LS)

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Anfechtung einer Auflage - Ersatzzahlungen - für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für einen Windpark,

hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 2. Kammer -

auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2007

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Beyer, den Richter am Verwaltungsgericht Müller, den Richter am Verwaltungsgericht Pump sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Herbst und Kamphausen

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens;

  3. insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung, naturschutzrechtliche Ersatzzahlungen zu leisten.

2

Mit Bescheid vom 27. Juli 2005 wurde der Klägerin antragsgemäß die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung von 8 Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 105 m und einem Rotordurchmesser von 90 m in der Gemarkung E. erteilt. Die Anlagen sollen innerhalb einer Vorrangfläche errichtet werden, die 19 Windkraftanlagen umfasst, von denen 11 - ebenfalls mit einer Höhe von 150 m - bereits errichtet sind. Der Genehmigung waren zahlreiche Nebenbestimmungen beigefügt. In den Ziffern 5.4.2 bis 5.4.8. wurde die Klägerin verpflichtet, Ersatzmaßnahmen im F. Moor vorzunehmen, bestimmte Flächen in der Gemarkung E. durch eine extensive Grünlandpflege zu erhalten und zu entwickeln, für die Beeinträchtigung des Schwarzstorchs in der Gemarkung E. eine Ausgleichsmaßnahme durch Anlage eines Nahrungsgewässers durchzuführen sowie im Einzelnen aufgeführte Flächen dauerhaft aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung herauszunehmen. Die Klägerin legte gegen einzelne Nebenbestimmungen Widerspruch ein, letztlich im Streit verblieben ist die Nebenbestimmung Nr. 5.4.10, die folgenden Wortlaut hat:

"Für den erheblichen Eingriff in das Schutzgut Landschaftsbild wird gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 NNatG eine Ersatzzahlung in Höhe von 199 058,- EUR festgelegt. ... Bei der Berechnung wird von einer Investitionssumme (Kosten für Planung und Ausführung einschließlich der Beschaffungskosten für die Grundstücke) von rd. 1 860 000,- EUR pro Windkraftanlage ausgegangen.

Übersteigen die Kosten für die unter Ziffer 5.4.2. bis 5.4.8 festgelegten Ausgleichsmaßnahmen gemeinsam mit der Ersatzzahlung 199 058 EUR 7 % der Investitionskosten der Windkraftanlagen (= 1 041 880,- EUR), sind die über 7 % liegenden Kostenanteile von der Ersatzzahlung absetzbar.

Abweichende Investitionskosten für die Windkraftanlagen oder Kosten für die Ausgleichsmaßnahmen sind schriftlich mit nachprüfbaren Unterlagen (Rechnungen, Grundstückskaufverträge, Gestattungsverträge etc.) zu belegen. Die Höhe der Ersatzzahlung und die Zahlungsfrist kann dann vom Landkreis Celle entsprechend angepasst werden."

3

In der Begründung für diese Nebenbestimmung heißt es in dem Bescheid, dass es durch die Errichtung von Windenergieanlagen auf Grund der Bauhöhe der Anlagen von 150 Meter zu einer Beeinträchtigung des Schutzgutes Landschaftsbild komme. Von ihnen gingen wegen ihrer Größe, Gestalt und Rotorbewegung großräumige Wirkungen aus, die das Erscheinungsbild der Landschaft veränderten. Der sehr stark betroffene Landschaftsraum werde mit dem Radius der 15-fachen Anlagenhöhe angenommen (= 3 652 ha). Ein Ausgleich dieser erheblichen Beeinträchtigungen bzw. die Wiederherstellung des Landschaftsbildes scheide schon angesichts der Bauhöhe aufgrund der optischen Wirkungen aus. Auch eine landschaftsgerechte Neugestaltung und die Festlegung von Ersatzmaß-nahmen für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes seien nicht möglich. Daher seien Ersatzzahlungen nach § 12b Abs. 1 Ziffer 1 NNatG festzusetzen, die unter Bewertung von Dauer und Schwere des Eingriffs nach einem ungefähren Erfahrungswert der Kosten für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen höchstens 7 % der Investitionssumme betrügen. Vorliegend sei unter Berücksichtigung einer mittleren Wertigkeit der Beeinträchtigung (Herabstufung auf 5 % der Investitionssumme), der Vorbelastung des Landschaftsraums mit 11 bereits vorhandenen Windkraftanlagen (weitere Herabstufung auf 4 % und Abschlag von 0,1 % pro Anlage = 3 %) und unter Herausrechnung sichtverstellter und sichtverschatteter Bereiche die Ersatzzahlung zu berechnen. Bei einer Gesamtinvestitionssumme von 14 884 000,- EUR und einer tatsächlich beeinträchtigten Fläche von 1 628 ha (44,58 % der potentiell beeinträchtigten Fläche von 3 652 ha) errechne sich daraus die festgesetzte Ersatzzahlung (14 884 000,- EUR × 3 % × 44,58 % = rd. 199 058 EUR).

4

Den gegen die Ersatzzahlung eingelegten Widerspruch begründet die Klägerin damit, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12b Abs. 1 NNatG nicht vorliegen würden. Während des Genehmigungsverfahrens sei zwischen ihr und der unteren Naturschutzbehörde des Beklagten Einigkeit dahingehend erzielt worden, dass der Ausgleichs- und Ersatzbedarf für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes mit Hilfe des bereits im landschaftspflegerischen Begleitplan für den Windpark G. angewandten "Kompensationsmodell nach Breuer" berechnet werden könne. Folglich könne der Eingriff in das Landschaftsbild durchaus im Wege von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ausgeglichen werden. Auch die Voraussetzungen für eine Ersatzzahlung nach den Ziffern 2 und 3 des § 12b NNatG würden nicht vorliegen.

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Mit Bescheid vom 24. Juli 2006 wies der Beklagte diesen Widerspruch als überwiegend unbegründet zurück. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei zu erteilen gewesen, da das Interesse auf Errichtung der nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegierten Anlagen den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorgehe. Ein Ausgleich der erheblichen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes bzw. die Wiederherstellung des Landschaftsbildes scheide angesichts einer Bauhöhe von 150 m und der damit verbundenen optischen Wirkung aus. Auch eine landschaftsgerechte Neugestaltung sei nicht möglich. In einem solchen Fall könnten die Länder Ersatzzahlungen vorsehen (§ 19 Abs. 4 BNatG). Hiervon habe der niedersächsische Gesetzgeber mit dem § 12b NNatG Gebrauch gemacht. Gemäß Abs. 1 Nr. 1 dieser Bestimmung habe der Verursacher eine Ersatzzahlung zu leisten, die sich nach der Dauer und Schwere des Eingriffs richte und 7 % der Investitionskosten nicht überschreiten dürfe. Zur konkreten Berechnung gebe es bisher weder gesetzliche Regelungen noch Verwaltungsvorschriften. Die Arbeitsgruppe "Naturschutz und Windenergie" beim Nds. Landkreistag habe hierzu Empfehlungen erarbeitet ("Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege ... bei Standortplanung und Zulassung von Windenergieanlagen, Stand: Mai 2005" - im folgenden "NLT-Papier"). Diese praxisgerechten und nachvollziehbaren Empfehlungen habe er auf den vorliegenden Fall angewandt. Allerdings berücksichtige das NLT-Papier nicht, dass eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes für einen objektiven Betrachter nicht stattfinde, wenn die Windkraftanlagen durch Bewuchs oder Bebauung nicht sichtbar seien. Abweichend vom NLT-Papier habe er daher die sichtverstellten und sichtverschatteten Bereiche innerhalb der inneren Wirkzone herausgerechnet und eine Beeinträchtigung von lediglich 44,58 % der potentiell betroffene Fläche angenommen. Des Weiteren habe er im Ausgangsbescheid bei der Berechnung nicht berücksichtigt, dass der Eingriff in den Naturhaushalt durch die unter den Ziffern 5.4.2 bis 5.4.8 des Bescheides festgelegten Ausgleichsmaßnahmen zumindest teilweise ausgeglichen werde. Die dafür veranschlagten Kosten von 339 994,43 EUR seien ebenfalls abzuziehen. Da mit Bescheid vom 10. Mai 2006 eine weitere Windkraftanlage genehmigt worden sei, sei die Investitionssumme entsprechend zu erhöhen und ein Eingriff in das Landschaftsbild mit 9 Windkraftanlagen zu berücksichtigen. Im Einzelnen ergebe sich nunmehr folgende - vom Ausgangsbescheid abweichende - Berechnung (in EUR):

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8

Die nunmehr gegen diese Bescheide erhobene Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen ergänzend wie folgt: Zwar stelle die Errichtung von Windenergieanlagen einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, doch dürfe deswegen eine Ersatzzahlung nur dann festgesetzt werden, wenn Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ganz oder teilweise unmöglich seien. Hiervon sei der Beklagte unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Unrecht ausgegangen. Denn diese Entscheidung beziehe sich nur auf Ausgleichsmaßnahmen, nicht auf Ersatzmaßnahmen. Auch das NLT-Papier gehe zu Unrecht davon aus, dass eine Kompensation erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Ersatzmaßnahmen stets unmöglich sei. Diese Auffassung stehe nicht nur im Widerspruch zur langjährigen Verwaltungspraxis in Niedersachsen und der Auffassung des Beklagten während des Genehmigungsverfahrens, sondern auch des "Kompensationsmodell nach Breuer". Im vergleichbaren Fall des Autobahnbaus habe das Bundesverwaltungsgericht und im Fall des 1 400 m Brückenbauwerks über die Mosel habe das Oberverwaltungsgericht Koblenz eine vollständige Kompensation für den Eingriff in das Landschaftsbild durch Ausgleichsmaßnahmen angenommen. Vorliegend habe sie - die Klägerin - Maßnahmen zur Verbesserung des F. Moores im erheblichen Umfang von 8,8 ha vorgesehen, die ausreichen würden, den Eingriff in das Landschaftsbild vollumfänglich zu kompensieren. Im Übrigen komme dem NLT-Papier rechtlich keinerlei Bedeutung zu. Wie sich aus einem Schreiben vom 2. Mai 2005 ergebe, habe sich das Nds. Umweltministerium davon auch wieder distanziert. Das Kompensationsmodell nach Breuer sei keinesfalls überholt. Unabhängig davon sei die Höhe der Ersatzzahlung rechtswidrig. Es fehle die Begründung, weshalb der Berechnung ein Radius der 15-fachen Anlagenhöhe zu Grunde gelegt worden sei. Dieser Ausgangspunkt sei pauschal aus dem NLT-Papier ü-bernommen worden. Das gleiche gelte für die Obergrenzen von 7 % der Investitionskosten. Dieser Erfahrungswert sei aus dem Fernstraßenbau übernommen worden und nicht ohne weitere Begründung auf die Errichtung von Windenergieanlagen zu übertragen. Die Höhe des Ersatzgeldes sei allein nach der Dauer und der Schwere des Eingriffs zu bemessen. Von daher sei es bereits rechtlich fehlerhaft, grundsätzlich auf 7 % der Investitionskosten des Vorhabens abzustellen. Schließlich sei nicht bedacht worden, dass Windkraftanlagen keinen dauerhaften und unwiederbringlichen Eingriff in das Landschaftsbild darstellen würden. Ihre Genehmigung werde regelmäßig befristet und sei mit einer Rückbauverpflichtung verbunden.

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Die Klägerin beantragt,

  1. die Nebenbestimmung Ziffer 5.4.10 zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Beklagten für die Errichtung von 8 Windkraftanlagen vom 27. Juli 2005 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. Juli 2006 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

11

Das Nds. Naturschutzgesetz sei erst mit Wirkung vom 1. Januar 2004 um den § 12b ergänzt worden. Erst seitdem sei es möglich, eine Ersatzzahlung festzusetzen. Der Entwurf des NLT-Papiers sei ihm im Dezember 2004 bekannt gegeben geworden und er habe es bereits im Januar 2005 in das Genehmigungsverfahren eingeführt. Auf seine Anfrage hin habe das Nds. Umweltministerium mit Erlass vom 3. März 2005 die regelmäßige Anwendung einer Ersatzzahlung für die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes bei dem Bau und dem Betrieb von Windkraftanlagen bestätigt. Das frühere "Kompensationsmodell nach Breuer", in dem unterstellt werde, dass Landschaftsbildbeeinträchtigungen durch Ersatzmaßnahmen auf relativ kleinen Flächen vollumfänglich kompensiert werden könnten, sei damit fachlich und rechtlich nicht mehr haltbar gewesen. Vor der Festsetzung einer Ersatzzahlung habe er die erforderliche Einzelfallprüfung durchgeführt. Dabei sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass die Ersatzmaßnahme "Verbesserung des F. Moores" auf einer Fläche von 8,8 ha (= 0,54 % der durch die Windkraftanlagen landschaftlich beeinträchtigten Flächen) jedenfalls nicht geeignet sei, das auf einer Fläche von 1 628 ha beeinträchtigte Landschaftsbild " an anderer Stelle in ähnlicher Art und Weise" wiederherzustellen, zumal diese Maßnahmen dem Ausgleich des Schutzgutes Boden und der betroffenen Brutvogel- sowie Fledermausarten dienten. Die Festsetzung der Höchstgrenze des Ersatzgeldes mit 7 % entspreche dem gesetzlichen Rahmen des § 12b Abs. 1 Satz 3 NNatG. Diese aus dem Fernstraßenbau übernommene Obergrenze lasse sich auch auf die Errichtung von Windenergieanlagen übertragen. Der 15-fache Radius der Anlagenhöhe sei eine gewählte Größe, um eine angemessene und überall einsetzbare Berechnungsgrundlage zu schaffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin stelle die Genehmigung einen dauerhaften Eingriff in das Landschaftsbild dar, da sie unbefristet erteilt worden sei und ältere Anlagen im Wege des "Repowering" ersetzt würden. Ein unbeeinträchtigter Naturgenuss könne daher mehreren Menschengenerationen vorenthalten werden. Er habe auch nicht das NLT-Papier ohne weiteres Hinterfragen übernommen, sondern sei zu Gunsten der Klägerin davon abgewichen, insbesondere bei der Berücksichtigung der Kosten für die Ausgleichsmaßnahmen für den Naturhaushalt und der Herausnahme der sichtverschatteten Bereiche. Auf diesem Hintergrund sei eine Ersatzzahlung, die lediglich 0,84 % der Herstellungskosten betrage, angemessen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat in zutreffender Anwendung des § 12b Abs. 1 Nr. 1 NNatG gegenüber der Klägerin eine Ersatzzahlung festgesetzt (1.). Sie verletzt die Klägerin auch hinsichtlich der festgesetzten Höhe nicht in ihren Rechten (2.).

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1. Gemäß § 19 Abs. 4 BNatschG in der Fassung vom 25. März 2002 (BGBl S. 1193) können die Länder vorsehen, "dass bei zuzulassenden Eingriffen für nicht ausgleichbare oder nicht in sonstiger Weise kompensierbare Beeinträchtigungen Ersatz in Geld zu leisten ist (Ersatzzahlung)." Mit der Einfügung des § 12b NNatG in das Nds. Naturschutzgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2004 durch das Gesetz zur Änderung naturschutzrechtlicher Vorschriften vom 19. Februar 2004 (Nds. GVBl S. 75) hat der niedersächsische Gesetzgeber diese Regelung in das Landesrecht umgesetzt. Nach § 12b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NNatG hat der Verursacher eine Ersatzzahlung zu leisten, wenn Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen ganz oder teilweise nicht möglich sind. Die Ersatzzahlung ist mit der Gestattung des Eingriffs zumindest dem Grunde nach festzusetzen. Im Fall des Satzes 1 Nr. 1 bemisst sich ihre Höhe nach der Dauer und Schwere des Eingriffs; sie beträgt höchstens 7 vom Hundert der Kosten für die Planung und Ausführung des Vorhabens einschließlich der Beschaffungskosten für Grundstücke (§ 12b Abs. 1 Satz 2 und 3 NNatG). Die Anwendung des "Kompensationsmodells nach Breuer" und andere Berechnungsmodelle sind mit der gesetzlichen Einführung einer Ersatzzahlung überholt. Zu Recht hat der Beklagte bei der Erteilung der Genehmigung am 27. Juli 2005 das geltende Recht und damit auch den mit Wirkung vom 1. Januar 2004 eingeführten § 12b NNatG zugrunde gelegt.

15

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 12b NNatG ist mithin, dass ein Eingriff in Natur und Landschaft erfolgt ist, dessen Kompensation durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen "ganz oder teilweise" nicht möglich ist. Dass die Errichtung von 8 jeweils 150 m hohen Windkraftanlagen in einer von Ackerflächen und landwirtschaftlicher Nutzung geprägten Agrarlandschaft einen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild darstellt, ist unter den Beteiligten unstreitig. Ob die von der Klägerin angegriffene Aussage in Rdn 94 des NLT-Papiers, "eine Kompensation der erheblichen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes bzw. die Wiederherstellung des Landschaftsbildes scheidet bei WEA, zumal angesichts ihrer heutigen Bauhöhe, aufgrund ihrer optischen Wirkung aus", in dieser Allgemeinheit zutreffend ist, bedarf im Rahmen dieses Verfahrens keiner Entscheidung (vgl. hierzu: Sellmann, Naturschutzrechtliche Ersatzzahlungen beim Bau von Windenergieanlagen - am Beispiel des niedersächsischen (Lösungs-?) Weges, NordÖR 2007, S. 49, 50). Denn jedenfalls ist für das vorliegende Verfahren davon auszugehen, dass der Eingriff in das Landschaftsbild durch landschaftsbezogene Maßnahmen nicht ausgeglichen wird. Die Klägerin hat insoweit keinerlei Kompensationsmaßnahmen, wie etwa den Abbau oder Rückbau das Landschaftsbild störender baulicher Anlagen an anderer Stelle angeboten, die eine landschaftsgerechte Neugestaltung des Landschaftsraums bewirken könnten (vgl. hierzu die Rdn. 95 und 99 des NLT-Papiers).

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Es ist eine Frage der Einzelfallprüfung, inwieweit - nämlich überhaupt nicht, teilweise oder vollständig - ein solcher Eingriff in das Landschaftsbild durch Ausgleichs- und Ersatzmaß-nahmen kompensierbar ist. Der Beklagte hat in seinem Widerspruchsbescheid ausdrücklich anerkannt, dass die unter den Ziffern 5.4.2. bis 5.4.8 festgelegten Ausgleichsmaßnahmen den Eingriff, soweit er einen Eingriff in die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts darstellt, zumindest teilweise ausgleichen und die dafür vorgesehenen Kosten von 339 994,43 EUR bei der Berechnung der Ersatzzahlung in voller Höhe abgesetzt. Allerdings ist der Beklagte - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - zu Recht davon ausgegangen, dass diese Ausgleichsmaßnahmen nicht geeignet sind, vorliegend eine vollständige Kompensation herbeizuführen. Selbst wenn die Verbesserung des F. Moores auch eine Neugestaltung des Landschaftsbildes beinhaltet, ist diese auf einer vergleichsweise kleinen Fläche von 8,8 ha durchgeführte Maßnahme nicht geeignet, eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes vollständig auszugleichen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass diese Maßnahme vornehmlich einen anderen Zweck verfolgt, nämlich eine Verbesserung des Schutzgutes Boden und der betroffenen Brutvogelarten - nicht des Landschaftsbildes. Hinzu kommt, dass die nachts rot blinkenden und tagsüber weiß blitzenden Windkraftanlagen in die Ortslagen von E. und G. sowie in den als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Naturpark Südheide hineinwirken. Nach der unwidersprochenen Darstellung des Beklagten sind die Anlagen aufgrund des Geländereliefs noch in 12 km Entfernung sichtbar und reichen damit in ihrer visuellen Wirksamkeit weit über den Bereich der 15-fachen Anlagenhöhe hinaus. Der Einwand der Klägerin, die Windkraftanlagen würden keinen dauerhaften und unwiederbringlich das Landschaftsbild zerstörenden Eingriff darstellen, trägt demgegenüber nicht. Die Windkraftanlagen sind auf einer ausgewiesenen Vorrangfläche errichtet worden und ihre Genehmigungen sind nicht befristet. Wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, ist davon auszugehen, dass abgängige oder technisch veraltete Anlagen im Wege des Repowering ersetzt werden, so dass von einer heute nicht absehbaren Zeitspanne der erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes auszugehen ist. Eine vollständige Kompensation hat der Beklagte daher aus mehreren zutreffenden und nachvollziehbaren Gründen abgelehnt.

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2. Die Höhe der mithin dem Grunde nach zu Recht festgesetzten Ersatzzahlung verletzt die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten. Bei seiner Berechnung hat der Beklagte nicht nur die im NLT-Papier vorgesehenen Kriterien bei der angemessenen Bewertung der Landschaftsbildbeeinträchtigung durch Windkraftanlagen angewandt, sondern weitere Kriterien zu Gunsten der Klägerin entwickelt und herangezogen, die im Ergebnis dazu führen, dass das Ersatzgeld lediglich mit 0,84 % der Gesamtinvestitionskosten zu veranschlagen ist. Dazu im Einzelnen:

18

Ausgehend vom NLT-Papier hat der Beklagte bei der Berechnung des Ersatzgeldes die aufgewendete Investitionssumme als Ausgangspunkt für seine Bewertung der Schwere des Eingriffs genommen (Rdn. 96 ff) und an Hand von differenzierten Abschlägen von dieser Summe das genaue Ersatzgeld bestimmt. Das Gesetz schreibt keine Berechnungsmethode für das Ersatzgeld vor, entsprechende Verwaltungsvorschriften fehlen ebenfalls. Als Ausgangspunkt der Bewertungen erscheint der Kammer dieser Ansatz jedenfalls bei raumbedeutsamen Windkraftanlagen nachvollziehbar und plausibel. Abweichend vom NLT-Papier hat der Beklagte von der danach maximal zulässigen Ersatzzahlung (= 7 % der Investitionssumme = 1 145 295,34 EUR) zunächst die Kosten abgezogen, die die Klägerin für Ausgleichsmaßnahmen für den Eingriff in die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts aufzuwenden hat (= 339 994,43 EUR). Damit hat er - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - keine schematische Anwendung des NLT-Papiers vorgenommen, sondern im Wege der Einzelfallentscheidung berücksichtigt, dass Ersatzzahlungen nur insoweit zu leisten sind, als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ganz oder teilweise nicht möglich sind. Nach seiner im Widerspruchsbescheid dargelegten Rechtsauffassung sind die Ausgleichsmaßnahmen geeignet, den Eingriff - bezogen auf den Naturhaushalt -zumindest teilweise auszugleichen. Ausgehend von dieser um die Ausgleichsmaßnahmen geminderten maximal zulässigen Ersatzzahlung hat er den nicht ausgleichbaren Anteil des Eingriffs mit 805 300,91 EUR angenommen. Im nächsten Schritt hat er die Bedeutung der Anlagen für das Landschaftsbild ermittelt. Der Rahmen reicht von "sehr hohe Bedeutung" bis "sehr geringe Bedeutung" (= 3 %; NLT-Papier Rdn. 98). Die Annahme einer "mittlere Bedeutung" (= 5 %) bei den insgesamt 8 jeweils 150 m hohen und mit Tag- und Nachtkennzeichnungen ausgestatteten Windkraftanlagen ist für die Klägerin jedenfalls nicht ungünstig.

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Auch die weiteren von dem Beklagten vorgenommenen Abzüge, die teilweise deutlich von den Vorgaben des NLT-Papiers zu Gunsten der Klägerin abweichen, verletzen sie jedenfalls nicht in ihren Rechten. So sind die Vorbelastung des Landschaftsraums durch Windkraftanlagen und die 11 bereits vorhandenen Windkraftanlagen mit jeweils 1 % bewertet worden, so dass der Beklagte als Ausgangspunkt für weitere Abschläge nur noch 3 % der um die Ausgleichsmaßnahmen verminderten Investitionssumme (= 345 128,96 EUR) zugrunde gelegt hat. Diesen Betrag hat der Beklagte noch mehr als halbiert, in dem er aus der potentiell durch die Windkraftanlagen in ihrem Erscheinungsbild beeinträchtigten Fläche (3 652 ha) die Flächen herausgenommen hat, von denen aus die Windkraftanlagen durch Bewuchs oder Bebauung nicht sichtbar sind. Diese sichtverschatteten bzw. sichtverstellten Bereiche hat er mit 44,58 % (= 1 628 ha = 153 858,49 EUR) der Gesamtfläche angenommen. Auch dieser zu Gunsten der Klägerin vorgenommene Abschlag ist in dem NLT-Papier nicht vorgesehen. Schließlich hat er unter Berücksichtigung der Ersatzzahlung für die neu errichtete 9. Windkraftanlage (17 059,39 EUR) ein Ersatzgeld in Höhe von 136 763,00 EUR festgesetzt. Im Ergebnis ist festzustellen, dass dieser Betrag, der lediglich 0,84 % der gesamten Herstellungskosten beträgt, jedenfalls nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu der Beeinträchtigung des durch die Windkraftanlagen nachhaltig gestörten Landschaftsbildes steht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen vor (§ 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ). Der Frage der Berechnung der Ersatzzahlungen nach dem NNatG kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf

136 763,00 EUR festgesetzt.

Dr. Beyer
Müller
Pump
Herbst
Kamphausen