Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 05.09.2007, Az.: 1 B 13/07
Ausschreibung; Auswahl; Auswahlfehler; Auswahlgespräch; Auswahlkommission; Beamte; beamtenrechtlicher Konkurrentenstreit; Bestenauslese; Bewerbung; Bewerbungsverfahrensanspruch; Chancengleichheit; Dienstherr; dienstliche Beurteilung; Dienstposten; Eignung; Erstbeurteiler; Erstbeurteilerkompetenz; gehobener Dienst; Gleichheit; Hauptkriterium; Hilfskriterium; Leistungen; Leistungsgrundsatz; Personalentscheidung; Plausibilität; Polizei; Sicherungsanordnung; strukturiertes Auswahlgespräch; Verfahrensabhängigkeit; Werturteil
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 05.09.2007
- Aktenzeichen
- 1 B 13/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71710
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 123 Abs 1 S 1 VwGO
- Art 19 Abs 4 GG
- Art 33 Abs 2 GG
- § 7 BRRG
- Art 3 Abs 1 GG
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Auswahlentscheidung.
Der Antragsteller und der Beigeladene haben sich um den im Februar 2007 ausgeschriebenen Dienstposten „Ermittlungsführer/-in im Fachkommissariat für Organisierte Kriminalität in der ZKI C.“ (bewertbar nach BesGr. A 11 BBesO, bis spätestens Ende 2007 nach A 12 BBesO bewertet) beworben. Gemäß Ausschreibung waren Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung
- im gehobenen Dienst erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (jeweils mind. 6 Monate) als Sachbearbeiter/-in KED oder ZKD, im ESD / KDD und im Umgang mit besonderen Mitteln und Methoden in der Ermittlungsführung, wobei die Zeiten zum Bewerbungsstichtag erfüllt sein müssen und nicht vor dem 1.10.1994 liegen dürfen,
- Kooperationsfähigkeit,
- Führungs- und Entscheidungskompetenz
- Befähigung zur kooperativen Mitarbeiterführung
- Befähigung zur kooperativen Mitarbeiterführung und die Bereitschaft und Fähigkeit zur Teamarbeit und zur gemeinsamen Konfliktbewältigung.
Die Ausschreibung enthielt eine fünf Punkte umfassende Aufgabenbeschreibung des Dienstpostens.
Bei wesentlicher Gleichheit der Leistungen und/oder Eignungsvoraussetzungen mehrerer Bewerber/innen war ein strukturiertes Auswahlgespräch vor einer Auswahlkommission für den 20. März 2007 vorgesehen.
In seiner Bewerbung vom 20. Februar 2007 hob der Antragsteller hervor, dass er rd. 10 Jahre mit der Leitung der AG III beim KED des PK D. beauftragt war und dabei Erstbeurteilerkompetenzen inne hatte. Im Juni 2000 sei ihm der nach A 12 BBesO bewertete Dienstposten „Ermittlungsführer“ im 2. Fachkommissariat des ZKD der PI E. übertragen worden. Er sei in diversen Verfahren der Organisierten Kriminalität mit internationalen Bezügen eingesetzt gewesen und habe die Speziallehrgänge „OK 1“ und „OK 2“ beim BIP Niedersachsen in F. absolviert. - Der Antragsteller wurde im Februar 1994 zum Kriminalhauptkommissar ernannt und seitdem fortlaufend mit der Wertungsstufe 4 (übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt.
Der Beigeladene betonte in seiner Bewerbung vom 8. März 2007, er sei nach der Aufstiegsausbildung zum gehobenen Polizeidienst zur Bezirksregierung C. versetzt worden, wo er beim Mob. Einsatzkommando V und dort ca. 1 Jahr lang „Truppleiter“ gewesen sei. Danach habe er 6 Jahre lang bei der KPI C. im Kriminaldauerdienst gearbeitet, zuletzt als „Wachgruppenleiter“, und sei ab 1993 im Erkennungsdienst verwendet worden („Ermittlungsführer“ und Abwesenheitsvertreter des Leiters des Fachkommissariats 5). Seit 1999 sei er Sachbearbeiter im ZKD / FK 3 (z.Z. Leiter der EG 4/07). Er sei daneben ca. 8 Jahre lang in der Verhandlungsgruppe der PD C. tätig gewesen, Mitglied der Mordkommission und für ein halbes Jahr stellv. Dienststellenleiter bei der Polizeistation G.. - Der Beigeladene wurde im März 2000 zum Kriminalhauptkommissar ernannt und seitdem mit der Wertungsstufe 4 (übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt.
Nach einem sog. „Vorauswahlvermerk“ der Antragsgegnerin vom 13. März 2007 wurden die Bewerber um den genannten Dienstposten nach „summarischer Betrachtung der Leistungssituation unter Einbeziehung der Eignungsvoraussetzungen“ als im Wesentlichen gleich eingestuft.
Somit fand am 20. März 2007 ein Auswahlgespräch statt, an dem 3 stimmberechtigte und 2 nicht stimmberechtigte Kommissionsmitglieder teilnahmen. Nach einer kurzen persönlichen Vorstellung waren von den Bewerbern jeweils zwei Fragen zu beantworten, die als „biografische“ und „situative“ Frage durch den Vertreter der Dienststelle, bei welcher der Dienstposten besetzt werden soll, aus Fragenvorschlägen ausgewählt worden waren. Ein stimmberechtigtes Kommissionsmitglied machte sich freiwillig Notizen zur Beantwortung der gestellten Fragen, während die übrigen stimmberechtigten Mitglieder der Kommission - wie auch das erstgenannte Mitglied - ihre Eindrücke durch Kreuze in einer vorgegebenen Punkteskala vermerkten. Die nichtstimmberechtigten Mitglieder fertigten keine Protokolle an.
Ausgewählt wurde von der Antragsgegnerin der Beigeladene, da ihm von den stimmberechtigten Kommissionsmitgliedern eine aus den Kreuzen ermittelte höhere Punktzahl als dem Antragsteller zugesprochen worden war.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Das Gericht kann gemäß § 123 VwGO sowohl eine Sicherungs- wie auch eine Regelungsanordnung treffen, die beide jeweils voraussetzen, dass ein Anordnungsgrund wie auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 123 Rn. 6). Hier erstrebt der Antragsteller eine Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, deren Voraussetzungen im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG (Gebot effektiven Rechtschutzes) und angesichts ihrer starken Verfahrensabhängigkeit erfüllt sind.
1. So hat das Bundesverfassungsgericht (NVwZ 2003, 200) für eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO entschieden:
b) Auf Grund dieser Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33II GG ergebenden subjektiven Rechts sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123I 1 VwGO im so genannten beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes gerade im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen. Art. 19IV GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 263 [274] = NJW 1973, 1491; BVerfGE 40, 272 [275] = NJW 1976, 141 [BVerfG 29.10.1975 - 2 BvR 630/73]; BVerfGE 61, 82 [110f.] = NJW 1982, 2173 [BVerfG 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80]; BVerfGE 77, 275 [284] = NJW 1988, 1255 [BVerfG 02.12.1987 - 1 BvR 1291/85]; BVerfGE 79, 69 [74f.] = NJW 1989, 827; BVerfGE 93, 1 [13] = NJW 1995, 2477 [BVerfG 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91]; BVerfGE 97, 298 [315] = NJW 1998, 2659; BVerfGE 101, 106 [122f.] = NJW 2000, 1175 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90]; BVerfGE 103, 142 [156] = NJW 2001, 1121 [BVerfG 20.02.2001 - 2 BvR 1444/00]; st. Rspr.). Droht dem Ast. bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über den Randbereich hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise gewichtige Gründe entgegenstehen. Hierbei muss das Gericht das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 79, 69 [75] = NJW 1989, 827 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88]; BVerfGE 97, 298 [315] = NJW 1998, 2659 [BVerfG 20.02.1998 - 1 BvR 661/94]).“
Demgemäß hat auch das Bundesverwaltungsgericht (NJW 2004, 870 f. [BVerwG 21.08.2003 - BVerwG 2 C 14.02]) entschieden, dass schon bei offenem Verfahrensausgang eines Hauptsacheverfahrens im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine stattgebende Entscheidung beansprucht werden kann:
„Art. 19IV GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 101, 106 [122f.] = NJW 2000, 1175 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90] m.w. Nachw. = NVwZ 2000, 428 L; st. Rspr.). Einstweiliger Rechtsschutz ist deswegen unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs zu gewähren. Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33II GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint.“
2. Ein den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigender Anordnungsgrund, die Dringlichkeit einer Eilentscheidung, ist unter Berücksichtigung des Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes hier gegeben. Denn durch die Übertragung des ausgeschriebenen (höherwertigen) Dienstpostens an den Beigeladenen würde der vom Antragsteller geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch (auf fehlerfreie Auswahlentscheidung) mit erheblichen Folgen für den Antragsteller berührt. Mit Vollzug der beabsichtigten Übertragung des Dienstpostens als einer Maßnahme, die - wie die Antragsgegnerin einräumt - eine Beförderung vorbereiten kann, erhielte der Beigeladene mit der Zeit zugleich einen relevanten Erfahrungsvorsprung.
3. Dem Antragsteller steht auch der erforderliche Anordnungsanspruch zur Seite, für den es ausreicht, dass ein berücksichtigungsfähiger, glaubhaft gemachter Auswahlfehler vorliegt, der für die Auswahl potentiell kausal war, und die Erfolgsaussichten erneuter Auswahl offen sind. (OVG Münster, NVWBl. 2002, 111; OVG Bremen , DöD 1985, 42f.; vgl. auch VGH Mannheim , 19. 5. 1999 - 4 S 1138/99 (unveröff.), S. 2 des Entscheidungsumdrucks; Bracher , ZBR 1989, 139 (140); Golitschek , ThürVBl 1996, 1 (2); Günther , NVwZ 1986, 697 (703); Martens , ZBR 1992, 129 (132); Peter , JuS 1992, 1043 (1046); Schnellenbach , DöD 1990, 152 (157); Wittkowski , NJW 1993, 817 (819) [BVerwG 09.03.1989 - BVerwG 2 C 4.87].
Die von der Antragsgegnerin hier getroffene Auswahlentscheidung und ihre Grundlagen sind rechtlich zu beanstanden, was sich bei der Auswahl der Bewerber zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt hat. Die Erfolgsaussichten erneuter Auswahl aber sind offen, so dass dem Antrag stattzugeben ist.
3.1 Die der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens vorausgehende Auswahlentscheidung des Dienstherrn unterliegt einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Diese hat sich allerdings in vollem Umfang (BVerfG, NVwZ 2002, 1368) auf den Sachverhalt zu erstrecken, soweit die Auswahlentscheidung auf konkret benannte Abläufe und Vorkommnisse gestützt wird (vgl. dazu im Beurteilungsrecht BVerwGE 97, 128 [129] = NVwZ-RR 1995, 340, und schon BVerwGE 60, 245 [246]). Wird die Entscheidung auf allgemein gehaltene Tatsachenbehauptungen oder auf allgemeine oder pauschal formulierte Werturteile gestützt, hat der Dienstherr diese auf Verlangen des Beamten zu konkretisieren bzw. plausibel zu machen (BVerwGE 60, 245 [251] m.w. Nachw.). Im Verwaltungsgerichtsprozess kann das Gericht auch insoweit in vollem Umfange kontrollieren, ob der Dienstherr von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist (so BVerfG, aaO., m.w.N.).
Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung erstreckt sich auch darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.8.2001 - 2 A 3.00 -, DVBl 2002, 131; Nds. OVG, Beschl. v. 26.8.2003 -5 ME 162/03 -, NVwZ-RR 2004, 197 m. w. N.; Beschl. v. 8.12.2003 - 5 ME 360/03 -). Dabei ist der Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten zu beachten, der das Recht auf eine faire und chancengleiche Behandlung bei effektiver Kontrolle durch die Gerichte umfasst (s.o.; vgl. daneben auch VGH Kassel, Beschl. v. 18.2.1991 - 1 TH 85/91 -, NVwZ-RR 1992, 34, 35).
Die Auswahlentscheidung des Dienstherrn hat sich strikt am Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG und § 7 BRRG) zu orientieren, so dass die Auswahl unter den Bewerbern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen ist. Hierauf hat der Beamte einen grundrechtsähnlichen Anspruch. Bei der Beurteilung der Frage, welcher der Bewerber am besten geeignet und befähigt sowie am leistungsstärksten ist, hat der Dienstherr in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen, wobei ein vollständiger Sachverhalt zugrunde zu legen ist (Nds. OVG, Beschl. v. 24.2. 2000 - 2 M 172/00 -). Dieser ergibt sich regelmäßig aus den aktuellsten Beurteilungen. Haben die Bewerber dabei als Gesamturteil auf der jeweiligen Notenskala unterschiedliche Notenstufen erreicht, ist grundsätzlich der Bewerber mit der besseren Gesamtnote auszuwählen. Sind die Bewerber gleich beurteilt, sind zunächst leistungsbezogene Hauptkriterien und sodann sog. Hilfskriterien heranzuziehen, bei denen der Dienstherr grundsätzlich nicht an eine bestimmte Reihenfolge gebunden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.8.2003 - 2 C 14.02 -, DVBl 2004, 317; Urt. v. 27.2.2003 - 2 C 16.01 -, IÖD 2003,170; Nds. OVG, Beschl. v. 26.8.2003 - 5 ME 162/03 -, a. a. O.; Beschl. v. 15.9.2003 - 2 ME 312/03 -).
3.2 Gemessen hieran ist der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers hier verletzt.
3.2.1 Gemäß der Ausschreibung des Dienstpostens „Ermittlungsführer/-in“ im Fachkommissariat für Organisierte Kriminalität in der ZKI C. war „bei wesentlich gleicher Leistung und/oder Eignungvoraussetzung“ eine Personalentscheidung erst nach „der Durchführung von Auswahlgesprächen“ beabsichtigt. Hierdurch war zunächst nicht festgelegt, dass sich die wesentliche Gleichheit allein aus den aktuellen Beurteilungen ergeben können soll. Es war auch nicht festgelegt, dass gerade die Auswahlgespräche für die Personalentscheidung dann etwa ausschlaggebend sein sollten.
Allein festgeschrieben war, dass zeitlich nach den Auswahlgesprächen eine Personalentscheidung - offenbar unter Einbeziehung der geführten Gespräche - getroffen werden sollte. Die Grundlagen dieser Personalentscheidung waren jedoch offen gelassen.
Für diese Entscheidung war unter Berücksichtigung der Ausschreibung zunächst als Grundlage eine wesentliche Gleichheit der Bewerber Voraussetzung. Diese ist mit dem „Vorauswahlvermerk“ vom 13. März 2007 angenommen worden, u.zw. in Übereinstimmung mit der Richtlinie betr. „Auswahlverfahren zur Besetzung von Dienstposten der Besoldungsgruppe A 12 und A 13gD BBesO im Bereich der Polizeidirektion C.“ vom 12. Mai 2006 - dort Pktl. 1 „Auswahl“ - durch den Vergleich lediglich der „letzten beiden Beurteilungen“. Damit war die Antragsgegnerin einer Heranziehung und Verwertung älterer Beurteilungen und der Personalakten enthoben. Die im gerichtlichen Verfahren abgegebene Begründung, dass die „Leistungstendenz“ bei beiden Bewerbern „über einen Zeitraum von 10 Dienstjahren“; wie ausgeführt wird, „identisch“ gewesen sei (S. 2 Abs. 3 d. Schr. v. 6.7.2007) ist allerdings nicht tragfähig. Das war nicht der Fall.
3.2.2 Unter diesen Voraussetzungen - bei wesentlicher Gleichheit und Ebenbürtigkeit der beiden Beteiligten unter Berücksichtigung allein ihrer beiden aktuellen dienstlichen Beurteilungen - stellt ein strukturiertes Auswahlgespräch, wenn es denn entsprechenden Anforderungen genügt, grundsätzlich nicht mehr nur ein Hilfskriterium, sondern - ebenso wie ältere Beurteilungen und der Inhalt der Personalakten auch - ein Hauptkriterium dar. Vgl. Nds. OVG v. 15.2.2005 - 5 ME 332/04 - :
„Die Möglichkeit, ein Auswahlgespräch auf der Grundlage des bereits erwähnten Erlasses vom 4. Juni 1998 (SVBl. S. 171) im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu führen, hat der Senat jedenfalls bei im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern bejaht (OVG Lüneburg, Beschl. v. 16.02. 2000 - 5 M 5654/99 -).“
Diese Auffassung hat das Nds. OVG im Beschluss vom 21.2.2007 - 5 LA 171/06 - nochmals unterstrichen:
„Das Auswahlgespräch ist insbesondere geeignet, eine sachgerechte und ermessenfehlerfrei zustande gekommene Entscheidung zwischen nach ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern zu treffen (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 15.2.2005 - 5 ME 333/04 -; a.a.O., NVwZ-RR 2005, 588; BVerwG, a.a.O., Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 55, S. 4 <6>).“
Jedoch ist mit der Feststellung, dass das Ergebnis eines strukturiertes Auswahlgespräch ebenfalls ein berücksichtigungsfähiges Hauptkriterium darstellt und als solches im Rahmen einer Personalentscheidung verwandt werden darf, noch nichts über die Abwägung und Entscheidung erst nach Durchführung eines strukturierten Auswahlgesprächs gesagt. Die sich daran anschließende und erst dann zu treffende Personalentscheidung der Antragsgegnerin musste sich nicht etwa ausschließlich und allein an dem Auswahlgespräch orientieren - und nicht mehr am Inhalt der aussagekräftigen Personalakten. Diese Entscheidung nur für das Auswahlgespräch als allein ausschlaggebendes Kriterium für die zu treffende Personalauswahl und gegen die Personalaktenlage ist von der Antragsgegnerin im Kontext des Art. 19 Abs. 4 GG nicht weiter begründet worden.
3.2.3 Hiervon abgesehen sind im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG und in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG an die Durchführung von strukturierten Auswahlgesprächen verfassungsrechtlich hohe Anforderungen zu stellen (HessVGH, DVBl. 1994, 593), die sich ansatzweise und graduell an der DIN 33430 vom Oktober 2002, entwickelt u.a. von der Deutschen Gesellschaft für Personalwesen, Kienbaum, orientieren könnten (vgl. Kersting, Psychologische Rundschau 2006, S. 243 ff). Soll nämlich das Ergebnis eines Auswahlgesprächs ausschlaggebende und damit grundrechtsrelevante Bedeutung für die davon Betroffenen haben, muss es in seiner Durch- und Ausführung den Anforderungen der Art. 19 Abs. 4, 33 Abs. 2 GG genügen. Denn
„ansonsten könnte ausschließlich die ´Tagesform´ zugunsten eines Bewerbers entscheiden, der nach dem Inhalt der Personalakten und auch der aktuellen Beurteilung leistungsmäßig (deutlich) schwächer einzustufen ist“ (Hess VGH, DVBl. 1994, 594 r.Sp.).
Im Allgemeinen kann daher im Lichte des Art. 33 Abs. 2 GG auf ein Auswahlgespräch - auch als Hauptkriterium - nur mit Zurückhaltung zurückgegriffen werden, zumal es ohnehin nur eine begrenzte Aussagekraft hat (OVG Bremen, ZBR 2001, 221 [OVG Rheinland-Pfalz 29.11.1999 - 2 B 12099/99.OVG]; OVG Münster, NVwZ-RR 1995, 100 [OVG Nordrhein-Westfalen 27.06.1994 - 12 B 1084/94]; HessVGH, ZBR 1994, 347).
Das gilt im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG und der Verfahrensabhängigkeit des Bewerbungsverfahrensanspruchs besonders deshalb, weil die durch Beurteilungsrichtlinien und Rechtsprechung verfeinerte Verwaltungspraxis im Beurteilungswesen sehr viel mehr Gewähr dafür bietet, dass keine pauschalen und ggf. willkürlichen Werturteile zur Grundlage von grundrechtsrelevanten Verwaltungsentscheidungen gemacht werden. Vgl. hierzu BVerfG, NVwZ 2002, S. 1368 [BVerfG 29.05.2002 - 2 BvR 723/99]:
„Art. 19 IV GG begründet zwar für jeden Bürger den Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 382 [401] = NJW 1974, 227). Daraus folgt grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen. Andererseits können unbestimmte Gesetzesbegriffe wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt (vgl. BVerfGE 84, 34 [50] = NJW 1991, 2005 [BVerfG 17.04.1991 - 1 BvR 419/81]). Der Behörde kann in solchen Fällen ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze ein begrenzter Entscheidungsfreiraum zuzubilligen sein (vgl. BVerfGE 54, 173 [197] = NJW 1980, 2693; BVerfGE 61, 82 [114] = NJW 1982, 2173 [BVerfG 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80]; BVerfGE 83, 130 [148] = NJW 1991, 1471 [BVerfG 27.11.1990 - 1 BvR 402/87]). Die gegenwärtige allgemeine Verwaltungspraxis im Beurteilungswesen (Bekanntgabe der Beurteilung; Besprechung derselben; Möglichkeit, Änderungen oder Konkretisierungen von pauschalen Tatsachen und zu pauschalen Werturteilen zu verlangen sowie das Widerspruchsverfahren) gewährleistet generell ausreichenden Grundrechtsschutz im Verfahren (vgl. dazu BVerwGE 60, 245 [251, 252]; Schnellenbach , Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 3. Aufl. [2001], Rdnrn. 319ff., 325ff., 330ff.; Schröder/Lemhöfer/Krafft , Das LaufbahnR der Bundesbeamten, Komm. zur BLV, 2001, § 41 Rdnrn. 34f.).
Eine solche, den gebotenen Grundrechtsschutz im Beamtenrecht gewährleistende Verwaltungspraxis existiert für strukturierte Auswahlgespräche ganz allgemein nicht.
3.2.4 Bei den Gesprächen vom 20. März 2007 ist es nach den Darlegungen der Antragsgegnerin sogar so, dass es den stimmberechtigten Kommissionsmitgliedern völlig selbst „überlassen“ war, auf welche Weise sie „ihre Eindrücke festhalten“ (S. 1 d. Schr. v. 27. 7.2007), es hierzu keine Verwaltungsvorschriften oder Anweisungen oder auch nur eine allgemeine Verwaltungspraxis gibt. Die Auswahlgespräche in der hier vorliegenden Form vom 20. März 2007 können daher von ihrem Erkenntniswert her und unter dem Gesichtspunkt des Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) mit Blick auf den Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG einem Vergleich mit der Praxis im Beurteilungswesen nicht standhalten.
Die den Bewerbern zur Verfügung stehende Zeit von 24 Minuten (Antragsteller) bzw. 28 Minuten (Beigeladener) reichte verfahrensmäßig nicht aus, um den Mitgliedern der Kommission einen zuverlässigen Eindruck von der Persönlichkeit der beiden Bewerber zu vermitteln (vgl. dazu die „durchgreifenden Zweifel“ des HessVGH, aaO., S. 595 lk. Spalte) - abgesehen vom Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit, der in den Zeitdifferenzen liegt: Das Kommissionsmitglied H. hat die Beantwortung der Frage 1 durch den Beigeladenen (ca. 7 Minuten) insgesamt mit „gut“, die Beantwortung dieser Frage durch den Antragsteller (ca. 4 Minuten) ebenfalls mit „sehr stark aus Sicht eines Ermittlers, aber gut“ bewertet. Die von ihm dann vorgenommen Einschätzungen durch Ankreuzen wenig klarer und eingrenzbarer „Kompetenzen“, die den gestellten Fragen nicht zuzuordnen sind, mit den Wertungsstufen 5 beim Beigeladenen bzw. 4 beim Antragsteller ist nicht nachvollziehbar.
Das Fehlen von Plausibilität gilt in erhöhtem Maße für die Bewertungsbögen des weiteren Kommissionsmitglieds I., das keinerlei Aufzeichnungen zu den gestellten Fragen gemacht hat und dessen Wertungskreuze etwa zur „Teamfähigkeit“ (die wie folgt erläutert worden ist: „Beispiel: tolerant, Einbeziehung anderer, wirkt ehrlich“) ohne jede Begründung hinsichtlich des Antragstellers und des Beigeladenen weit auseinanderklaffen (5 Punkte für den Beigeladenen, 2 Punkte für den Antragsteller). Deutlich unterstrichen wird das noch dadurch, dass die Bewertung des Kommissionsmitgliedes I. zugleich ganz erheblich und das Ergebnis prägend von den Bewertungen der beiden anderen stimmberechtigten Kommissionsmitglieder abweicht, die den Antragsteller z.B. in der sog. „Sozialkompetenz“ ihrerseits übereinstimmend mit der Wertungsstufe 4 beurteilt haben.
Eine Plausibilität dieser in überaus kurzer Zeit vorgenommenen Bewertungen zu einer „Sozialkompetenz“ wie auch zu einer „Fachkompetenz“ der Bewerber ist damit nicht gegeben, ebensowenig eine Nachvollziehbarkeit für das Gericht (Art. 19 Abs. 4 GG).
Bei der Frage 2 waren sowohl beim Beigeladenen (7 Minuten) als auch beim Antragsteller (4 Minuten) offenbar gleichermaßen Nachfragen zu „Diszi-Aspekten“ erforderlich. Der Leiter der Kommission J. hat dann den Antragsteller in seiner Rangreihe auf Platz 1 gesetzt, während das Kommissionsmitglied I. ihn - in Übereinstimmung mit dem Kommissionsmitglied H. - davon abweichend auf Rangplatz 2 gesetzt hat, ohne dass in irgendeiner Weise erkennbar wird, aufgrund welcher Mängel oder positiv zu bewertender Darlegungen der Bewerber das letztlich geschehen ist. Die sehr pauschalen Kreuze zu weit gefächerten, sehr unbestimmten „Kompetenzen“ wie etwa „Entscheidungsstärke/Urteil“, „Planung-/ Organisationsstärke“ „Teamfähigkeit“ und „Kritikfähigkeit“, die als persönlichkeitsprägende Fähigkeiten von den Kommissionsmitgliedern schwerlich in nur wenigen Minuten korrekt und zutreffend erfassbar und einer Bewertung mit weit reichenden Konsequenzen zuzuführen sind, vermögen dieses hervorgetretene Defizit an Begründung und Nachvollziehbarkeit nicht aufzuheben.
Die Gespräche vom 20. März 2007 sind zudem einer gerichtlichen Überprüfung dadurch weitgehend entzogen, dass es zu ihnen - abgesehen von den Bögen des Kommissionsmitglieds H. - lediglich knappe sog. „Bewertungsbögen“ mit Kreuzen zu einer Punkteskala und einer daraus abgeleiteten Rangreihe gibt, aus denen nicht ansatzweise hervorgeht, aus welchen Gründen die Bewertungen bei einem Bewerber besser und bei anderen Bewerber schlechter ausgefallen sind. Das Kommissionsmitglied H. hat sich als einziges Mitglied überhaupt einige Notizen gemacht, die unter Einbeziehung und im Zusammenhang mit dem Verzicht aller anderen Kommissionsmitglieder auf irgendwelche Notizen oder Aufzeichnungen den hohen Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht genügen (vgl. insoweit auch die Kritik an den „kursorischen Feststellungen“ im Fall des HessVGH, aaO., S. 595 lk. Spalte).
Die so geführten Auswahlgespräche sind daher insgesamt defizitär und genügen nicht den üblichen Verfahren bei berufsbezogenen Eignungs- und Auswahlbeurteilungen.
3.2.5 Die Auswahlgespräche vom 20. März 2007 sind auch nicht etwa eindeutig - etwa mit Einstimmigkeit - zu Gunsten des Beigeladenen ausgegangen. Vielmehr sind - wie dargelegt - Differenzen zwischen den stimmberechtigten Kommissionsmitgliedern deutlich hervor getreten. Sie sind daher mit Blick auf die Art. 19 Abs. 4 und 33 Abs. 2 GG allenfalls noch als Abrundung einer auf andere Sachgründe gestützten Entscheidung verwendbar, nicht aber als allein ausschlaggebende Basis für eine die Bewerber betreffende, in ihre berufliche Entwicklung nachhaltig eingreifende, grundrechtsrelevante Auswahlentscheidung.
Denn die Gerichte müssen das in der Verwaltung durchgeführte Verfahren in seiner Ausgestaltung sorgfältig danach beurteilen, ob es „den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert“ (BVerwG, NJW 2004, 870). Ist das - wie hier - wegen eines defizitären Auswahlgesprächs der Fall, müssen sie das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die Art. 19 Abs. 4 GG genügt. Vgl. BVerwG, NJW 2004, 870 [BVerwG 21.08.2003 - BVerwG 2 C 14.02]:
„Sowohl die Behörden als auch die Verwaltungsgerichte müssen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit sorgfältig Rechnung tragen. Das Verwaltungsverfahren darf nicht so ausgestaltet werden, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitelt oder unzumutbar erschwert (vgl. BVerfG , NJW 1990, 501 [BVerfG 19.09.1989 - 2 BvR 1576/88]). …Die Gerichte müssen das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügt (vgl. BVerfGE 79, 69 [74] = NJW 1989, 827 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88]; BVerfGE 97, 298 [315] = NJW 1998, 2659 [BVerfG 20.02.1998 - 1 BvR 661/94]).“
Somit ist bei einer Verlagerung des Rechtsschutzes aus dem Gebiet der Beurteilungen und Vorbeurteilungen sowie dem beruflichen Werdegang, das durch die Rechtsprechung weitgehend konturiert und gerichtlich überprüfbar ist (s. BVerfG, NVwZ 2002, 1368 [BVerfG 29.05.2002 - 2 BvR 723/99]), in das Gebiet eines strukturierten Auswahlgespräches, das einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen ist (vgl. HessVGH, DVBl. 1994, S. 593 f.), dem Art. 19 Abs. 4 GG in besonderer Weise Rechnung zu tragen und damit u.a. auch dem Verfahren bei einem solchen Auswahlgespräch in besonderer Weise Beachtung zu schenken (vgl. insoweit die DIN 33430, hierzu Kersting, Psychologische Rundschau 2006, S. 243 ff). Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Auswahlgespräche zu einem gerichtlich nicht weiter kontrollierbaren Regulativ bei Auswahlentscheidungen gemacht werden könnten und ggf. würden. Das jedoch widerspräche vor allem Art. 19 Abs. 4 GG und der geforderten Effektivität des Rechtsschutzes, aber auch Art. 33 Abs. 2 GG.
3.2.6 Es hätte daher von der Antragsgegnerin bei der Auswahlentscheidung einbezogen werden müssen, dass Auswahlgespräche nicht etwa „einziges Erkenntnismittel“ sein dürfen:
„Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung der Klägerin in seiner Entscheidung berücksichtigt, dass es sich bei dem Auswahlgespräch nur um eine Momentaufnahme handelt und aus diesem Grunde zutreffend darauf abgestellt, dass dem Auswahlgespräch daher ein Vorrang vor den aktuellen Beurteilungen nicht eingeräumt werden darf und das Auswahlgespräch einziges Erkenntnismittel nicht sein kann (vgl. dazu: Nds. OVG, Beschl. v. 13.10.2006 - 5 ME 115/06 -).“
So Nds. OVG, NVwZ-RR 2007, 540 [OVG Niedersachsen 21.02.2007 - 5 LA 171/06] f/ 542.
Deshalb kann von der bewährten Verwaltungspraxis im Beurteilungswesen mit ihren Verfahrensgarantien als Erkenntnismittel nur dann abgesehen und verfahrensmäßig auf ein Auswahlgespräch als „Momentaufnahme“ übergeleitet und dieses dann sogar noch zum ausschlaggebenden Auswahlkriterium gemacht werden, wenn es - z.B. in Anlehnung an die DIN 334030 - verfahrensmäßig Mindeststandards erfüllt, die Art. 19 Abs. 4 und 33 Abs. 2 GG genügen. Daran fehlt es hier.
3.2.7 Angesichts dessen, dass die Auswahlgespräche vom 20. März 2007 nicht - wie dargelegt - einstimmig verlaufen sind und unter Berücksichtigung der Personalakten hätte es im vorliegenden Fall somit einer nachvollziehbaren Begründung bedurft, weshalb die Personalentscheidung, die sich gemäß Ausschreibung gerade nicht allein an den Auswahlgesprächen orientieren musste, zu Gunsten des Beigeladenen ausgefallen ist.
Der Antragsteller hat hier nämlich substantiiert dargelegt, dass seinen Personalakten eine Leistungsentwicklung zu entnehmen ist, welche die getroffene Personalentscheidung unter Berücksichtigung lediglich des Auswahlgesprächs vom 20. März 2007 in Frage stellt. Eine eindeutig schlechtere Bewertung - wie im Fall des Nds. OVG v. 21.2.2007 (NVwZ-RR 2007, 540 [OVG Niedersachsen 21.02.2007 - 5 LA 171/06] / 542 lk. Spalte und r. Spalte) - hat der Antragsteller in den Auswahlgesprächen vom 20. März 2007 gerade nicht hinnehmen müssen. Ob diese Gespräche unter solchen Voraussetzungen weiterhin dann noch als Haupt- und nicht nur als Hilfskriterium zu werten sind (so Nds.OVG aaO.), mag dahinstehen. Sie haben als „Momentaufnahme“ jedenfalls nur begrenzten und allenfalls ergänzenden Erkenntniswert.
Bei solcher Einbeziehung der Leistungsentwicklung und Würdigung der Personalakten als Erkenntnis- und Entscheidungsgrundlage springt hier ins Auge, dass der Beigeladene erst im März 2000 zum Kriminalhauptkommissar ernannt und seitdem zweimal mit der Wertungsstufe 4 - „übertrifft erheblich die Anforderungen“ - beurteilt worden ist, während es beim Antragsteller so liegt, dass er bereits viele Jahre davor, nämlich im Februar 1994, als der Beigeladene noch Kriminaloberkommissar war, schon zum Kriminalhauptkommissar befördert und seitdem viermal mit der genannten Wertungsstufe 4 beurteilt worden ist. Auch in der Zeit vor ihren jeweiligen Beförderungen zum Kriminalhauptkommissar sind sachlich ganz erhebliche Unterschiede in den vergebenen Beurteilungen festzustellen: So erreichte der Beigeladene ein „gut“ mit 13 Punkten erst 1996, während das beim Antragsteller schon 1994 der Fall war. Ein „gut“ mit 12 Punkten erreichte der Antragsteller schon in der Beurteilung vom 15. Februar 1989, der Beigeladene dagegen erst 5 1/2 Jahre später, nämlich in der Beurteilung vom 12. August 1994.
3.2.8 Die getroffene Auswahlentscheidung ist bei solchen Unterschieden auf dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG nicht plausibel - zumal es grundsätzlich gerade die Aufgabe und Funktion von Personalakten einschließlich der mit einem entsprechenden Beurteilungs- und Bewertungsaufwand über viele Jahre aneinander gereihten Beurteilungen ist, über die bisherige Eignung und Leistung eines Beamten Aufschluss zu geben und daneben eine Prognose dazu abzugeben, ob er den Aufgaben eines höherwertigen Dienstpostens gewachsen ist (HessVGH, DVBl. 1994, S. 593 / S. 594 lk. Spalte unten u. rechte Spalte oben). Das Absehen von diesem sich gem. Art. 33 Abs. 2 GG anbietenden Hauptkriterium für eine Auswahlentscheidung hätte mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG somit einer besonders tragfähigen Begründung bedurft.
Denn die vorhandenen Unterschiede in Vorbeurteilungen und im Werdegang können mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG maßgeblich berücksichtigt werden, solange die aktuellen Beurteilungen als gleichwertig anzusehen sind. Vgl. BVerwG NVwZ 2003, 1398:
„Ältere dienstliche Beurteilungen können aber daneben als zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Sie stellen keine Hilfskriterien für eine zu treffende Auswahlentscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind. Zwar verhalten sie sich nicht zu dessen nunmehr erreichtem Leistungsstand in seinem derzeitigen statusrechtlichen Amt.
Gleichwohl können sie vor allem bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn frühere Beurteilungen positive oder negative Aussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten, Verwendungen und Leistungen sowie deren voraussichtliche weitere Entwicklung enthalten. Derartige Äußerungen, insbesondere bei einer Gesamtwürdigung der vorhandenen dienstlichen Beurteilungen erkennbare positive oder negative Entwicklungstendenzen, können vor allem bei gleichwertigen aktuellen Beurteilungen von Bewerbern den Ausschlag geben (vgl. BVerwG , Buchholz 237.6 § 8 NdsLBG Nr. 3 S. 2). Ihre zusätzliche Berücksichtigung bei der Auswahl ist deswegen mit Blick auf Art. 33 II GG geboten, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten zu treffen ist. …“
3.2.9 Unter solchen Voraussetzungen hätte es einer sämtliche Leistungs- und Eignungsaspekte der Beteiligten würdigenden und sie gebührend einbeziehenden Begründung der Personalentscheidung bedurft. Daran fehlt es. Vielmehr ist allein die (knappe) Mehrheitsentscheidung der Eignungsauswahlkommission zur Grundlage der Personalentscheidung gemacht worden, was gegen Art. 19 Abs. 4 iVm Art. 33 Abs. 2 GG verstößt.
Im hiernach erneut durchzuführenden Auswahlverfahren zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen besteht schließlich ohne Frage die Möglichkeit, dass der Antragsteller mit seinem Werdegang zum Zuge kommt. Der Ausgang des Klageverfahrens 1 A 58/07 ist offen. Schon diese Möglichkeit eines Klageerfolgs reicht aus, um eine einstweilige Anordnung zu Gunsten des Antragstellers zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 5 GKG. (1/2 des 6,5fachen Betrages des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 12 BBesO in Höhe von 3.522,25 EUR).