Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.09.2007, Az.: 2 A 560/06

Berechnung; Einnahme; Festsetzung; Halbeinkünfteverfahren; Kappung; Kirchensteuer; Steuerfreiheit; Veräußerungsgewinn

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
20.09.2007
Aktenzeichen
2 A 560/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71935
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei Einnahmen aus Veräußerungsgewinnen sind bei der Festsetzung der Kirchensteuer die nach dem Halbeinkünfteverfahren steuerfreien Beträge wieder hinzuzurechnen.

Tatbestand:

1

Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung der Kirchensteuer 2002.

2

Im Jahre 2002 verkaufte der Kläger seine Beteiligung an der E. Cigarettenfabriken GmbH mit einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 162.954.516,00 EUR. Aus Dividenden erzielte er Einnahmen in Höhe von 25.408.194,00 EUR (insgesamt: 188.362.710,00 EUR). Bei der Berechnung der Einkommenssteuer legte das Finanzamt F. /G. in dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 vom 30. März 2006 nach dem Halbeinkünfteverfahren bei dem Veräußerungsgewinn und den Einnahmen aus Dividenden nur die Hälfte der erzielten Einnahmen zu Grunde, also 94.181.355,00 EUR. Das zu versteuernde Einkommen wurde nach Berücksichtigung weiterer abzugsfähiger Beträge auf 82.582.662,00 EUR festgesetzt.

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Bei der Berechnung der Kirchensteuer zog das Finanzamt zu dem zu versteuernden Einkommen (82.582.662,00 EUR) die steuerfreien Halbeinkünfte (94.181.355,00 EUR) hinzu und setzte das - für die Kirchensteuer - maßgebliche Einkommen auf 176.764.017,00 EUR fest und berechnete danach eine Kirchensteuer in Höhe von 6.186.738,60 EUR (3,5 % des durch 72 teilbaren Betrages von 176.763.960,00 EUR). Mit Bescheid vom 23. April 2007 wurde das zu versteuernde Einkommen 2002 endgültig auf 82.718.979,00 EUR festgesetzt.

4

Die Kläger beantragten bei der Beklagten einen Kirchensteuerteilerlass in Höhe von 50 % der auf dem Veräußerungsgewinn lastenden Kirchensteuer aus Billigkeitsgründen und legten Widerspruch gegen die Kirchensteuerfestsetzung 2002 ein. Die Berechnung der Kirchensteuer sei zu Unrecht unter Hinzurechnung der steuerfreien Halbeinkünfte erfolgt. Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 stellte die Beklagte einen Teilerlass der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Kirchensteuern 2002 in Höhe von 2.851.704,03 EUR in Aussicht und stundete ihn zinslos unter Widerrufsvorbehalt. Sobald die Kirchensteuer 2002 endgültig und bestandskräftig bzw. rechtskräftig festgesetzt worden sei, werde abschließend über den Erlassantrag entschieden.

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Mit Bescheid vom 21. Juli 2006 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen die Kirchensteuerfestsetzung 2002 als unbegründet zurück. Die Höhe der Kirchensteuer betrage 9 % der Einkommensteuer, höchstens jedoch 3,5% des zu versteuernden Einkommens. Bei der Berechnung der Kirchensteuer seien die Vorschriften des § 51 a Einkommensteuergesetz - EStG - zu beachten (Landeskirchensteuerbeschluss 2002 Ziffer I 1 Abs. 1 und Abs. 2). Die Anwendung des § 51 a EStG werde dabei nicht auf eine der beiden Berechnungsmethoden (9 % Einkommensteuer oder 3,5% zu versteuerndes Einkommen - Kappung -) beschränkt, sondern gelte in beiden Fällen. Das Verfahren nach § 51 a Abs. 2 Satz 2 EStG, das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Beträge (u.a. Veräußerungsgewinne) zu erhöhen, finde auch bei der Kappung der Kirchensteuer Anwendung. Der Auffassung der Kläger, § 51 a EStG beziehe sich nur auf Zuschlagsteuern - wie die Kirchensteuer -, die nach der Einkommensteuer bemessen würden und nicht auf Fälle der Kirchensteuer-Kappung - wie hier -, die nach dem zu versteuernden Einkommen bemessen würden, könne nicht gefolgt werden. Die Kirchensteuer-Kappung stelle keine eigene Steuer dar, sie sei lediglich eine an die Zuschlagsteuer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a niedersächsisches Kirchensteuerrahmengesetz - Nds. KiStRG - gebundene Tarifvariante. Auch die gekappte Zuschlagsteuer bleibe eine Zuschlagsteuer nach dem Nds. KiStRG. Sie sei nur um die Begrenzung der Kappung vermindert. Nach einem Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1993 sei sogar im Fall von Regelungslücken entschieden worden, dass die Berechnung der gekappten Kirchensteuer den Regelungen folgen müsse, die für die Berechnung der Kirchensteuer vom Einkommen gesetzlich vorgegeben sei. Damit sei abschließend geklärt, dass die Kappung eben keine eigenständige Steuer vom Einkommen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 b Nds. KiStRG darstelle, sondern den Regelungen der Kirchensteuer von der Einkommensteuer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 a Nds. KiStRG folge. Auch § 6 Abs 1 der gemeinsamen Kirchensteuerordnung - KiStO ev - und Ziffer 31 der Kirchensteuerdurchführungsbestimmungen - KiStDfB - bezögen sich sowohl auf die Kirchensteuer als Vomhundertsatz der Einkommensteuer als auch auf die Kirchensteuer nach Maßgabe des Einkommens. Es handle sich dabei um ein und dieselbe Art der Kirchensteuererhebung.

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Die gegen diese Bescheide erhobene Klage begründen die Kläger im Wesentlichen wie folgt: Bei Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 c und d EStG) hätten die Kirchen bemängelt, dass ihnen dadurch Kirchensteuerausfälle entstehen würden. Diesem Einwand sei durch die Einfügung der Sätze 2 und 3 in § 51 a EStG durch das „Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern“ vom 21. Dezember 2000 Rechnung getragen worden, das allerdings noch durch eine gesonderte landesrechtliche Gesetzgebung umgesetzt werden müsse. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern schreibe § 7 Abs. 2 Satz 2 des Nds. KiStRG ausdrücklich vor, dass nur für die „Berechnung der Kirchensteuer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a der § 51 a EStG“ (Basis Einkommen steuer /Lohnsteuer) gelte. Damit gelte § 51 a EStG nicht in den Fällen der Kirchensteuer-Kappung, da diese unter § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr 1 b (Basis Einkommen/Arbeitslohn) fiele. Im vorliegenden Fall sei die Kirchensteuer nicht nach der Einkommensteuer, sondern nach dem Einkommen bemessen worden, so dass zwangsläufig der ganze § 51 a EStG nicht zur Anwendung kommen könne. Der Wortlaut des Landeskirchensteuerbeschlusses sei so eindeutig, dass er einer teleologischen Auslegung nicht zugänglich sei. Der Hinweis auf eine Zusatzvereinbarung zum Loccumer Vertrag führe nicht weiter, da im Jahre 1955 das Halbeinkünfteverfahren noch unbekannt gewesen sei.

7

Wiederum im Gegensatz zu anderen Bundesländern würde der auf der Basis der landsrechtlichen Kirchensteuergesetzgebung basierende Kirchensteuerbeschluss 2002 (Niedersachsen) durch Unklarheit hervorstechen. Danach seien „bei der Berechnung der Kirchensteuer ….. die Vorschriften des § 51 a EStG in der jeweiligen Fassung zu beachten“ . Nur wenn im Nds. KiStRG und in den dazu ergangenen Steuerordnungen Hinweise auf eine „entsprechende“ Anwendung des § 51 a EStG im Falle der Kirchensteuer-Kappung enthalten wären, dürfte im Kirchensteuerbeschluss die „entsprechende“ Anwendung des § 51 a EStG im Falle der Kirchensteuer-Kappung vorgeschrieben werden. Das sei aber nicht der Fall. Da § 51 a EStG nur bei der Ermittlung der Einkommen steuer die Hinzurechnung der Halbeinkünfte vorsehe, nicht aber bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, gebe es vorliegend kein um steuerfreie Halbeinkünfte erhöhtes „maßgeblich zu versteuerndes Einkommen“.

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Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten gebe es auch keine auffüllungsfähige Regelungslücke. Die Bestimmungen in den einzelnen Landeskirchen bei Fällen der Kappung seien sehr unterschiedlich. Jede Landeskirche habe sich Gedanken gemacht, wie sie § 51 a EStG bei Kappungs-Fällen anwenden wolle. Dies zeige nur zu deutlich, dass beim niedersächsischen Landeskirchensteuerbeschluss 2002 keine Regelungslücke bestehe, sondern dass die steuerfreien Halbeinkünfte bewusst und willentlich nicht hinzugerechnet werden sollten.

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Im Übrigen sei der Kirchensteuerbeschluss 2002 auch nichtig, da er keine gesetzliche Grundlage habe. Der Loccumer Vertrag zeige als Gesetz die Rahmenbedingungen für die Kirchensteuererhebung auf. Eine Beschlussfassung der Landessynode im Landeskirchensteuerbeschluss, die eine Berechnung der Kirchensteuern nach dem gem. § 51 a EStG modifizierten zu versteuernden Einkommen vorsehen sollte, wäre durch den Loccumer Vertrag nicht gedeckt. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Zusatzvereinbarung zum Loccumer Vertrag sei die Landeskirchensteuer auf höchstens 4 % des der Einkommensteuerberechnung zugrunde zu legenden Einkommens zu begrenzen und das wiederum ergebe sich ausschließlich aus § 2 Abs. 5 EStG und nicht aus dem gem. § 51 a EStG zu modifizierenden zu versteuernden Einkommen. Unabhängig davon verstoße der Beschluss gegen Nr. 31 der Kirchensteuerndurchführungsbestimmungen. Weiterhin sei der erst am 29. Mai 2002 genehmigte und am 19. Juli 2002 veröffentlichte Beschluss (BStBl 2002, I, S. 650) für das vorliegende Verfahren verspätet ergangen, da der Kläger seine Beteiligung an der E. Cigarettenfabriken GmbH bereits am 7. März 2002 verkauft habe. Soweit der Beklagte auf eine Weitergeltung des Landeskirchensteuerbeschlusses 2001 verweise, solange ein genehmigter neuer Landeskirchensteuerbeschluss noch nicht vorliege, möge er dieses nachweisen.

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Die Kläger beantragen,

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die Festsetzung der Kirchensteuer in dem Bescheid des Finanzamtes F. /G. vom 23. April 2007 für das Jahr 2002 insoweit aufzuheben, als darin die Kirchensteuer mit mehr als 4 % des zu versteuernden Einkommens 2002 von 82.718.979 Euro berechnet worden ist und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. Juli 2006 insoweit aufzuheben, als er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

14

Sie tritt diesen Ausführungen unter Vertiefung ihrer Begründung aus dem Widerspruchsbescheid entgegen. Die Vorgabe für die Berechnung der Kirchensteuern, nach § 51 a Abs. 2 Satz 2 EStG „das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Beträge zu erhöhen“, „gelte“ gem. § 7 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 Nds. KiStRG auch für die Berechnung der Kirchensteuer im Wege der Kappung. Diese Frage sei durch die im Widerspruchsbescheid angeführte Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts geklärt. Die gekappte Kirchensteuer sei keine eigenständige Kirchensteuer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b Nds. KiStRG.

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Aber selbst wenn der Ansicht der Kläger gefolgt würde, fehle es nicht an dem von ihnen geforderten gesetzlichen Hinweis auf eine entsprechende Anwendung von § 51 a EStG. Denn mit dem Landeskirchensteuerbeschluss sei in I. Nr. 1 Abs. 2 ausdrücklich die Beachtung von § 51 a EStG sowohl bei der Berechnung der Kirchensteuer von der Einkommensteuer als auch für die Kappung vorgeschrieben worden. Das ergebe die Auslegung im Hinblick auf seinen Wortlaut, auf seine systematische Stellung unmittelbar nach der Darlegung der beiden Berechnungswege, auf den Willen der Landessynode, auf die Beachtung des Gleichheitssatzes und im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm, so wie vom Nds. Oberverwaltungsgericht in der angeführten Entscheidung vorgenommen.

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Auf die Klagebegründung werde erwidert, dass in Niedersachsen auf Grund der Zusatzvereinbarung zum Loccumer Vertrag eine Rahmenregelung bestehe, wonach die Kappung der Kirchensteuer nach dem Maßstab der Einkommensteuer erfolge, also eine unmittelbare tarifliche Verknüpfung zum zu versteuernden Einkommen der Maßstabsteuer nach § 51 a Abs. 2 EStG bestehe. Als Höchstbetragsregelung könne die Kappung rechtliche Wirkung nicht per se entfalten, sondern nur im Kontext zu der Steuer, die sie begrenzen solle. Wie sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe, werde durch die Berechnung der Höchstbegrenzung aus dem zum versteuernden Einkommen die Kircheneinkommensteuer/Kirchenlohnsteuer nicht zu einer Steuer nach Maßgabe des Einkommens gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 b Nds. KiStRG - eine solche sei nicht beschlossen -, sie bleibe im Sinne des Gesetzes eine Steuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 a Nds. KiStRG. Eine Aufspaltung in zwei unterschiedliche zu versteuernden Einkommen - etwa eines für die Berechnung mit 9 % und eines für die Ermittlung der Kappung - haben der Gesetzgeber mit der zwingenden Modifizierung für Zuschlagsteuern gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 a Nds. KiStRG gerade verhindern wollen. Sie würde einen Tarifbruch bedeuten und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Es sei auch nicht zutreffend, dass für die Anwendung des § 51 a Abs. 2 EStG auf Kappungsfälle eine besondere gesetzliche Verweisung fehle. Vielmehr genüge die inhaltlich und sachlich eindeutige Bezugnahmen auf die Vorschrift des mit „Festsetzung und Erhebung von Zuschlagsteuern“ überschriebenen § 51 a EStG, um seine Anwendung zu bestimmen. Damit bestünden lückenlose staatliche und kirchengesetzliche Verweisungen für die Anwendung des § 51 a EStG auf die Kirchensteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 a Nds. KiStRG. Würde die sich aus den bestehenden Verweisungen ergebende Anwendbarkeit von § 51 a EStG auf die Höchstbetragsermittlung nicht gesehen, würde durch Auslegung und entsprechender Anwendung der betreffenden Vorschriften eine Einbeziehung der Kappungsregelung dennoch erfolgen müssen.

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Die Auffassung, für die Landeskirchensteuerbeschlüsse bestünden keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen, sei unzutreffend. Insoweit werde auf die geltenden Bestimmungen des Loccumer Vertrages und der Zusatzvereinbarung zum Loccumer Vertrag verwiesen. § 6 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung zum Loccumer Vertrag stelle selbst auf die Möglichkeit zukünftiger steuerrechtlicher Änderungen ab und auch auf die daraus folgende Notwendigkeit, auch die Grundlagen für die Kirchensteuern anzupassen. Eine solche Notwendigkeit habe sich insbes. im Jahre 2001 mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens ergeben. Die Landessynode sei der kirchliche Gesetzgeber, dem die Ausgestaltung des kirchlichen Steuerrechts durch Landeskirchensteuerbeschlüsse obliege, die Kirchensteuerndurchführungsbestimmungen seien Verwaltungsvorschriften. Der Beschluss 2002 sei auch nicht verspätet ergangen, da er von der Landessynode am 30. November 2001 gefasst worden sei. Er sei vom Nds. Kultusministerium im Einvernehmen mit dem Nds. Finanzministerium genehmigt und im Kirchlichen Amtsblatt 2002, S. 62 ff, veröffentlicht worden. Im Übrigen gelte gemäß § 2 Abs. 4 KiStO ev der vorjährige Landeskirchensteuerbeschluss bis zum neuen Landeskirchensteuerbeschluss weiter. Der vorjährige Beschluss 2001 habe eine identische Regelung enthalten.

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Soweit mit der Klage die In-Aussichtstellung eines Kirchensteuerteilerlasses mit Schreiben vom 24. Juli 2006 angefochten werde, sei die Klage unzulässig. Hiergegen sei zunächst Widerspruch einzulegen, über den das zuständige Landeskirchenamt zu entscheiden hätte. Insoweit fehle es zur Zeit an dem erforderlichen Vorverfahren.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß § 10 Abs. 2 Nds. KiStRG zulässigerweise vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage ist unbegründet. Die Kläger sind von der Beklagten in zutreffender Anwendung der kirchensteuerrechtlichen Bestimmungen zur Kirchensteuer 2002 veranlagt worden.

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Die Beteiligten streiten über die Frage, ob auch bei der Berechnung der Kirchensteuer im Wege der Kappung das Halbeinkünfteverfahren Anwendung findet. Das ist der Fall.

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1. Nach Art. 140 GG iVm Art. 137 WRV ist die Beklagte berechtigt, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Kirchensteuern sind in Niedersachsen das „Gesetz über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, andere Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften“ - Kirchensteuerrahmengesetz - Nds KiStRG - in der Fassung vom 10. Juli 1986 (Nds GVBl S. 282), zuletzt geändert am 8. Dezember 2005 (Nds GVBl S. 381) und das „Kirchengesetz der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen über die Erhebung von Kirchensteuern in den evangelischen Landeskirchen“ - Gemeinsame Kirchensteuerordnung - KiStO ev - vom 14.Juli 1972 (KABl S. 107), zuletzt geändert am 6. Oktober 1999 (KABl S. 210). Gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nds KiStRG ist die Beklagte berechtigt, von ihren Angehörigen auf Grund eigener Steuerordnungen Kirchensteuern zu erheben. Kirchensteuern können erhoben werden als

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1. Steuer vom Einkommen

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a. in einem Vomhundertsatz der Einkommenssteuer (Lohnsteuer) oder

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b. nach Maßgabe des Einkommens (Arbeitslohns).

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Für die Berechnung der Kirchensteuer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a gilt § 51 a EStG (§ 7 Abs. 2 vorletzter Satz Nds KiStRG). Gemäß § 2 Absatz 4 Satz 1 Nds KiStRG können Mindest- und Höchstbeträge bestimmt werden. Von diesen Ermächtigungen hat die Beklagte für das Kalenderjahr 2002 in der Ziffer I 1 des Landeskirchensteuerbeschlusses für das Haushaltsjahr 2002 (KABl 2002 S. 63) in der Weise Gebrauch gemacht, dass die Landeskirchensteuer für das Jahr 2002 9 % der Einkommensteuer (Lohnsteuer) beträgt, höchstens jedoch 3,5 % des zu versteuernden Einkommens bzw. des auf das zu versteuernde Einkommen umzurechnenden Arbeitslohns, von dem die Lohnsteuer berechnet wird; der Berechnung des Höchstsatzes (Kappung) ist der Anfangswert der jeweiligen Tabellenstufe der Einkommensteuertabelle zugrundezulegen. Bei der Berechnung der Kirchensteuer sind die Vorschriften des § 51 a EStG in der jeweils geltenden Fassung zu beachten.

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Ausgehend von diesen kirchensteuerrechtlichen Bestimmungen ist die Beklagte zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kläger in Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a i.V.m. § 51 a EStG zur Kirchensteuer 2002 heranzuziehen waren.

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2. Im Gegensatz zur Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Kläger beruht die Heranziehung der Kläger zur Kirchensteuer 2002 auf wirksamen kirchengesetzlichen Grundlagen.

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Ausgehend von den grundlegenden Bestimmungen des Loccumer Vertrages sind die Kirchen und die Kirchengemeinden berechtigt, nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen aufgrund von Steuerordnungen von den Angehörigen der Kirchen Kirchensteuern zu erheben (Art. 12 Abs. 1 des „Kirchengesetz über den Vertrag der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und der übrigen evangelischen Landeskirchen Niedersachsens mit dem Lande Niedersachsen vom 14. April 1955 - KABl S. 31 -). Der Gesetzgeber der Beklagten ist die Landessynode (Art. 75 der Verfassung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers i.d. Fassung vom 1. Juli 1971 - KABl S. 189 -, zuletzt geändert am 13. Dezember 2006 - KABl S. 199 -). Ihr obliegt die Ausgestaltung des kirchlichen Steuerrechts unter Beachtung der landesgesetzlichen Rahmengesetzgebung. Diese Ausgestaltung nimmt sie durch Landeskirchensteuerbeschlüsse wahr, so auch durch den hier maßgeblichen „Beschluss über die Landeskirchensteuer der Ev.-luth. Landskirche Hannovers im Land Niedersachsen für das Haushaltsjahr 2002“ (KABl S. 63). Selbst wenn dem Einwand des Prozessbevollmächtigten der Kläger zu folgen wäre, dass der Landeskirchensteuerbeschluss 2002 auf den vorliegenden Fall nicht mehr zur Anwendung kommen kann, weil er später ergangen ist, so würde der - insoweit gleichlautende - Landeskirchensteuerbeschluss 2001 (KABl S. 58) Geltung beanspruchen. Denn liegt nach Ablauf des Erhebungszeitraums ein genehmigter neuer Kirchensteuerbeschluss noch nicht vor, so gilt der bisherige Kirchensteuerbeschluss weiter (§ 2 Abs. 4 KiStO ev). Dass die Umsetzung der kirchlichen Steuerhoheit durch von der Landessynode zu beschließende Landeskirchensteuerbeschlüsse nicht nur von der kirchlichen, sondern auch von der staatlichen Kirchensteuergesetzgebung gedeckt sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung der niedersächsischen Verwaltungsgerichte (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 17. 07. 2001 - 6 A 40/01 -, NVwZ 2001 S. 1447 f; VG Osnabrück, Beschluss vom 11. 06. 2003 -1 B 4/03 -, zitiert nach juris; VG Göttingen, Beschluss vom 30. 06. 2003 - 4 B 54/03 -, zitiert nach juris).

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Die Heranziehung ist auch nicht unter Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Zusatzvereinbarung (zu § 12 Abs. 4) zum Loccumer Vertrag vom 19. März 1955 (KABl. S. 35) erfolgt. Danach gilt der Beschluss über den Landeskirchensteuersatz als genehmigt (allgemein genehmigter Landeskirchensteuersatz), wenn der Zuschlag bei den einzelnen Steuerpflichtigen 10 % der Einkommenssteuer nicht übersteigt; die Landeskirchensteuer ist auf höchstens 4 % des der Einkommenssteuerberechnung zugrunde zu legenden Einkommens zu begrenzen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, dass diese Regelung nur in den Fällen gilt, in denen keine ausdrückliche Genehmigung des Landeskirchensteuersatzes beantragt wird (Fiktiv-Genehmigung). Vorliegend hat die Beklagte aber die Genehmigung des Landeskirchensteuerbeschlusses für die Haushaltsjahre 2001 und 2002 ausdrücklich mit 9 % der Einkommensteuer, höchstens jedoch 3,5 % des zu versteuernden Einkommens beantragt und die Genehmigungen auch jeweils erhalten (Erlass vom 26. 1. 2001, KABl 2001,S. 58 und Erlass vom 15. Januar 2002, KABl 2002, S. 62).

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3. Die Voraussetzungen der Heranziehung zur Kirchensteuer unter Hinzuziehung steuerfreier Halbeinkünfte liegen vor. Die Kläger sind von der Beklagten mit 3,5 % des zu versteuernden maßgebenden Einkommens von 176.900.334 (Bescheid des Finanzamtes F. vom 23. 4. 2007) veranlagt worden. Dabei ist die Beklagte erkennbar von der Kappungs-Regelung in Ziffer I 1 des Landeskirchensteuerbeschlusses 2002 ausgegangen, wonach die Kirchensteuer höchstens 3,5 % des zu versteuernden Einkommens beträgt. Zu Recht hat sie weiterhin auch auf den Fall der Kirchensteuer-Kappung § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a und nicht Nr. 1 b angewandt. Denn in der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass auch für die Kappungsfälle der maßgebende Kirchensteuerbeschluss bei verständiger Auslegung nicht dahin interpretiert werden kann, es solle eine Kirchensteuer "nach Maßgabe des Einkommens" i. S. von § 2 Satz 2 Nr. 1 b Nds KiStRG erhoben werden. Denn - so das Nds. Oberverwaltungsgericht weiter - die Kappung stellt keine eigenständige Steuerform dar, sondern bezeichnet lediglich die Höchstbegrenzung der von der Beklagten nach Maßgabe der § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a Nds KiStRG in Form des Zuschlags von 9% zur staatlichen Einkommensteuer erhobenen Kirchensteuer (Nds. OVG, Urteil v. 27. 10. 1993 - 13 L 72/89 - NVwZ-RR 1994, 355 f). Zu Recht hat die Beklagte daher in ihrem Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2006 die Kirchensteuer-Kappung nicht als eine eigene Steuerart angesehen, sondern lediglich als eine Tarifvariante der als Zuschlagsteuer erhobenen Kirchensteuer. Sie begrenzt die Kirchensteuer lediglich der Höhe nach, bleibt aber eine Steuer vom Einkommen, die in einem Vomhundertsatz der Einkommenssteuer erhoben wird.

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Die Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts ist zwar ergangen in einem Fall, in dem es um die Berechnung des Höchstsatzes der Kirchensteuer bei glaubensverschiedenen Ehegatten in Kappungsfällen ging, doch hat die Kammer keine Zweifel, die in dieser Entscheidung niedergelegten Grundsätze auch auf Kappungsfälle anzuwenden, bei denen es um die kirchensteuerrechtliche Bewertung von Halbeinkünften geht. Denn - wie bereits dargelegt - stellt nach Auffassung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, die Kappung keine eigenständige Steuerform dar. Es ist daher rechtlich unerheblich, auf Grund welcher Steuertatbestände die Regelungen der Kappung zur Anwendung kommen. Daher ist es rechtlich weiterhin unerheblich, dass das hier zur Anwendung gekommene Halbeinkünfteverfahren erst mit dem Artikel 1 des „Gesetz zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern“ vom 21. Dezember 2000 (BGBl S. 1978) durch Anfügen eines Satzes 2 an § 51 a Abs. 2 Satz 1 EStG eingeführt worden ist. Eines weiteren Eingehens auf die streitigen Ausführungen der Verfahrensbeteiligten, ob und in welcher Weise § 51 a EStG auch auf Kirchensteuererhebungen Anwendung finden kann, die nach Maßgabe des Einkommens erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b Nds KiStRG), bedarf es daher vorliegend nicht.

33

Gemäß § 7 Abs. 2 vorletzter Satz Nds KiStRG gilt für die Berechnung der Kirchensteuer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a der § 51 a EStG. Diese landesgesetzliche Bestimmung hat der kirchliche Gesetzgeber durch den Landeskirchensteuerbeschluss 2002 in Ziffer I 1 dahingehend umgesetzt, dass bei der Berechnung der Kirchensteuer die Vorschriften des § 51 a EStG in der jeweils geltenden Fassung zu beachten sind. Unter den Beteiligten besteht Einigkeit, dass im Falle der Kirchensteuerberechnung auf der Basis der Einkommensteuer - wie vorliegend - die Anwendung des § 51 a EStG „gedeckt“ ist (so ausdrücklich auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger in seiner Klageschrift vom 17. 8. 2006 unter D 1.3). Die Beklagte hat also zutreffend bei der Berechnung der Kirchensteuer im Wege der Kappung in Anwendung des § 51 a Abs. 2 Satz 2 die steuerfreien Halbeinkünfte in Höhe von 94.181.355 EUR hinzugerechnet.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen vor (§ 124 a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Frage, ob bei der Berechnung der Kirchensteuer in Fällen der Kappung § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a Nds KiStRG anzuwenden ist, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.