Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.05.1988, Az.: 13 A 64/86

Kirchgeld; Kirchensteuer; Freistellung; Wohnsitz; Dänemark; Kirchenmitglied; Vorauszahlungsbescheid; Einkommenssteuerbescheid; Finanzamt

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.05.1988
Aktenzeichen
13 A 64/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 12871
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1988:0504.13A64.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Schleswig - 02.05.1983 - AZ: 1 A 249/81
nachfolgend
BVerwG - 12.04.1991 - AZ: BVerwG 8 C 62.88

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 1. Kammer - vom 2. Mai 1983 geändert.

Der Vorauszahlungsbescheid vom 11. März 1981 und der Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes Oldenburg vom 22. Juli 1983 hinsichtlich des Kirchgeldes sowie der Einspruchsbescheid des Beklagten vom 26. Oktober 1981 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Kirchgeld.

2

Sie ist Staatsangehörige des Königreichs Dänemark und war bis 1977 als Stewardess bei der Fluggesellschaft SAS beschäftigt. Von ihrem Gehalt, das sie in Kopenhagen erhielt, wurde die Kirchensteuer an die dänische Volkskirche abgeführt, der sie angehörte. Im Mai 1975 zog die Klägerin zu ihrem deutschen Ehemann, der keiner Kirche angehört, nach E.; im Februar 1976 verzog die Familie mit dem Sohn Christian nach .... In ihren Erklärungen gegenüber dem Einwohnermeldeamt der Gemeinde B. vom 12. Mai 1975 sowie der Gemeinde O. vom 3. Februar 1976 gab die Klägerin unter der Spalte "Kirche oder Religionsgemeinschaft" jeweils "ev." an.

3

Mit Vorauszahlungsbescheid vom 11. März 1981 setzte das Finanzamt O. gegen die Klägerin Kirchensteuervorauszahlungen für 1980 in Höhe von 480,-- DM und für 1981 in einer Höhe von vierteljährlich 120,-- DM, zusammen also für 1981 in Höhe von ebenfalls 480,-- DM, fest. Daraufhin beantragte die Klägerin am 16. März 1981 die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der Kirchensteuer. Mit Bescheid vom 4. Juni 1981 erließ der Beklagte ihr die Kirchensteuer (Kirchgeld) für die Kalenderjahre 1979 und 1980 und lehnte eine Freistellung ab dem Kalenderjahre 1981 unter Hinweis auf Abschnitt II Ziffer 10 der Kirchensteuerrichtlinien 1980 ab. Den dagegen von der Klägerin eingelegten Einspruch lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 1981 als unbegründet ab.

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Mit ihrer am 27. November 1981 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht: Sie sei kein Mitglied der Nordelbischen Kirche geworden, sondern Mitglied der dänischen Volkskirche. Auch aus den Angaben gegenüber der staatlichen Meldebehörde auf dem Meldeformular ergebe sich nichts anderes. Im übrigen verletze die Regelung des § 9 des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes insbesondere auch wegen des fehlenden Hinweises auf den Meldeformularen Art. 4 Abs. 1 GG. Weiterhin seien die Bestimmungen, auf denen die Erhebung des Kirchgeldes beruhe, wegen Verstoßes gegen die Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG unwirksam und darüberhinaus das zu versteuernde Einkommen des Ehegatten nach § 32 EStG kein geeigneter Maßstab zur Feststellung des Lebensführungsaufwandes des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten.

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Die Klägerin hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 4. Juni 1981 und seinen Einspruchsbescheid vom 26. Oktober 1981 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr eine Freistellungsbescheinigung darüber zu erteilen, daß sie kein Kirchgeld zu zahlen hat, hilfsweise festzustellen, daß sie kein Kirchgeld und keine Kirchensteuer zu zahlen hat.

7

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Er hat geltend gemacht: Die Heranziehung der Klägerin zum Kirchgeld 1981 sei rechtmäßig. Die Klägerin sei gem. § 3 Abs. 1 der Kirchensteuerordnung als Kirchenmitglied der Nordelbischen Kirche kirchensteuerpflichtig. Die Erhebung des Kirchgeldes in glaubensverschiedenen Ehen sei zulässig. Die Mitgliedschaft der Klägerin ergebe sich aus Art. 5 der Verfassung der Nordelbischen Kirche und § 9 des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes. Danach würden Evangelische, die keiner Gliedkirche der Evangelischen Kirche Deutschlands angehörten, durch Erklärung gegenüber der nach kirchlichem Recht zuständigen Stelle dann Mitglieder, wenn sie bisher Mitglieder einer evangelischen Kirche oder Religionsgemeinschaft im Ausland gewesen seien. Dabei gelte die Angabe gegenüber der staatlichen Meldebehörde als Erklärung in diesem Sinne. Da hier die Klägerin eine entsprechende Erklärung gegenüber den Meldebehörden abgegeben habe, stehe ihrer Mitgliedschaft auch nicht ihre dänische Staatsangehörigkeit und ihre Verbundenheit mit der dänischen Volkskirche entgegen. In der Regelung des § 9 des Kirchenmitgliedschaftsgesetzes sei auch keine Zwangsmitgliedschaft zu sehen, da dem Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit dadurch genügend Rechnung getragen werde, daß ein Zuziehender die Möglichkeit habe, durch bloße Erklärung seine Mitgliedschaft zu verhindern. Dies sei rückwirkend dann möglich, wenn er sich einer anderen evangelischen Kirche im Bereich der Gliedkirche seines neuen Wohnsitzes anschließe und dies der zuständigen Stelle innerhalb eines Jahres nach Zuzug nachweise sowie für die Zukunft durch die Erklärung des Kirchenaustritts.

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Mit Urteil vom 2. Mai 1983 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Freistellung von der Kirchensteuerpflicht für das Jahr 1981. Nach § 3 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche - KiStO - vom 8. Oktober 1978 (KGVOBl. S. 409) seien alle Kirchenmitglieder der Nordelbischen Kirche kirchensteuerpflichtig. Die Klägerin sei nach Art. 5 Abs. 1 der Verfassung der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 12. Juni 1976 Mitglied der Nordelbischen Kirche und damit kirchensteuerpflichtig geworden. In den Bereich der Nordelbischen Kirche zuziehende evangelische Christen, die bisher Mitglieder einer evangelischen Kirche oder Religionsgemeinschaft im Ausland waren, würden Mitglieder der Nordelbischen Kirche, wenn sie sich gegenüber der staatlichen Meldebehörde als evangelisch bezeichneten (§ 9 Abs. 1 Buchst. b; Abs. 3 des Kirchengesetzes der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche über die Kirchenmitgliedschaft vom 18. Februar 1978, KGVOBl. S. 107). Diese Wirkung trete nur dann nicht ein, wenn sich der zuziehende evangelische Christ einer anderen evangelischen Kirche oder Glaubensgemeinschaft im Bereich der Nordelbischen Kirche anschließe und dies der nach kirchlichem Recht zuständigen Stelle innerhalb eines Jahres nach Zuzug nachweise (§ 9 Abs. 4 iVm § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft). Einen solchen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht. Die dänische Volkskirche sei keine evangelische Kirche oder Glaubensgemeinschaft im Bereich der Nordelbischen Kirche. Demgegenüber habe die Klägerin sich bei dem Einwohnermeldeamt der Gemeinde E. im Rahmen ihrer Angaben zur Religionszugehörigkeit als "evangelisch" bezeichnet. Damit sei sie mit ihrem Zuzug nach E. Mitglied der Nordelbischen Kirche geworden. Dabei könne dahinstehen, ob sie zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gegenüber der Meldebehörde noch Kirchensteuer in Dänemark an die dänische Volkskirche abgeführt habe. Zum einen stelle § 9 des Kirchengesetzes über die Kirchenmitgliedschaft allein auf den Wohnsitzwechsel ab, zum anderen sei hier nur das Kirchgeld für das Jahr 1981 im Streit. In diesem Zeitpunkt habe die Klägerin unstreitig keine Kirchensteuer mehr an die dänische Volkskirche abgeführt. Die angeführten - den Erwerb der Mitgliedschaft in der Nordelbischen Kirche regelnden - Bestimmungen seien auch mit dem Grundgesetz vereinbar.

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Ebenso sei der Hilfsantrag unbegründet. Dieser sei dahin auszulegen, daß damit die Aufhebung des Vorauszahlungsbescheids des Finanzamts Oldenburg vom 11. März 1981 begehrt werde; dieser sei, soweit damit eine Kirchgeldvorauszahlung in Höhe von 480,-- DM für das Jahr 1981 festgesetzt worden sei, indessen rechtmäßig.

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Gegen das Urteil hat die Klägerin die vom Senat am 21. März 1986 zugelassene Berufung am 18. April 1986 eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.

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Die Klägerin beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und den Vorauszahlungsbescheid vom 11. März 1981 und den Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes O. vom 22. Juli 1983 hinsichtlich des Kirchgeldes sowie den Einspruchsbescheid des Beklagten vom 26. Oktober 1981 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

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II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Auf den von der Klägerin nunmehr gestellten, der Verfahrensrechtslage entsprechenden Anfechtungsantrag sind der Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts O. vom 11. März 1981 und dessen Einkommenssteuerbescheid vom 22. Juli 1983 hinsichtlich des Kirchgelds ebenso wie der Einspruchsbescheid des Beklagten vom 26. Oktober 1981 aufzuheben. Diese Bescheide erweisen sich als rechtswidrig, weil sie zu Unrecht davon ausgehen, daß die Klägerin mit ihrem Zuzug aus Dänemark nach Schleswig-Holstein Mitglied der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche - NEK - geworden ist.

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1. Es ist allgemein anerkannt, daß das staatliche Kirchensteuerrecht für die Frage, ob jemand Mitglied einer Kirche ist, auf die innerkirchliche Regelung verweist. Die Mitgliedschaft gehört zu den eigenen Angelegenheiten der Kirchen, die innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes von diesen selbst zu regeln sind (Art. 140 GG iVm Art. 137 III, WRV; BVerfGE 30, 415, 422) [BVerfG 31.03.1971 - 1 BvR 744/67]. Die staatlichen Gerichte haben deshalb die innerkirchliche Ordnung zu Grunde zu legen, soweit sie die entscheidungserheblichen Rechtsbegriffe aus dem kirchlichen Bereich prägt (BVerfG, aaO, m.Nachw.).

21

Maßgebend ist danach hier das von der Synode der EKD beschlossene Kirchengesetz über die Kirchenmitgliedschaft, das kirchliche Meldewesen und den Schutz der Daten der Kirchenmitglieder - KMitgliedG - vom 10. November 1976 (ABl EKD, S. 389), das aufgrund des Zustimmungsgesetzes der NEK vom 18. Februar 1978 (ABl EKD, S. 251) auch für ihren Bereich gilt. Gemäß Art. 5 der Verfassung der NEK vom 12. Juni 1976 in der Fassung vom 28. Mai 1978 (GVOBl 1978, 237) ist Mitglied der NEK jeder getaufte evangelische Christ, der in ihrem Gebiet seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, daß er einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft angehört. Auf der Grundlage dieser Verfassungsbestimmung regelt § 9 KMitgliedG den Erwerb der Kichenmitgliedschaft von zuziehenden Evangelischen, die wie die Klägerin keiner Gliedkirche der EKD angehören. Von diesen Erwerbstatbeständen kommt § 9 Abs. 2 KMitgliedG hier nicht in Betracht, weil - im Gegensatz zu Finnland - mit der Dänischen Volkskirche eine Vereinbarung der EKD über den entsprechenden Wechsel der Kirchenmitgliedschaft im Falle eines Umzugs nicht abgeschlossen worden ist. Die Klägerin ist aber auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 b) iVm Abs. 3 KMitgliedG Mitglied der NEK geworden. Danach erwerben zuziehende Evangelische, die keiner Gliedkirche der EKD angehören, die Kirchenmitgliedschaft durch Erklärung gegenüber der nach kirchlichem Recht zuständigen Stelle, wenn sie bisher Mitglieder einer evangelischen Kirche oder Religionsgemeinschaft im Ausland waren; nach § 9 Abs. 3 gelten die Angaben gegenüber der staatlichen Meldebehörde als Erklärung im Sinne von Abs. 1. Diese Vorschriften sind zwar gültig; in verfassungskonformer Auslegung begründet die Konfessionsangabe gegenüber der staatlichen Meldebehörde hier aber nur eine widerlegbare Vermutung der Kirchenmitgliedschaft (v. Campenhausen, Hdb. des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1974, I, S. 656; Obermayer, NVwZ 1985, 77, 79), die von der Klägerin widerlegt ist.

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2. Der Erwerbstatbestand des § 9 Abs. 1 b), Abs. 3 KMitgliedG erfaßt zuziehende Ausländer nicht so automatisch wie in der römisch-katholischen Kirche, die sich als einheitliche Weltkirche versteht, deren Teil alle Diözesen sind. Auch nach evangelischem Verständnis besteht aber neben der Mitgliedschaft in einer lokalen Gemeinde bzw. konfessionell geprägten Partikularkirche die Zugehörigkeit zur Kirche im universalen Sinne als einer Raum und Zeit übergreifenden göttlichen Stiftung Geistliche Gliedschaft in der Kirche Christi als universaler Taufgemeinschaft und juristische Partikularkirche sind zwar zu unterscheiden, aber nicht voneinander ablösbar und nur in dialektischer Zuordnung rechtstheologisch zutreffend zu erfassen (Link, Ev. Staatslexikon, 1987, Bd. I, Sp. 1596). Auf der Grundlage dieses Verständnisses bestehen gegen die Regelungen der §§ 8 und 9 KMitgliedG prinzipiell keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere begründen sie bei Wohnsitzverlegung in eine nicht bekenntnisidentische Landeskirche keine unzulässige Erfassungsautomatik, der als sog. "Möbelwagenkonversion" in der Rechtsprechung früher teilweise die Anerkennung versagt wurde (vgl. Obermayer, aaO, 77 f, m.Nachw.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31. 3. 1959, ESVGH 9, 194; kritisch dazu v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 2. Aufl., S. 154). Gemäß § 8 Abs. 1 KMitgliedG setzt sich bei einem Wohnsitzwechsel in den Bereich einer anderen Gliedkirche der EKD die Kirchenmitgliedschaft in der Gliedkirche des neuen Wohnsitzes fort, wenn nicht das zuziehende Kirchenmitglied sich einer anderen evangelischen Kirche im Bereich der Gliedkirche seines neuen Wohnsitzes anschließt und dies der nach kirchlichem Recht zuständigen Stelle innerhalb eines Jahres nach Zuzug nachweist (sog. Votum negativum); dies gilt nach Abs. 2 entsprechend auch für Evangelische, die aus der DDR zuziehen. Die Regelung beruht darauf, daß ein evangelischer Bekenntnisstand im Zweifel die Bejahung der Landeskirche als unausweichliche Lebensform dieses Bekenntnisses einschließt und deshalb für die Fortdauer des "ev. Bekenntnisses" im Raum der EKD eine Vermutung streitet, die indessen im Einzelfall durch ein Votum negativum widerlegt werden kann (Link, aaO, Sp. 1598). Diese "Fortsetzung" der Mitgliedschaft, die einen Fortbestand der gesamtkirchlichen Basis der Mitgliedschaft mit dem Wechsel gliedkirchlicher Zugehörigkeit verbindet (Wendt in Meinhold, Das Problem der Kirchengliedschaft heute, 1979, S. 221, 229), trägt der rechtserheblichen Gemeinschaft der deutschen evangelischen Christenheit Rechnung und begegnet auch dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Zuzug in den Bereich einer Gliedkirche mit einem anderen reformatorischen Bekenntnis erfolgt (Obermayer, aaO, S. 80).

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Ebenso wie bei Deutschen in dem einheitlichen evangelischen Bekenntnisstand liegt auch bei zuziehenden ausländischen Bekenntnisverwandten die entscheidende Rechtfertigung der mitgliedschaftlichen Erfassung in der Beziehung der Kirchen untereinander (v. Campenhausen, Hdb. des Staatskirchenrechts, 1974, Bd. I, S. 655 f). Das zeigt sich vor allem in der Regelung des § 9 Abs. 2 KMitgliedG, nach der zuziehende evangelische Ausländer in den Fällen, in denen mit ihrer Heimatkirche eine Vereinbarung über die Kirchenmitgliedschaft besteht, aufgrund dieser Vereinbarung mit ihrem Zuzug automatisch die Kirchenmitgliedschaft erwerben (aaO, S. 325, 332). Darin liegt keine Zwangseingliederung, weil den Kirchen rechtlich keine territorialen Grenzen gesetzt sind, so daß sie aufgrund ihrer Kirchengewalt mit bindender Wirkung für ihre Mitglieder die Fortsetzung der Mitgliedschaft in einer anderen ev. Kirche bestimmen können (Nuyken, aaO, S. 332; Obermayer, aaO, S. 80).

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Auch wenn es an einer Vereinbarung mit der ausländischen Kirche i.S. des § 9 Abs. 2 wie hier im Verhältnis zur Dänischen Volkskirche fehlt, kommt der Bekenntnisverwandtschaft zu ihr hohe Bedeutung zu. So wie auf deutscher Ebene die Vereinbarung der Gliedkirchen der EKD über die Kirchenmitgliedschaft vom 1. Februar 1970 (ABl EKD, S. 2), auf deren Grundlage das spätere KMitgliedG beruht, eine konfessionell gegliederte Einheit der in der EKD zusammengeschlossenen Kirchen und damit eine Vermutung ausreichender Konkordanz begründet, die durch das Votum negativum im Einzelfall widerlegt werden kann, so legitimiert auf europäischer Ebene die "Leuenberger Konkordie" von 1974, der die beiden hier in Rede stehenden Kirchen beigetreten sind, theologisch die mitgliedschaftliche Erfassung zuziehender evangelischer Dänen aufgrund ihrer Erklärung gegenüber der nach kirchlichem Recht zuständigen Stelle (§ 9 Abs. 1 b) KMitgliedG). Die Konkordie enthält eine gemeinsame bekenntnismäßige Aussage getrennter Kirchen, in denen die historischen trennenden Unterschiede angesichts verändernder Fragestellungen und neuer biblischexegetischer Einsichten überprüft, geklärt und behoben werden, und steht zwischen dem partiellen Konsens getrennter Kirchen sowie dem umfassenden, zur Kircheneinheit führenden Unionsbekenntnis. Sie ermöglicht gottesdienstliche Gemeinschaft, läßt die sonstigen gewachsenen Unterschiede in der Bekenntnisbestimmtheit der Kirchen jedoch bestehen (v. Campenhausen, Festschrift für Scheuner, 1973, S. 53, 63). Die Relevanz der Leuenberger Konkordie für das kirchliche Mitgliedschaftsrecht folgt daraus, daß insoweit eine Einigung über die Übereinstimmung in den wesentlichen Punkten des Glaubens und der kirchlichen Praxis vorliegt, die sich als mitgliedschaftsbegründende Bekenntnisverwandtschaft darstellt (Engelhardt, Die Kirchensteuer in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 67; v. Campenhausen, Hdb. des Staatskirchenrechts, S. 656). Die Leuenberger Konkordie rechtfertigt damit auf europäischer Ebene die dem § 9 Abs. 1 b) KMitgliedG zu Grunde liegende Vermutung ausreichender Konkordanz, die auch hier durch ein Votum negativum (§§ 9 Abs. 4 iVm 8 Abs. 1 Satz 2) entkräftet werden kann.

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3. Auch im Bereich der Leuenberger Konkordie begründet jedoch die bloße Konfessionsangabe eines zuziehenden Ausländers gegenüber der Meldebehörde (§ 9 Abs. 3 KMitgliedG) jedenfalls dann lediglich eine widerlegbare Vermutung der Kirchenmitgliedschaft, wenn wie im vorliegenden Fall ein Votum negativum (§§ 9 Abs. 4 iVm 8 Abs. 1 Satz 2 KMitgliedG) im Sinne einer weiteren Zugehörigkeit zu seiner ausländischen Heimatkirche nicht in Betracht kommt.

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Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbietet es, als Grundlage für die Kirchensteuerpflicht eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung heranzuziehen, die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwirft (BVerfGE 30, 415, 423) [BVerfG 31.03.1971 - 1 BvR 744/67]. Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, verletzt die Anknüpfung der Kirchenmitgliedschaft eines Evangelischen nach dem früheren entsprechenden Recht der Evangelisch-Lutherischen Kirche Schleswig-Holsteins an Taufe und Wohnsitz zwar nicht das Grundgesetz; insbesondere ist bei einem getauften Evangelischen darüber hinaus eine förmliche rechtsgeschäftliche Beitrittserklärung zur Kirche verfassungsrechtlich nicht erforderlich (aaO, S. 423 f; ebenso BVerwGE 21, 330, 333 [BVerwG 09.07.1965 - VII C 16/62]; OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 10. 1967 - V B 26/64 -, ZevKR 14, 390, 394, Link, aaO, Sp. 1602). Das den Kirchen durch Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV iVm Art. 140 GG verbürgte Selbstbestimmungsrecht verpflichtet den Staat zur Anerkennung ihrer Mitgliedschaftsordnung für seinen Bereich, auch soweit sie von den staatlichen Regeln für Zusammenschlüsse z.B. im Vereinsrecht abweicht. Der vom Bundesverfassungsgericht betonte Grundsatz, daß keine Landeskirche jemanden, der in ihr Gebiet eintritt, automatisch und ohne Rücksicht auf seinen Willen sich eingliedern kann (BVerfGE 19, 206, 217), bezog sich auf Personen, die nicht einer evangelischen Kirche angehörten. Auf Protestanten, die aus anderen Landeskirchen zuziehen, trifft er nicht zu; durch die mitgliedschaftliche Zuordnung eines solchen Evangelischen wird dieser Grundsatz deshalb nicht verletzt (BVerfGE 30, 415, 425) [BVerfG 31.03.1971 - 1 BvR 744/67].

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Gleichwohl kann die gemäß § 9 Abs. 1 b) KMitgliedG konstitutive "Erklärung gegenüber der nach kirchlichem Recht zuständigen Stelle" nicht in jedem Fall schon in der Angabe der evangelischen Konfession gegenüber der staatlichen Meldebehörde gesehen werden. Zwar ist es der autonomen innerkirchlichen Mitgliedschaftsordnung grundsätzlich nicht verwehrt, ihrerseits auf das staatliche Recht und danach vorgeschriebene Rechtshandlungen zu verweisen und an sie kirchliche Rechtsfolgen zu knüpfen. Bekenntnisangaben gegenüber der Meldebehörde sind aber lediglich Auskünfte gegenüber einer staatlichen Stelle. Nach dem Zusammenhang der übrigen Angaben, - bisherige Wohnung, Familienname, Vorname, Geburtsdatum, Familienstand, Beruf, Staatsangehörigkeit, Nr. des Personalausweises bzw. Reisepasses - liegt es für einen Ausländer fern, daß an eine von ihnen, nämlich die der Kirche oder Religionsgesellschaft, automatisch eine neue kirchliche Mitgliedschaft geknüpft wird, zumal ein entsprechendes Melderecht einer Reihe von Staaten unbekannt ist. Dem Ausländer gegenüber, der die kirchenrechtlichen Konsequenzen der Konfessionsangabe auf den Meldepapieren nicht kennt, besteht deshalb eine besondere Aufklärungspflicht (v. Campenhausen, Hdb. des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1974, Bd. I, S. 656). Eine entsprechende Aufklärung ist der Klägerin - davon muß zu ihren Gunsten ausgegangen werden bei ihren Anmeldungen in E. am 2. Mai 1975 und in O. am 3. Februar 1976 nicht zuteil geworden. Ebensowenig ist gegenüber der Klägerin seitens der Kirchengemeinden ihrer Wohnorte in Schleswig-Holstein in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebracht worden, daß diese sie aufgrund ihres Zuzugs und ihrer Anmeldung als neues Mitglied betrachteten. Es bedarf indessen hier keiner Entscheidung, ob unter solchen Umständen die bloße Konfessionsangabe gegenüber der Meldebehörde allgemein lediglich als widerlegbare Vermutung der Kirchenmitgliedschaft gewertet werden kann. In jedem Fall muß nur eine solche Vermutung dann angenommen werden, wenn im konkreten Fall das abgegebene Votum negativum wie hier im Sinne eines Festhaltens an der ausländischen Heimatkirche nicht möglich ist. Die Klägerin hat, sobald sie erfuhr, daß sie von der NEK als deren Mitglied in Anspruch genommen wurde, von Anfang an erklärt, daß sie diese Mitgliedschaft ablehne, vielmehr weiterhin der Dänischen Volkskirche angehören wolle. Diese Erklärung wäre zwar noch rechtzeitig, weil die Jahresfrist gemäß §§ 9 Abs. 4 iVm 8 Abs. 1 Satz 2 KMitgliedG erst läuft, wenn dem Zuziehenden die neue Kirchenmitgliedschaft bewußt wird. Die Erklärung konnte aber keine Wirkung im Sinne eines Votum negativum zugunsten der Dänischen Volkskirche entfalten, weil Gemeinden der Dänischen Volkskirche im Bereich der NEK lediglich in Hamburg (Seemannsgemeinde) und in Schleswig bestehen, denen sich die Klägerin an ihren Wohnorten E. und O. nicht anschließen konnte. Wirkte die Konfessionsangabe der Klägerin gegenüber den Meldebehörden danach hier nur als widerlegbare Vermutung für einen Erwerb der Mitgliedschaft in der NEK, so wurde diese Vermutung durch ihre wiederholte Erklärung, nicht der NEK, sondern weiterhin der Dänischen Volkskirche angehören zu wollen, aber eindeutig widerlegt.

28

Auf die Berufung waren danach unter Änderung des angefochtenen Urteils die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.

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Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

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Dr. Dembowski

32

Dr. Hamann

33

Ladwig