Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.05.1988, Az.: 18 OVG L 26/86

Abordnung eines Lehrers als vorläufige Regelung; Zustimmungspflicht des Personalrates zu einer Abordnung; Personalvertretungsrechtliche Rechtmäßigkeit einer Abordnung; Unaufschiebbarkeit einer Abordnung eines Lehrers wegen Beseitigung von Unterrichtsausfall

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.05.1988
Aktenzeichen
18 OVG L 26/86
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 16327
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1988:0527.18OVG.L26.86.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 18.11.1986 - AZ: PL 10/86

Verfahrensgegenstand

Zulässigkeit einer vorläufigen Regelung

Redaktioneller Leitsatz

§ 96 b Abs. 6 Nds. PersVG stellt für eine vorläufige Regelung selbständige Zulässigkeitsvoraussetzungen auf, die nicht zu den allgemeinen Beteiligungsvorschriften hinzutreten, sondern als lex specialis diese ersetzen.

Der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 1988
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hamann und Ladwig sowie
die ehrenamtlichen Richter Dohr und Dr. Heidemann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 18. November 1986 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung, daß der Beteiligte eine Abordnung nicht als vorläufige Regelung vornehmen durfte und daß diese Abordnung seiner Zustimmung bedurfte.

2

Mit Schreiben vom 24. April 1986 beantragte der Beteiligte die Zustimmung des Antragstellers zur Versetzung der Lehrerin Sch. von der Grundschule ... zum Abbau des dort bestehenden Lehrerüberhangs an die 7 km entfernte Grundschule ... die der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Mai 1986 versagte, da die beabsichtigte Versetzung für Frau Sch. wegen ihrer zahlreichen früheren Abordnungen eine besondere Härte darstelle. Mit Schreiben vom 2. Juli 1986 erneuerte der Beteiligte seinen Antrag auf Zustimmung zu der zum 1. August 1986 geplanten Versetzung, den der Antragsteller mit Schreiben vom 30. Juli 1986 mit derselben Begründung wiederum ablehnte. Daraufhin leitete der Beteiligte gemäß § 71 NdsPersVG das Verfahren bei Nichteinigung ein und legte die Angelegenheit dem Niedersächsischen Kultusminister vor. Zugleich ordnete er die Lehrerin Sch. durch für sofort vollziehbar erklärte Verfügung vom 5. August 1986 für die Zeit vom 14. August 1986 bis 31. Juli 1987 von der Grundschule ... an die Grundschule ... ab, weit ein Ausgleich des Überhangs von 33 Stunden an der Grundschule ... und des Fehls von 26 Stunden an der Grundschule .... zum Beginn des Schuljahres 1986/87 dringend notwendig sei. Diese vorläufige Maßnahme teilte er dem Antragsteller mit Schreiben vom 11. August 1986 gemäß § 96 b Abs. 6 NdsPersVG mit und erbat auch dazu dessen Zustimmung; zur Begründung verwies er unter Bezugnahme auf das laufende Nichteinigungsverfahren zur Versetzung auf den notwendigen Ausgleich der Unterrichtsversorgung. Mit Schreiben vom 8. September 1986 verweigerte der Antragsteller auch seine Zustimmung zur Abordnung.

3

Am 19. September hat der Antragsteller daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,

festzustellen,

  1. 1.

    daß der Beteiligte nicht berechtigt war, die Abordnung vom 5. August 1986 als vorläufige Regelung gemäß § 96 b Abs. 6 NdsPersVG auszusprechen,

  2. 2.

    daß die Abordnung vom 5. August 1986 der Zustimmung des Antragstellers bedurfte.

4

Der Beteiligte ist diesen Anträgen entgegengetreten und hat beantragt,

sie abzulehnen.

5

Mit Beschluß vom 18. November 1986 hat das Verwaltungsgericht die Anträge abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der Beteiligte sei berechtigt gewesen, die Lehrerin Sch. durch Verfügung vom 5. August 1986 an die Grundschule ... abzuordnen. Nach § 96 b Abs. 6 NdsPersVG könnten die Schulbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit bei Maßnahmen, die der Mitbestimmung unterliegen und die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien hier gegeben. Die beabsichtigte Versetzung der Lehrerin Sch. sei nach § 78 Abs. 1 Nr. 4 NdsPersVG mitbestimmungsbedürftig. Die hierzu vom Antragsteller erbetene Zustimmung habe dieser versagt, woraufhin der Beteiligte das Stufenverfahren eingeleitet habe. Der Zulässigkeit des mit Schreiben vom 2. Juli 1986 eingeleiteten Mitbestimmungsverfahren stehe nicht entgegen, daß der Beteiligte bereits mit Schreiben vom 24. April 1986 um Zustimmung zu der beabsichtigten Versetzung gebeten hatte, die der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Mai 1986 versagt hatte. Werde nämlich die Zustimmung verweigert und wie hier im ersten "Anlauf", die Vorlagefrist nach § 73 Abs. 1 NdsPersVG versäumt, sei die Dienststelle nicht gehindert, bei der Personal Vertretung erneut die Zustimmung zu der Maßnahme zu beantragen. Weitere Voraussetzung des § 96 b Abs. 6 NdsPersVG sei, daß es sich bei der getroffenen Maßnahme um eine vorläufige Regelung handele. Das sei bei der ausgesprochenen Abordnung der Fall, da sie ihrem Rechtscharakter nach keine endgültigen Verhältnisse schaffe. Die Abordnung habe der Natur der Sache nach auch keinen Aufschub geduldet. Sie sei erfolgt, weil an der Grundschule ... eine Unterrichtsüberversorgung von 33 Stunden bestanden, während die Grundschule ... ein Unterrichtsfehl von 26 Stunden aufgewiesen habe. Die mangelhafte Unterrichtsversorgung an einer Schule sei ein Zustand, dessen Behebung der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulde. Die Schulbehörden seien daher in solchen Fällen gemäß § 96 b Abs. 6 NdsPersVG berechtigt, vorläufige Regelungen zu treffen und dadurch dem erheblichen öffentlichen Interesse an einer gleichmäßigen Unterrichtsversorgung angemessen Rechnung zu tragen. Für die Zulässigkeit einer vorläufigen Regelung sei es unerheblich, ob die Dienststelle die Eilbedürftigkeit durch Verzögerung vorbereitender Maßnahmen verursacht hat. Es könne deshalb keine Rolle spielen, ob die Dienststelle schuldhaft das Verfahren verzögert habe. Denn es gehe, wie hier bei der angemessenen Unterrichtungsversorgung, um die Wahrung öffentlicher Belange.

6

Auch die vom Antragsteller erstrebte Feststellung, daß die als vorläufige Regelung verfügte Abordnung mitbestimmungsbedürftig gewesen sei, könne nicht getroffen werden. Nach § 96 b Abs. 6 Satz 2 NdsPersVG hätten die Schulbehörden der zuständigen Personalvertretung die vorläufige Regelung mitzuteilen, sie zu begründen und unverzüglich das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten oder fortzusetzen. Damit sei jedoch lediglich das Mitbestimmungsverfahren für die Hauptmaßnahme gemeint. Die vorläufige Regelung selbst sei der Personalvertretung nur mitzuteilen und zu begründen, sei aber nach der gesetzlichen Regelung keine Maßnahme, die ein Beteiligungsverfahren auslöse. Das ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte des Instituts der vorläufigen Regelung im niedersächsischen Personalvertretungsrecht, aus der Handhabung der den §§ 96 b Abs. 6, 71 Abs. 5 NdsPersVG vergleichbaren Vorschrift des § 69 Abs. 5 BPersVG und aus dem Wesen der vorläufigen Regelung selbst.

7

Gegen den ihm am 27. November 1986 zugestellten Beschluß richtet sich die am 23. Dezember 1986 eingelegte und am 31. Dezember 1986 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht: Die Voraussetzungen des § 96 b Abs. 6 NdsPersVG hätten nicht vorgelegen, weil der Unterrichtsausfall an der Grundschule ... nicht überraschend eingetreten sei, sondern auf einer fehlerhaften Personalplanung beruhe, weil die vorläufige Maßnahme nicht in der gebotenen Weise begründet worden sei und der Beteiligte durch Nichteinleitung des Stufenverfahrens nach dem ersten abgelehnten Antrag ihre Eilbedürftigkeit selbst herbeigeführt habe. Dem Verwaltungsgericht könne auch nicht darin gefolgt werden, daß die als vorläufige Maßnahme getroffene Abordnung nicht der Mitbestimmung unterliege.

8

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinen Schlußanträgen erster Instanz zu erkennen.

9

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

10

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

11

Während dieses Beschwerdeverfahrens hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts auf die Beschwerde von Frau Sch. mit Beschluß vom 9. März 1987 die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen ihre Abordnung wiederhergestellt (5 OVG B 86/86). Im Nichteinigungsverfahren hat die Einigungsstelle für den Bereich des Lehrerhauptpersonalrats mit Beschluß vom 25. März 1987 der Versetzung von Frau Sch. zugestimmt. Frau Sch. ist daraufhin durch für sofort vollziehbar erklärte Verfügung vom 2. April 1987 - unter gleichzeitiger Aufhebung ihrer Abordnung - mit Wirkung vom 22. April 1987 an die Grundschule ... versetzt worden.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beteiligten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.

13

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

14

Gegenstand dieses Verfahrens ist nicht die beamtenrechtliche Zulässigkeit der. - inzwischen erledigten - Abordnung, sondern die Frage ihrer personalvertretungsrechtlichen Rechtmäßigkeit im Verhältnis zum Antragsteller als dem zuständigen Personalrat. Insbesondere geht es darum, ob die Abordnung vom 5. August 1986 als vorläufige Regelung auf der Grundlage des § 96 b Abs. 6 Nds. PersVG ohne Zustimmung des Antragstellers ergehen durfte. An dieser Klärung hat der Antragsteller auch nach der Zustimmung der Einigungsstelle zur Versetzung und der Aufhebung der Abordnung ein Rechtsschutzbedürfnis, weil sich ein entsprechender Fall jederzeit wiederholen kann. In der Sache hat das Verwaltungsgericht die Frage zutreffend bejaht.

15

1.

Gemäß § 96 b Abs. 6 Satz 1 Nds. PersVG können die Schulbehörden sowie die Leiter von Schulen im Rahmen ihrer Zuständigkeit bei Maßnahmen, die der Mitbestimmung unterliegen und die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Als eine vorläufige Regelung in diesem Sinne kommt eine Abordnung grundsätzlich in Betracht, wenn der Dienstherr wie hier eine Versetzung beabsichtigt und diese wegen der nach § 78 Abs. 1 Nr. 4 Nds. PersVG notwendigen, aber fehlenden Zustimmung des Personalrats nicht rechtzeitig verwirklichen kann. Zwar ist allgemein anerkannt, daß die vorläufige Regelung nicht über die den Gegenstand des Mitbestimmungsverfahrens bestehende beabsichtigte Maßnahme hinausgehen, die endgültige Entscheidung noch nicht unwiderruflich vorwegnehmen und weder rechtlich noch tatsächlich vollendete Tatsachen schaffen darf (Spohn. Nds. PersVG, 4. Aufl., § 71 Anm. 4, § 73 Anm. 9; zu § 69 Abs. 5 BPersVG, BVerwG, Beschl, v. 20.7.1984 - 6 P 16.83 -, PersV 1985, 71 f sowie vom 19.4.1988 - 6 P 33.85 -; VGH Bad.-Württ., Beschl, v. 2.7.1985, ZBR 1986, 60; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, 4. Aufl., § 69 RdNr. 53. m.N.; Fischer/Goeres in GKÖD, Bd. V, § 69 RdNr. 36, m.N.). Deshalb sind im personellen Bereich Gestaltungsmaßnahmen ausgeschlossen, die ihrem Rechtscharakter nach eine endgültige Regelung enthalten wie z.B. die Ernennung von Beamten oder die Versetzung. Ebenso allgemein anerkannt ist aber die Zulässigkeit der Abordnung eines Beamten, die in Rechtsprechung und Schrifttum gerade als Musterbeispiel einer vorläufigen Regelung angeführt wird (BVerwG, Beschl. v. 17.1.1969 - VII P 2.67 -, PersV 1969, 175, 177; Beschl. v. 25.10.1979 - 6 P 53.78 -, PersV 1981, 203; Fischer/Goeres, a.a.O.; Lorenzen/Haas/Schmidt, a.a.O.; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 69 RdNr. 93). Etwas anderes läßt sich auch nicht aus dem Beschluß des Senats vom 19. November 1985 - 18 OVG L 15/84 - herleiten; dort war als vorläufige Regelung die Versetzung einer Lehrerin erfolgt, und der Senat hat ausdrücklich ausgesprochen, daß anstelle der ihrer Rechtsnatur nach endgültigen Versetzung als vorläufige Maßnahme nur eine Abordnung in Betracht gekommen wäre.

16

Auch die übrigen Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung nach § 69 b Abs. 6 Nds. PersVG waren hier gegeben. Bei der beabsichtigten Versetzung handelte es sich um eine Maßnahme, die der Mitbestimmung unterlag und der Natur der Sache nach keinen Aufschub duldete. Wie das Bundesverwaltungsgericht (Beschl, v. 25.10.1979 - 6 P 53.78 -, PersV 1981, 203) zu dem insoweit wörtlich übereinstimmenden § 69 Abs. 5 BPersVG entschieden hat, bedeutet "der Natur der Sache nach", daß eine Maßnahme nach Art und Inhalt des Regelungsgegenstandes trotz des noch laufenden Mitbestimmungsverfahrens und der fehlenden Zustimmung des Personalrats eine - allerdings nur vorläufige - Regelung erfordert, um die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen. Da das Institut der vorläufigen Regelung dem Schutz öffentlicher Belange dient, spielt es keine Rolle, ob die Dienststelle schuldhaft das Verfahren verzögert hat. Die Beurteilung, ob eine Maßnahme ohne Aufschub geboten ist, hängt allein von den objektiven Gegebenheiten ab, nicht hingegen davon, ob die Dringlichkeit der zu treffenden Regelung die Folge vorausgegangener Versäumnisse ist (BVerwG, Beschl, v. 20.7.1984 - 6 P 16.83 -, PersV 1985, 71 f; ebenso Fischer/Goeres, a.a.O. RdNr. 36; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 69 RdNr. 35; Spohn, a.a.O., § 73 Anm. 9). Nach diesem Maßstab hat das Verwaltungsgericht zutreffend die Unaufschiebbarkeit der Maßnahme bejaht. Zum Beginn des neuen Schuljahres mußte das Unterrichtsfehl von 26 Stunden an der Grundschule ... ausgeglichen werden, dem eine Überversorgung von 33 Stunden an der Grundschule ... gegenüberstand. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines 2. Änderungsgesetzes zum NSchG sollte die Möglichkeit zu vorläufigen Regelungen, die damals allgemein nur von der übergeordneten Behörde und nur befristet auf drei Monate getroffen werden konnten (§§ 71 Abs. 5, 73 Abs. 7 Nds. PersVG, a.F.), im Schulbereich gerade deshalb erweitert werden, um schnell Maßnahmen zur Beseitigung von Unterrichtsausfall zu ergreifen, weil ausgefallener Unterricht einen Eingriff in die Rechte der Schüler und Eltern darstelle und aus pädagogischen sowie organisatorischen Gründen nicht beliebig nachgeholt werden könne (Nds. Lt. Ds. 9/1085, S. 93). Im übrigen würde der Zulässigkeit der vorläufigen Regelung hier auch nicht eine schuldhafte Verzögerung des Mitbestimmungsverfahrens durch den Beteiligten entgegenstehen (für die Relevanz dieses Kriteriums, OVG Münster, Beschl. v. 9.12.1982, ZBR 1983, 246 [BVerwG 15.03.1983 - BVerwG 1 D 50.82]; Beschl, v. 22.5.1986 - CL 4/85 -). Der dahingehende Einwand des Antragstellers übersieht, daß der Beteiligte nach seinem glaubhaften Vorbringen aufgrund der erstmals Ende Mai 1986 verweigerten Zustimmung zur Versetzung von Frau Sch. zunächst mögliche personelle Alternativlösungen geprüft und, nachdem solche nicht gefunden werden konnten, Anfang Juli 1986 zulässigerweise mit ergänzter Begründung einen neuen Zustimmungsantrag gestellt hat. Darin lag keine schuldhafte Verzögerung des Beteiligungsverfahrens; im übrigen wäre das Nichteinigungsverfahren, das hier fast acht Monate dauerte, selbst bei einer Einleitung schon Ende Mai 1986 und der gebotenen Beschleunigung zum Beginn des neuen Schuljahres nicht abgeschlossen gewesen.

17

Die vorläufige Regelung genügte schließlich auch in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 69 b Abs. 6 Nds. PersVG. Der Beteiligte hat sie dem Antragsteller mitgeteilt, begründet und unverzüglich das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich der beabsichtigten Versetzung mit der Vorlage der Angelegenheit an den Kultusminister vom 7. August 1986 fortgesetzt. Die Begründung der Abordnung mit Schreiben an den Antragsteller vom 11. August 1986 mit dem Ausgleich der Unterrichtsversagung unter Bezugnahme auf das laufende Nichteinigungsverfahren zur Versetzung war zwar knapp, reichte hier aber noch aus, zumal die in der Sache begründete Dringlichkeit wegen des Beginns des neuen Schuljahres auch für den Antragsteller auf der Hand lag und deshalb keiner näheren Erläuterung bedurfte.

18

2.

Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, daß die als vorläufige Regelung vorgenommene Abordnung von Frau Sch. nicht der Zustimmung des Antragstellers bedurfte.

19

Eine solche Zustimmungsbedürftigkeit folgt insbesondere nicht aus § 78 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG. Danach unterliegt die Abordnung eines Beamten, sofern sie den Zeitraum von drei Monaten überschreitet, zwar der Mitbestimmung des Personalrats. Wesentlich ist aber, daß die Abordnung vom 5. August 1986 hier als vorläufige Regelung auf der Grundlage des § 96 b Abs. 6 Nds. PersVG ergangen ist. Diese Vorschrift stellt für eine vorläufige Regelung selbständige Zulässigkeitsvoraussetzungen auf, die nicht zu den allgemeinen Beteiligungsvorschriften hinzutreten, sondern als lex specialis diese ersetzen. Es ist gerade das Wesen der vorläufigen Regelung, daß eine Maßnahme als solche ausnahmsweise auch ohne die grundsätzlich erforderliche Zustimmung des Personalrats getroffen werden darf, wenn die Voraussetzungen des § 96 b Abs. 6 - bzw. der §§ 73 Abs. 1, 71 Abs. 5 idF des 6. ÄndG - Nds.PersVG vorliegen. Denn der Sinn des dem bundesrechtlichen § 69 Abs. 5 BPersVG nachgebildeten (vgl. LG - Ds 9/1085, S. 93) § 96 b Abs. 6 Nds. PersVG ist es zu gewährleisten, daß einerseits die Dienststelle die Möglichkeit erhält, im öffentlichen Interesse dringend gebotene Maßnahmen auch ohne die erforderliche Zustimmung des Personalrats zu treffen, um die durch die Dauer der Mitbestimmung bedrohte Funktionsfähigkeit der Verwaltung sicherzustellen oder einen sonst der Allgemeinheit drohenden Nachteil oder Schaden abzuwenden, daß andererseits die Mitbestimmung jedoch nicht in der Weise übergangen wird, daß Maßnahmen getroffen werden, die das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich der "Hauptsache" gegenstandslos machen (BVerwG, Beschl, v. 25.10.1979, a.a.O., S. 204). Die als unaufschiebbar notwendige Zwischenlösung getroffene vorläufige Regelung muß sich deshalb im Rahmen der beabsichtigten, der Mitbestimmung unterliegenden Hauptmaßnahme halten und darf, wie bereits angeführt, noch keine vollendeten Tatsachen schaffen; sie muß ferner in der dargelegten Weise keinen Aufschub dulden und den verfahrensmäßigen Anforderungen des § 96 b Abs. 6 Satz 2 Nds. PersVG entsprechen. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen bestehen jedoch nicht. Insbesondere löst die als vorläufige Regelung getroffene Maßnahme auch dann nicht ihrerseits ein weiteres Mitbestimmungsverfahren gemäß § 72 Nds. PersVG aus, wenn sie - für sich betrachtet - einem Mitbestimmungstatbestand unterfallen würde; vielmehr genügt insoweit die Mitteilung und Begründung gegenüber dem Personalrat (Spohn, a.a.O., § 71, Anm. 4; für das Bundesrecht Fischer/Goeres, a.a.O., RdNr. 36; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, a.a.O., RdNr. 37). Davon ist auch die Begründung zum Entwurf eines 6. ÄndG zum Nds. PersVG zutreffend ausgegangen, durch das im Wege der Neufassung des § 71 Abs. 5 das Institut der vorläufigen Regelung allgemein dem § 69 Abs. 5 BPersVG angepaßt würde (Nds. Lt., Ds 10/3200, S. 15). Es ist deshalb hier rechtlich unerheblich, daß die bis zum 31. Juli 1987 befristete Abordnung vom 5. August 1986, wenn sie als selbständige Maßnahmen ergangen wäre, gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 5 Nds. PersVG der Mitbestimmung des Antragstellers unterlegen hätte. Denn diese Abordnung wird auch inhaltlich entscheidend geprägt durch ihre Qualifikation als vorläufige Regelung mit der Folge, daß die ihr beigegebene Befristung ihre selbständige Bedeutung verliert und für sie ausschließlich die speziellen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 96 b Abs. 6 Nds. PersVG gelten. Unabhängig von einer tatsächlichen Befristung wird die als vorläufige Regelung ergangene Abordnung in jedem Falle mit dem Abschluß des Mitbestimmungsverfahrens zu der als Hauptmaßnahme beabsichtigten Versetzung gegenstandslos: Wird die Zustimmung zu ihr endgültig verweigert, so darf die Versetzung nicht durchgeführt werden und auch die als vorläufige Regelung getroffene Abordnung ist unverzüglich aufzuheben; wird der beabsichtigten Hauptmaßnahme wie im vorliegenden Fall zugestimmt, so kann sie getroffen werden und die vorläufige Regelung ist ebenfalls aufzuheben, weil für sie kein Bedarf mehr besteht (Fischer/Goeres, a.a.O., RdNr. 36; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, a.a.O., RdNr. 36, m.N; Dietz/Richardi, a.a.O. RdNr. 96).

20

Diese rechtliche Beurteilung widerspricht auch nicht dem vom Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 18.9.1984 - 6 P 19.83 -) bestätigten Beschluß des Senats vom 19. Januar 1983 - 18 OVG L 9/81 -. Denn in jenem Verfahren ging es um die Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit einer Abordnung mit dem Ziel der Versetzung, die als Hauptmaßnahme beabsichtigt war. Nur diese Frage hat der Senat aufgrund der Erwägung bejaht, daß eine Abordnung mit dem Ziel der Versetzung unabhängig von einer etwaigen Befristung schon eine maßgebliche Vorentscheidung für die Versetzung darstellt und diese bereits weitgehend vorwegnimmt; die Frage, ob die Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung gemäß § 96 b Abs. 6 Nds. PersVG vorlagen, war schon vom Verwaltungsgericht bejaht worden und nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Klarzustellen ist allerdings die in der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nicht einheitliche Beurteilung, ob in bezug auf eine als vorläufige Regelung ergangene Maßnahme, die als selbständige Hauptmaßnahme ein Mitbestimmungsfall wäre, ein Mitbestimmungsverfahren jedenfalls im Anschluß an die vorläufige Regelung und auf sie bezogen unverzüglich einzuleiten ist (so OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.11.1983 - 2 OVG B 67/83; in dieser Richtung auch - allerdings die Entscheidung nicht tragend -, Beschl. v. 19.11.1985 - 18 OVG L 15/84; offengelassen im Beschl. v. 9.3.1987 - 5 OVG B 86/86 -). Auch diese Frage ist jedoch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, zu verneinen. Das ergibt sich bereits aus der speziellen Regelung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine vorläufige Regelung, die an die Stelle der allgemeinen Beteiligungsregeln treten. Etwas anderes läßt sich auch nicht daraus herleiten, daß § 96 b Abs. 6 Satz 2 Nds. PersVG selbst verlangt, neben der Mitteilung und Begründung der vorläufigen Regelung "unverzüglich das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten oder fortzusetzen". Denn dieses Mitbestimmungsverfahren ist stets nur das in bezug auf die in Satz 1 genannte mitbestimmungspflichtige endgültige Hauptmaßnahme, in deren Rahmen die vorläufige Regelung als Zwischenlösung ergeht. Diese zu § 69 Abs. 5 BPersVG allgemein anerkannte Auffassung wird im Rahmen des § 96 b Abs. 6 Nds. PersVG noch dadurch bestätigt, daß nach dem Regierungsentwurf die vorläufige Regelung erst nach verweigerter Zustimmung des Personalrats zu der Hauptmaßnahme zulässig sein sollte und Satz 2 dann folgerichtig auch nur vorsah, daß das Mitbestimmungsverfahren - eben hinsichtlich dieser Hauptmaßnahme - unverzüglich fortzusetzen sei. Im Gesetzgebungsverfahren wurde dann der Anwendungsbereich des § 96 b Abs. 6 dahin erweitert, daß der Dienststelle in Übereinstimmung mit § 69 Abs. 5 BPersVG die Befugnis zur vorläufigen Regelung auch schon vor Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens zur beabsichtigten Hauptmaßnahme eingeräumt wurde; nur im Hinblick darauf wurde auch die Gesetzesfassung des § 96 b Abs. 6 Satz 2 Nds. PersVG dahin erweitert, daß das Mitbestimmungsverfahren zur Hauptsache unverzüglich einzuleiten oder fortzusetzen ist. Der Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens für die vorläufige Regelung als solche bedarf es in keinem Fall (Spohn, a.a.O., § 71, Anm. 4; ebenso Begründung zum Entwurf eines 6. ÄndG zum Nds. PersVG, Nds. Lt-Ds. 10/3200, S. 15; für das Bundesrecht. Fischer/Goeres, a.a.O., RdNr. 36, m.N.); deshalb war es auch überflüssig, daß der Beteiligte in seinem Schreiben vom 11. August 1986 die Zustimmung des Antragstellers zu der als vorläufige Regelung getroffenen Abordnung erbat. Aus der Pflicht, das Mitbestimmungsverfahren hinsichtlich der Hauptmaßnahme unverzüglich einzuleiten oder fortzusetzen, sowie aus dem dargelegten Charakter der vorläufigen Regelung ergibt sich allerdings ein Beschleunigungsgebot für das Nichteinigungsverfahren, das auch für die Einigungsstelle gilt; es müssen deshalb die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, damit nicht wie im vorliegenden Fall fast neun Monate bis zum Beschluß der Einigungsstelle vergehen. Das folgt aus dem Gebot der Partnerschaft und des vertrauensvollen Zusammenwirkens, von dem das Personalvertretungsrecht beherrscht wird. Ebensowenig wie § 69 Abs. 5 Satz 2 BPersVG enthält § 96 b Abs. 6 Satz 2 Nds. PersVG allerdings eine Sanktion für den Fall, daß die am Stufenverfahren beteiligten übergeordneten Behörden die Angelegenheit verzögerlich behandeln (für das Bundesrecht BVerwG. Beschl. v. 19.4.1988 - 6 P 33.85 -); deshalb läßt sich hier auch aus der Dauer des Nichteinigungsverfahrens nicht die rückwirkende Feststellung herleiten, daß die vorläufige Regelung rechtswidrig war.

21

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

22

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Dr. Hamann
Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig ist wegen Urlaubs gehindert zu unterschreiben Dr. Dembowski
Dohr
Dr. Heidemann