Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.05.1988, Az.: 3 A 91/87

Gebührenbemessung bei der Benutzung einer Tierkörperbeseitigungsanstalt; Berücksichtigung des Grundsatzes der Kostendeckung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.05.1988
Aktenzeichen
3 A 91/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 12897
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1988:0526.3A91.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 24.11.1986 - AZ: 4 VG A 363/82

Verfahrensgegenstand

Gebühren für die Benutzung der Tierkörperbeseitigungsanstalt Bargdorf.

Prozessführer

der Landwirtschaftlichen Fleischzentrale GmbH, ... 1,

Prozessgegner

den Landkreis ... 1

Amtlicher Leitsatz

Zur Gebührenbemessung bei der Benutzung einer Tierkörperbeseitigungsanstalt: Berücksichtigung des Grundsatzes der Kostendeckung, des Äquivalenzprinzips; Mischkalkulation; Gebührendegression; Öffentlichkeitsanteil.

Der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 1988
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Eichhorn,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Berkenbusch und
den Richter am Verwaltungsgericht Voigt sowie
die ehrenamtlichen Richter Heemsoth und Hülsebus
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer Lüneburg - vom 24. November 1986 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin wendet sich gegen Ihre Heranziehung zu Gebühren für die Benutzung der Tierkörperbeseitigungsanstalt ....

2

Die Klägerin unterhält im Landkreis ... eine privaten Großschlachtbetrieb. Die in Ihrem Betrieb anfallenden Schlachtabfälle und Konfiskate werden durch die Tierkörperbeseitigungsanstalt ... (TBA ...) entsorgt. Die TBA ... wird von einem privaten Unternehmen, der Firma ... KG, Fleischmehlfabrik und Tierkörperverwertung, betrieben. Das Unternehmen ist nach § 1 des Vertrages gemäß § 7 Abs. 2 des Tierkörperbeseitigungsgesetzes vom 8. August 1958 i.d.F. des Änderungsvertrages vom 16. Februar 1967 mit dem beklagten Landkreis verpflichtet, alle Innerhalb des Abfallbezirks der Anstalt anfallenden Tierkörper i.S. des Tierkörperbeseitigungsgesetzes unschädlich zu beseitigen.

3

Durch Bescheid vom 28. Januar 1981 zog der Beklagte die Klägerin für 75.687 geschlachtete Tiere zu Benutzungsgebühren in Höhe von 11.353,05 DM für die Benutzung der TBA ... in der Zelt vom 1. September bis 31. Dezember 1980 heran. Der Heranziehung legte er die Satzung des Landkreises ... über Gebühren und Entgelte zur Deckung der Kosten für die unschädliche Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen (Rohstoffe) vom 16. Juli 1980 (ABl LK Uelzen 1980 s. 80) - GS - zugrunde.

4

Die Klägerin hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage erhoben und vorgetragen: Die Gebührenerhebung verstoße gegen gebührenrechtliche Grundsätze. Das Kostendeckungsprinzip werde verletzt. Die Inhaber von Schlachtstätten würden mit Kosten belastet, die der Tierkörperbeseitigungsanstalt dadurch entständen, daß Tierkörper i.S. des Tierseuchengesetzes gebührenfrei beseitigt würden. Die Beseitigung dieser Tierkörper erfolge im öffentlichen Interesse. Deshalb habe der Landkreis für die Kosten aufzukommen. Es sei unzulässig, diese öffentliche Aufgabe über das Gebührenaufkommen aus der Beseitigung von Schlachtabfällen zu finanzieren. Zum anderen verletze die Gebührenerhebung das Äquivalenzprinzip. Obwohl die Gebühren nach der Anzahl der Schlachtungen degressiv gestaffelt sei werde nicht hinreichend berücksichtigt, daß bei den Schlachtabfällen nur geringe Transportkosten und hohe Verwertungserlöse entständen. Die Verwertungserlöse würden auf jeden Fall die Transportkosten übersteigen. Sie könne daher überhaupt nicht zu Gebühren herangezogen werden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

den Gebührenbescheid des Beklagten vom 28. Januar 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 16. November 1982 aufzuheben.

6

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

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und hat erwidert: Die Gebührenerhebung verstoße weder gegen das Kostendeckungs- noch das Äquivalenzprinzip. Im Rahmen der degressiven Staffelung der Gebühren sei die unterschiedliche Inanspruchnahme, Insbesondere die geringeren Transportkosten bei hohen Schlachtzahlen in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Auch wenn die Erlöse die Beseitigungskosten übersteigen sollten, könne die Klägerin hieraus keinen Anspruch herleiten. Nach dem Niedersächsischen Ausführungsgesetz zum Tierkörperbeseitigungsgesetz sei der Gesamtwert der aus den Rohstoffen gewonnenen Produkte entscheidend. Infolge dieser Gesamtbetrachtung müsse das bei der Viehkadaverbeseitigung entstehende Defizit berücksichtigt und durch Einnahmen aus der Beseitigung der Schlachtabfälle ausgeglichen werden. Es dürfe aus dem bei der Beseitigung von Schlachtabfällen entstehenden Überschuß gedeckt werden, öffentliche Mittel müßten zur Deckung des Defizits nicht eingesetzt werden. Hierin sei kein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip zu sehen. Der Grundsatz verlange keine Gebührenbemessung nach den durch die einzelne Benutzungsart verursachten Kosten. Vielmehr untersage er nur, die Gebühren so zu kalkulieren, daß das Gebührenaufkommen die Kosten der Einrichtung in Ihrer Gesamtheit überschreite. Die bei der Beseitigung und Verwertung der Rohstoffe (Tierkörper und -teile) Insgesamt erzielten Erlöse deckten nicht die Kosten, so daß die Erhebung von Gebühren grundsätzlich zulässig sei. Unerheblich sei, daß die TBA ... in den Jahren von 1979 bis 1984 einen Überschuß erzielt habe. Die Anstalt hätte bei der gesetzlichen Entsorgung von Tierkörpern und Schlachtabfällen defizitär gearbeitet, wenn der Unternehmer nicht Rohmaterialien zugekauft hätte. Den Zukauf von Rohmaterialien habe er von 1979 bis 1984 von 78.500,00 DM auf ca. 236.000,00 DM gesteigert. Vor allem hätten die geringen Überschüsse den Beklagten nicht verpflichtet, die Gebühren zu senken, zumal aufgrund des Preisverfalls bei Tierfetten und Tiermehl nunmehr mit weiteren Defiziten zu rechnen sei.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 24. November 1986 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Gebührenerhebung durch den Beklagten verstoße gegen das Kostendeckungsprinzip. In die Gebührenkalkulation seien unzulässigerweise die Kosten für die Tierkörperbeseitigung eingerechnet worden. Diese Kosten müßten von der öffentlichen Hand oder der Tierseuchenkasse getragen werden. Sie dürften nicht den Schlachthöfen und Großschlachtereien wie dem Betrieb der Klägerin auferlegt werden. Wenn Leistungen von einer Anstalt im ausschließlich öffentlichen Interesse erbracht würden und es sich dabei um Leistungen handele, die wie hier im Vergleich zu den sonstigen Leistungen erheblich seien - 1980 seien in der TBA ... 2.220 t Tierkörper = 20 % von insgesamt 11.100 t Gesamtverarbeitungsmenge verarbeitet worden - so müsse dies bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden. Es sei nicht zulässig, die im öffentlichen Interesse entstandenen Kosten auf die übrigen Benutzer der Anstalt abzuwälzen, vielmehr habe die öffentliche Hand für die anteilige Mitbenutzung einer öffentlichen Einrichtung sich entsprechend kostenmäßig zu beteiligen. Andernfalls entrichte ein anderer Gebühren für Leistungen, die nicht ihm, sondern der öffentlichen Hand erbracht worden seien. Das führe zur Rechtswidrigkeit des in § 2 Abs. 1 GS festgelegten Gebührentarifs und zur Rechtswidrigkeit der hierauf gestützten Gebührenerhebung. Das Kostendeckungsprinzip sei zwar nicht als starre Bindung an die tatsächlichen Kosten zu verstehen, da die Gebührenfestsetzungen stets im voraus vorgenommen werden müßten. Die Gebührenerhebung durch den Beklagten verstoße aber in dem hier vorliegenden Fall gegen diesen Grundsatz. Der Beklagte sei, wie die zum Erlaß der Satzung vom 16. Juli 1980 vorgelegten Materialien zeigten, bei der Gebührenkalkulation von vornherein davon ausgegangen, das Defizit bei der (gebührenfreien) Tierkörperbeseitigung nicht durch öffentliche Mittel, sondern durch die Gewinne und das Gebührenaufkommen bei den Großschlachtereien auszugleichen. § 8 Abs. 4 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz ordne lediglich an, daß von den Besitzern gefallener Tiere keine Gebühren erhoben werden dürften. Wer die Kosten letztlich zu tragen habe, regele das Gesetz nicht. Ebenso gestatte § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz es nicht, das Defizit auf die Großschlachtereien abzuwälzen. Diese Bestimmung greife nur ein, wenn wegen hoher Verwertungserlöse eine Gebührenerhebung unterbleiben könne oder wenn darüber hinaus - eine Gewinnausschüttung durch die Zahlung eines Entgelts an die Benutzer der Tierkörperbeseitigungsanstalt in Betracht komme.

9

Gegen dieses Urteil führt der Beklagte Berufung und trägt zur Begründung vor: Nach dem Grundsatz der Gesamtdeckung seien die ermittelten Kosten auf alle Benutzer der öffentlichen Einrichtung zu verteilen. Dieser Grundsatz erfahre durch § 8 Abs. 4 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz eine. Einschränkung, Indem für die Beseitigung gefallener Tiere keine Gebühr erhoben werden könne. Durch die spezialgesetzliche Regelung sei ein Benutzerkreis zu Lasten der übrigen Benutzer von der Pflicht zur Zahlung von Benutzungsgebühren befreit worden. Er - der Beklagte - werde nicht schon dadurch zum Benutzer der Tierkörperbeseitigungsanstalt, weil er hinsichtlich der gefallenen Tiere beseitigungspflichtig sei. Eine einheitliche öffentliche Einrichtung wie eine Tierkörperbeseitigung könne nicht nach der Kostenverursachung in einzelne Teile aufgespalten werden. Nach § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierkörperbeseitigungsgesetz sei bei der Bewertung der Entgelte die Gesamtsituation der Tierkörperbeseitigungsanstalt zu berücksichtigen. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß die Umlage der ausfallenden Gebühren auf die übrigen Benutzer gewollt sei. Diese Rechtsfolge sei auch sachlich gerechtfertigt, weil bei der Beseitigung von Tierkörpern und -teilen wirtschaftliche Zusammenhänge beständen. Durch die gleichzeitige Beseitigung der Tierkörper und -teile in einer Tierkörperbeseitigungsanstalt könnten die Verarbeitungskosten für die Schlachtabfälle verringert werden. Die Beseitigung der Tierkörper sei nur wegen der langen Transportwege defizitär. Wegen der Abhängigkeit beider Aufgabenbereiche werde das Kostendeckungsprinzip nicht verletzt, wenn die Defizite der Tierkörperbeseitigung in die Gesamtregelung für die Beseitigung der Tierkörperteile einbezogen werden.

10

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.

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Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt Ihrer Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

14

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgeben. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 28. Januar 1981 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 16. November 1982 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in Ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

15

Nach § 8 Abs. 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierkörperbeseitigungsgesetz (Nds. AG TierKBG) vom 12. Juli 1976 (Nds. GVBl S. 186) erhebt der Beseitigungspflichtige für die Beseitigung von den Besitzern der Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse Gebühren und Auslagen (Kosten) aufgrund einer Satzung nach Maßgabe des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes vom 8. Februar 1973 (Nds. GVBl S. 41 mit späteren Änderungen - NKAG -). Bei der Bemessung der Gebühren und Auslagen sind die Verwertungserlöse zu berücksichtigen. Von dieser Ermächtigung hat der beklagte Landkreis als Beseitigungspflichtiger nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen, Erzeugnissen (Tierkörperbeseitigungsgesetz - TierKBG -) vom 2. September 1975 (BGBl I S. 2313) iVm § 5 Abs. 1 Nds. AG TierKBG Gebrauch gemacht und die Satzung des Landkreises ... über Gebühren und Entgelte zur Deckung der Kosten über die unschädliche Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen (Rohstoffe) vom 16. Juli 1980 (ABl LK Uelzen 1980 S. 80) - GS - erlassen. Gleichwohl kann der Beklagte die Veranlagung der Klägerin zu Gebühren für die Benutzung der TBA ..., in der nach dem Unternehmervertrag des Beklagten mit der Firma ... die im Abfallbezirk anfallenden Tierkörper und -teile schadlos zu beseitigen sind, nicht auf diese Satzung stutzen. Die Bestimmung des Gebührensatzes in § 2 Abs. 1 GS ist, soweit der vorliegende Rechtsstreit zu einer Überprüfung Anlaß gibt, unwirksam.

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Die Erhebung einer Benutzungsgebühr entsprechend den in § 2 Abs. 1 GS enthaltenen Gebührensätzen (1 bis 500 Schlachtungen ... 1,20 DM; 501-1.000 Schlachtungen ... 0,90 DM, 1.001-2.000 Schlachtungen ...0,60 DM; 2.001-3.000 Schlachtungen ... 0,45 DM pp) verstößt gegen das Kostendeckungs-, das Äquivalenzprinzip sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

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Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl, v. 06.02.1984 - BVerwG 3 B 87.82 - Buchholz 401.84 Nr. 16) wiederholt ausgeführt, daß der Grundsatz der Kostendeckung im Gebührenrecht - anders als im Beitragsrecht - nicht uneingeschränkt Anwendung findet, weil sich aus dem Wesen der Gebühr als einer Gegenleistung für eine besondere Leistung der öffentlichen Verwaltung eine allgemeine Geltung dieses. Grundsatzes nicht ableiten lasse. Davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, denn nach § 8 Abs. 1 Nds. AG TierKBG sind die Gebühren für die Beseitigung der Tierkörper usw. von den Besitzern "nach Maßgabe des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes" zu erheben. Das bedeutet, daß auch das in § 5 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 1986 (Nds. GVBl S. 79) - NKAG - enthaltene Kostendeckungsprinzip Anwendung findet. Nach dieser Bestimmung "soll das Gebührenaufkommen die Kosten der jeweiligen Einrichtung decken, jedoch nicht überschreiten". Zwar ist das Kostendeckungsprinzip, wie sich aus der gesetzlichen Formulierung ergibt, nicht als eine starre Bindung an die tatsächlichen Kosten, sondern lediglich als eine Veranschlagungsmaxime anzusehen. Es verlangt keine Gebührenbemessung nach Maßgabe der durch die einzelne Benutzungsart entstandenen Kosten, verbietet aber, daß das Gebührenaufkommen die Kosten/Ausgaben der betreffenden Einrichtung in Ihrer Gesamtheit übersteigt (BVerwG, Urt. v. 18.04.1975 - KStZ 1975, 181). Danach müssen die Gebührenbedarfsberechnung, die Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben und die Tarifgestaltung von dem Ziel getragen sein, das Gebührenaufkommen möglichst auf die voraussichtlichen Kosten, die im Zeltpunkt der Gebührenkalkulation in aller Regel noch nicht im einzelnen bekannt sind, zu beschränken. Das Kostendeckungsprinzip wird daher verletzt, wenn die Haushaltsschätzung und die Tarifgestaltung nicht auf das Ziel der Beschränkung der Gebühreneinnahmen auf die Höhe des Verwaltungsaufwandes ausgerichtet waren, sei es, daß sie nicht sachgerecht vorgenommen und von nicht zu berücksichtigenden Haushaltsanschlägen beeinflußt worden sind, sei es in der Weise, daß von vornherein ein Gebührenüberschuß angestrebt worden ist (BVerwG, Urt. v. 08.12.1961, BVerwGE 13, 223 ff [BVerwG 08.12.1961 - VII C 2/61]; Hatopp, Nds. Kommunalabgabengesetz in: Praxis der Gemeindeverwaltung, § 5 Anm. 6; Bauernfeind/Zimmermann, Kommunalabgabengesetz für Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Aufl., § 6 Anm. 11) und schließlich, daß dem erwarteten Gebührenaufkommen und dem sich daraus ergebenden Gebührensatz keine an den Gesamtkosten der öffentlichen Einrichtung orientierte Gebührenbedarfsberechnung zugrunde gelegen hat.

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Im Streitfall ist zwar nicht erkennbar, daß der Beklagte von vornherein einen Gebührenüberschuß angestrebt hat. Der Bestimmung der Gebührensätze in § 2 Abs. 1 GS liegt jedoch keine den Anforderungen des §.5 Abs. 1 Satz 2 NKAG Rechnung tragende, gerichtlich nachprüfbare Gebührenkalkulation zugrunde. Das trifft sowohl für die Bestimmung des Gebührensatzes von 1,20 DM bis 0,15 DM usw. für jedes geschlachtete Tier, als auch für die Degression der Gebührensätze zu. Vielmehr hat sich der Beklagte zur Rechtfertigung der in § 2 GS enthaltenen Gebührensätze entsprechend den Ausführungen im Vermerk vom 31. März 1980 auf die Feststellung beschränkt: "Die in § 2 des anliegenden Satzungsentwurfs aufgenommenen Gebühren entsprechen denen des Landkreises ...." in der Vorlage Nr. 80 für den Kreistag vom 5. Juni 1980 heißt es weiter:

"Gegenüber dieser Regelung sieht der als Anlage 1) dieser Vorlage beigefügte Satzungsentwurf nunmehr in § 2 eine degressive Gebührenstaffelung vor weil bei Schlachthöfen und GROSS-Schlachtereien die Massenabfälle durch zentrale Sammelstellen mit weniger Arbeitsaufwand abgeholt werden können, als dies bei handwerklichen Schlachtereien der Fall ist.

Aus der Sicht der Verwaltung ist die Höhe der im Satzungsentwurf vorgesehenen Gebühren durchaus vertretbar, zumal seit dem Jahre 1972 keine Gebührenerhöhung vorgenommen wurde und im übrigen neben der Entsorgung kleiner Schlachtereien auch der Bereich der Tierkörperbeseitigung - für diesen Bereich können keine Gebühren erhoben werden - defizitär verläuft. Im übrigen muss grundsätzlich bei der Regelung der Gebühren und der zu leistenden Entgelte das Erfordernis einer rentablen Führung der Tierkörperbeseitigungsanstalt im Vordergrund stehen. Das Tierkörperbeseitigungsgesetz des Bundes misst dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit neben dem Erfordernis einer ordnungsgemässen Beseitigung der Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse entscheidenden Wert bei; Vergütungen aus Mitteln der Aufgabenträger oder anderen öffentlichen Mitteln sollen nicht geleistet werden. Die Deckung der bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe dem Beseitigungspflichtigen entstehenden Kosten muss Vorrang haben.

Die vorgesehenen Gebührensätze entsprechen im wesentlichen denen der. Landkreise ... und ..., wobei anzumerken bleibt, dass der Landkreis ... zusätzlich je Tertial noch eine Grundgebühr in Höhe von 130,00 DM erhebt."

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Auf Anfrage hat der Beklagte dem Gericht mitgeteilt, daß eine schriftliche Gebührenbedarfskalkulation für die Benutzung der Tierkörperbeseitigungsanstalt nicht vorliegt. Die allgemeinen Erwägungen des Beklagten ersetzen eine am Kostendeckungsprinzip orientierte und überprüfbare Gebührenbedarfskalkulation indes nicht. Der Hinweis auf Gebührensätze angeblich vergleichbarer Satzungen anderer Gemeinden stellt noch keine Veranschlagung des Gebührenaufkommens dar, weil die auf diese Weise "gegriffenen" Gebührensätze nicht das Ergebnis einer Gegenüberstellung der ermittelten voraussichtlichen Kosten der konkreten Einrichtung einerseits und der zu einer Deckung notwendigen Gebühren andererseits bilden.

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Zwar kann nach der Rechtsprechung die Verletzung des Kostendeckungsgrundsatzes nur dann zur Aufhebung eines Gebührenbescheides führen, wenn es sich um eine gröbliche Verletzung handelt (BVerwGE 12, 162, 166 [BVerwG 24.03.1961 - VII C 109/60]; OVG Lüneburg, DVBl 1968, 311). Diesem Regelfall muß aber der gleichgestellt werden, in dem - wie hier - überhaupt keine Gebührenbedarfsberechnung und keine Veranschlagung der Einnahmen und Ausgaben vorliegt und so eine Nachprüfung des Gebührensatzes, der nach § 2 Abs. 1 NKAG unabdingbarer Bestandteil einer jeden Abgabensatzung ist, von vornherein unmöglich macht.

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Daneben verstößt die Heranziehung der Klägerin zu Benutzungsgebühren auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 GS auch gegen das Äquivalenzprinzip und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

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Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz nicht gebieten, Gebühren nach dem Maß der durch die Benutzung im Einzelfall verursachten Kosten zu erheben (Urt. v. 26.10.1977 - VII C 4.76 -, Buchholz 401.84 Nr. 37; Urt. v. 16.09.1981 - 8 C 48.81 -, Buchholz 401.84 Nr. 45 m.w.N.; Beschl, v. 25.03.1985 - 8 B 11.84 -, Buchholz 401.84 Nr. 53). Es hat ferner entschieden, daß das Äquivalenzprinzip nur bei einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen der Gebühr und dem wert der Leistung für den Empfänger verletzt ist (Urt. v. 16.09.1981 a.a.O.) und daß es in Verbindung mit dem Gleichheitssatz nur fordert, daß "die Benutzungsgebühr im allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so daß bei etwa gleicher Inanspruchnahme der gemeindlichen Einrichtung etwa gleichhohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren bezahlt werden". Demzufolge bestimmt § 5 Abs. 3 NKAG, daß die Gebühr "nach Art und Umfang der Inanspruchnahme zu bemessen ist".

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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, wesentlich gleiches willkürlich ungleich und wesentlich ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Die weite Gestaltungsfreiheit des Ortsgesetzgebers bei dem Erlaß von Abgabensatzungen findet daher u.a. dort Ihre Grenzen, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der von ihm geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise zu vereinbaren ist, weil ein einleuchtender, sachlich vertretbarer Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt (vgl. BVerwGE 42, 210, 215 ff [BVerwG 23.05.1973 - IV C 21/70]; Beschl, v. 05.01.1978 - 7 B 16/17.77 -, Buchholz 401.84 Nr. 38; Beschl, v. 19.03.1981 - 8 B 10.81 -, KStZ 1981, 110; Urt. v. 25.05.1984 - 8 C 55 u. 58.82 -, Buchholz 401.84 Nr. 51). Das ist hier der Fall. Es ist bereits in hohem Maße zweifelhaft, ob die in § 2 Abs. 1 GS enthaltene erhebliche Gebührendegression von 1,20 DM je geschlachtetem. Tier bei bis zu 500 Schlachtungen bis zu 0,15 DM je geschlachtetem Tier bei über 4.000 Schlachtungen noch mit dem Äquivalenzprinzip und dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist. Sog. Mengenrabatte sind allenfalls dann zulässig und genügen nur dann dem Äquivalenzprinzip und ebenso dem allgemeinen Gleichheitssatz, wenn durch die verstärkte Inanspruchnahme eine unterproportionale Kostensteigerung verursacht wird (vgl. Thiem, Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein, Kommentar, § 6 Erl. 102 m. Hin.a. Rspr.). Ob diese Voraussetzungen bei der in § 2 Abs. 1 GS vorgesehenen Degression erfüllt sind, ist offen, weil der Beklagte keine eigenen Berechnungen angestellt hat, die eine Nachprüfung der Gebührensätze ermöglichen könnten, erscheint aber angesichts des außergewöhnlich hohen Abstandes von 1,20 bis 0,15 DM je Schlachtung als unwahrscheinlich. Diese Frage bedarf jedoch letztlich keiner Entscheidung. Dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz trägt die in § 2 GS enthaltene Gebührenstaffelung jedenfalls schon insoweit keine Rechnung, als der Besitzer von 501 bis 621 geschlachteten Tieren trotz einer wesentlich umfangreicheren Benutzung der Anstalt weniger Gebühren bezahlen muß als der Besitzer von 500 geschlachteten Tieren. Ein sachlich einleuchtender Grund läßt sich für die geringere Gebührenzahlung trotz größerer Benutzung nicht finden. Vergleichbare "Ungereimtheiten" weisen auch die übrigen Tarifstellen auf.

24

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist schließlich auch darin zu sehen, daß die Klägerin durch Gebühren zu den Kosten für die Beseitigung gefallener Tiere herangezogen worden ist, ohne daß deren Besitzer oder die öffentliche Hand an den Kosten für die Benutzung der Tierkörperbeseitigung beteiligt worden sind. Zwar sind Benutzungsgebühren wegen der Regelung in § 5 Abs. 3 NKAG nicht nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung entstandenen Kosten zu erheben. Zulässig ist es daher, die in verschiedenen Bereichen der Tierkörperbeseitigungsanstalt anfallenden Kosten als eine. Einheit zu behandeln. Die so ermittelten Kosten einer öffentlichen Einrichtung müssen jedoch, weil § 5 Abs. 3 NKAG dies so bestimmt (die Gebühr ist nach Art und Umfang der Inanspruchnahme zu bemessen) den Benutzern nach dem Maß ihrer Benutzung angelastet werden. Daran fehlt es, wenn einer Gruppe von Gebührenpflichtigen - wie hier - die Kosten der Benutzung durch eine andere Gruppe angelastet werden. Die Annahme einer Benutzung der Tierkörperbeseitigungsanstalt durch die Besitzer geschlachteter Tiere und ihre Heranziehung zu Benutzungsgebühren hat zudem nur insoweit vor dem allgemeinen Gleichheitssatz Bestand, als die Anstalt Ihnen Leistungen und Vorteile durch die Beseitigung der Schlachtabfälle verschafft. Werden daneben kostenlos Leistungen in einem ins Gewicht fallenden Ausmaß im Allgemeininteresse erbracht, erweist es sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgerecht und verstört daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Leistungen und Kosten, die die Befriedigung dieses Allgemeininteresses betreffen, den übrigen Benutzern gebührenrechtlich zugerechnet werden. Eine Tierkörperbeseitigungsanstalt ist keine in dem Sinne geschlossene öffentliche Einrichtung, daß sie sich in der Erbringung von Leistungen oder Vorteilen erschöpft, die ausschließlich einem begrenzten Personenkreis und hier den Besitzern von Schlachtabfällen dienen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.05.1984 a.a.O. für Straßenreinigungsgebühren).

25

Aus § 8 Abs. 2 Nds. AG TierKBG folgt entgegen der Auffassung des Beklagten kein anderes Ergebnis. Danach ist den Besitzern nach Maßgabe einer Satzung ein Entgelt zu gewähren, wenn der Gesamtwert der aus Tierkörpern, Tierkörperteilen und Erzeugnissen gewonnenen Produkte die Aufwendungen für die Beseitigung erheblich und nicht nur vorübergehend übersteigt. Diese Vorschrift macht deutlich, unter welchen Voraussetzungen den an sich Gebührenpflichtigen mit Ausnahme den Besitzern gefallener Tiere (§ 8 Abs. 4 Nds. AG TierKBG) ein Entgelt zu zahlen ist, sagt aber nichts darüber aus, wie und unter welchen Voraussetzungen die durch eine Mischkalkulation Insgesamt ermittelten Kosten für die Beseitigung der Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse durch Gebühren auf die Gebührenpflichtigen verteilt werden kann. Dies kann nur nach Maßgabe der im Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz bestimmten Anforderungen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Äquivalenzprinzips erfolgen. Diesen Erfordernissen trägt die Gebührenerhebung auf der Grundlage des § 2 GS aus den dargelegten Gründen keine Rechnung.

26

Schließlich geht auch der Hinwels des Beklagten auf § 8 Abs. 4 Nds. AG TierKBG fehl. Aus der im öffentlichen Interesse getroffenen Befreiung von Benutzungsgebühren für die Beseitigung von Tierkörpern von Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes läßt sich im Zusammenhang mit dein Grundsatz der Gesamtdeckung nicht herleiten, daß der Gebührenausfall von den gebührenpflichtigen Benutzern zu tragen wäre. § 8 Abs. 4 Nds. AG TierKBG modifiziert nicht die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 und in Abs. 3 NKAG. Hinsichtlich der Beseitigung gefallener Tiere Hegt keine Benutzung durch die nach §§ 2, 3 GS Gebührenpflichtigen vor. Eine solche kann auch durch den Grundsatz der Gesamtdeckung nicht ersetzt werden.

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Soweit die Beteiligten weiterhin über die Zulässigkeit einer Mischkalkulation (Zusammenfassung der Kosten aus der Tierkörperbeseitigung, Schlachtabfälle und Konfiskate) streiten, - neigt der Senat zu der Auffassung, daß dagegen im Ansatz keine rechtlichen Bedenken bestehen, soweit die Beseitigung - wie hier - im Rahmen einer öffentlichen Einrichtung geschieht, die Benutzer entsprechend dem Umfang der Benutzung zu Gebühren herangezogen werden und im Umfang der Freistellung für die Beseitigung von Tierkörpern von Vieh im Sinne des Tierseuchengesetzes die öffentliche Hand an den Gesamtkosten durch einen Öffentlichkeitsanteil beteiligt wird. Bei einer Neufassung seiner Satzung wird der Beklagte zu berücksichtigen haben, daß in die Gebührenbedarfsberechnung auch die Einnahmen und Ausgaben für die in § 2 Abs. 2-4 der Satzung genannten Positionen einzubeziehen sein werden, die nicht Gegenstand der Nachprüfung in dem hier vorliegenden Verfahren waren, ferner daß die "Angstklausel" in § 2 Abs. 5 der Satzung nicht den Mindesterfordernissen des § 2 Abs. 1 NKAG entspricht.

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Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

29

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.

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Die Revision konnte nicht zugelassen werden, weil dafür die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Eichhorn
Dr. Berkenbusch
Voigt