Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.05.1988, Az.: 9 B OVG 24/88

Erschließungsbeitrag für die Anlegung eines Lärmschutzwalls; Abschnittsweise Abrechnung einer Erschließungsanlage; Zuordnung einer Immissionsschutzanlage zu einem Abrechnungsgebiet nach ihrer Erschließungsfunktion ; Umdeutung eines Erschließungsbeitragsbescheides in einen Vorausleistungsbescheid durch das Gericht; Vorraussetzung einer wirksamen Erschließungsbeitragssatzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.05.1988
Aktenzeichen
9 B OVG 24/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 12900
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1988:0511.9B.OVG24.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - AZ: 1 VG D 6/88

Verfahrensgegenstand

Erschließungsbeitrags für Schallschutzwall in Gebiet des B-Plans Nr. 32 - vorläufiger Rechtsschutz -.

Prozessführer

1. des Rechtsanwalts und Notars

2. der Lehrerin ... beide wohnhaft: ...

Prozessgegner

die Stadt ...

Amtlicher Leitsatz

Grundsätze zur Ausdehnung einer Immissionsschutzanlage bei bestehender Festsetzung der Verlängerung in einem Bebauungsplan. Eine Abrechnung der Anlage in verschiedenen Abschnitten ist nicht zulässig.

Der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat
am 11. Mai 1988
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 1. Kammer - vom 8. März 1988 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

1

Die Antragsteller wurden als Eigentümer eines im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 32 gelegenen Wohngrundstücks von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28. Dezember 1987 zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 3.492,67 DM herangezogen für die Herstellung eines zwischen 1978 und 1983 in den Grenzen des Bebauungsplanes angelegten Lärmschutzwalls entlang der westlich verlaufenden Bahnlinie ...

2

Der Bebauungsplan Nr. 32 weist ein allgemeines Wohngebiet mit in Bahnnähe eingeschossiger und weiter zurückliegend zweigeschossiger Bebauung aus und setzt einen Lärmschutzwall mit einer Höhe von 2,50 m über Oberkante Schiene mit Bepflanzung fest. Auf dieses Plangebiet folgen entlang der Bahnlinie unmittelbar nördlich die Bebauungspläne Nr. 43, 46 und 45 mit im wesentlichen gleichartigen Festsetzungen, insbesondere einander anschließender Lärmschutzwälle. Diese Bebauungspläne beruhen auf einer einheitlichen Darstellung des Flächennutzungsplanes der Antragsgegnerin in der zweiten Änderungsfassung vom 25. September 1980, der dieses Gebiet zwischen Grenzstraße im Norden und Hammelwarder Straße im Süden als allgemeines Wohngebiet mit einer auf der gesamten Länge entlang der Bahnlinie durchgehend einheitlichen Grünanlage darstellt.

3

Der Lärmschutzwall im Plangebiet Nr. 32 wurde in einer Höhe von ca. 2,25 m über OK Schiene hergestellt. Der im anschließenden Plangebiet Nr. 43 mit einer Kronenhöhe von 4,50 m festgesetzte Lärmschutzwall wurde in einer Höhe von 2,65 m angelegt. Mit der Herstellung der in der nördlichen Verlängerung in Höhe von 4,50 m (Plangebiet Nr. 46) und 3-3,50 m (Plangebiet Nr. 45) vorgesehenen Lärmschutzwälle ist begonnen.

4

Nach der Satzung der Antragsgegnerin über die Herstellung einer Immissionsschutzanlage (Schallschutzwall) für das Baugebiet Nr. 32 vom 20. März 1980 war der Schallschutzwall erst endgültig hergestellt u.a. bei einer Kronenhöhe von 3,50 m über OK Bahngleis.

5

Nach Eingang der letzten Unternehmerrechnung vom 19. Januar 1983 (Firma Karpis, Nachpflanzungskosten) verteilte die Antragsgegnerin den Aufwand für den Lärmschutzwall im Plangebiet Nr. 32 auf der Grundlage ihrer Erschließungsbeitragssatzung in der 1. Änderungsfassung vom 28. Februar 1985 nach den Grundstücksflächen auf die nach Maßgabe eines schalltechnischen Gutachtens vom 19. April 1984/3. Dezember 1987 spürbar durch den Wall vor Bahnlärm geschützten Grundstücke und im Umfang ihrer hälftigen Grundstücksfläche auf die Grundstücke im Plangebiet Nr. 32, die durch den inzwischen im Nachbarplangebiet Nr. 43 hergestellten Lärmschutzwall eine spürbare Lärmminderung erfahren.

6

über den Widerspruch der Antragsteller ist noch nicht entschieden. Auf ihren Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 8. März 1988 vorläufigen Rechtsschutz gewährt, weil der angewendete Geschoßflächenmaßstab der EBS der Antragsgegnerin für eine vorteilsgerechte Abrechnung des Lärmschutzwalles ungeeignet sei.

7

Dagegen führt die Antragsgegnerin Beschwerde: ihr Rat habe inzwischen am 17. März 1988 eine Satzung zur Änderung ihrer Satzung über die Herstellung einer Immissionsschutzanlage (Schallschutzwall) für das Baugebiet Nr. 32 beschlossen. Danach gelte der Lärmschutzwall in einer Höhe von 2,20 m als endgültig hergestellt. Sein Aufwand werde nunmehr vorteilsgerecht nach Lärmminderungszonen abgestuft und innerhalb der Zonen nach dem Verhältnis der Summe von Grundstücksfläche und Grundflächenzahl auf die Grundstücke verteilt, die durch den Lärmschutzwall eine Lärmminderung von wenigstens 3 dB(A) erfahren. Sie halte insbesondere die Einbeziehung auch der in der seitlichen Lärmschneise gelegenen Grundstücke in die Aufwandverteilung für den Lärmschutzwall des Plangebietes Nr. 32 für gerechtfertigt, da sie durch das Zusammenwirken der Lärmschutzwälle beider Plangebiete Nr. 32 und 43 von Lärm entlastet würden. Die auf einer Länge von 850 m insgesamt aneinandergereihten Wälle würden nach Aussage des von ihr beauftragten Schallschutzgutachters das Abrechnungsgebiet nicht nur verlängern, sondern daneben erheblich in Richtung Osten ausdehnen. Von einer Zusammenfassung dieser Wälle zu einer Erschließungseinheit nehme sie jedoch Abstand, weil dann auch sogenannte Altanlieger herangezogen werden müßten, die einzelnen Wälle unterschiedlich hoch und aufwendig hergestellt worden seien und der Aufwand im Plangebiet Nr. 46 durch Ablösungsbeträge finanziert werden solle. Für diese "Große Lösung" habe sie das Abrechnungsgebiet durch eine schalltechnische Untersuchung noch nicht ermitteln können, weil die Lärmschutzwälle in den Plangebieten Nr. 46 und 45 noch nicht fertiggestellt seien.

8

Die Antragsteller erwidern, zu ihren Gunsten wesentlich beitragsmindernd seien alle Grundstücke im Schutzbereich der gesamten 850 m langen Wallantage, jedenfalls aber alle von den Lärmschutzwällen der Plangebiete Nr. 32 und 43 lärmgeschützten Grundstücke in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen. Im übrigen sei die Beitragsforderung verjährt.

9

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

10

An der Rechtmäßigkeit des Erschließungsbeitragsbescheides vom 28. Dezember 1987 bestehen ernsthafte Zweifel.

11

Die sachliche Beitragspflicht für den dort abgerechneten Lärmschutzwall ist noch nicht entstanden. Der Lärmschutzwall stellt in seiner gesamten Länge von ca. 850 m zwischen der Südgrenze des Bebauungsplanes Nr. 32 und der Nordgrenze des Bebauungsplanes Nr. 45 eine einzige Erschließungsanlage der, die nicht abschnittsweise abgerechnet werden darf. Er ist demgemäß noch nicht endgültig in seiner gesamten flächenmäßigen Ausdehnung als selbständige Erschließungsanlage i. S. des § 127 Abs. 2 Nr. 5 BauGB technisch hergestellt; insoweit mangelt es auch noch an der erforderlichen satzungsrechtlichen Merkmalsregelung für den Lärmschutzwall in den Plangebieten Nr. 43, 46 und 45 und einer einheitlichen Verteilungsregelung.

12

Eine Immissionsschutzanlage reicht in ihrer flächenmäßigen Ausdehnung regelmäßig so weit, wie es die ihr planerisch zugedachte Schutzfunktion verlangt. Dabei ist das Merkmal "Schutz von Baugebieten" i. S. des § 127 Abs. 2 Nr. 5 BauGB nicht dahin zu verstehen, daß eine Anlage allen Grundstücken eines bestimmten Baugebietes zugute kommen muß (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 2. Aufl. Rdn. 315). Bereits aus dem Blickwinkel der vier benachbarten Bebauungspläne und ihres gemeinsamen Konzeptes im Flächennutzungsplan stellen sich die abschnittsweise aneinander anschließend geplanten Lärmschutzwälle nur als Realisierungsabschnitte einer einzigen Immissionsschutzanlage dar, die ihre Schutzfunktion gerade erst in ihrer gesamten Länge wirksam entfalten soll. Das wird in der Begründung zum Bebauungsplan Nr. 43 deutlich hervorgehoben: "In der Dimensionierung und Ausgestaltung soll er (der Lärmschutzwall) in Fortsetzung des südlich anschließenden Walls errichtet werden"... "Weitere Maßnahmen des Schallschutzes brauchen nicht (zu) erfolgen, zumal der Wall in nördlicher Richtung entsprechend der Bebauung fortgesetzt werden soll" (Ziffer 8.6.) ... und in diesem Sinne weiter ... "Bei der Verkehrserschließung und der Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen soll der großräumige Zusammenhang gesehen werden, die durch diese Bebauungsplanaufstellung eine schrittweise Realisierung erfahren (Ziffer 5)." Eine entsprechende planerische Sichtweise kommt in den Begründungen der Bebauungspläne Nr. 46 und 45 zum Ausdruck: ... "In der Dimensionierung und Ausgestaltung soll er (der Wall) in Fortsetzung des südlich anschließenden Walles errichtet werden, d.h. die Wallhöhe soll 3,50 m über OK Schiene liegen" ... "Weitere Maßnahmen des Schallschutzes brauchen nicht (zu) erfolgen, zumal der Wall in nördlicher Richtung entsprechend der Bebauung fortgesetzt wird" (Ziffer 7.6 zu Bebauungsplan Nr. 46) bzw. ... "analog des weiter südlich gelegenen Bebauungsplanbereiches Nr. 43 wird eine freizuhaltende Schutzfläche ausgewiesen, auf der ein Lärmschutzwall errichtet wird" (Ziffer 7.6 zu Bebauungsplan Nr. 45).

13

Überdies ist eine Anlage unabhängig davon, unter welche der in § 127 Abs. 2 BauGB aufgezählten Anlagen sie im einzelnen zu subsumieren ist, eine beitragsfähige Anlage nur, wenn sie ihrer Erschließungsfunktion nach einem (Abrechnungs-)Gebiet zuzuordnen ist, das hinsichtlich des Kreises der erschlossenen (§ 131 Abs. 1 BauGB) und in der Folge beitragspflichtigen (§ 133 Abs. 1 BauGB) Grundstücke hinreichend genau und überzeugend abgegrenzt werden kann (zuletzt BVerwG, Urt. v. 24.09.1987 - 8 C 75.86 -, DVBl 1988, 239, 240)[BVerwG 24.09.1987 - 8 C 75/86]. Für die Abgrenzung der Grundstücke, denen die erstmalige Herstellung eines der in § 127 Abs. 2 BauGB genannten Erschließungsanlagen einen beitragsrechtlich relevanten Sondervorteil vermittelt und die deshalb durch sie i. S. des § 131 Abs. 1 BauGB erschlossen werden, von den Grundstücken, auf die dies nicht zutrifft, ist auszugehen von der bestimmungsgemäßen Erschließungsfunktion der jeweils in Rede stehenden Anlage (BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, a.a.O., S. 240). Im Zusammenhang mit diesem Ausgangspunkt ist zu berücksichtigen, daß - erstens - nach den Vorstellungen des Gesetzgebers zur Erschließung i. S. der §§ 123 ff. BauGB nicht nur Maßnahmen gehören, die die bebauungsrechtlich zulässige Nutzung von Grundstücken erst ermöglichen, sondern auch solche, die eine derartige Nutzung erleichtern, und der Gesetzgeber dementsprechend - zweitens - in den Kreis der für eine Erschließungsbeitragserhebung in Betracht kommenden Anlagen sowohl Anlagen aufgenommen hat, die dafür von Bedeutung sind, ob die Voraussetzungen für eine bebauungsrechtlich zulässige Nutzung der Grundstücke vorliegen, als auch Anlagen, die ihrer Funktion nach dazu bestimmt sind, die Erschließungssituation bebauungsrechtlich zulässig nutzbarer Grundstücke zu verbessern (BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, a.a.O.). Ein Abstellen einzig auf die bestimmungsgemäße Funktion der jeweiligen Erschließungsanlage für die Abgrenzung der erschlossenen von den nicht erschlossenen Grundstücken versagt indes bei den Anlagen, die anders als Anbaustraßen lediglich der Verbesserung der Erschließungssituation dienen. Deshalb ist bei diesen, in § 127 Abs. 2 Nr. 2-5 BauGB aufgezählten Erschließungsanlagen regelmäßig ein zusätzliches Abgrenzungskriterium erforderlich, das anzunehmen ermöglicht, bestimmte Grundstücke und nur sie stünden zu einer Erschließungsanlage in einer Beziehung, die es rechtfertigt, sie und nicht auch andere Grundstücke mit Kosten für die erstmalige Herstellung dieser Anlage zu belasten (BVerwG, Urt. v. 24.09.1987, a.a.O.).

14

Besteht die Erschließungsfunktion eines Lärmschutzwalles nur darin, den Lärm auf den von ihr geschützten Flächen unter die von der Gemeinde für das jeweilige Gebiet als maßgeblich angesehenen Grenzwerte zu drücken und so die bauliche, gewerbliche oder sonst beitragsrelevante Nutzung der geschützten Flächen nach heutigen städtebaulichen Grundsätzen überhaupt erst zu ermöglichen, findet sich die Abgrenzung in der maßgeblichen Lärmkontur, d.h. der Abstandslinie von der Lärmquelle, jenseits der auch ohne Lärmschutzanlage die maßgeblichen Grenzwerte nicht überschritten würden, vor der jedoch für die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte der Schutz der Anlage benötigt wird (dazu Engelken/Rose, VBlBW 1986, 86, 87). Aber auch bei Lärmschutzanlagen, die lediglich einer Verbesserung der Erschließungssituation dienen, besteht das für die Qualifizierung eines Lärmschutzwalles als selbständige beitragsfähige Erschließungsanlage notwendig zusätzliche Kriterium für die Abgrenzung der anlagebedingt bevorteilten Grundstücke von den nicht bevorteilten Grundstücken in der ab 3 dB(A) spürbaren Lärmminderung, die schalltechnisch ermittelt werden kann. Erfaßt diese Lärmschutzlinie einen weit größeren Bereich bevorteilter Grundstücke, wenn alle vier planerischen Wallabschnitte geschlossen als Funktionseinheit wirken, wie es die Antragsgegnerin unter Berufung auf die Aussagen ihres schalltechnischen Sachverständigen selbst vorträgt, kann das nicht ohne Rückwirkung auf die Beurteilung der Reichweite der Lärmschutzanlage als selbständige Erschließungsanlage bleiben, die allein eine überzeugende Abgrenzung darin findet, daß ihr alle bevorteilten Grundstücke zugeordnet werden können.

15

Das bestätigt hier im Ergebnis auch noch folgende Kontrollüberlegung: Wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausgeht, daß der Lärmschutzwall jedes der vier Plangebiete eine selbständige Erschließungsanlage ist, wäre sie unter den hier gegebenen Voraussetzungen ausnahmsweise verpflichtet gewesen, alle vier Lärmschutzwälle zu einer Erschließungseinheit (§ 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB zusammenzufassen: Die vier Lärmschutzwälle stehen unstreitig in einer derartigen Beziehung zueinander, daß die eine (preiswertere) Anlage ihre Funktion nur im Zusammenwirken mit der anderen (aufwendigeren) Anlage in vollem Umfang zu erfüllen geeignet ist. Das System der vier einzelnen Erschließungsanlagen wäre durch die Plangrenzen des Bebauungsplanes Nr. 32 im Süden und des Bebauungsplanes Nr. 45 im Norden deutlich abgegrenzt. Bei der Aufwandsermittlung und Abrechnung dieser auf das jeweilige Plangebiet begrenzten Einzelanlagen müßten die Grundstücke in den dafür jeweils in Betracht kommenden wesentlich kleineren Erschließungsgebieten ungebührlich stark belastet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.09.1969 - IV C 106.67 -, DVBl 1970, 79), weil sie durch die von allen vier Lärmschutzwällen in der östlichen Tiefe wesentlich weitergehend bevorteilten Grundstücke nicht vorteilsgerecht entlastet würden. Unter diesen Umständen bleibt eine Abschnittsbildung der aus vier Plangebiets-Lärmschutzwällen bestehenden Immissionsschutzanlage ungeachtet der möglicherweise gewissen selbständigen Bedeutung einzelner Abschnitte und ihrer Abgrenzbarkeit in der Örtlichkeit oder nach der Bebauungsplangrenze ebenso wie bei einer Erschließungseinheit außer Betracht. Denn diese beiden Anforderungen an eine wirksame Abschnittsbildung sind letzten Endes darauf ausgerichtet, willkürliche Abschnittsbildungen zu verhindern; die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung findet eine bundesrechtliche Schranke im Willkürverbot (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1970 - IV C 24.69 -, KStZ 1971, 12). Zu nicht zu vertretenden und in diesem Sinne willkürlichen Beitragserhebungen führt hier aber jede Abschnittsbildung, weil sie stets notwendig eine große Anzahl von spürbar lärmentlasteten Grundstücken zu Lasten der übrigen erschlossenen Grundstücke von der Beitragspflicht auf Dauer ausgrenzt.

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Der Erschließungsbeitragsbescheid kann vom Gericht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.07.1983 - 2 B 176/81 -, NVWZ 1984, 645) schon deshalb nicht in einen Vorausleistungsbescheid gem. § 133 Abs. 3 BauGB auf den Erschließungsbeitrag für den Lärmschutzwall in seiner umfassenden Ausdehnung als selbständige Erschließungsanlage umgedeutet werden, weil es im Ermessen der Antragsgegnerin liegt, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will oder nicht (§ 11 Abs. 3 b NKAG i.V.m. § 128 Abs. 3 AO 1977). Im übrigen ist die Antragsgegnerin gegenwärtig auch noch nicht berechtigt, Vorausleistungen für den gesamten Lärmschutzwall zu erheben, weil es an der dafür erforderlichen wirksamen Beitragssatzung mangelt. Sie hat die Merkmale der endgültigen Herstellung des Lärmschutzwalles, der nicht notwendig auf der gesamten Länge einheitliche Abmessungen und Gestaltungen aufweisen muß, bisher noch nicht für die gesamte Anlage bestimmt und die Verteilungsregelung nicht allgemeingültig für alle Lärmschutzwälle im Gemeindegebiet oder doch jedenfalls für den gesamten Lärmschutzwall in den Plangebieten der Bebauungspläne Nr. 32-43, 45 und 46 in ihre Erschließungsbeitragssatzung übernommen. Entgegen dem Gebot der konkreten Vollständigkeit hat die Antragsgegnerin ihre Satzung über die Herstellung einer Immissionsschutzanlage (Schallschutzwall) und die 1. Änderungssatzung vom 27. Dezember 1987 auf das Bebauungsplangebiet Nr. 32 beschränkt. Mit der Änderungssatzung hat sie zwar die "zulässige Geschoßfläche" aus ihrer Verteilungsregelung für den Lärmschutzwall eliminiert, sie hat jedoch auf die Summen aus Grundstücksflächen und Grundflächenzahl abgestellt. Sinnvoll erscheint freilich nur ein Abheben auf die Summen von Grundstücksflächen und zulässigen Grundflächen. Abgesehen davon, daß die vom Lärmschutzwall betroffenen Plangebiete auch geringfügig differierende Grundflächenzahlen aufweisen, muß wohl auch berücksichtigt werden, daß der Kreis der vom Lärmschutzwall erschlossenen Grundstücke über die Plangebiete der Bebauungspläne 32, 43, 45 und 46 hinausreicht und damit möglicherweise auch unbeplantes Gebiet erfaßt. Insofern wäre eine klarstellende Regelung ratsam, daß sich die zulässige Grundfläche im unbeplanten Gebiet in sinngemäßer Anwendung des § 34 BauGB ergibt. Unbedenklich und praktikabel wäre es aber auch, im unbeplanten Gebiet bei bebauten Grundstücken auf die tatsächliche Grundfläche abzustellen und sie bei unbebauten Grundstücken nach der überwiegenden baulichen Nutzung der näheren Umgebung zu ermitteln. Nicht unbedenklich erscheint hingegen die fiktive Grundflächenzahl nach § 5 Nr. 4 der Satzung (ebenso wie die fiktive Geschoßflächenzahl nach § 6 Abs. 4 EBS), soweit damit unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten nicht zum Tragen kommen.

17

Ist dieser Mangel behoben, steht der Erhebung einer Vorausleistungserhebung nichts im Wege. Mit der endgültigen Herstellung der gesamten Anlage, deren voraussichtlich entstehender Erschließungsaufwand zur Grundlage einer Vorausleistung gemacht wird, ist wohl in absehbarer Zelt zu rechnen. Die voraussichtliche Höhe des Gesamterschließungsaufwandes ist unschwer berechenbar. Die Antragsgegnerin ist nur gehalten, ihrer Berechnung - unter Berücksichtigung aller etwa bereits feststehender Umstände - denjenigen Sachverhalt zugrunde zu legen, der zu jenem Zeltpunkt die größte Wahrscheinlichkeit einer späteren Realisierung für sich hat. Noch Ungewisse Berechnungsgrundlagen braucht sie nicht eigens zu konkretisieren (Driehaus, a.a.O. Rdn. 650). Jedenfalls dann, wenn sie die Vorausleistung auf die Baugenehmigung für das voraussichtlich erschlossene Grundstück stützt und nicht auf die begonnene Herstellung der Erschließungsanlage (§ 133 Abs. 3 BauGB), kommen Zweifel an der Erfüllung der Anforderungen des § 125 Abs. 1 bzw. 2 BauGB nicht zum Zuge (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.02.1985 - 8 C 114.83 -, DVBl 1985, 626). Diese Zweifel unter dem Gesichtspunkt der Planbindung sind aber vor der endgültigen Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag noch auszuräumen. Die Planunterschreitung bei der Herstellung der Wallabschnitte in den Plangebieten Nr. 32 und 43 von 2,25 m bzw. 2,65 m gegenüber der planerischen Kronenhöhe von 2,50 m bzw. 4,50 m ist nicht ohne weiteres nach § 125 Abs. 3 Nr. 1 BauGB gerechtfertigt, sondern nur dann, wenn diese Abweichungen mit den Grundzügen der Planung vereinbar sind. Das ist dann nicht der Fall, wenn der abweichend vom Bebauungsplan angelegte Lärmschutzwall den Grundstücken im Plangebiet nicht wenigstens den Lärmschutz vermittelt, der mit Rücksicht auf die Lärmbelastung durch die Bahnlinie für eine abwägungsfehlerfreie Festsetzung des allgemeinen Wohngebietes bei Erlaß des Bebauungsplanes unbedingt erforderlich war. Darauf ist nicht nur die Unterschreitung der planerisch festgesetzten Höhe des Lärmschutzwalles in seinen plangebietsbezogenen Realisierungsabschnitten zu untersuchen. Unter dem Gesichtspunkt der endgültigen Herstellung einer für die planerische Festsetzung als allgemeines Wohngebiet funktionstüchtigen Anlage ist ferner zu klären, ob eine Verlängerung des Lärmschutzwalles über die südliche Grenze des Bebauungsplanes Nr. 32 hinaus notwendig ist; dazu geben die im Widerspruchsverfahren erhobenen Einwände der Grundstückseigentümer der Flurstücke 235/37 und 235/22 Anlaß.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

19

Diese Entscheidung ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Schmaltz Dr. Greve Frohnecke