Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 28.02.2007, Az.: 13 A 3683/05

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
28.02.2007
Aktenzeichen
13 A 3683/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 62121
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2007:0228.13A3683.05.0A

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt im Rahmen des richterlichen Eildienstes nur entsprechend ihrer Teilzeitbeschäftigung eingesetzt zu werden. Sie ist Richterin am Amtsgericht in Hameln und derzeit lediglich mit der Hälfte der Wochenstundenzahl eines vollbeschäftigten Richters eingesetzt.

2

Das Präsidium des Amtsgerichtes H. traf am 10.01.2003 einen grundsätzlichen Beschluss zu den Regelungen eines richterlichen Eildienstes an Wochenenden und Feiertagen. Die nur anteilmäßige Heranziehung von teilzeitbeschäftigten Richtern zu diesem Bereitschaftsdienst sieht der Beschluss nicht vor.

3

Schon im Mai 2001 wandte sich die Klägerin an das Präsidium und bat um entsprechende Berücksichtigung ihrer Teilzeitbeschäftigung auch beim Einsatz im Rahmen des Bereitschaftsdienstes. Am 01.06.2006 beschloss das Präsidium jedoch, diesem Begehren nicht zu folgen. Die Klägerin nahm diese Entscheidung zunächst hin.

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Mit Schreiben vom 10.05.2005 wandte sich die Klägerin erneut an das Präsidium ihres Gerichts und beantragte die Regelung des Eildienstes dahingehend, dass die Belastung der Kolleginnen und Kollegen entsprechend dem Maß ihres regelmäßigen Dienstes erfolgt, etwa eine "Halbtagskraft" auch nur in jedem zweiten Eildienstturnus eingeplant wird.

5

Diesen Antrag lehnte das Präsidium in seiner Sitzung am 30.05.2005 ab. Die gegenwärtig gleiche Heranziehung aller Kollegen zum Bereitschaftsdienst entspreche dem Grundsatz der Kollegialität. Ein Ausgleich unterschiedlicher Belastungen würde nicht stattfinden. Dahinter stehe der Sachgesichtspunkt, dass ein Belastungsausgleich - wenn überhaupt - nur unter hohen unangemessenen Aufwand umgesetzt werden könnte. Weil nach alledem ein vollständiger Ausgleich nicht erreicht werden könne, folge die Einteilung zum Bereitschaftsdienst unter allen Aspekten dem Grundsatz der gleichmäßigen Heranziehung aller Richterinnen und Richter unabhängig von ihren Arbeitskraftanteilen, ihrem Dezernat und ihrem Alter als Ausfluss der Kollegialität und unter bewusster Überlassung an den Zufall, ob und in welchem Umfang über eine bloße Rufbereitschaft hinweg auch eine tatsächliche Tätigkeit entfaltet werden muss. Dafür spreche weiterhin der Gesichtspunkt der Kontinuität. In der Vergangenheit hätten heute teilzeitbeschäftigte Richter davon profitiert, dass, als sie noch vollbeschäftigt waren, andere Richter mit Stundenreduzierungen Bereitschaftsdienst im selben Umfange geleistet haben. Zudem sei die Mehrbelastung auf etwa zwei bis 4 Wochenenden bzw. Feiertage im Jahr begrenzt und deshalb zumutbar. Allerdings räumte das Präsidium auch ein, dass in der Vergangenheit es schwerbehinderten Richtern ermöglicht worden ist, statt einer Entlastung in der regulären Geschäftsverteilung auch eine Nichtheranziehung zum Bereitschaftsdienst unter Anrechnung auf die Schwerbehindertenreduzierung in Anspruch zu nehmen.

6

Dieser Beschluss wurde der Klägerin mit Schreiben vom 01.06.2005 bekannt gegeben.

7

Ebenfalls am 30.05.2005 beschloss das Präsidium den Eildienstplan für die Zeit vom 02.07.2005 bis 31.12.2005. Die Klägerin war danach für den 02. und 03. Juli sowie den 08. und 09.Oktober zum Bereitschaftsdienst eingeteilt. Auch im Jahr 2006 und im aktuellen Beschluss des Präsidiums für das erste Halbjahr 2007 wurde die Klägerin im gleichen Umfang wie Vollzeitkräfte zum Eil- und Bereitschaftsdienst herangezogen (Bl. 73 Gerichtsakte). Für das 1. Halbjahr 2007 wurde die Klägerin wie folgt eingeteilt: 24.02., 25.02., 02.06., 03.06.

8

Die Klägerin hat am 24.06.2005 Klage erhoben.

9

Sie ist der Ansicht, sie schulde dem Dienstherrn nur ihre halbe Arbeitskraft, bekomme entsprechend nur die Hälfte der vollen Bezüge und entsprechend später eine geringere Pension. Daher schulde sie auch nur entsprechende Leistungen im Rahmen des Bereitschaftsdienstes. Es sei unlogisch, unsachlich und ungerecht, sie im selben Umfang wie Vollzeitkräfte zum Eildienst heranzuziehen. Ein "Grundsatz der Kollegialität" könne das Recht nicht ersetzen ebenso wenig wie der Standpunkt, dass habe man schon immer so gemacht. Eine Entlastung für sie liege nicht darin, dass sie als einzige im Gericht kein sog. "Mischdezernat" zu bearbeiten habe. Ihr Dezernat habe zumindest bis einschl. 2006 vielmehr eine sehr hohe Pensenbelastung, weshalb ab 2007 die Belastung durch Herausnahme eines Buchstabens erst auf die Durchschnittsbelastung gekürzt werde.

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Die Klägerin beantragte zunächst (Schriftsatz vom 16.06.2005),

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1.) festzustellen, dass durch den Beschluss (gemeint ist der Beschluss des Präsidiums vom 30.05.2005, Anm. d. Gerichts)das Recht der Klägerin auf "Gleichbehandlung" ohne Rechtsgrund, d.h. rechtswidrig, verletzt wird,

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2. den Beschluss deswegen für nichtig zu erklären und

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3.) anzuordnen, dass die Klägerin nur mit der Hälfte der für Vollzeitrichter üblichen Eildienste belegt werden darf, solange ihre Beurlaubung fortbesteht.

14

Nunmehr beantragt die Klägerin (Schriftsatz vom 12.12.2006),

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festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, entsprechend den Beschlüssen des Amtsgerichts Hameln, in denen der Bereitschaftsdienst für die einzelnen Richter zugewiesen wird, und zwar sowohl dem aktuellen derzeitigen Beschluss für das Jahr 2006 als auch dem schon gefassten Beschluss für das erste Halbjahr 2007 Bereitschaftsdienst im vorgesehenen Umfang zu versehen, sondern stattdessen anstelle von jeweils zwei angesetzten Bereitschaftsdiensten an zwei Tagen (vier Tage) nur einen Bereitschaftsdienst an zwei Tagen zu leisten.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

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Er hält die Entscheidung des Präsidiums für sachgerecht, mithin nicht willkürlich und ermessensfehlerfrei. Eine genau gleiche Belastung aller Richter könne faktisch nicht erreicht werden. Die sich nach dem alten Pensensystem bzw. nach Pebb§y ergebenen Werte können lediglich Orientierungspunkte darstellen. Zwar sei das Präsidium bestrebt, eine gerechte Aufgabenverteilung zu erreichen, jedoch differenziere gleichwohl die tatsächliche Belastung auf Pensenbasis erheblich. Bezogen auf die Klägerin ergebe sich eine Belastung von 0,75 von 1,5 für ein ganzes Dezernat. Damit liege ihre Pensenbelastung jedenfalls nicht über dem Durchschnitt. Die zeitlichen Belastungen im Eildienst seien dem Zufall unterworfen, die dadurch bedingte Zusatzbelastung der Richter nur geringfügig. Einen Anspruch, ganze Tage vom Dienst freigestellt zu werden, gebe es im Übrigen für Teilzeitkräfte nicht. Entsprechend könne die Klägerin schon deswegen nicht begehren, nur zu jedem zweiten Eildienst herangezogen zu werden, sondern höchstens, statt 2 Stunden Rufbereitschaft nur für 1 Stunde zur Verfügung stehen zu müssen. Dies würde den Besonderheiten des Bereitschaftsdienstes aber nicht gerecht werden und auch nicht wirklich zu einer Entlastung der Klägerin führen. Daneben sei die Klägerin im Gegensatz zu allen anderen Kollegen des Gerichts bereits dadurch entlastet, dass sie als einzige kein "Mischdezernat" bearbeiten müsse. Es müsse letztendlich die Gesamtbelastung gesehen werden und es dürfe nicht ein einzelner Aspekt herausgegriffen werden. Nach Pebb§y liege die Belastung der Klägerin unter dem Schnitt des Kollegiums und de Gruppe.

18

Die Geschäftsverteilung sei durch das Präsidium beschlossen, dass auch insoweit volle richterliche Unabhängigkeit genieße. Die Regelung des Eil- und Bereitschaftsdienstes sei Teil der Geschäftsverteilung. Die Geschäftsverteilung unterliege nur der gerichtlichen Nachprüfung insoweit, wie die Entscheidung des Präsidiums ermessensfehlerhaft zustande gekommen sei, insbesondere auf Willkür oder der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhe. Derartige Fehler lägen hier jedoch nicht vor.

19

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und durch den Berichterstatter anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

20

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter.

22

Weiterhin ergeht im Einverständnis der Beteiligten die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

23

Die Klägerin hat ihre ursprünglichen Klageanträge, die auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse des Präsidiums zielten, nicht mehr aufrechterhalten. Insoweit ist das Verfahren einzustellen.

24

Die erhobene Feststellungsklage ist zulässig. Für eine Klage gegen einen Beschluss eines Gerichtspräsidiums ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Rechtsschutz gegen einen derartigen Beschluss kann im Wege der Feststellungsklage erreicht werden (BVerwG, Urteil vom 28.11.1975 - VII C 47.73 - BVerwGE 50, 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 09.06.1983 - 2 C 34/80 -, BVerwGE 67, 222 ff.¸ s.a. BayVGH, Beschl. v. 12.07.1993, 20 CE 93.1589 -, zit. n. Juris; Kissel, GVG, 3. Aufl. 2001, § 21e, Rdnr. 121). Da die vom Präsidium vorgenommene Geschäftsverteilung auf die Rechtsstellung des einzelnen Richters einwirkt, indem sie seine öffentlich-rechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen im Hinblick auf die von ihm wahrzunehmenden richterlichen Geschäfte regelt, besteht auch die Möglichkeit, dass durch die Zuteilung oder Nichtzuteilung von Geschäften ein Richter in seiner persönlichen Rechtsstellung gegenüber dem Staat verletzt wird (BVerfG, Urt. v. 28.11.1975, a.a.O., VG Weimar, Beschl. v. 23.06.2003 - 4 E 206/03.We, n. Juris).

25

Der Beschluss des Präsidiums ist jedoch nicht zu beanstanden. Nach § 21e Abs. 1 GVG verteilt nach den Vorschriften der §§ 21a ff. GVG das beim jeweiligen Gericht gebildete Präsidium die Geschäfte nach pflichtgemäßen Ermessen. Das Gericht kann bei der Überprüfung dieses Ermessens nicht das eigene Ermessen an die Stelle des Präsidiums setzen. Es kann die beschlossene Maßnahme nur auf etwaige Willkür (BVerwG, Beschl. vom 18.03.1982 - 9 CB 1076/91 - zit. n. Juris), oder auf Verstöße gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs oder auf eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit hin kontrollieren (VG Weimar, a.a.O.).

26

Dafür, dass das Präsidium des Amtsgerichts H. mit seinen Regelungen zum Eil- und Bereitschaftsdienst die Grenzen seines pflichtgemäßen Ermessens überschritten und willkürlich gehandelt hat, liegen keine Anhaltspunkte vor.

27

Zwar meint das Gericht, dass jedenfalls im Grundsatz bei der Geschäftsverteilung hinsichtlich des Eil- bzw. Bereitschaftsdienstes durchaus auch die Frage der Teilzeitbeschäftigung eine Rolle spielen kann. Im vorliegenden Fall ist es jedoch nicht willkürlich, die Klägerin im gleichen Umfang einzusetzen, wie ihre vollbeschäftigten Richterkollegen.

28

Dabei kann dahinstehen, ob - wie der Beklagte meint - die Klägerin stattdessen anderweitig (kein Mischdezernat) entlastet wurde, oder ob darin - so die Klägerin - keine Entlastung liegt. Bei der Einteilung zum Bereitschaftsdienst an nur zwei Wochenenden im Halbjahr ist die zusätzliche Belastung durch diese Dienste vernachlässigbar gering, so dass allein von daher das Präsidium nicht zwingend eine andere Regelung hätte treffen müssen. Die tatsächliche Belastung eines Richters während des Bereitschaftsdienstes ist zudem nicht vorhersehbar und von vielen Zufällen abhängig, so dass darauf bei der Geschäftsverteilung nicht abgestellt werden kann.

29

Lediglich ergänzend weist dass Gericht darauf hin, dass die Regelung, die der Klägerin vorschwebt, nicht die einzig andere mögliche darstellt. Denkbar und nicht willkürlich wäre es auch, beispielsweise als Entlastung den Bereitschaftsdienst bei Halbtagskräften auf nur eine Stunde zu verkürzen (was eben dann einen erhöhten Arbeitsanfall in dieser Stunde zur Folge hätte) oder zwei Halbtagskräfte gleichzeitig an einem Bereitschaftsdienst einzusetzen, die sich abwechselnd der Eingänge annehmen (was die zeitliche Inanspruchnahme an den Wochenenden der Klägerin durch den Bereitschaftsdienst an sich) aber nicht verringern und der Klägerin bei ihrem Anliegen letztendlich nicht weiterhelfen würde. Da aber bereits die vom Präsidium beschlossene Verfahrensweise nicht beanstandet werden kann, kommt es auf die Frage anderer möglicher Ausgestaltungen aber auch nicht mehr entscheidend an.

30

Zudem besteht die von der Klägerin beanstandete Verfahrensweise unbestritten beim Amtsgericht seit Jahrzehnten und soll auch nicht geändert werden. Da Richter regelmäßig nur vorübergehend teilzeitbeschäftigt sind, besteht im Regelfall ein gewisser Ausgleich darin, dass jetzt Teilzeitkräfte in ihrer früheren oder zukünftigen Vollzeitbeschäftigung davon profitierten bzw. profitieren werden, dass andere - in der Zeit dann teilzeitbeschäftigte - Kollegen Bereitschaftsdienst im gleichen zeitlichen Umfang leisten.

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Eine Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit ist ebenso wie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin nicht erkennbar.

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Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.