Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.02.2007, Az.: 7 A 5469/06

Anforderungen an die Feststellung des Vorliegens der Verbreitung jugendgefährdender Angebote; Überprüfung der Einhaltung der für die Fernsehanbieter geltenden Bestimmungen durch die zuständige Landesmedienanstalt; Zusammensetzung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM); Feststellung der möglichen beeinträchtigenden Wirkung auf eine bestimmte Altersstufe

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.02.2007
Aktenzeichen
7 A 5469/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 12472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2007:0206.7A5469.06.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 27.10.2008 - AZ: 10 LA 107/07

Fundstellen

  • JMS-Report 2007, 6
  • JMS-Report 2007, 8-10 (Volltext mit red. LS)
  • K&R 2007, 230-232 (Volltext mit red. LS)
  • MMR 2007, VIII Heft 3 (Pressemitteilung)
  • ZUM-RD 2007, 327-330
  • tv diskurs 2007, 104-106

Verfahrensgegenstand

Beanstandung einer Sendung F.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Hannover -7. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht G.,
den Richter am Verwaltungsgericht H., den Richter am Verwaltungsgericht I. sowie
die ehrenamtliche Richterin J. und den ehrenamtlichen Richter K.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein privater Fernsehsender, wendet sich gegen eine seitens der beklagten Landesmedienanstalt verfügte Beanstandung.

2

Die Klägerin strahlte am 07.11.2004 gegen 14.15 Uhr eine Folge der Doku-Soap-Serie "L." aus. In drei Handlungssträngen wurden drei Betriebe vorgestellt, die Pkw's bzw. Zubehör verkaufen. Gegenstand der Beanstandung ist die Darstellung der Verkäufer M. und N., die als Arbeitgeber (u.a.) Vorstellungsgespräche für die Stelle einer Reinigungskraft führen. Sie haben neben einer jungen Frau zwei weitere Bewerberinnen eingeladen; N. nennt diese beiden die "Putzen vom Arbeitsamt". Beim Anblick dieser Bewerberinnen schüttelt er sich und sagt: "Das wird bestimmt grässlich". Die Autohändler werfen der ersten Arbeitssuchenden ohne Vorwarnung Büromaterial vom Schreibtisch zu; N. sagt zu der dadurch erschreckten Frau: "Hättest Du 'mal was Vernünftiges gelernt, hättest Du nicht putzen müssen. Und jetzt 'raus!" Weiterhin äußert er, nachdem die Bewerberin das Büro verlassen hat: "Die hat bestimmt 'mal auf der Geisterbahn gearbeitet." Der zweiten Bewerberin stellen die Autohändler Fangfragen, die diese nicht beantworten kann. Sie wird aufgefordert, das Büro zu verlassen und über die Fragen nachzudenken. N. bezeichnet die Bewerberin als "Toastbrot". Als dritte Bewerberin erscheint die junge Frau. Sie wird sofort eingestellt, ohne dass mit ihr im Einzelnen ein Einstellungsgespräch geführt wird. Auf dem Parkplatz informieren M. und N. die beiden anderen Bewerberinnen. Die junge Frau habe die Anstellung bekommen, weil sie "so kleine Hände habe." Als diese wegfährt, sagt N., "die Perle" werde ihnen noch lange erhalten bleiben.

3

Die Beklagte legte die Sendung im Januar 2005 der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) vor. Nachdem eine fünfköpfige Prüfgruppe der KJM im Rahmen einer Vorprüfung einstimmig die Feststellung eines Verstoßes gegen den Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag -JMStV-) empfohlen, ein dreiköpfiger Prüfausschuss -der 16. Prüfausschuss -der KJM jedoch nicht einstimmig entschieden hatte, nahm das KJM-Plenum eine Prüfung im Umlaufverfahren vor und stellte im Mai 2005 mit 7:5 Stimmen einen Verstoß gegen den JMStV fest.

4

Mit Schreiben vom 01.06.2005 hörte die Beklagte die Klägerin zu der beabsichtigten Beanstandung an. Unter dem 11.07.2005 nahm die Klägerin Stellung: Es handele sich um eine auch für Jugendliche erkennbare Überzeichnung der durchweg negativ dargestellten Charaktere der Autoverkäufer, die schon deshalb nicht beispielgebend für jugendliche Zuschauer sein könnten. Allerdings bediene die Sendung klischeehafte Ressentiments; die Sendung werde deshalb nicht ein zweites Mal ausgestrahlt. Die Anhörung erst nach erfolgter Entscheidung der KJM, an die die Beklagte gebunden sei, werde ihrem Zweck nicht gerecht. Der Stellungnahme war eine Prüfentscheidung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) beigefügt. Diese kam zu dem Ergebnis, dass das Auftreten von N. und M. das im Tagesprogramm bis 20.00 Uhr Zulässige überschreite.

5

Der Vorsitzende der KJM legte daraufhin den Fall unter dem 05.09.2005 erneut dem seinerzeit zur Entscheidung berufenen (19.) Prüfausschuss vor; dieser kam im September 2005 im Umlaufverfahren einstimmig zu dem Ergebnis, die o.g. Sendung stelle einen Verstoß gegen Jugendschutzbestimmungen der JMStV dar.

6

Mit Bescheid vom 17.10.2005 stellte die Beklagte 1.) fest, dass die Klägerin durch die Ausstrahlung der Sendung "L." am 07.11.2004 gegen 14.15 Uhr gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 JMStV verstoßen habe, forderte 2.) die Klägerin und deren namentlich genannte Geschäftsführerin auf, den unter 1.) genannten Verstoß künftig zu unterlassen und setzte 3.) für dieses Verfahren Kosten (Gebühren und Auslagen) in Höhe von 1.005,29 EUR fest.

7

Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, gemäß § 5 Abs. 1 JMStV sei der Rundfunkveranstalter verpflichtet, Angebote, die eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben könnten, so im Programm zu platzieren, dass sie von dieser Altersgruppe üblicherweise nicht wahrgenommen werden können. Als entwicklungsbeeinträchtigend könne eine Sendung (u.a.) dann bezeichnet werden, wenn sozialethische Desorientierungen beispielsweise durch Vermischung von Realität und Fiktion zu befürchten seien. Dies sei hier der Fall. Ein grundlegendes Erziehungsziel sei die Fähigkeit zum respektvollen Umgang mit anderen Menschen und die Anerkennung der Gleichberechtigung von Mann und Frau. In den Ausschnitten mit den Autohändlern M. und N. werde ein frauenverachtendes Rollenbild unkritisch dargestellt. Die beiden arbeitssuchenden Frauen würden sehr respektlos behandelt. Die Bewertung der Bewerberinnen erfolge erkennbar nicht nach ihren Fähigkeiten, sondern werde gesteuert nach Aussehen und Alter der Frauen und wirke damit leichtfertig aus einer Laune heraus getroffen. Da die Sendung im Reality-Format konzipiert sei, seien keine Elemente enthalten, die das Fehlverhalten der beiden Autohändler kritisiere. Insbesondere bei männlichen Jugendlichen unter 16 Jahren, die in ihrem Rollenverständnis und Charakter noch nicht gefestigt seien, könnten diese Darstellungen entwicklungsbeeinträchtigend wirken. Die sich gegenüber Frauen sehr machohaft und abwertend verhaltenden Charaktere könnten von Jugendlichen durchaus als positiv wahrgenommen werden. Die Männer verkauften Autos, setzten sich mit ihrer Art in der Geschäftswelt durch und seien in der Position, Frauen nach Laune behandeln zu können. Zuschauenden weiblichen Jugendlichen werde hingegen suggeriert, dass ein respektloses und verachtendes Verhalten gegenüber Frauen zum Alltag gehöre und unkritisch hingenommen werden müsse; dieses könne auf sie verunsichernd wirken. Die FSF sehe dies jedenfalls für Kinder unter 12 Jahren ebenso.

8

Die Klägerin hat am 07.11.2005 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der Beschluss des (19.) Prüfausschusses, den der angegriffene Bescheid nachvollziehe, sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die KJM sei ein Ausschuss im Sinne der §§ 88 ff. VwVfG und könne gem. § 90 Abs. 1 VwVfG Entscheidungen auch im schriftlichen Verfahren treffen. Dies gelte jedoch gem. § 88 VwVfG dann nicht, wenn in einer Rechtsvorschrift abweichendes bestimmt sei. Eine solche Regelung stelle § 14 Abs. 5 JMStV dar. Nach § 14 Abs. 5 S. 1 JMStV könne die KJM Prüfausschüsse bilden, die bei Einstimmigkeit gem. § 14 Abs. 5 S. 3 JMStV an Stelle der KJM entschieden. Diese Vorschrift sei eine (Spezial-)Regelung zur Verfahrensbeschleunigung.

9

Daneben sei kein Raum für eine weitere Verfahrensbeschleunigung durch ein schriftliches Verfahren. Wegen der Vielfalt der persönlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten müsse ein unmittelbarer Austausch und eine gegenseitige Beratung der Mitglieder der KJM stattfinden. Dies sei auch der Sinn von Gremienentscheidungen. Das schriftliche Umlaufverfahren habe daher Ausnahmecharakter und sei auf Routineentscheidungen oder dringliche Verfahren beschränkt, bei denen zu erwarten sei, dass eine einstimmige Entscheidung getroffen werde. Dies sei hier bereits deshalb nicht gegeben, weil die Mitglieder des zu nächst befassten (16.) Prüfausschusses nicht einstimmig votiert hätten und dann auch die KJM mit 7:5 Stimmen entschieden habe. Eine Eilbedürftigkeit sei vorliegend nicht festzustellen. Sie, die Klägerin, sei erst angehört worden, nachdem die KJM entschieden habe; ihr sei damit rechtliches Gehör verweigert worden. Dieser Gehörsverstoß sei auch nicht durch die Befassung und Entscheidung des (19.) Prüfausschusses geheilt worden. Denn es müsse durch jenes Gremium nachträglich rechtliches Gehör gewährt werden, das die Entscheidung getroffen habe. Es sei unzulässig gewesen, nach der Anhörung eine Entscheidung des Prüfausschusses herbeizuführen, denn nach § 14 Abs. 5 i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 JMStV könne der Prüfausschuss (bei Einstimmigkeit) nur anstelle der KJM entscheiden, wenn diese noch nicht mit der Sache befasst gewesen sei.

10

Die Klägerin beantragt,

die Entscheidungen zu Ziffern 1) und 3) in dem Bescheid der Beklagten vom 17.10.2005 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Die Beklagte tritt dem Klagevorbringen entgegen.

13

Das KJM-Plenum hat während des Klageverfahrens am 05.04.2006 mit 7:0:1 Stimmen den Beschluss gefasst, die KJM gehe weiterhin von der Rechtmäßigkeit ihres Verfahrens in dem streitigen Prüffall aus. Es hat weiter "vorsorglich" beschlossen, die Sendung "O." am 07.11.2004 im Programm der Klägerin habe gegen § 5 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 3 Nr. 2 JMStV verstoßen und gegenüber der Klägerin sei eine Beanstandung und eine Sendezeitbeschränkung auszusprechen gewesen.

14

Die Klägerin meint hierzu, der Gehörsverstoß sei auch durch den Beschluss des KJM-Plenums vom 05.04.2006 nicht geheilt worden, denn dieses habe sich nicht "ergebnisoffen" mit der beanstandeten Sendung befasst; aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich, dass über den Inhalt der Sendung nicht diskutiert worden sei. Das Sitzungsprotokoll enthalte weder einen Anhalt dafür, dass die Teilnehmer die Sendung angesehen hätten noch dafür, dass ihnen ihre, der Klägerin, Stellungnahme vom 11.07.2005 vorgelegen habe.

15

Die Beklagte erwidert, das KJM-Plenum sei aufgrund einer eigenständigen neuen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beanstandung auszusprechen sei; der Sachverhalt sei den Mitgliedern der KJM bekannt gewesen.

16

Die Beteiligten haben auf eine Inaugenscheinnahme der beanstandeten Sendung in der mündlichen Verhandlung verzichtet. Die beanstandeten Teile der Sendung wurden von der Kammer während der Beratung in Augenschein genommen.

17

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vorgelegten Verwaltungsvorgänge und des Protokolls der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17.10.2005 ist hinsichtlich seiner von der Klägerin angegriffenen Entscheidungen zu Ziffern 1) und 3) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er findet seine Rechtsgrundlage in § 12 Abs. 3 des Nds. Mediengesetzes (NMedienG).

19

1.

Es kann dahingestellt bleiben, ob -nachdem die Beklagte die Klägerin im Juni/Juli 2005 angehört hatte -die Sache dem seinerzeit zur Entscheidung berufenen (19.) Prüfausschuss vorgelegt werden durfte bzw. vorzulegen war oder -weil bereits das KJM-Plenum nach vorangegangener, nicht einstimmiger Entscheidung des (16.) Prüfausschusses vor der Anhörung bereits mit der Sache befasst gewesen war -(erneut) das KJM-Plenum die Prüfung vorzunehmen hatte. Es kann an dieser Stelle auch offen bleiben, ob das KJM-Plenum im Mai 2005 bzw. der (19.) Prüfausschuss im September 2005 jeweils im Umlaufverfahren entscheiden durften. Denn jedenfalls haftet dem angefochtenen Bescheid entgegen der Auffassung der Klägerin ein Verfahrensfehler nicht (mehr) an. Die KJM hat als Plenum in ihrer Sitzung am 05.04.2006 -also, wie von der Klägerin gefordert, im Wege der Präsenzprüfung -durch (wirksamen) Beschluss einen Verstoß der beanstandeten Sendung gegen die Vorschriften des JMStV festgestellt; zu diesem Zeitpunkt war die Anhörung der Klägerin zulässigerweise nachgeholt (§ 1 Abs. 1 Nds. Verwaltungsverfahrensgesetz i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG). Ein etwaiger Verfahrensfehler durch die fehlende erneute Befassung des KJM-Plenums nach Anhörung der Klägerin nist damit geheilt (vgl. § 45 Abs. 1 Nrn. 4 und 5, Abs. 2 VwVfG).

20

Gemäß § 14 Abs. 1 JMStV überprüft die zuständige Landesmedienanstalt die Einhaltung der für die Anbieter geltenden Bestimmungen nach dem JMStV; sie trifft entsprechend den Bestimmungen des JMStV die jeweiligen Entscheidungen. Nach § 14 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 JMStV wird die KJM gebildet, die der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt als Organ bei der Erfüllung ihrer Aufgabe nach § 14 Abs. 1 JMStV dient. Die KJM besteht aus 12 Sachverständigen; hiervon werden sechs Mitglieder aus dem Kreis der Direktoren der Landesmedienanstalten, die von den Landesmedienanstalten im Einvernehmen benannt werden, vier Mitglieder von den für den Jugendschutz zuständigen obersten Landesbehörden und zwei Mitglieder von der für den Jugendschutz zuständigen obersten Bundesbehörde entsandt (§ 14 Abs. 3 Sätze 1 u. 2 JMStV). Die KJM fasst ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder (§ 17 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs JMStV; § 5 Abs. 2 Satz 1 der Geschäfts-und Verfahrensordnung der KJM -GVO-KJM-). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GVO-KJM ist die KJM beschlussfähig, wenn die Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder anwesend ist.

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Das KJM-Plenum war am 05.04.2006 beschlussfähig, da 8 Mitglieder anwesend waren.

22

Es fasste den streitgegenständlichen Beschluss mit 7:0:1 Stimmen, also der Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder.

23

Die Klägerin kann mit ihren Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung nicht durchdringen. Der Inhalt der beanstandeten Sendung war den Mitgliedern der KJM bekannt, da sich die KJM bereits im Mai 2005 -seinerzeit im Umlaufverfahren -mit der Sache befasst hatte. Aus dem Protokoll der Sitzung der KJM am 05.04.2006 geht hervor, dass -entsprechend § 4 Abs. 5 GVO-KJM -der Sachverhalt vorgetragen wurde. Dieser "Bericht" (so das Protokoll) erläuterte insbesondere den Ablauf des Prüfverfahrens in dieser Sache und die sich daraus nach Auffassung der Klägerin ergebende rechtliche Problematik, wie sie die Klägerin in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung dargelegt hatte. Soweit die Klägerin rügt, die KJM habe sich nicht "ergebnisoffen" mit der beanstandeten Sendung befasst, denn aus dem Sitzungsprotokoll ergebe sich, dass über den Inhalt der Sendung nicht diskutiert worden sei, vermag dem die Kammer nicht zu folgen.

24

Die Entscheidung darüber, ob und in welcher Intensität die Mitglieder der KJM über einen Prüffall diskutieren, ist Teil ihrer sachverständigen und weisungsunabhängigen Tätigkeit.

25

Sie treffen in dem vom Gesetzgeber und der Geschäftsordnung vorgegebenen rechtlichen Rahmen nicht nur (unabhängig) die Entscheidungen in der Sache, sondern bestimmen auch das Procedere der Entscheidungsfindung. Anhaltspunkte dafür, dass etwa dem Wunsch eines Mitgliedes, die Prüfentscheidung zu diskutieren, nicht entsprochen worden ist, sind nicht ersichtlich.

26

2.

Der angegriffenen Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend einen Verstoß gegen die die Rundfunkfreiheit beschränkenden (vgl. Art. 5 Abs. 2 GG) Vorschriften des JMStV festgestellt.

27

a.

Gemäß § 5 Abs. 1 JMStV haben Anbieter, die Angebote verbreiten oder zugänglich machen, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen; nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 JMStV kann der Anbieter seiner Pflicht aus Absatz 1 dadurch entsprechen, dass er die Zeit, in der die Angebote verbreitet oder zugänglich gemacht werden, so wählt, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen.

28

Bei der Feststellung, für welche Altersstufe bestimmte Inhalte beeinträchtigend wirken können, ist nicht nur auf den durchschnittlichen sondern auch auf den gefährdungsgeneigten Minderjährigen abzustellen (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Komm. z. JMStV, § 5 Rdnr. 11).

29

Die Beklagte hat in ihrem angefochtenen Bescheid vom 17.10.2005 eingehend dargelegt, aus welchen Gründen die streitgegenständliche Sendung im Hinblick auf die relevante Zuschauergruppe der 12-bis unter 18-jährigen ein entwicklungsbeeinträchtigendes Potential enthält. Sie führt plausibel aus, dass durch die beanstandete Sendung die Möglichkeit einer negativen Beeinflussung zuschauender Kinder und Jugendlicher insbesondere aufgrund einer möglichen Beeinträchtigung der sozialethischen Entwicklung gegeben ist.

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Die Kammer teilt die Ansicht der Beklagten, dass sich die Autohändler M. und N. frauenverachtend verhalten, indem N. die beiden zuerst gezeigten Bewerberinnen für die Stelle einer Reinigungskraft als "Putzen vom Arbeitsamt" bezeichnet, sich bei ihrem Anblick schüttelt und sagt, "das wird bestimmt grässlich", im Anschluss daran die Autohändler der ersten Bewerberin ohne Vorwarnung Büromaterial vom Schreibtisch zuwerfen und N. zu der dadurch erschreckten Frau sagt, "Hättest Du 'mal was Vernünftiges gelernt, hättest Du nicht putzen müssen. Und jetzt 'raus!". Der betont respektlose Umgang mit diesen beiden Arbeitssuchenden, der sich bereits darin zeigt, dass sie ohne weiteres mit "Du" angeredet werden, setzt sich fort, indem N. -nachdem die erste Bewerberin das Büro verlassen hat -sagt, "Die hat bestimmt 'mal auf der Geisterbahn gearbeitet." und die beiden Männer der zweiten Bewerberin -offensichtlich um diese vorzuführen -Fangfragen stellen, die diese nicht beantworten kann, woraufhin N. die Bewerberin als "Toastbrot" bezeichnet.

31

Die Beklagte führt zutreffend aus, dadurch werde ein Rollenbild gezeichnet, das dem Erziehungsziel, die Fähigkeit zum respektvollen Umgang mit anderen Menschen und die Anerkennung der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu vermitteln, zuwiderlaufe. Die Befürchtung der Beklagten, dass männliche Jugendliche, deren Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, das machohafte Verhalten der beiden Autohändler als positiv wahrnähmen, weil es in der beanstandeten Sendung nicht kritisch hinterfragt werde, erscheint begründet. Vielmehr werden M. und N. für ihr "cooles" Verhalten "belohnt", indem die junge Frau, die sie attraktiv finden, die Arbeitsstelle als Reinigungskraft annimmt, während die beiden verhöhnten Bewerberinnen sich nicht zur Wehr setzen. Wie die Beklagte nachvollziehbar darlegt, wird weiblichen Jugendlichen dadurch suggeriert, ein respektloses und verachtendes Verhalten von Männern gegenüber Frauen gehöre zum Alltag und müsse von letzteren hingenommen werden.

32

Die Klägerin hätte deshalb die beanstandete Sendung nicht im Nachmittagsprogramm ausstrahlen dürfen.

33

b.

Die Klägerin wehrt sich schließlich erfolglos gegen die in Nr. 3 des angegriffenen Bescheides getroffene Kostengrundentscheidung. Diese beruht auf § 14 Abs. 9 JMStV i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Gebühren und Auslagen der KJM (KJM-Kostensatzung). Gegen die anhand § 3 KJM-Kostensatzung i.V.m. deren Gebührentarif (dort Nr. 8) erfolgte Gebührenbemessung hat sich die Klägerin nicht gewandt. Die Gebührenhöhe wäre dessen ungeachtet auch nicht zu beanstanden. Die festgesetzte Gebühr erreicht den Mittelwert der von 100,00 bis 2.500,00 EUR reichenden Rahmengebühr nicht, so dass eine nähere Begründung der Gebührenfestsetzung entbehrlich erscheint.

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3.

Die Klägerin hat als Unterlegene gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

35

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.