Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.03.2007, Az.: 6 A 8697/06

Bewegungsenergie; Bundeskriminalamt; Feststellungsbescheid; Geschoss; grobe Pflichtverletzung; Mitbringen; Ordnungsmaßnahme; Pflichtverletzung; Schule; Schüler; Soft-Air-Waffe; Spielzeugwaffe; Verbot; Verbotsvorschrift; Waffe; Waffenbegriff; Waffenerlass; Waffenverbot

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.03.2007
Aktenzeichen
6 A 8697/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71889
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Einem Schüler kann es nicht als grobe Pflichtverletzung vorgeworfen werden, dass er schulrechtliche Verbotsvorschriften nicht in dem von der Schule - nachträglich - erwünschten Sinne interpretiert hat, wenn diese zumindest mehrdeutig sind.

2. Dem Erlass des Nds. Kultusministeriums "Verbot des Mitbringens von Waffen usw. in Schulen" (sog. Waffenerlass; vom 29.6.1977, zuletzt geändert durch Erlass vom 15.1.2004, SVBl. S. 133) lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass auch das Mitbringen von Gegenständen verboten sein soll, die dem Grunde nach einen Waffenbegriff des Waffengesetzes erfüllen können, aber vom Anwendungsbereich des Waffengesetzes ausgenommen sind.

3. Soft-Air-Spielzeugwaffen mit einer Bewegungsenergie der Geschosse von weniger als 0,5 Joule werden nach Maßgabe der gemäß § 2 Abs. 5 Waffengesetz erlassenen Feststellungsbescheide des Bundeskriminalamtes vom 3. Mai und 18. Juni 2004 nicht als Waffen im Sinne des Waffengesetzes eingestuft (wie BayVGH, Beschluss vom 16.6.2005, NVwZ-RR 2006 S. 545 [VGH Bayern 16.06.2005 - 7 ZB 05.918]).

Tatbestand:

1

Der Kläger zu 1. nahm als Schüler der beklagten Realschule in der Zeit vom 15. bis 19. Mai 2006 an einer als Abschlussfahrt der Klasse 10 a veranstalteten Schulfahrt nach Prag teil. Während des Aufenthalts in Prag besuchte die Klasse dort gemeinsam einen Markt, auf dem der Kläger zu 1. eine Soft-Air-Spielzeugwaffe erwarb. Die war in schwerer Ausführung unter Verwendung von Metallteilen und einem Metallmagazin als äußerliche Nachbildung des allgemein bekannten Sturmgewehrs AK 47 hergestellt. Der Produktbeschreibung eines Händlers zufolge erzeugt die durch einen batteriebetriebenen Elektromotor angetriebene Schussvorrichtung der Spielzeugwaffe eine Bewegungsenergie der Geschosse von weniger als 0,5 Joule.

2

Auf der Rückfahrt von Prag nach K. wurde der Reisebus der Klasse von Beamten der Bundespolizei kontrolliert. Dabei gab der Kläger zu 1. auf gezieltes Befragen an, eine Soft-Air-Waffe gekauft zu haben. Diese wurde, da die Beamten ein in Ausführung der Spielzeugsicherheits-Richtlinie 93/68EWG angebrachtes CE-Zeichen auf der Waffe nicht entdecken konnten und der Kläger zu 1. auch nicht mehr die Verpackung der Waffe besaß, beschlagnahmt. Daneben wurden von Mitschülern des Klägers zu 1. in Prag erworbene andere Gegenstände wie Butterfly-Messer, Wurfmesser und ein Schlagring beschlagnahmt.

3

Am 20. Mai 2006 schloss der Schulleiter der Beklagten den Kläger zu 1. sowie andere Schüler für die Zeit vom 22. bis 29. Mai 2006 vom Unterricht aus. Dies teilte er den Klägern zu 2. und 3. als Eltern des Schülers mit einem formlosen Bescheid vom selben Tag mit. Zur Begründung führte er aus, der Kläger zu 1. habe durch den Kauf der Soft-Air-Waffe aus Metall gegen das Waffengesetz und den Waffenerlass verstoßen.

4

Am 29. Mai 2006 fand eine Klassenkonferenz der Klasse 10 a statt, bei der dem Kläger zu 1. ausweislich des Konferenzprotokolls vorgehalten wurde, mit dem Kauf der Soft-Air-Waffe gegen den Waffenerlass und die Schulordnung verstoßen zu haben. Die Konferenzniederschrift enthält die Feststellung, dass der Kläger zu 1. während der Konferenz erklärt habe, sich bereits vor Antritt der Klassenfahrt erkundigt und festgestellt zu haben, dass er die Soft-Air-Waffe in Prag erheblich preiswerter als in Deutschland kaufen könne.

5

Die Konferenz beschloss, dem Kläger die Anfertigung eines ca. 10 Seiten umfassenden Referats als Erziehungsmittel aufzugeben und ihm zugleich als Ordnungsmaßnahme den Ausschluss vom Unterricht anzudrohen.

6

Dieser Beschluss wurde mit Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2006 ausgeführt. In der Begründung des Bescheides heißt es, dass der Kläger zu 1. mit dem Kauf der Soft-Air-Waffe gegen den Waffenerlass und die Schulordnung verstoßen und damit ernstlich die Sicherheit von Menschen gefährdet habe. Auf die in der Klassenkonferenz geäußerten und den Gründen des Bescheides wiedergegebene Auffassung der Kläger, dass der Kauf der Soft-Air-Waffe nicht gegen den Waffenerlass verstoße, ging die Beklagte nicht ein. Abschließend heißt es aber in dem Bescheid, die Schule hoffe sehr, dass der Kläger zu 1. in Zukunft den Schulbetrieb nicht mehr durch Verstöße gegen das Waffengesetz beeinträchtige und vereinbarte Regeln einhalte.

7

Die Kläger zu 2. und 3. erhoben am 15. Juni 2006 sowohl gegen den Bescheid des Schulleiters vom 20. Mai 2006 als auch gegen den Bescheid der Schule vom 30. Mai 2006 Widerspruch. Darin machten sie geltend, dass der Klassenlehrer der Klasse 10 a das Ausprobieren der Soft-Air-Waffen an dem Marktstand zwar beobachtet, aber nicht auf das Waffengesetz und den Waffenerlass hingewiesen habe. Daneben beanstandeten die Kläger das Verfahren des vorläufigen Unterrichtsausschlusses und der Einladung, des Ablaufs der Klassenkonferenz sowie die geäußerte Einstellung des Schulleiters der Beklagten zu den einzuhaltenden rechtlichen Bestimmungen. Auch sei in der Konferenz der Frage des Klägers zu 3., warum ausgerechnet der Klassenlehrer der Klasse 10 a von den Käufen der Kläger in Prag nichts bemerkt habe, bewusst aus dem Weg gegangen worden. In der Sache liege weder ein Verstoß gegen das Waffengesetz noch gegen den Waffenerlass vor. Dass der Kläger zu 1. erklärt habe, er habe sich schon vor der Abschlussfahrt erkundigt, ob er die Soft-Air-Waffe in Prag kaufen könne, sei nicht wahr. Der von der Schule zur Begründung der Ordnungsmaßnahme nachgeschobene Verstoß gegen die Schulordnung liege ebenfalls nicht vor, denn die Schulordnung spreche nur ein Verbot auf dem Schulgelände und im Schulgebäude aus.

8

Am 29. Juni 2006 beschloss die Klassenkonferenz der Klasse 10 a, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Dabei wies der Schulleiter darauf hin, dass er die betroffenen Schüler im Wege der Eilmaßnahme vom Unterricht ausgeschlossen habe, weil diese mit dem Kauf von Waffen die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet und mit den Soft-Air-Waffen auf dem Zimmer Schießversuche durchgeführt hätten. Auch hätten sie keinerlei Unrechtsbewusstsein gezeigt. Deshalb habe nicht ausgeschlossen werden können, dass sie auch in Zukunft Waffen mit in die Schule brächten. Bezüglich der Ordnungsmaßnahme ging die Konferenz weiterhin davon aus, dass der Kläger zu 1. mit dem Kauf und die Mitnahme der Waffe gegen die Verbote der Schulordnung und des Waffenerlasses verstoßen habe.

9

Der Kläger zu 1. hat den Besuch der Beklagte mit dem Erwerb des Realschulabschlusses beendet und besucht seit Beginn des Schuljahres 2006/2007 eine berufsbildende Schule in K..

10

Die Landesschulbehörde wies den Widerspruch der Kläger zu 2. und 3. gegen den Bescheid über die Ordnungsmaßnahme vom 30. Mai 2006 als unbegründet zurück. Den Widerspruch gegen den Bescheid des Schulleiters vom 20. Mai 2006 beschied sie dagegen nicht. Die Widerspruchsbehörde traf ferner die Entscheidung, dass die Kläger zu 2. und 3. die Kosten des Vorverfahrens tragen. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Landesschulbehörde aus, dass die vom Kläger erworbene Soft-Air-Waffe zwar nicht unter das Waffengesetz falle, sie dürfe aber wie auch andere frei verkäufliche Gegenstände wie Messer usw. nicht in die Schule oder zu Schulveranstaltungen mitgebracht werden, denn nach dem Waffenerlass sei auch das Mitbringen waffenähnlicher Gegenstände nicht gestattet. Soft-Air-Waffen seien gefährlich, weil von ihnen eine Verwechselungsgefahr ausgehe und Verletzungen hervorrufen könnten. Die Ordnungsmaßnahme solle dem Schüler deutlich machen, dass er sich nicht korrekt verhalten habe und ein solches Fehlverhalten gepaart mit mangelndem Schuldbewusstsein nicht toleriert werde.

11

Die Kläger haben am 8. Dezember 2006 Klage erhoben.

12

Sie vertreten die Auffassung, dass die von der Beklagten mit Bescheiden vom 20. und 30. Mai 2006 bekannt gegebenen Verwaltungsakte rechtswidrig seien. Die Voraussetzungen einer schulrechtlichen Ordnungsmaßnahme lägen in beiden Fällen nicht vor. Der Kläger zu 1. habe mit dem Kauf der Spielzeugwaffe weder gegen schulrechtliche Verpflichtungen verstoßen noch die Sicherheit anderer ernstlich gefährdet.

13

Die Kläger beantragen,

14

festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2006 und deren Bescheid vom 30. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Landesschulbehörde vom 7. November 2006 rechtswidrig waren.

15

Die Kläger zu 2. und 3. beantragen ferner,

16

die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid der Landesschulbehörde vom 7. November 2006 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Die Beklagte wiederholt im Wesentlichen die Gründe des Widerspruchsbescheides und trägt ergänzend vor, aus dem Protokoll der Abhilfekonferenz vom 29. Juni 2006 folge eindeutig, dass der Klassenlehrer die Schüler nicht beim Ausprobieren der Soft-Air-Waffen beobachtet habe. Selbst wenn dieses der Fall gewesen wäre und der Klassenlehrer sogar den Waffenkauf beobachtet haben sollte, ohne dagegen einzuschreiten, entlastete dieses den Schüler nicht. Denn ihm sei bekannt gewesen, dass er auf der Klassenfahrt keine Waffen mitführen durfte. Da der Kläger zu 1. den Verstoß gegen das Waffenverbot vor der Klassenfahrt geplant habe, sei es nicht auszuschließen gewesen, dass er die Waffe in die Schule mitgebracht hätte. Angesichts der bekannten tragischen Zwischenfälle im Zusammenhang mit Waffenbesitz in Schulen, habe sie, die Beklagte, präventiv klarstellen müssen, dass Derartiges nicht geduldet werde.

Entscheidungsgründe

20

Die im Übrigen von den Klägern erhobene Feststellungsklage, die sich erkennbar nur auf die Ordnungsmaßnahmen der Schule und nicht auf das mit Bescheid vom 30. Mai 2006 mitgeteilte Erziehungsmittel bezieht, ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO über die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend auf Fälle anzuwenden ist, in denen sich ein Verwaltungsakt vor Klagerhebung erledigt hat (BVerwG, Urt. vom 14.7.1999, BVerwGE 109, 203 ff. = NVwZ 2000 S. 63, 64, m.w.N.). Wenn in der Widerspruchsschrift der Kläger zu 2. und 3. vom 9. Juni 2006 nicht zum Ausdruck kommt, dass die Eheleute den Widerspruch auch im Namen ihres Sohnes einlegen wollten, steht dies der Zulässigkeit der Feststellungsklage des Klägers zu 1. nicht entgegen. Insoweit reicht es aus, dass die Bescheide der Beklagten vom 20. und 30. Mai 2006 von den Eltern des Schülers angefochten worden ist. Hat sich ein Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft erledigt, so ist eine Klage, die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtet ist, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO gebunden (BVerwG, Urt. vom 14.7.1999, a.a.O., NVwZ 2000 S. 64 [BVerwG 14.07.1999 - BVerwG 6 C 7/98]).

21

Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide der Beklagten, dass sich bei Eintritt einer Erledigung angefochtener Verwaltungsakte vor Klageerhebung nach Maßgabe des § 43 Abs. 2 VwGO beurteilt, ist gegeben. Ordnungsmaßnahmen der in § 61 Abs. 3 Nr. 2 bis 6 NSchG genannten Art gehen stets mit Eingriffen der Schule in die Grundrechte von Schülern aus Art. 2 Abs. 1 GG und ihrer sorgeberechtigten Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG einher. Ist die Schullaufbahn eines minderjährigen Schülers noch nicht beendet, wirken sie auch noch nach, so dass ein Rehabilitationsinteresse ausreichender Anlass für eine gerichtliche Entscheidung über ihre Rechtswidrigkeit sein kann.

22

Die Klage ist auch begründet.

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Sowohl der Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 2006 als auch der Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2006 und der Widerspruchsbescheid der Landesschulbehörde vom 7. November 2006 waren rechtswidrig.

24

Nach § 61 Abs. 2 NSchG sind Ordnungsmaßnahmen nur zulässig, wenn Schülerinnen oder Schüler ihre Pflichten grob verletzen, insbesondere gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen, den Unterricht nachhaltig stören, die von ihnen geforderten Leistungen verweigern oder dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben. Soll eine Schülerin oder ein Schüler vom Unterricht ausgeschlossen werden oder ihr oder ihm ein Unterrichtsausschluss angedroht werden, sind an die Schwere der groben Pflichtverletzung qualifizierte Anforderungen zu stellen. Gemäß § 61 Abs. 4 Satz 1 NSchG setzen diese Ordnungsmaßnahmen voraus, dass die Schülerin oder der Schüler durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Unterricht nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat.

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Die Voraussetzungen lagen weder für den von dem Schulleiter der Beklagten am 20. Mai 2006 als Maßnahme in einem Eilfall (§ 43 Abs. 2 Nr. 6 NSchG) verfügten Unterrichtsausschluss noch für die von der Klassenkonferenz am 29. Mai 2006 beschlossene Androhung eines (weiteren) Unterrichtsausschlusses des Klägers zu 1. vor.

26

Soweit der Schulleiter der Beklagten in seinem Bescheid vom 20. Mai 2006 und ausweislich der Begründung auf Seite 3 des Bescheides vom 30. Mai 2006 auch die Klassenkonferenz einen Verstoß des Klägers zu 1. gegen das Waffengesetz angenommen haben, sind sie zu Unrecht von einer groben Pflichtverletzung des Schülers in Gestalt eines Rechtsverstoßes und einer damit einhergehenden Gefährdung der Sicherheit anderer ausgegangen. Vielmehr hat der Kläger zu 1. seiner Rechtsauffassung und der seiner Eltern entsprechend nicht gegen das Waffengesetz verstoßen. Sein Umgang mit der Soft-Air-Spielzeugwaffe, der waffenrechtlich den Erwerb, das Ausprobieren und das Mitführen umfasst, war ihm weder nach § 2 Abs. 1 Waffengesetz verboten, noch war er erlaubnispflichtig nach § 2 Abs. 2 Waffengesetz. Die Kläger haben hierzu im Widerspruchsverfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass die erworbene Soft-Air-Spielzeugwaffe nach Maßgabe der gemäß § 2 Abs. 5 Waffengesetz erlassenen Feststellungsbescheide des Bundeskriminalamtes vom 3. Mai und 18. Juni 2004 nicht als Waffe im Sinne des Waffengesetzes eingestuft wird.

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Es liegt auch keine grobe Pflichtverletzung des Klägers zu 1. in Gestalt eines Verstoßes gegen den Erlass des Nds. Kultusministeriums „ Verbot des Mitbringens von Waffen usw. in Schulen“ (sog. Waffenerlass; vom 29.6.1977, zuletzt geändert durch Erlass vom 15.1.2004, SVBl. S. 133) vor. In Abschnitt 1 Satz 1 des Waffenerlasses ist es den Schülerinnen und Schülern aller Schulen in Niedersachsen untersagt, Waffen im Sinne des Bundes-Waffengesetzes in der jeweils geltenden Fassung mit in die Schule oder zu Schulveranstaltungen zu bringen. In Satz 2 des Erlasses wird hierzu erläutert, dass dazu im Wesentlichen die im Bundes-Waffengesetzes als verboten bezeichneten Gegenstände (insbesondere die sogenannten Springmesser oder Fallmesser, Stahlruten, Totschläger, Schlagringe usw.), ferner Schusswaffen (einschl. Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen) und gleichgestellte Waffen (z.B. Gassprühgeräte) sowie Hieb- und Stoßwaffen gehören. Aus dem Verbot des Satzes 1 und der Erläuterung in Satz 2, die sich darauf beschränkt, beispielhaft verbotene bzw. erlaubnispflichtige Gegenstände und Waffen im Sinne des Waffengesetzes aufzuzählen, lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass nach dem Willen des Erlassgebers auch das Mitbringen von Gegenständen verboten sein soll, die dem Grunde nach den Waffenbegriff des Waffengesetzes erfüllen können, aber - wie die von Kläger zu 1. erworbene Spielzeugwaffe - vom Anwendungsbereich des Waffengesetzes ausgenommen sind.

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Entsprechendes gilt für den von der Beklagten angenommenen Verstoß gegen das Verbot in Nr. 5 der Schulordnung der Beklagten vom 7. Dezember 2005. Darin heißt es: „ Verboten sind Schusswaffen, Messer mit stehender Klinge, Feuerwerkskörper und andere Dinge, die Menschen verletzen können. Näheres regelt der Waffenerlass.“ Da das Verbot von Schusswaffen sowie „anderer Dinge, die Menschen verletzen können“ in der Schulordnung nicht näher präzisiert wird (z.B. für Spielzeug, Scheren, Werkzeuge usw.), kann die Aussage „Näheres regelt der Waffenerlass“ nur als allgemein verbindliche Erläuterung des Verbots verstanden werden, das danach in Bezug auf das Mitbringen von Spielzeugwaffen nicht weiter reicht als das Verbot des Waffenerlasses.

29

Soweit die Beklagte schließlich im Anschluss an die eingeholte schulfachliche Stellungnahme mit der Klageerwiderung geltend macht, Schüler dürften Soft-Air-Waffen wie die vom Kläger zu 1. gekaufte nicht zu Schulveranstaltungen mitbringen, weil ihr Anblick wegen der Gefahr einer Verwechselung mit einem echten Sturmgewehr zu gefährlichen Situationen führen könne und weil auch von Soft-Air-Waffen eine Verletzungsgefahr ausgehe, können diese Erwägungen die Ordnungsmaßnahmen schon deshalb nicht stützen, weil sie ausweislich der Begründung der Bescheide vom 20. und 30. Mai 2006 und der vorliegenden Konferenzprotokolle neben den angenommenen Verstößen gegen das Waffengesetz, den Waffenerlass und die Schulordnung kein selbständig tragender Grund für die getroffenen Ermessensentscheidungen des Schulleiters und der Klassenkonferenz waren.

30

Im Übrigen verlangt der Begriff der „groben Pflichtverletzung“ in § 61 Abs. 2 NSchG, dass jugendlichen Schülerinnen und Schülern Verhaltensregeln an die Hand gegeben werden, aus denen sie ableiten können, was von ihnen als pflichtbewusstes Handeln erwartet wird. Handelt es sich dabei nicht um Selbstverständliches, wie zum Beispiel das Verbot, gegen Rechtsvorschriften zu verstoßen und die Pflicht, die mit dem Schulrechtsverhältnis notwendigerweise verbundenen ungeschriebenen Schülerpflichten zu erfüllen, müssen klare Regeln aufgestellt werden, die von den Schülerinnen und Schülern zu beachten sind. Das gilt auch in Bezug auf das Verhalten während einer Schulfahrt, bei der sich das gemeinschaftliche Leben und Erleben und die privaten Verhaltensweisen der Schülerinnen und Schüler miteinander vermischen. Es kommt hinzu, dass der von der Beklagten im vorliegenden Fall beabsichtigte präventive Zweck einer Ordnungsmaßnahme nur erreicht werden kann, wenn die Maßnahme nicht nur im Lehrerkollegium, sondern auch in der Schüler- und Elternschaft allgemein auf Akzeptanz stößt.

31

Einem Schüler kann es daher nicht als grobe Pflichtverletzung vorgeworfen werden, dass er schulrechtliche Verbotsvorschriften nicht in dem von der Schule erwünschten Sinne interpretiert hat, wenn diese - wie im vorliegenden Fall die Reichweite des Waffenverbots im Waffenerlass und in der Schulordnung - zumindest mehrdeutig sind. Denn es ist nicht das Versäumnis des Schülers, sondern das der Schulverwaltung und der Schule, wenn über die Auslegung der von ihnen aufgestellten Verhaltensmaßregeln Streit entsteht. Sie haben es in der Hand, den Schülerinnen und Schülern die Regeln vorzugeben, deren Einhaltung sie erwarten, inhaltlich eindeutig und damit unmissverständlich vorzugeben. So wie sich das Mitbringen von Kickboards, Skateboards, Rollerskates und das Benutzen von Handys usw. eindeutig untersagen lässt (s. die Schulordnung der Beklagten), lässt sich ein entsprechendes Verbot auch für den privaten Erwerb anderen nicht verbotenen, aber nach pädagogischer Einschätzung potentiell gefährlichen Spielzeugs wie Soft-Air-Spielzeugwaffen auf einer Klassenfahrt aussprechen (ebenso: BayVGH, Beschluss vom 16.6.2005, NVwZ-RR 2006 S. 545 [VGH Bayern 16.06.2005 - 7 ZB 05.918]). Das dieses hier über die aus Anlass einer Schulfahrt vor Antritt der Fahrt üblicherweise gesondert erteilten Verhaltensregeln (z.B. Kauf von Alkohol, Drogen usw.) hinaus geschehen wäre, lässt sich angesichts des fehlenden Sachvortrags der Beklagten zum konkreten Verhalten des die Schulfahrt leitenden Klassenlehrers nicht entnehmen.

32

Der Widerspruchsbescheid der Landesschulbehörde vom 7. November 2006, durch dessen Begründung der Bescheid der Beklagten seine endgültige Gestalt erhalten hat, war schon rechtswidrig, weil er nicht hätte ergehen dürfen. Mit Erwerb des Realschulabschlusses durch den Kläger zu 1. und dem anschließenden Ende der Unterrichtszeit des Schuljahres 2005/2006 hatte sich die von der Klassenkonferenz am 29. Mai 2006 beschlossene und von den Klägern angefochtene Ordnungsmaßnahme sachlich erledigt. Zuvor hatten sich bereits die mit dem Widerspruch zugleich angefochtene Eilmaßnahme des Schulleiters vom 20. Mai 2006 und das mit der Widerspruchsschrift vom 9. Juni 2006 angegriffene Erziehungsmittel endgültig erledigt. Hat sich aber ein Verwaltungsakt in der Sache erledigt, ist der Erlass eines Widerspruchsbescheides unzulässig (BVerwG, Urt. vom 20.1.1989, BVerwGE 81, 226 ff. = NJW 1989 S. 2486 f.); vielmehr ist ein Widerspruchsverfahren in diesem Fall einzustellen.