Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.05.1997, Az.: 17 L 7473/95
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.05.1997
- Aktenzeichen
- 17 L 7473/95
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 28088
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1997:0521.17L7473.95.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 25.10.1995 - AZ: 7 A 5/95
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Osnabrück - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen vom 25. Oktober 1995 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
I.
Die Antragstellerin erstrebt die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses.
Der Beteiligte zu 1) wurde seit dem 16.8.1992 bei der Wehrtechnischen Dienststelle ... (WTD) als Kommunikationselektroniker ausgebildet. Als Ersatzmitglied nahm er am 13.6., 13.9, 28.9, 7.11., 20.12.1994 sowie den drei folgenden Sitzungen der Beteiligten zu 2) teil. Auf seinen Antrag vom 15.12.1994, nach Abschluß der Ausbildung in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen zu werden, teilte ihm die WTD unter dem 22.12.1994 mit, daß eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sei. Am 20.1.1995 schloß der Beteiligte zu 1) die Ausbildung ab.
Mit am 2.1.1995 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schreiben der WTD vom 29.12.1994 beantragte diese nach § 9 Abs. 4 BPersVG festzustellen, daß ein Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG mit dem Beteiligten zu 1) nicht begründet wird. Zur Begründung wurde ausgeführt, im Bereich des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) seien bis zum Jahre 2000 ca. 2.950 Stellen abzubauen. Die Haushalts- und Stellensituation sowie die vorzunehmenden Reduzierungen ließen eine Übernahme des Beteiligten zu 1) nicht zu. Es stehe weder ein freier Dienstposten noch eine freie Haushaltsstelle zur Verfügung. Mangels eines Bedarfs an Fachkräften in der Fachrichtung des Beteiligten zu 1) werde dieser derzeit bis zum rechtskräftigen Abschluß des laufenden Verfahrens außerhalb von Dienstposten als Helfer weiterbeschäftigt. Bereits mit Verfügung vom 14.12.1990 - Az.: ZA I 1/ZA IV 1 - 10-15-99/10-16-00 - habe das BWB bestimmt, daß Neueinstellungen oder Ersatzeinstellungen bei Arbeitern und Angestellten grundsätzlich nicht mehr möglich seien; lediglich in unabweisbaren Fällen könne das BWB eine Ausnahme zulassen. Diesen "Einstellungsstop" habe das BWB durch Verfügung vom 11.3.1991 - Az.: ZA I 1/ZA IV I-10-15-00 - weiter konkretisiert. Danach seien Neueinstellungen von Arbeitnehmern grundsätzlich nicht mehr möglich. Dies gelte insbesondere für die Übernahme des Fachhandwerkernachwuchses. Bei der Wiederbesetzung von Dienstposten nach aufgabenbezogenen Prioritäten sei vorrangig auf das in Überhang geratene Personal zurückzugreifen. Um den Dienstpostenabbau im Rahmen der Reduzierung der Wehrverwaltung sicherzustellen, habe das BMVg - Steuergruppe Umfang des Zivilpersonals in der Bundeswehr - in Durchführung der Staatssekretärweisung vom 21.8.1991 angeordnet, daß freie und freiwerdende Dienstposten nur noch nachbesetzt werden dürften, wenn die Aufgaben im Rahmen der Anpassung an die neuen Streitkräftestrukturen weiterhin bestehen blieben. Dienstposten, die absehbar im Zuge des organisatorischen Nachvollzuges der Reduzierung gestrichen würden, seien endgültig nicht mehr nachzubesetzen. Das BWB bewirtschafte Dienstposten und Haushaltsstellen getrennt. Deshalb sei unerheblich, ob ein Dienstposten zurückgezogen worden sei oder nicht. Die Nachbesetzung eines Dienstpostens sei jedenfalls nur möglich, wenn dafür auch eine freie Haushaltsstelle zur Verfügung stehe, aus der der Dienstposten bezahlt werden könne. Es komme also für die Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) wesentlich darauf an, ob dafür eine freie Haushaltsstelle zur Verfügung stehe. Letzteres sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Zum 1.10.1994 habe im Geschäftsbereich des BWB die Zahl der tatsächlich beschäftigten Angestellten die Zahl der verfügbaren Haushaltsstellen um 36 überschritten. Erst wenn die Zahl der Beschäftigten die Zahl der Haushaltsstellen unterschreite, seien wieder Einstellungen möglich. Es sei aber abzusehen, daß der Personalstand im Angestelltenbereich in den nächsten Jahren drastisch verringert werden müsse. Eine Übernahme des Beteiligten zu 1) sei aber auch deshalb nicht in Betracht gekommen, weil für Fachkräfte seiner Fachrichtung kein Bedarf und kein Dienstposten vorhanden (gewesen) sei. Vor diesem Hintergrund würde eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) eine unzulässige Begünstigung darstellen. Wenn - wie hier - feststehe, daß die Mitgliedschaft in einem Vertretungsorgan für die Entscheidung über die Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis bedeutungslos gewesen sei, so könne aus dem Schutzzweck des § 9 BPersVG ein Übernahmeanspruch nicht allein deshalb hergeleitet werden, weil der Beteiligte zu 1) Mitglied einer JAV gewesen sei.
Nachdem die Beteiligten dem Antrag schriftsätzlich entgegengetreten waren, erwiderte darauf ORR ... vom BWB mit Schriftsatz vom 16.3.1995 unter Vorlage einer Vollmacht des Leiters der WTD vom 29.12.1994, in der dieser ihn bevollmächtigte, "mich in der Bundespersonalvertretungssache WTD 91 ... zu vertreten ... ". Im Anhörungstermin vor dem Verwaltungsgericht erklärte ORR ... zu Protokoll, daß er als Antragsteller die Bundesrepublik Deutschland vertrete, die nach seiner Auffassung richtige Antragstellerin in diesem Verfahren sei. Der Leiter der WTD ... sei nur als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland tätig geworden.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und vorgetragen: Bei der WTD ... hätten in dem Zeitpunkt, in welchem der Beteiligte zu 1) seine Ausbildung abgeschlossen habe, ausbildungsgerechte Dienstposten besetzt werden können. Jedenfalls habe das BWB eine Ausnahme von dem generellen "Einstellungsstop" zulassen können. Allein dieser Umstand lasse schon eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) zumutbar erscheinen. Es komme im Bereich des BWB immer wieder zu Neueinstellungen. Daraus sei zu schließen, daß auch Haushaltsstellen für die Bezahlung der eingestellten Kräfte vorhanden seien. Die Streichung eines Dienstpostens stelle lediglich einen formalen Akt dar, der weder am Aufgabenbestand noch an dem Umstand etwas ändere, daß die Aufgaben auch tatsächlich erledigt werden müßten. Das BWB habe es in der Hand, durch eine Prioritätsentscheidung dem Beteiligten zu 1) einen ausbildungsgerechten Dienstposten zur Verfügung zu stellen.
Mit Beschluß vom 25.10.1995 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung im einzelnen dargelegt, daß eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) hier nicht unzumutbar gewesen sei.
Gegen den Beschluß richtet sich die am 4. Dezember 1995 eingelegte und am 29. Dezember 1995 begründete Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft.
Die Antragstellerin beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
Alle Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Gründe
II.
Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 87 Abs. 2,83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen, die auch durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden. Unabhängig davon muß der Antrag allerdings schon aus formalen Gründen erfolglos bleiben.
1. Gemäß § 9 Abs. 4 BPersVG ist der Antrag auf Auflösung des aufgrund der gesetzlichen Fiktion des Abs. 2 begründeten Arbeitsverhältnisses vom "Arbeitgeber" zu stellen. Das ist nicht der jeweilige Leiter der Dienststelle, bei der die betroffenen Beschäftigten ausgebildet worden sind, sondern die Anstellungskörperschaft, hier also - wovon auch alle Beteiligten übereinstimmend ausgehen - die Bundesrepublik Deutschland. Für den Arbeitgeber handelt im Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG allein derjenige, der ihn gerichtlich zu vertreten hat (BVerwG, Beschluß v. 2.11.1994 - 6 P 48.93 -, PersR 1995, 174 m.w.N.). Die für das personalvertretungsrechtliche Binnenverhältnis vorgesehene Vorschrift des § 7 BPersVG, nach der für die Dienststelle ihr Leiter handelt, hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Maßgebend sind vielmehr die allgemeinen Vertretungsregeln für die gerichtliche Vertretung. Deshalb kommt es hier entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht darauf an, daß nach Ziff. 5 des RdErl. des BMVg. vom 28.11.1978 (VMBl. 1979, 2) die jeweiligen Dienststellen personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren vor den Verwaltungsgerichten grundsätzlich selbst zu führen haben. Diese Befugnis zur Prozeßführung ist hier - ebenso wie die materielle Regelung des § 7 BPersVG - nicht einschlägig, weil es im Falle des § 9 BPersVG ausschließlich um die gerichtliche Außenvertretung der Anstellungskörperschaft als "Arbeitgeber" geht (BVerwG, Beschluß v. 18.9.1996 - 6 P 16.94 -, PersR 1997, 161). Diese Vertretungsbefugnis lag im konkreten Fall, da es sich um Angelegenheiten von Arbeitnehmern einer nachgeordneten Dienststelle handelt, beim Leiter der zuständigen Mittelbehörde, hier also dem BWB.
2. Nach diesen rechtlichen Maßstäben hat die Antragstellerin den Antrag gemäß § 9 Abs. 4 aber nicht rechtzeitig gestellt. Denn der Antrag vom 2.1.1995 war eindeutig vom Leiter der WTD selbst gestellt. Der Umstand, daß dem eine Weisung der vorgesetzten Dienststelle - des BWB - zu Grunde lag und darauf auch eingangs hingewiesen wurde, ändert daran nichts. Vielmehr wird die Antragstellung durch den Leiter der WTD noch bestätigt durch den Schriftsatz der BWB vom 16.3.1995, der als Rubrum "Personalvertretungssache ... Direktor der WTD ... ..." aufführt und als Anlage eine auf ORR ... ausgestellte Vollmacht des Leiters der WTD ... enthält. Selbst wenn in diesem Schriftsatz aber ein eigener Antrag des Leiters des BWB gesehen werden könnte, wäre dieser Antrag gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 BPersVG verspätet. Das gilt erst recht für einen Eintritt des BWB als Vertreter der Antragstellerin im Anhörungstermin vor dem Verwaltungsgericht.
Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin darauf, das Bundesverwaltungsgericht habe noch in seinem Beschluß vom 2.11.1994 (- 6 P 39.93 -, PersR 1995, 170 f) nicht beanstandet, daß der Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG - in Unkenntnis der Rechtslage - vom Leiter der WTD selbst gestellt worden sei, und sei davon ausgegangen, daß dieser für denjenigen gehandelt habe, den es anging. Denn diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem bereits zitierten Beschluß vom 18.9.1996 (aaO) - allerdings ohne dies kenntlich zu machen - in entscheidender Weise modifiziert. Nach der neuen Rechtsprechung räumt § 9 Abs. 4 BPersVG dem Arbeitgeber ein materiell wirksames Gestaltungsklagerecht ein. Deshalb muß die Antragstellung zur Ausübung dieses Rechts ebenso wie die damit unlösbar verbundene Willensbildung hinsichtlich der Frage der Weiterbeschäftigung bei einem Verantwortungsträger liegen, der zur gerichtlichen Vertretung des Arbeitgebers befugt ist. Durch die Setzung der Zwei-Wochen-Frist soll der solchermaßen Berechtigte in angemessener Zeit zu einer verantwortlichen Entscheidung gezwungen werden und der betroffene Jugendliche verbindliche Sicherheit darüber haben, ob sein Arbeitgeber von seinem Gestaltungsrecht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch macht.
Mit dem so verstandenen Schutzzweck ist es unvereinbar, daß ein Dienststellenleiter vorsorglich den Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG stellt, obwohl er nicht zur gerichtlichen Außenvertretung der Anstellungskörperschaft befugt und womöglich nicht einmal zur juristischen Bewertung der Berechtigung des Auflösungsverlangens befähigt ist. Deshalb wirkt eine ihm erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist erteilte Vollmacht des Arbeitgebers nicht gemäß § 89 Abs. 2 ZPO auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurück; diese bleibt vielmehr aus Gründen des materiellen Rechts unwirksam (BVerwG, Beschluß v. 18.9.1996, aaO). Nicht anders verhält es sich aber bei dem hier erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist erklärten Eintritt des BWB als Vertreter der Antragstellerin in dem bereits anhängigen Verfahren. Auch der vom BVerwG (aaO) offen gelassene Fall, daß die Vollmacht des Berechtigten innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erteilt, aber erst später dem Gericht übergeben wurde, liegt hier nicht vor. Denn die mit Schriftsatz des BWB vom 16.3.1996 vorgelegte Vollmacht des Leiters der WTD ... vom 29.12.1994 war, wie bereits aufgeführt, gerade keine Vollmacht seitens des Arbeitgebers bzw. des für sie Vertretungsberechtigten, sondern umgekehrt eine von dem nicht zur Willensbildung und Antragstellung berechtigten Leiter der WTD ausgestellte Vollmacht für einen Beamten des BWB.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.