Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.05.1997, Az.: 17 L 2265/96

Mitbestimmungspflichtige Maßnahme nach§ 69 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG); Anlassbezogene Heranziehung zu Überstunden; Mitbestimmungspflicht bei Anordnungen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.05.1997
Aktenzeichen
17 L 2265/96
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 17125
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1997:0521.17L2265.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 07.03.1996 - AZ: 8 A 7/94

Verfahrensgegenstand

Arbeitszeitanordnungen für Kommunikationsabend.

In dem Rechtsstreit
hat der 17. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes -
am 21. Mai 1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die ehrenamtlichen Richter Bundesbahnoberamtsrat Gosch, Zollamtsrat Löhde, Angestellter Reimann und Regierungsoberamtsrat Niemeyer
ohne mündliche Anhörung
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Fachkammer für Personalvertretungssachen des Bundes - vom 7. März 1996 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung, daß eine als vorläufige Regelung getroffene Anordnung von Überstunden rechtswidrig war.

2

Am 25. August 1994 wurde bei der ... ein Informations- und Kommunikationsabend mit zahlreichen Gästen durchgeführt. Hierfür wurde für alle mit der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Veranstaltung beschäftigten Mitarbeiter durch Verfügung vom 19. August 1994 die Ableistung von Überstunden angeordnet, die durch Freizeitausgleich abgegolten werden sollten. Die betroffenen Mitarbeiter hatten sich bereits zuvor mit der Ableistung von Überstunden einverstanden erklärt. Der Antragsteller wurde darüber mit Schreiben vom 23. August 1994 informiert; zugleich wurde um seine Zustimmung gebeten. Er verweigerte die Zustimmung und erklärte den Antrag als nicht verhandlungsfähig, weil die Zeit nicht mehr ausreiche, sich damit zu befassen. Daraufhin ordnete der Beteiligte die Maßnahme am 25. August 1994 als vorläufige Regelung an.

3

Der Antragsteller hat am 19. Dezember 1994 das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Die Anordnung sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 BPersVG nicht vorlägen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift sei eng zu fassen und nicht auf Informations- und Kommunikationsveranstaltungen zu erstrecken. Eine rechtzeitige Beteiligung wäre möglich gewesen, was nicht durch eine Anordnung nach § 69 Abs. 5 BPersVG kompensiert werden könne.

4

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß die als vorläufige Regelung gemäß § 69 Abs. 5BPersVG bewirkte Anordnung von Überstunden und Arbeitszeitverschiebungen durch den Beteiligten vom 25. April 1994 rechtswidrig war.

5

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

6

und geltend gemacht:

7

Es handele sich nicht um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme, insbesondere nicht um eine generelle Anordnung von Überstunden, sondern um die anlaßbezogene Heranziehung zu Überstunden, der die Mitarbeiter zuvor zugestimmt hätten. Das Schreiben vom 23. August 1994 sei lediglich aus Gründen vertrauensvoller Zusammenarbeit an den Antragsteller gerichtet worden.

8

Mit Beschluß vom 7. März 1996 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

9

Die in Rede stehenden Anordnungen des Beteiligten seien nicht mitbestimmungspflichtig. Insbesondere sei auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG nicht gegeben: Denn diese Vorschrift erfasse nach ihrem Sinn und Zweck nur dauerhafte Regelungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage, nicht aber eine einmalige Anordnung für einen Kommunikationsabend. Im übrigen seien von dieser nur Mitarbeiter betroffen, die ohnehin schon zuvor ihre Bereitschaft erklärt hatten, freiwillig Überstunden für die geplante Veranstaltung zu leisten.

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Gegen den ihm am 15. März 1996 zugestellten Beschluß richtet sich die am 11. April 1996 eingelegte und am 19. April 1996 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht, hier seien zum Schutz der betroffenen Mitarbeiter die Mitbestimmungsrechte nach den § 75 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 sowie 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG einschlägig.

11

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

12

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

13

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

15

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

16

II.

Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 87 Abs. 2, 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Auch das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Beurteilung führen.

17

1.

Erhebliche Bedenken bestehen bereits am Rechtsschutzinteresse des Antragstellers. Denn sein Antrag zielt nicht auf die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts an einer konkreten Maßnahme bzw. der Verletzung eines solchen Rechts oder die Fortsetzung bzw. Nachholung eines Mitbestimmungsverfahrens, sondern allein auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer gemäß § 69 Abs. 5 BPersVG getroffenen vorläufigen Regelung. Für einen solchen Antrag ist ein Rechtsschutzbedürfnis aber nur bei einer gewissen Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, daß sich eine derartige vorläufige Regelung unter vergleichbaren Verhältnissen wiederholen wird. An einer solchen Wahrscheinlichkeit dürfte es hier fehlen.

18

2.

Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht jedenfalls ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers an der hier in Rede stehenden Maßnahme verneint, so daß auch eine Rechtswidrigkeit der darauf bezogenen vorläufigen Regelung nicht in Betracht kommt.

19

a) Daß das vom Antragsteller beanspruchte Mitbestimmungsrecht aus § 76 Abs. 2 Nr. 5 BPersVG bei einer Anordnung von Überstunden nicht gegeben ist, hat das Bundesverwaltungsgericht inzwischen geklärt (Beschluß v. 23.1.1996 - 6 P 54.93 -; PersR 1996, 199; ebenso Hess VGH, Beschluß vom 22.9.1994 - TK 1845/93 -, PersR 1995, 192). Denn eine Hebung der Arbeitsleistung kann nur durch arbeitszeitunabhängige erhöhte Anforderungen am Arbeitsplatz herbeigeführt werden.

20

b)

Eine Mitbestimmung nach § 75 Abs. 4 BPersVG scheidet hier ebenfalls aus. Dehn dieses - eingeschränkte - Recht setzt voraus, daß in der Dienststelle für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit nach nicht voraussehbaren Erfordernissen unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden muß; in einem solchen Fall beschränkt sich die Mitbestimmung auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne. Im Hinblick auf die hier allein zu beurteilende einmalige Regelung für den konkreten Fall des Kommunikationsabends am 25. August 1994 waren die Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 BPersVG nicht erfüllt; ob der Antragsteller aus anderen Gründen für bestimmte Gruppen von Beschäftigten eine Mitbestimmung an Grundsätzen für die Aufstellung von Dienstplänen verlangen kann, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

21

c)

Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht hier auch ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG verneint. Zwar wird dieses Mitbestimmungsrecht durch eine Freiwilligkeit der Ableistung von Überstunden als solche nicht schon ausgeschlossen (OVG NW, Beschluß vom 15.4.1992 - CL 4/89 -, PersR 1992, 518; Beschluß vom 4.11.1992 - CL 52/89 -, RiA 1993, 155). Eine Arbeitszeitregelung i. S. des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG ist allerdings nur bei einer generellen, kollektiven Maßnahme gegeben, die einen Gruppenbezug aufweist. Unter einer Gruppe von Beschäftigten in diesem Sinne ist ein funktional abgrenzbarer Teil von ihnen zu verstehen; keine Gruppe sind einzelne Mitarbeiter ohne funktionalen Zusammenhang. Der erforderliche Gruppenbezug kann jedoch auch dann gegeben sein, wenn die von der Regelung betroffenen Beschäftigten durch einen gemeinsamen Arbeitsauftrag aufgabenmäßig verbunden sind; unter dieser Voraussetzung hängt das Mitbestimmungsrecht nicht davon ab, daß die Arbeitszeitregelung eine gewisse Dauerwirkung hat und sich über mehrere Tage erstreckt. Dagegen fehlt der erforderliche Gruppenbezug, wenn die Beschäftigten allein aufgrund ihrer freiwilligen Bereitschaft von der Dienststelle individuell ausgesucht wurden (BVerwG, Beschluß vom 2.6.1997 - 6 P 14.90 -, PersR 1992, 359).

22

Nach diesen Maßstäben durfte hier - ungeachtet der freiwilligen Bereitschaft der Beschäftigten - eine generelle Maßnahme mit Gruppenbezug zu bejahen sein, weil die Regelung sich auch nach dem Vortrag des Beteiligten auf eine nach funktionalen Kriterien abgegrenzte Gruppe - insbesondere das Küchenpersonal - bezog und die Freiwilligkeit nur hinzutrat, aber nicht das maßgebliche individuelle Auswahlkriterium war. Das bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Denn ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG entfiel hier jedenfalls deshalb, weil sich dieses Recht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer Anordnung von Überstunden nicht auf das "ob", sondern allein auf deren zeitliche Lage bezieht. Es setzt deshalb voraus, daß insoweit eine zeitliche Dispositionsmöglichkeit besteht, sich also Anordnung von Überstunden und deren Ableistung ohne weiteres trennen lassen. Dagegen ist das Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen, wenn der Zeitpunkt der Überstunden so eng mit ihrer Anordnung verknüpft ist, daß beides nicht voneinander getrennt werden kann (BVerwG, Beschluß vom 9.10.1991 - 6 P 12.90 -, PersR 1992, 16).

23

Das war hier aber nach der vom Beteiligten getroffenen Anordnung der Fall. Denn danach lag es in der Natur der Sache, daß die evtl. erforderlichen Überstunden von den betroffenen Mitarbeitern in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung vom 25. August 1994 an diesem Tage bzw. den beiden Tagen davor und danach entsprechend dem Arbeitsanfall zu leisten waren. Es kommt hinzu, daß die Anordnung des Beteiligten insofern eine offene und nur vorsorgliche Regelung darstellte, als sie noch keinen bestimmten Umfang an Überstunden festsetzte, deshalb auch über deren Verteilung noch keine konkrete Regelung treffen konnte. So stellte sich nachträglich heraus, daß für das Reinigungspersonal Überstunden tatsächlich nicht benötigt wurden. Generell wurde vom Beteiligten in erster Linie angestrebt, die Dienst- und Arbeitszeit anläßlich des Kommunikationsabends dem jeweiligen konkreten Arbeitsanfall anzupassen und nur im Notfall auf Überstunden zurückzugreifen. Bei dieser Sachlage ließ die vorsorgliche Anordnung von Überstunden zur Durchführung des Kommunikationsabends am 25. August 1994 aber keinen Raum für eine isolierte, allein auf den Zeitpunkt möglicher Überstunden bezogene Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG.

24

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Gosch
Löhde
Reimann
Niemeyer