Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 08.08.2017, Az.: 3 A 92/16
Anfechtungsklage; Mitwirkungspflicht; Unterlagen
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 08.08.2017
- Aktenzeichen
- 3 A 92/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54121
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 15 AsylVfG
- § 29 Abs 1 Nr 3 AsylVfG
- § 29 Abs 1 Nr 5 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ist dem Bundesamt der aktuelle Stand des Verfahrens in dem anderen Staat und ggf. der Tenor der Entscheidung nicht bekannt, muss es diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen.
Tatbestand:
Der 1995 in Jalalabad geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischer Religionszugehörigkeit.
Nach seiner Ausreise aus Afghanistan im Jahr 2011, reiste er nach eigenen Angaben über Griechenland, Österreich, wo er ca. drei Monate gelebt habe, und Ungarn, wo er ca. sechs Monate inhaftiert gewesen sei, in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Zuvor hatte er bereits in Österreich am 11. Oktober 2011, in Ungarn am 6. Januar 2012 sowie in Belgien am 21. September 2012 Asylanträge gestellt. In Ungarn wurde der Asylantrag des Klägers am 8. Juni 2012 abgelehnt. Gegenüber der Beklagten stellte er im Februar 2013 einen Asylantrag.
Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 4. März 2013 gab er unter anderem an, dass er in Ungarn gezwungen worden sei, einen Asylantrag zu stellen.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2013 entschied das Bundesamt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Ungarn an. Mit Schreiben vom 19. September 2014 erklärte das Bundesamt gegenüber dem Gericht, dass der Bescheid vom 19. Dezember 2013 wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufgehoben werde. Das gerichtliche Verfahren (VG Lüneburg, Az. 1 A 2191/13) wurde daraufhin eingestellt.
Am 25. Februar 2016 teilte das ungarische Office of Immigration and Nationality mit, dass der Asylantrag des Klägers am 8. Juni 2012 abgelehnt, ihm jedoch erlaubt worden sei, dort zu bleiben („was refused on 08.06.2012 but was authorised to stay“). Aufgrund einer Anfrage der belgischen Behörden vom Oktober 2012 sei im Dezember 2012 eine Überstellung von Belgien nach Ungarn erfolgt. Am 13. August 2013 sei der Status des Klägers dann aufgehoben worden („the status of the named person was withdrawn on 13.08.2013“), nachdem er von seinem vorgeschriebenen Aufenthaltsort verschwunden sei. Seither hätten Sie keine Informationen mehr über ihn.
Das Bundesamt lehnte daraufhin mit am 12. Mai 2016 zur Post gegebenen Bescheid vom 9. Mai 2016 den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen, forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan zur Ausreise innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides auf und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Die ungarischen Behörden hätten mitgeteilt, dass dort ein Asylverfahren des Klägers erfolglos abgeschlossen sei und der Kläger habe weder neue Tatsachen vorgetragen, noch neue Beweise vorgelegt.
Gegen den Bescheid vom 12. Mai 2016 hat der Kläger am 24. Mai 2016 Klage erhoben. Er sei psychisch krank.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 13. Juni 2016 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in dem angegriffenen Bescheid angeordnet, weil zum einen offen sei, ob das Prüfprogramm des früheren Asylantrages in Ungarn und das des Asylantrages in Deutschland identisch sei. Zum anderen könne das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht sicher ausgeschlossen werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 9. Mai 2016 - 5609182-423 - zu verpflichten,
die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen,
- hilfsweise: - den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
- hilfsweise: - Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Abwesenheit der Beteiligten und eines Vertreters bzw. Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung über die Klage entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung zum Termin auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Die Klage ist nach der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) lediglich als Anfechtungsklage zulässig (dazu 1.). Soweit sie sich auch auf eine Verpflichtung der Beklagten auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft richtet, ist sie bereits nicht statthaft (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 14). Die zulässige Anfechtungsklage ist auch begründet (dazu 2.), weil die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen (dazu 2. a)) und die Entscheidung auch nicht aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben kann (dazu 2. b)), mithin rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu 2. c)). Dementsprechend war auch die ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben; beide Entscheidungen sind jedenfalls verfrüht ergangen (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 21).
1.
Soweit mit der Klage der Bescheid des Bundesamtes vom 9. Mai 2016 mit dem Ziel der Aufhebung angefochten wird (§ 88 VwGO), ist die Klage zulässig. Soweit darüber hinaus auch die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. - hilfsweise - des subsidiären Schutzes begehrt wird, ist sie unzulässig. Trifft das Bundesamt - wie vorliegend - eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist keine Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes statthaft, sondern grundsätzlich nur eine Anfechtungsklage (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 14 ff.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 01.06.2017 - 1 C 9/17 -, juris Rn. 15).
Die vom Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71a AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 15). Diese stellt, ebenso wie die hier noch ergangene - gleichbedeutende - Ablehnung der Durchführung eines weiteres Asylverfahrens, einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 16). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheides, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Zwar begehrt der Kläger letztlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, dennoch kommt einer Verpflichtungsklage insoweit kein Vorrang zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 17 ff. unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senats; vgl. auch VG Lüneburg, Urteil v. 10.04.2017 - 3 A 129/16 -, Rn. 14 juris zu einer Untätigkeitsklage). Der Gesetzgeber hat mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG das Verfahren strukturiert und dem Bundesamt nicht nur eine Entscheidungsform eröffnet, sondern eine mehrstufige Prüfung vorgegeben (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 18). Erweist sich ein Asylantrag schon als unzulässig, ist eine eigenständig geregelte Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen; zugleich hat das Bundesamt gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 18). Die Prüfungsstufe der Zulässigkeit ist im Falle des § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen (Zweit-)Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 18, 19 (Zulässigkeitsprüfung)). Dabei ist die Zuständigkeit (vgl. hierzu auch VG München, Beschl. v. 03.04.2017 - M 21 S 16.36125 -, juris Rn. 16) der beklagten Bundesrepublik Deutschland (vgl. § 71a Abs. 1 AsylG) vorrangig zu prüfen, da sie einen Asylantrag nur dann aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen kann, wenn sie für dessen Prüfung zuständig ist; anderenfalls wäre eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 18). (Erst) Wenn die Zuständigkeit der Beklagten zu bejahen ist, ist die Zulässigkeit des Asylantrages (Zweitantrag und § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG) zu prüfen. Ist der Antrag zulässig, ist in einer weiteren Entscheidung festzustellen, ob die materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 19 (Sachprüfung)). Diese klare Gliederung in zwei Verfahren legt nahe, damit auch spezialgesetzliche, prozessuale Konsequenzen zu verbinden und den Streitgegenstand einer Klage nach einer derartigen Unzulässigkeitsentscheidung auf die vom Bundesamt bis dahin nur geprüfte Zulässigkeit des Asylantrages beschränkt zu sehen (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 19). Danach kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit ohnehin verpflichtet ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 19; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 01.06.2017 - 1 C 9/17 -, juris Rn.). Eine (zulässige) Verpflichtungsklage kommt nach alledem nur dann in Betracht, wenn das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen und durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise die Feststellung eines solchen Abschiebeverbotes zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden soll (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 20).
2.
Die Anfechtungsklage ist begründet. Unabhängig davon, ob die Beklagte für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist (vgl. § 71a Abs. 1 AsylG) und daher einen Asylantrag aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen konnte, liegen jedenfalls die Voraussetzungen einer solchen Unzulässigkeitsentscheidung bereits deshalb nicht vor, weil nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass es sich bei dem Asylantrag des Klägers um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG handelt.
a)
Ein Zweitantrag setzt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren - in einem sicheren Drittstaat - voraus, d.h. der Asylantrag muss entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrages bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden sein (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 27, 29; a.A. hinsichtlich der endgültigen Einstellung wohl VG Hannover, Urt. v. 16.03.2017 - 10 A 7713/16 -, juris Rn. 16).
Eine Einstellung ist etwa dann nicht endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet oder -aufgenommen werden kann, was nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen ist, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 29). Der erfolglose Abschluss des (Erst-)Verfahrens in dem anderen Staat muss feststehen (VG Hannover, Urt. v. 16.03.2017 - 10 A 7713/16 -, juris Rn. 17), eine bloße Vermutung ist nicht ausreichend (vgl. VG Aachen, Beschl. v. 27.04.2017 - 2 L 74/17.A -, juris Rn. 17; VG München, Beschl. v. 03.04.2017 - M 21 S 16.36125 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Ist dem Bundesamt der aktuelle Stand des Verfahrens in dem anderen Staat nicht bekannt, muss es diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen (vgl. VG München, Beschl. v. 03.04.2017 - M 21 S 16.36125 -, juris Rn. 17 m.w.N.; VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 07.12.2016 - 6 L 767/16.A -, juris Rn. 6; a.A. jedenfalls wohl für die Gründe der Entscheidung VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 09.03.2017 - 6 L 203/17.A -, juris Rn. 9). Erforderlich sind grundsätzlich die Informationen zum Verfahrensstand und zum Tenor einer gegebenenfalls getroffenen Entscheidung in dem anderen Staat (vgl. VG München, Beschl. v. 03.04.2017 - M 21 S 16.36125 -, juris Rn. 17 m.w.N.) bzw. zum Gegenstand des früheren Verfahrens (vgl. VG Aachen, Beschl. v. 27.04.2017 - 2 L 74/17.A -, juris Rn. 17). Regelmäßig ist nur dann eine Beurteilung möglich, inwieweit ein Asylantrag bzw. Antrag auf internationalen Schutz in dem anderen Staat gestellt bzw. von dem anderen Staat geprüft worden ist und ob das Verfahren in dem anderen Staat - nach dem dortigen Recht - erfolglos abgeschlossen ist.
Vorliegend haben die ungarischen Behörden mitgeteilt, dass ein Asylantrag des Klägers dort am 8. Juni 2012 abgelehnt worden sei. Ihm sei jedoch erlaubt worden, dort zu bleiben. Aufgrund einer Anfrage der belgischen Behörden vom Oktober 2012 sei im Dezember 2012 eine Überstellung von Belgien nach Ungarn erfolgt. Am 13. August 2013 sei der Status des Klägers dann aufgehoben worden, nachdem er von seinem vorgeschriebenen Aufenthaltsort verschwunden sei. Seither hätten sie keine Informationen mehr über ihn. Aufgrund dieser Informationen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass das Asylverfahren des Klägers in Ungarn erfolglos abgeschlossen ist im Sinne des § 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG. Vorliegend ist offen, was die ungarischen Behörden im Einzelnen geprüft und wie sie konkret entschieden haben. Das Bundesamt hat seit der Mitteilung der ungarischen Behörden vom 25. Februar 2016 - trotz bestehender Möglichkeiten - keine weiteren Informationen eingeholt und auch sonst keine Umstände dargelegt, die das Gericht zu der Überzeugung eines erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens im Sinne des § 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG gelangen ließen. Auch ist insoweit ein Verstoß des Klägers gegen seine Mitwirkungspflichten (§ 15 AsylG) nicht feststellbar (vgl. dazu VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 09.03.2017 - 6 L 203/17.A -, juris Rn. 9). Da dem Kläger (zunächst) erlaubt worden war, in Ungarn zu bleiben, bestehen zudem bereits Zweifel an einer Erfolglosigkeit des Asylverfahrens, auch wenn insoweit auch denkbar ist, dass ihm dort lediglich ein dem deutschen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG entsprechendes Bleiberecht gewährt worden war. Insoweit ist auch nicht bekannt, welcher Status des Klägers dann in Ungarn im August 2013 wieder aufgehoben worden war. Zweifel hat das Gericht auch daran, dass das Asylverfahren in Ungarn von Oktober 2011 bis Juni 2012 dem von dem Kläger nunmehr in Deutschland begehrten Asylverfahren entsprochen hat. So ist das Gericht insbesondere nicht davon überzeugt, dass in dem ungarischen Verfahren auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes, jedenfalls wie sie nach heutigem deutschen bzw. europäischen Recht zu prüfen wären, geprüft worden sind (vgl. auch VG München, Beschl. v. 03.04.2017 - M 21 S 16.36125 -, juris Rn. 20, 17; VG Göttingen, Beschl. v. 10.06.2016 - 2 B 149/16 -, juris Rn. 14; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 02.03.2016 - 3 B 29/16 -, juris Rn. 22). Da der Tenor bzw. der Gegenstand des Verfahrens nicht bekannt ist, kann dies nicht festgestellt werden. Auch kann davon nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Zwar sah bereits die Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie) Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz vor, allerdings wurde Betroffenen insoweit auch in Deutschland „nur“ ein Abschiebeverbot gewährt (DVP 12/16, Asyl - Der Weg zu einem subjektiven Recht, S. 527 [530]; vgl. auch VG Göttingen, Beschl. v. 10.06.2016 - 2 B 149/16 -, juris Rn. 186; Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 02.03.2016 - 3 B 29/16 -, juris Rn. 22). Erst seit dem Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I 3474) zur Umsetzung der inzwischen überarbeiteten Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) wurde in Deutschland der subsidiäre Schutz als eigener Schutzstatus (vgl. DVP 12/16, Asyl - Der Weg zu einem subjektiven Recht, S. 527 [530]) geprüft.
Das Gericht sah sich angesichts der undetaillierten Mitteilung der ungarischen Behörden auch nicht gehalten, anstelle des zur Aufklärung verpflichteten Bundesamtes (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG) die bislang nicht ermittelten Umstände selbst im Rahmen der Amtsermittlung in Erfahrung zu bringen, zumal dem Bundesamt die Beschaffung weiterer Informationen unbenommen bleibt und ihm auch speziellere Möglichkeiten der Kommunikation sowie des Informationsaustausches zur Verfügung stehen, wie etwa der so genannte Info-Request (vgl. dazu etwa Bay. VGH, Urt. v. 13.10.2016 - 20 B 15.30008 -, juris Rn. 31).
b)
Die Entscheidung kann nicht auf Grundlage eines auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 21).
§ 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG kommen von vornherein nicht in Betracht, da Ungarn ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und dem Kläger aller Vorrausicht nach bislang kein internationaler Schutz durch einen Mitgliedsstaat gewährt wurde. § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (i.V.m. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG) ist auf - wie hier - einen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht anwendbar, weil "sicherer Drittstaat" in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.06.2017 - 1 C 9/17 -, juris Rn. 17; Beschl. v. 23.03.2017 - 1 C 17/16 -, juris Rn. 13 ff.). Das Gericht ist auch nicht davon überzeugt, dass ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Insbesondere hat Ungarn eine etwaige vorangegangene Zuständigkeit jedenfalls gem. Art. 19 Abs. 4 Dublin-II-VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist verloren.
c )
Die rechtswidrige Ablehnung der Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens verletzt den Kläger auch in seinem aus dem Unionsrecht folgenden Recht auf Prüfung seines Schutzbegehrens durch die Beklagte als Mitgliedstaat der EU (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 -, juris Rn. 43).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.